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den hat sie erreichet. Eine Allegorie, auf welche nies mand eine Inschrift machte, als ihr Finder, hat sich überlebet. Zum Emblem und auf Münzen gehört die Juschrift.

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3. Jeder Gattung darstellender Allegorie gebührt ihr Ort, eine ihnen heilige Ståte. Wer seinen Gedanken selbst nicht ehrt, erwartet er, daß andre ihn ehren werden? Stellten Griechen und Römer ihre erhabensten Götter an die Landstraffen? Sie gaben ihnen Tempel, und im Tempel den heiligsten Ort. Seine zarteste Gedanken, theilt man sie Jedermann mit, oder den Freunden? Oft kaum sich selbst. So unsre Denkbilder; sie sind Verräther unsres Geschmacks, wie unsrer Denkart, Siegelringe unsres Lebens. Wer täglich zwischen Allegorieen ambulirte, oder gar zwischen ihnen wohnet, im Farnesischen oder Mantuanischen Saal z. B.; ich sehe nicht, wie er fich, zumal im lekten, entwinden könnte, selbst in heroischer Allegorie den Himmel zu stürmen. So die schlüpfrigen Allegorieen; so die Denkbilder der Kothmahler, der Rhyparographen.

4. Je werther uns eine Allegorie ist, einen desto stilleren Plaß werden wir ihr suchen, den wir uns als ein Heiligthum gleichsam selbst ersparen. Mit jedem Siegelringe siegeln wir nicht Jedem: noch weniger sagen wir Jedem die Veranlassung, in der uns diese Allegorie lieb ward. Keine sollte anders als von Situationen des Herzens oder des Verstandes verans

laßt seyn; dadurch allein bleiben sie uns heilig. `Eg zeigt eine Leere des Geistes oder eine Dede des Herzens an, wenn wir bei Veranlassungen solcher Art die Allegorie, die sie aussprechen, uns nicht sagen. Die Ems pfindung sagte sie uns immer leise. Ein falscher Wahn-ists, daß wir Neuern an Denkbildern verarmt seyn; unser Geist und Herz mögen verarmt seyn; nichts weiter.

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5. Kein Denkbild sei unschön, unfreundlich. Wenn wir der Bedeutung längst gewohnten, erfreue uns immer noch seine Form und Zusammenstellung, der glückliche Gedanke. Er beruhige. Keine Allegor rie rege wild auf; sie erhebe und stärke. Herkules selbst, wenn er den Cerberus aus der Hölle ziehet; Arria, wenn sie dem Påtus den Dolch reicht: „Es schmerzt nicht, Påtus!" werde uns dargestellt ein erfreulicher Gedanke. Und da kein Moment der Hands lung långer und gnügender wirkt, als eines schönen Anfanges oder Endes: so erfasse diesen die Allegos rie der Kunst; die mittlern Zurbationen lasse sie anx dern Künsten. Keinen Laokoon möchte ich zum tågs lichen Denkbilde vor mir, troß seines erhabenen Seufzers; lieber, wenn gleich ohne Kopf und Arme, des Herkules Torso.

Daß wir noch keine Sammlung reiner, geprüfs ter, schöner Allegorieen haben, zeigt, wie weit wir hinter den Griechen stehen, deren Kunstsinn allents halben (im weitern Sinne des Worts) Allegorie,

d. i.

d. i. Seele im Körper, ausdruckvolle Bedeu tung, in der Zusammenstellung klare Einfalt, über, haupt aber das Meiste im Mindesten liebte, suchte und wahrnahm. Wir allegorisiren («λλŋyopauɛv) oft auf eine etwas schiefe Weise, indem wir ganz ets was anders sehen, ahnen, oder darstellen, als was die Kunst uns vorhält oder wir darstellen wollten.

2. Allegorieen der Rede.

Offenbar sind Allegorieen der Rede von einer ans dern Art als Allegorieen, die die Kunst darstellt.

