Page images
PDF
EPUB

4.

Frage n.

Fragment.

1. Giebts Einen drückenden Mangel, Ein ents schiednes Uebel unsres Geschlechts, das nicht durch die gemeinschaftliche Beihülfe der menschlichen und bürgerlichen Gesellschaft aufgehoben, oder bis zum Unbedeutenden erleichtert werden könnte? Gegen die Uebel der Natur, wissen wir, müssen uns Verstand und Voraussicht durch Anstalten und Klugheit waffs nen; nun ist aber der gemeinschaftliche Verstand der rechte, es möge ihn Einer oder mehrere leiten; gea meinschaftliche Anstalten sind allein durchdringends wirksam, und um so wirksamer, je inniger sie die Menge umfassen, und das Wohl des Ganzen fördern, Nenne man Ein Uebel, das auf diesem Wege nicht vertilgt oder aufferst vermindert oder vertheilt werden toune ?

Was diese Minderung unmöglich macht oder aufhält, ist etwas andres, als der Egoismus? Die Entsagung des allgemeinen Rechts, der allgemeinen Vernunft, Billigkeit und Wahrheit? Mit welchen Namen man auch dies Haften an Absonderung, an eigenmächtigen Vortheilen und Vorurtheilen nennen möge, ist etwas anderes als ein Absondern von der gemeinsamen Vernunft, Billigkeit, und Wahrheit?

eine freiwillige Deportation ins Laud der Schatten, da man mit verblichenen Namen und Anmaassungen, wie mit Gespenstern lebet, sich selber täglich verehrend speiset, und den Geruch eigner Verwesung trinket. Unbekümmert, ja hart der Menge, die durch uns und um unsertwillen leidet ein schaudervolles Gefängniß, das den Unglücklichmachenden viel mehr qualt, als die Verunglückten.

3. Und giebt es ihm zu entkommen ein Mittel, als Maad? Maas der Gerechtigkeit und Wahrheit. Zu diesem aber zu gelangen, bedarfs etwa blos jener müssigen Kritik, die von sich selbst ausgehend, als les nur schäßt und schäßt, gewöhnlich sich überschäßt, und damit Alles verwirret, nichts vollführet. Recht und Wahrheit, wodurch äußern sie sich als durch sich felbst, durch Thätigkeit, durch Wahrheit? Da gewinnt Jeder feinen Plak; da wird durch gemeins fame Thätigkeit, wie von selbst, ein Reich der Bil ligkeit und Liebe. Denn diese, die voran fliegt, ein himmlischer Genius, kennet keine Schranken, weil sie sich nicht kennet, weil sie sich selbst dem Wohl des Ganzen aufopfert.

5.

Deutsche Hoheit.

Fragment.

„Allergetreuestes und höchstschuldiges Trauer - und Thränenopfer, welches bei Höchstselig. stem Absterben und darauf erfolgten Siegreichen Himmelfahrt der Glorwürdigsten N. N. Majes ståt, wie auch allergehorsamstes Glückwunschund Freudenopfer, so bei allererfreulich stem und Gott gebe! Höchstglückseligstem Regierungsantritt der geheiligten N. N. Majestät mit höchstem Eifer und niedrigster Demuth abgestattet und zu der damal- regierenden N. N. Majestät Füßen Anno MDCCV allerunterthänigst niedergelegt worden.“

Kaum, da des Höchsten Hand bei Höchstätt uns erquicket,
Da Frankreichs Sonne wich nach ihrem Untergang.
Da Deutschland seine Feind mit Blut zurückgeschicket,
Und nach so langem Weh das Hallelujah sang;

Da will sich auch die Sonn' in Often von uns wenden,
Und unser Kaiser stirbt mit Lorbeern in den Hånden.

