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regelt, ja die uns unter dieser Regel mit Allem zus sammenband, mit Allem zusammenstimmte.

Denn nun treten entweder mehrere Stimmen zu einander; es wird Ein Chor, das Feierlichste, das je ein irdisches Ohr hörte. Ein von vielen Stimmen und Instrumenten gehaltener harmonischer Ton durchdringet die Seele. Oder die Stimmen theilen sich; sie antworten oder begleiten einander; süße Eintracht, das Bild himmlischer Zusammenwirkung, Liebe und Freundschaft. Oder sie verfolgen einander, kẩmpfen, umschlingen, verwirren sich, und lösen einander zur füßesten Beruhigung auf; trefliche Darstellung des ganzen Gewebes unsrer Empfindungen und Bemühuns gen auf dem Kampfplah des Lebens. Wem Worte und Töne dies verbündet ausdrücken, der wird über sich, aus sich hinausgezogen; nicht etwa nur in einem Spiegel erblickt er, er empfindet, wenn man so kuhu reden darf, die Ethik und Metaphysik seines menschlichen Daseyns. Wozu wir gebohren wurs den, was wir seyn sollen, wie alles vielartig zusam menstimme, und nach dem härtesten Kampf im liebes vollen Zwist sich harmonisch auflöse.

By Music minds an equal temper know,
Nor swell too high, nor sink too low.
If in the breast tumustuous joys arise,
Music her soft, assuasive voice applies;
Or when the soul is press'd with cares,
Exalts her in enlivening airs.

Warriors she fires with animated founds;,

Pours balm into the bleeding lovers wounds;

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Melancholi lifts her head;
Morpheus rouzes from his bed,

Sloth unfolds her arms and wakes,
List'ning Envy dreps her snakes;
Intestine war no more our Passions wage,
And giddy Factions hear away their rage.

Fortseßung.

Daß dies von jeher der Gesangpoesie Amt gewes feu, zeigt das alte Buch der Ebräischen Psalmen. In ihnen spricht das menschliche Herz alle seine Empfindungen aus, in jeder Situation des Lebens, steigend, sinkend, in Kummer und Freude, in Schmerz und Hoffnung. Es båndigt oder erweckt sich, beruhigt sich, lobpreiset, jubelt. Alle Toue, deren unfre Natur fähig ist, liegen in diesem Psalterion verbors gen; wer sie erwecken und binden kann, erneuet das ålteste Odeum der Vorwelt.

Auch fortgeleiteter Gesäng ist in einigen Pfalmen, Gesangeshandlung, durch unterbrochne, einander entgegengeseßte Chöre. Dies Chormäßige er strecket sich bis auf die einfachsten Theile dieser Compos sitionen: denn die beiden Glieder jedes Verses sind einander antwortende Stimmen, Anklang und Antiphonie, Strophe und Autistrophe.

Außer den Psalmen sind die Salomonischen Lieder, (das hohe Lied genaunt) ein Concert wechselnder und doch gebundener Stimmen der Liebe. . Auch in ihnen ist Ein Gang durch alle Töne, vom leis sesten Seufzer der Sehnsucht steigend zur Liebe, zum

Preise, untermischt mit Kummer und Klage. In Ordnung gestellt würden diese Stimmen ein Früh lingsfest, ein Nachtigallen- Concert geben, wie es der Orient in Lönen und Gesängen liebte.

Bei den Griechen war die lyrische Poesie nichts anders als ein solcher Schwung der Empfindung durch mancherlei Tône. Im ältesten Chor bewegten sich Strophe und Antistrophe gegen einander, sich antwortend, zuleßt einstimmend mit einander. Der feierliche Hexameter war der Griechen älteste Gesangs weise. Da die Naturvölker einfache Melodieen lie ben, so war diese älteste Nationalmelodie der Gries chen ihrer Sprache gemäß glücklich gewählt; Alles konnte die Empfindung in ihr sprechen, und der Verstand fie reich ausbilden. Als die Doppelflöte erfun den ward, die Freude und Leid, heroische und sanfte Töne wechselnd sang, so ward dem heroisch vortreten den Mann gleichsam eine Gattinn, der Pentameter, zugeordnet. Breit und prächtig trat Jener auf; diese nahm sich zusammen, zart und liebreich.

