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A. Ich weiß, was wir ihr zu verdanken haben. Bildende Kunst und eine Philosophie der Künste war unter dem nordischen Himmel nie zu Hause.

F. Vorausgeseßt also, daß Du keinen barbarischen, `nordischen Ungeschmack weder in Tönen, noch sonst in Worten und Werken aufzubringen Luft hast —

A. Ich habe schon bezeugt, daß ich Rohes roh aufgetragen nirgendher wünsche.

F. So kann Dir zugestanden werden

A. Ich will mir nichts zugestanden wissen, als was jedem Dichter und Mährchenerzähler aus einem frems den, fernen oder verlebten Volk zusteht, nämlich daß er den Reichthum, den ihm dies Volk und dessen Zeitalter gewährt brauchen dörfe. Einem Dicht ter z. B. der aus der Ritterzeit erzählt, steht alles Wunderbare, alles Eigenthümliche der Ritterzeit zu Dienst.

F. Nicht anders.

A. Desgleichen dem, der aus der Feenwelt dichtet

F. Ihm steht die ganze Feenwelt zu Gebote. A. Und dem, der morgenländische Erzählungen und Mährchen schreibt

F. Das Costume der morgenländischen Erzähluns gen und Mährchen. In allen diesen Gattungen haben wir so trefliche Proben, daß darüber kein Zweifel obs walten kann.

Herders Werkez, schön, Lit, u. Kunst. XII,

A. Ein Mehreres als dies will ich nicht, für meine nordische Fabel. Nun möge das Ideal, das in diesen Sagen, in dieser Denkart, in dieser Sprache liegt, hervortreten und selbst wirken.

F. Meinst Du, auf unser Leben wirken ? A. Deßhalb bleibe ich unbekümmert. Verschaffe uns nur den Apfel Jdunens.

2. Zutritt der nordischen Mythologie zur neueren Dichtkunst.

Långst wußte man, daß die Skalden, Dichter der Einwohner in Dännemark, Norwegen, Schwes den und Island, in Sagen, in Saxo und andern Geschichtschreibern des Mittelalters zum Theil übers seßt, zum Theil in der Ursprache bekannt waren. Eis ne eigene Gattung sogenannt runischer Literatur waren wir sehr verdienten Gelehrten des siebenzehnuten Jahrhunderts, Olaus Wormius, Bartholni u. f., so wie, obgleich verstümmelt, dem Resenius die Herausgabe der Isländischen Mythologie und Poetik, der sogenannten Edda, schuldig. Im nächst verfloss senen Jahrhundert ging man, obwohl unterbrochen, auf dieser Bahn weiter. Hickes in England schrieb seinen Schaß mittelländischer Sprachen; das Mags näische Institut, dessen Stifter allen Preis verdient, machte mehrere Isländische Sagen nach und nach bes kannt; es war fast entschlafen, als Peter von Suhm

mit nordischem Heldeneifer das entschläfne Studium erweckte a). Mehr als Eine Aurora borealis glänzt um den Namen dieses verdienstreichen Mannes, als Herausgebers, Geschichtschreibers, Dichters, als Bes förderers der nordischen, arabischen und jeder Literas tur, vorzüglich aber als eines edlen Mannes und Meus schenfreundes b). Eine Reihe von Sagen, unter andern auch die zweite Edda sind auch durch seine Unterstüßung philologisch - würdig aus Licht getreten: seine Bahn werden andre verfolgen. Drei Nationen, Normånner, Dånen, Schweden, deren Edle fich nicht schämen, an der Literatur ihres Vaterlandes Theil zu nehmen, und damit den Geist ihrer Våter unter sich zu erwecken und festzuhalten; Gelehrte, die wie Torfäus, und Ihre, Langebeck, Suhm, Anchersen und f., die sich für die Geschichte bemühs ten, stehn wie die Sterne des nordischen Himmels, hellglänzend.