፡ - Doch Seufzer, haltet still! Verzehret euch, the

Záhren,

Die Sonn geht zwar zur Ruh nach wohl, vollbrachtem Lauf;
Der Himmel aber will schon wieder sich verklären,

Es geht im Orient ein' andre Sonne auf,

Die durch des Höchsten Gnad wird immer höher steigen, Bis daß sich Sonne, Mond und Sterne vor ihr neigen. II. f, a) a) Pomona oder aufgesammlete Früchte der Einsamkeit von vers schiednen pretischen Deutschen auch andere Gedanken und Ers findungen. Nürnb. 1726. Der Verf. war kein gemeiner

[ocr errors]

So schrieb man, so verschte man zu Anfange des verlebten Jahrhunderts in Deutschland. Mit wenis gen Ausnahmen toute dieser leere Posaunenton von der Nord- und Ostsee zum Rheim, zur Donau, zu den Alpen. Von der höchsten Majeståt an in beiden Geschlechtern, mit eingeschlossen den neugebohrnen Prinzen von Austurien, durch alle Chur- und Fürstens håuser, durch neunhundert neun und neunzig regierens de Höfe und Domkapitel, voll hoch und hochwohlges bohrner Macenaten, Excellenzen, lebten allenthalben erhabue Wunder der Welt, unvergleichbare Muster in jeder Vollkommenheit und Tugend, in jeder Wiss senschaft und Kunst, vornåmlich aber in der Dichtkunst, Wie Lohenstein und Hofmannswaldau waren, seit die Welt stand, keine Poeten gewesen; der göttliche Schurzfleisch übertraf alle a). Auf jeder Uni versität Deutschlands glänzten, brannten und flamm, ten Lichter, vor denen der Erdkreis sich neigen mußs te; bei jedem Prorectoratwechsel ging eine neue Sons ne auf. Ein Doctorgrad war die höchste Würde der Sterblichkeit, die in feuriger Glut also besungen ward:

Bei deiner Lorbeern Pracht wallt meiner Wünsche Loh,
Ein Zunder fachet an mein feuriges Bemühen u. f. b)

Dichter, sondern Sr. Kaiserl. Maj. wirklicher, Sr. Chur
fürstl. Eminenz und Gnaden geheimer Rath, seiner Republic
Duumvir, Kaiserl. Prátor u. f. f.

a) S. die Vorrede zu des Schlesischen Helikons auserlesenen G:-
dichten. 1699. Unverschämteres kann man nichts lesen.
b) Barthol. Feindes deutsche Gedichte 1708.

Zu dieser Aufgeblasenheit gesellte sich noch eine besondre Unart. Fast lobte man keinen Deutschen, ohne daß man die Ausländer grob schmähte. Am übelsten ging es dem Erbfeinde des Deutschen Reichs. Denn, sagte man fein und wißig:

Denn wenn man einen Bel: Esprit a)

Aus Frankreich in Person auf Deutsche Boden sieht,
So glaubt man allezeit, daß der Akademist
Ein Gaukler und ein Gaudieb ist.

Wie in aller Welt kamen die Deutschen, denen sonst das Lob månnlicher Bescheidenheit gebührte, zu diesem eklen Selbstlobe? Wie kamen sie, denen sonst kalte Billigkeit in Schäßung fremder Verdienste eigen war, zu einer unbilligen, groben Verachtung andrer und zwar der Nation, die sie nachahmten, von denen sie borgten. Indeß sie Italianern und Franzosen, einem Balzac, Voiture, le Paid, Boileau u. a. nachhinkten, thaten sie groß. Wie endlich kam die denkende Nation, zu jener schrecklichen Gedankens leerheit, die ernste Nation, zu jenen kindischen Worts und Bilderspielen, die edle Nation, zu jener elens den Kriecherei, bei der sie sich, staubleckend, die Ers fte der Welt dünkte? Es waren böse Erbschäden, die fie drückten; wollte der Himmel, daß sie nach einem für sie traurig ausgegangenen Jahrhundert ganz das von geheilt wäre.

Fürs erste stellte Deutschlands Verfassung selbst die Nation auf eine steile Höhe, auf der sie sich a) Esprit ist zu lesen, daß es mit sieht reime.

« PreviousContinue »