Die Tonarten vermehrten sich, mit ihnen die Zus sammenordnung der Sylbenmaaße; an Bacchischen Festen stieg ihr jubelnder Wechsel zum Dithyrambus. Verlohren ist leider der größeste Theil dieses Schaßes von Tönen aus der Leier Apollo's; aber auch die kleine ften Reste zeigen die Vieltönigkeit seines Köchers voll

Gefangespfeile. Catull und Horaz haben nur die leichtesten gewählt, die sie dem Ohr der Römer und ihrer Sprache anmuthig fanden; die schnelleften Pfeis le ließen sie ihren unerreichten Vorgängern, den Gries chen, an deren Tafeln selbst Polyhymnia sang, in Skolien, d. i. in wechselnden Reihetönen. Eintö nigkeit schien den Griechen nirgend zu gefallen, selbst nicht in Klagen.

Den Chor, aus welchem das griechische Drama hervortrat, muß man also auch als ein Concert der Empfindungen ansehen, von Einem Punct zum Aus dern kunstreich geleitet. So auch die Gesänge Pins dars. Der Chor klagt und jubelt, hoffet und wünscht, fürchtet und zweifelt, warnt, lehrt, erzählt; Alles dies unter einer Gesanges - Regel. Zur Melopšie war die ganze griechische Sprache geordnet.

Als nach Jahrhunderten der Barbarei Poesie und Tonkunst sich wieder hoben, und man von Sonnetten, Madrigalen, Kling- und Singgedichten zu einer Form hinanstieg, die der ganzen Brust voll Empfindungen in Tönen freien Lauf geben möchte; wardder Stas liänische Canzone. Dank dem Provenzalen, der ihn in Sang brachte! Der Phantasie sowohl als der Empfindung hat er Schwingen und Fittige gegeben; Fittige, auf welchen Dante sich seiner Beatrice, Petrarca seiner Laura nach in den Himmel schwangen,

auch hienieden auf der Erde jede Entfernung gleichsam vernichtend, and der Seele wie dem Herzen den freies sten Raum gewährend. Spanische Canzonen- Dichter find den Italiänern schnell nachgefolget, und übertra= fen sie zuweilen in schönen Schwärmereien der Freude und Liebe, oder der Schwermuth und ahnenden Hoff nung. Kürze und Länge der Zeilen wechseln in dieser lyrischen Verkettung so angenehm ab, daß man sich Geseklos glaubt, indem man aufs strengste dem Ges fek folget.

Auch die brittischen Monodieen oder sogenannts Pindarische Oden gehören zu dieser Gattung, ob wohl vester gebaut, oft mit Beiwörtern und Bildern überladen. Alle follten durchaus musicalisch seyn, d. i. ohne bestimmte Melodie Einer Strophe, (die auf die andern nicht passen würde) sollten sie wie Phantasien in Tönen durchgeführt werden können, wie wenn der Tonkünstler Dichter, der Dichter Musis cus wäre. Wie David oder Ossian an der Harfe, Alcáus an seinem goldenen Plectrum, begeistert von der Muse selbst, in Klang und Gesang füße Löne verbanden, so nahet sich vor allen Gattungen der Poesie die lyrische Gattung der Eingebung oder Eingei. stung am nächsten, indem sie eigne Gefühle singt, wie der Moment sie giebt, und gleichsam Schran kenlos den Geist erheben. Jede wahre Ode follte ein solcher Flug der Phantasie und Empfindung seyn, die bald wie ein Adler aufstrebt und schwebet, oder nieder

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