1. Jede Sprache ist voll Personificationen z anders konnte sich keine menschliche Sprache bilden. Der Verstand hatte Begriffe erfaßt; mit Der und Die brachte er sie unter Gattungen und Geschlechter; einige blieben durch ein Geheimnißvolles Das (das Verhängniß, das Glück, das Schicksal) als Neus tra dastehen; verhüllet gleichsam, ohne Geschlecht. Dem Weisen und Dichter blieb es überlassen, wohin er sie zåhle.

Die Engländer rühmen ihre Sprache, daß sie vermittelst ihre Hermaphroditen Artikels the das: Weib in den Mann, den Mann in das Weib einkleis den könne; wir beneiden ihr diesen Zauberstab nicht. Einst nannte auch unfre Sprache alles de (de Sonne, de Mond;) wir danken es der Muse, daß sie die Ges schlechter schied und ein höheres Das geschlechtlos

Herders Wirkes. schön. Lit. u. Kunst. XII.

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ins Heiligthum stellte. Jedes Bild kündigt hiemit durch den Artikel sein Geschlecht selbst an; seine Vors stellung gewinnt durch diese bestimmte Form Klarheit.

2. Sofort ergiebt sich aus diesem Ursprunge der Sprachallegorie das Gefeß aller Allegorieen der Dichte kunst und Rede; nåmlich: leicht müssen sie schwes ben: denn sie sind ätherischer Art. Geschöpfe der Phantasie und des personificirenden Verstandes, aus einem Hauch der Sprache genommen, in einem Hauch ges bildet, müssen sie der Einbildungskraft leicht vortreten, fich lieblich anmelden und das was sie seyn wollen, durch sich selbst bewähren. Erliegen sie unter der Last fremder, drückender Attribute; wåren diese auch At. tribute der Kunst; wir kommen durch sie ganz um den süßen Wahn des geistigen Daseyns jener Verstandesgeschöpfe. Erinnert durch diese Schwerfälligkeiten greifen wir nach ihnen und finden uns, statt im Reich der Geistigkeiten, im Saal kalter Marmorbilder oder gar in der Werkstäte eines schwerarbeitenden Künst lers. Was dieser bedurfte, bedarf ja nicht der schafs fende Geist der göttlichen Rede. Er spricht, so ges schichts; er gebeut und die Bildung stehet der Seele da.

3. Vornähmlich ist dies bei lyrischen Gedichten der Fall, wo auf dem Hauch der Empfindung die Bilder wie Geister vorüberschweben. Wer sie hier mit drückendem Blei belastet, hat sie getödtet. Leset

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Pindar, höret die Chdre der Griechen. Die Bilder, die Allegoricen und Personificationen in ihnen, lassen sie sich zeichnen, meißeln, mahlen? Und warum müßten sie gemeißelt und gemahlt werden? Stellet die Rede, der Klang und Ton der Empfindung sie der Seele nicht unendlich geistiger und inniger dar, als es der zeichnende Künstler thun könnte? Also bleis be dieser in seiner Werkstatt; aus ihr und den Bedürfnissen seiner Kunst schreibe er der Dichtkunst keine Geseze vor, deren sie nicht bedarf, die sie vielmehr lähmen oder gar tödten.

4. Dies um so mehr, da die Kunst selbst ihre bildliche Begriffe der Poesie allein zu danken hat und ohne sie ganz unverständlich spräche. Ehe Phidias bildete, stellte Homer seinen Zevs der Seele erhabner dar, als Phidias selbst ihn bilden konnte. Håtte Jener nicht gesungen, wären seine. Gedichte nicht in der Schauenden Geist gewesen; wer hätte die Riesengestalt des Künstlers erkannt, geschweis ge verehret?

Sehet Guercino's, Guido's Aurora. Wåre die Göttinn nicht schon im Namen Aurora als eine Person gegeben; beide Werke dieser großen Künstler machten sie zu keiner Aurora. Dumpf. frügen wir:. ,,wer ist die Göttinn, die im Licht der Morgenrothe daher schwebt oder fåhret?" denn keins ihrer Attris bute, keine der sie begleitenden Handlungen macht sie zu dem, wozu sie der Dichter blos durch den Nas

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