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A. Die zweite Gaukelei möchte wohl die seyn, Stände aufs Theater zu bringen.

B. Warum nicht? Thorheiten aus und in allen Stånden. Stand ist etwas Allgemeines; keiner von uns in seinem Staude ist sein Stand. Jeder Staud hat Thorheiten und geliebte Fehler, der Eine mehr, der Andre minder. Sind sie unverderblich, geben sie dem Scherz und der Freude Plak; warum dürften sie nicht auf dem Theater erscheinen? Muß es sich seit Moliere der Arzt, der bürgerliche Edelmann, der Tartuff, der Greffier gefallen lassen, aufzutreten, warum nicht auch der Richter? der Theolog? der Recensent? der Dichter? Auf der Brittischen Bühne find längst alle Stånde. Eben daß alle erscheinen dürfen, mindert das Auffallende, daß Der und Jener erscheine. Und was schadet es dem Stande, daß Der und Jener, der zu ihm gehört, diese, jene Lächerlichkeit an sich habe? Kann ich Quacker nicht herzlich lieben und ehren, wenn ich gleich über die schuldlose Eigenheit dieses komischen Quackers lache, der sich mir zum Vergnügen darstellt? Die Komödie ist eine Schule, die uns die brüderliche Lehre lehrt:,,in allen Ständen giebts Thorheit. Vers tragt euch unter einander."

A. So auch Nationen, Religioney?

B. Nichts anders. Auch dies sind allgemeine Na men. Stelle man ihre Thorheit dar, nur mehr, nur lebhaft.

A. Indem Sie aber Laster und Schande vom komis

schen

schen Theater vertreiben, und die Charakterstücke der Fabel unterordnen, wird es dieser nicht bald an Sujets fehlen?

B. Glauben Sie, daß der menschlichen Thorheiten so wenige sind? oder daß sie je ausgehn werden? Mit jedem Zeitalter verjüngen sie sich; mit jedem blüht herrs lich auf ein neues komisches Theater. Trauriges Geschwäß, daß die Charaktere alle schon benutzt seyn ! Dafür waren sie auch abgenußt; bemerke, ordne neu, und du haft eine neue Fabel.

A. Eben diese macht den Dichtern Sorge. Der Fabelkreis ist so erschöpft, die Gänge des Komödiens schicksals, die Jutriguen, wiederholen sich so sehr —

B. Ein Grübelnder ists, der so im Schlaf redet. Wie Shakespear die Sujets aus in- und ausländischen Geschichten, Romanzen und Erzählungen nahm, wie die französische Bühne den Spaniern den Inhalt ihrer besten Stücke schuldig ist; welche Menge Stoff in der Geschichte, in Novellen, Romanzen, Erzählungen aller Nationen ist noch vorhanden! Es fehlt nur an Künstlern, die ihn bearbeiten. Und wir? leben wir nicht fortwährend im Limbus der Thorheit? Lassen Sie alte Thorheiten abkommen; wir kleiden uns sogleich in neue Moden.

5.

A. Gern spräche ich noch von einer Mitte zwischen Trauer- und Lustspiel; mich dünkt, wir haben nur die beiden äußersten Ende betrachtet.

Herders Werke z. schön. Lit, u. Kunst. XII,

B. Vom bürgerlichen Trauerspiel, von der rührenden Komödie. Ein andermal, wenn uns die Zeit darauf führet.

A. Auch vom historischen und romantischen Trauerspiel, von dramatischen Gedichten, die weder Lust - noch Trauerspiele sind, von Ritterspielen, von Decorationsgedichten, den eigentlichen Schaus und Sehspielen.

B. Ein andermal, wenn uns die Zeit darauf führet. A. Auch von den drei und anderthalb Einhei ten, den Di-, und Tri- und Tetralogieen, den Sylbenmaassen des Theaters.

B. Wenn die Zeit darauf führet,

13.

Roman e.

Romanze, el Romance, lingua Romana hieß in der von den Römern besiegten Welt die Spra che, die aus der alten lateinischen und den Spras chen der überwundnen Völker sich allmålig gebildet hatte, und die römische Herrschaft überlebte. Natürs lich war sie nach Ländern und Zeiten verschieden; mit den Jahrhunderten verfeinte sie sich; die heutige spas nische, italiänische, portugiesische, französische Spras che sind ihre Sprößlinge und Kinder, El Romance hieß also im Spanischen die Muttersprache; romancear hieß aus andern gelehrten Sprachen, dem Latein und Arabischen, in sie übersehen, in ihr umschreiben; wer dies that, hieß ein Romancero. In gutem Romance sprechen hieß klar, verständs lich, gerade heraus, und wie wir sagen würden, Deutsch reden.

Gesänge in der Landessprache hießen also Romanzen. Ihr Sylbenmaas war das natur lichste, das es in der Sprache gab, wie die spanischen Sprüchwörter zeigen; die meisten (Refranes) has ben schon in Prose, das Sylbenmaas der spanischen Romauze. a) Eben so natürlich ist der spanischen Spras che die Abwechselung und Verkettung der ersten,

a) 6. Obres posthumas del Martin Sarmiento T. I.

wie dune

und zweiten, der dritten und vierten Zeile der Ros manze mit einander, da eigentlich zwei, (der Aus, gang sei männlich oder weiblich,) nur durch einen Tonfall, eine sanfte Casur getrennte Verse sind. Eben so natürlich tönen in der Romanze die Afsonanzen, a) d. i. der ähnliche Klang und Ausklang der zweiten und vierten Zeile. Alle aus dem Latein entsproffene Sprachen waren reich an sol. chen, so daß man ihnen kaum entgehen konnte; und da die begleitende Guitarre, die Melodie, der milde Himmel, der Athem des Sängers selbst, geschweige Sinn und Zweck des Gesanges dergleichen Auskläns ger foderten und liebten, so wiederholet sich oft bis "zum Ende des Liedes hinaus Ein heller Vokal, sodër Ein sanfter Tonfall zahllos. Dem Ohr der Spanier angenehm: denn es war, der Beschaffens heit ihrer Sprache und dem Vorbilde der Araber nach, daran gewöhnet. Die Araber nämlich, so wie mehrere morgenländische Völker hatten die Gewohn heit, in Reimen zu complimentiren, b) und in Ges dichten, zumal heroischer Art, aus unterthäniger Höflichkeit sogar mit Einem und demselben Reim das

a) In der spanischen Poëtik machen die Assonanzen und ihre Vers theilung beinahe das Hauptwerk aus. S. die Arte Poëtica Española por Juan Diaz Rengito. Barcelona 1703. Die Sylva de Consonantes füllet sie zur Hälfte.

b) Rhythmi cum alliteratione avidissimae sunt aures Arabum. S. Alb. Schultens Vorrede zu seiner Blumenlese aras bischer Gedichte hinter Erpenius Grammatik.

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