Die Beurtheilung dieser alten Schriften, im Fels de der Kritik und Geschichte, gehöret nicht hieher; vielleicht ist die Aufgabe: woher die Begriffe der åls tern Edda, d. i. der Voluspa, sammt den Fabeln und der ältesten und neueren Sagen genommen seyu?

a) S. Nyerups Chronologie der Ausgaben aller Nordischen Sagen in Gråters Bragur B. 2. S. 354.

b) S. Uebersicht des Lebens und der Schriften Peter Friede rich von Suhm, geschrieben von Nyerup, überseßt von Eckard, 1799.

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noch nicht aufgelöset. Eine andere Anschaulichkeit ges wann die Sache als zwei deutsche Dichter, Klopstock und Gerstenberg, die nordische Mythologie auf den Deutschen Parnaß übertrugen a). Bald entstand eine Parthei, die diese Mythologie nicht nur über die griechische seßte, sondern im Angesicht Jener dieser beinahe Hohn sprach. Dem Unverdrossenen, der sich in Aupreifung und Exposition dieser nordischen Blumen die seltenste Mühe gegeben, Gråter ist noch keine Gerechtigkeit widerfahren; fast unbillig ist die Kälte, mit der man seine Sammlungen aufnahm b).

Wie die Sache liege, ist ziemlich klar. So wenig die Griechen ihre Mythen für Isländer und Deutsche erfunden oder angewandt haben; so wenig wäre die Edda für sie gewesen. Bei uns, die wir in der Mitte stehn, ist die Frage: was wir aus der und jener Sagenlehre zu machen verstehn? wie wir sie zu ges brauchen vermögen? Nur in der Anwendung findet jede Sage ihren Werth; und da die nordische Mythologie unsrer Sprache näher oder gar einheimisch ist, da die Helden, von denen sie redet, Brüder unsrer Vorfahren, und die Thaten, ja das Klima derselben selbst, unserm Genius verwandt find, so kommt es

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a) Klopstock in seinen Oden, in Hermanns Schlacht, Her, manns Tod, Hermann und die Fürsten; Gerstenberg in feinem Gedicht eines Skalden und in seiner Minona. Audre sind ihnen gefolget, unter denen sich Karl von Münchhaus fen auszeichnet.

b) Fordische, Blumen; Bragur; Bragur und Hermode.

nur darauf an, wem die nordische Iduna ihren Apfel schenke?

Zuerst beträfe es die Opera, et dies, den Preis unsrer Gegenden, unsrer Vorfahren, ihrer Thaten und Lebensweise. Was hatten mit diesen die Musen Griechenlandes zu schaffen, die weder unser Eis, noch unsere Nordlichter, noch die Winterblume des Schnees kannten? Nach Ort und Zeit wäre mans chen Gegenständen der griechische Apollo so fremde, als der Indische Rama, dagegen Braga und Freia, Thor, Odin, Locke ihnen wohlthun. Wo die nordische Mythologie auf's innigste local und klimatisch wird, also daß sie sich in die Ströme Walhalla's, in die Blüthen Glasurs, in die Röthe der Alfen gleichs sam tauchet: da schaudert uns eine fast angebohrne Mitgenossenschaft dieser Bilder an; wir fühlen, daß wir hieher in kein andres zarteres Mährchenland ges hören; wir frieren.

So auch bei Charakterzügen in Tugenden und Fehlern dieser Helden; am sichtbarsten bei Benennungen und dem ganzen Charakter der poetischen Sprache. So wenig es manchen Geschichten au bies derer Rohheit fehlt: so sind anderseits in andern håuss liche Sittsamkeit, Zucht und Ehre, die Farbe der Schaam und alten Tugend bei Männern und Frauen unsres Herzens, unsres Mundes Sprache. Wo wir bisher in diesen Sagen nur Schaum schöpften, mit Bildern und Namen spielend; so konnte es freis

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