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zu Ende der Politik, wo er von der Musik handelt, eben an den Wirkungen dieser Kunst erläutert. Das hin sie denn auch gehöret. Der reine Weise und Tus gendhafte bedarf des Theaters nicht; wer aber Leidens schaften in sich zu lautern, wer mit sich und mit dem Schicksal zu kämpfen, oder sich mit ihm zu versöhnen hat, der komme und lerne.

Hieraus ergiebt sich, daß je geordneter die Mens schen und die Staaten werden, der Zunder zur tragis schen Flamme sich mindre. Atreus, Thyeste, Klys temnestren u. f. giebt es nur in den sogenannt herois schen Zeiten; in andern spielen sie ihre Rollen, hins ter dem Vorhange oder gar in der Coulisse, sittlicher, verdeckter. Nur Macbeths können morden wie Er; nur Othello's ́erdrosseln ihre Desdemonen also. Eine gewisse Rauhheit der Seele in Herrschsucht, Rache, Stolz, Grausamkeit scheint unter der Hand der Zeit abgeschliffen, wenigstens geglåttet zu seyn, daß sie so scharf nicht rißt oder schneidet. Siehet man Lessing z. B. die Mühe nicht an, die er hatte, den Mord seis ner Emilie durch die Haud des Vaters bei den Zus schauern nur zu rechtfertigen? vielmehr im Gemüth beider und in der Situation selbst ihn zu motiviren? Die Zeiten der Virginia sind vorüber; und ein andrer Water als Odoardo hätte den Dolch vielleicht wohin

anders gerichtet. Auch sind wir in unsern Begrif fen von einem waltenden Schicksal absprechender wors den ; wir wollen ein Verhängniß nicht mehr glaus ben; und haben Recht daran, wenn damit eine schas denfrohe Gottheit oder gar eine Hekate gemeint ist, Aber auch den Sturz der Thronen, den Ausgang gans zer Geschlechter, die ein Damon verfolgt oder eine Unthat hinabreißt, den äußersten menschlichen Jams mer, das tiefste menschliche Elend schaudern wir zu sehen; wir fodern einen fröhlichen, wenigstens einen gemäßigten Ausgang. So will es unser Schicksal.

Wie nun? Sollen wir deßhalb jene alte hohe Fresko- Gemählde bei Aeschylus, Sophokles, Shas kespear aufgeben? Gewiß nicht. So waren die Menschen einst und so sind sie noch; jeht nur schlauer, verdeckter. Au jenen großen Vorbildungen in Tus genden und Gräuelu lasset uns hören, in welchen d nen, mit welchen Wendungen die Leidenschaft einst Laut sprach; jest raisounirt fie leiser und feiner. An Krißeleien aber läßt sich keine reine Handschrift lernen; sondern an großen, starken Fracturzügen.

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Das Menschenherz bleibt immer dasselbe; die Schickung waltet durch alle Stände. Ein unbedeus tender Mensch erfährt oft Katastrophen, wie König Lear sie kaum erfuhr; einer bedrängten Familie erscheint die Retterinn aus Noth gewiß erwünschter, freundlicher, milder, als einer Königinn der uns

erwartete Bundesgenoß ihrer Kriegs und Staatsplane.

Die Herabstimmung der hohen Tragödie zu dem sogenannt, bürgerlichen Trauerspiel ist also keine Erniedrigung, keine Entweihung. Der Ungeheuer auf Thronen sind wir satt; wir wollen in den uns näheren Ständen und Verhältnissen Menschen ses hen, die mit eignerer Kraft als vielleicht Jene die Schi, cung abwenden oder gegen sie kämpfen. Sokrates und Epaminondas, die Horazier, Coriolan, Regulus, Brutus, Cinna, Seneka, Papinian, u. f. waren keine Könige, sondern Bürger.

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Hat das rettende Stück einen fröhlichen Ausgang, so schmerze es der Spottname einer weinerlichen Komödie (comedie larmoyante) nicht; wir haben unter diesem Namen rührende Stücke der leidenden und geretteten Menschheit. Ueberhaupt ists ein gutes Zeis chen, daß wir den Geschmack am Flitterstaat der Alts Französischen, so wie an der gothischen Pracht der Engs lischen Tragödie verlohren haben; auch die Theilnah me am Geklirr und Gelårm des alten gedankenlosen Ritterwesens ist fast vorüber.

Der Feind, mit dem wir kämpfen, ist das schwächs liche Divertissement falscher Künstelei, falscher Lies belei, falscher Weisheit. Gern möchten wir den gans zen Shakespear in einen Gozzi verwandeln, (den man ja auch den Italianischen Shakespear genannt hat) oder,

wo möglich, alle seine Stücke als Opern sehen und hören. Nicht überlegend, daß wir dadurch die ganze Kraft seiner tragischen Muse, seinen Monolog, seine Sprache des Herzens, der Vernunft und Nas tur, sondern auch die Declamation verlohren, die nicht am Gesange: (denn der will gehört, nicht geses hen seyn;) sondern an gesprochenen Worten haftet. In Vorzeichnung der Action durch die Sprache selbst ist Shakespear Meister.

12.

Das Lustspiel.

Unterredungen.

I.

A. Ihre Blätter vom Trauerspiel habe ich gele fen; wo wollen Sie aber mit dieser Idee beim Lust, spiele hinaus? Ist es nicht auch Drama? Und wo ist sein Ring des Schicksals?

B. In der Hand des Dichters, wie beim Trauers spiel; und zwar ist er im Lustspiel fast noch erkenntlis cher als in diesem. Er heißt die Fabel der Komödie ohne welche, finnreich angelegt, verschlungen und ents wickelt, kein Lustspiel taugt.

A. Und die Charakter - Komödien? die echte philosophische Gattung

B. Sind hinkende Stücke, wie die ausgepußten Charakter-Trauerspiele. Will ich Charaktere bes schrieben lesen, so nehme ich Theophrast, la Bruye re, oder Aristoteles Rhetorik.

A. Hier sehen Sie sie aber dargestellt.

B. Ohne daß fie in eine Fabel greifen, und mit ihr innig verwebt sind, hindern sie das Lustspiel. Isos lirt steht sodann der breit angemeldete Charakter vor mir, geschildert, nicht handelnd. Angepuķt wird er und angezogen; rings um ihn werden Spiegel

gestellt,

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