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aber tiefer empfand und dachte, hielt sich an diese Als legorieen der erhabensten Art. Mit dem mindesten sagten sie dabei viel, und wie rein! wie kräftig!

In unsrer Seele, dieser tiefen verborgnen Welt schläft unter andern Eine sehr wirksame Kraft, die Bildnerin der Gestalten. Da unser Verstand der göttliche Lichtpunkt ist, der allenthalben aus dem Mannichfaltigen sich Einheiten schafft, sie beglänzt und umschließt und bildet: so schlummern in Jedem unsrer Sinne gewohnte Fertigkeiten, dies Schöpfs ungswerk dem Verstande nachzuthun, allenthalben ein Eius zu finden und sich anzubilden aus Vies lem. Kaum schließt sich unser Auge: so schneben ihm Bilder vor, heller, dunkler, trauriger, munter, ungestalt, schön, entzückend, nach der Beschaffenheit und Stimmung des Organs, das Seele und Körper vereinet. Wo schlummerten diese Idole? wer weckte sie auf? Ohne unser Zuthun, uns unwillkührlich, oft uns verhaßt und widrig, verfolgen sie einander und verschweben. In Krankheiten sind Wachende diesen Träumen ausgeseht; es giebt Menschen, die immerhin träumen. Andre, noch aufgeregter, sehen Gesichte. Wir haben nichts erklärt, wenn wir dies bilderschaffende Vermögen die Dichtungskraft unsrer Seele, Phantasie, nennen. Denn diese Zaus berinn ruft nicht etwa nur gesehene, in uns begrabne

Gestalten, wie sie uns einst erschienen, aus der Vers gangenheit hervor; auch nie gesehene Gestalten läßt sie auftreten; sie schaft, sie wirket. Ist sie etwa ein dunkles Abbild jener unendlichen Schöpferskraft, die indem sie denkt, auch schaffet, die indem sie will, auch wirket?

Und in dieser Gestaltenbildung, wenn sie guter Art ist, find Menschen so froh und selig! Schafft nicht Jeder beinah sich auf seine Weise paradisische Opiumträume? Er zürnt, wenn man ihn zur nackten Wirklichkeit aufweckt. In Jenen ist Alles geis stiger als vor dem körperlichen Auge; leuchtender das Licht, heller der Mond, entzückender der Klang der Tóne. Die Gestalten, die der Geist erschuf, sind Geist, find Leben.

Der Dichter ahmt diesem göttlichen Bildungstriebe nach; oder vielmehr, er wirkt unter ihm mit Verstand und Absicht. Sind seine Gestalten leer, seine Formungen schwach; unbedeutend, unbestehend, unerfreuend, sich selbst und einander zuwider; er kann viel Andres, vielleicht auch ein Nüßlicheres seyn, nur ist er kein Dichter. Dagegen ein Andrer, mit wenig Worten, mit wenig Bildern uns in eine neue Welt zaubert; wir sehen die Bilder, mit ihnen lebend.

In wie hohe Würde tritt hiemit die Dichtkunst! Sie wirkt in der Kraft, sie wirkt in der Macht, mit der der Schöpfer wirket. O erschüffe sie also immer auch mit seiner Weisheit, mit seiner Güte,

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mit seinem Verstande! Ihr gebt uns geistige Wels ten; ihr heißt uns lieben und hassen, Dichter! Laßt uns nur das Wahre, das Gute lieben, und bes wahrt uns vor dem Schattenreiche Plutons. Was haben wir gesündigt, daß wir durch Euch wie Irion, Sisyphus und Tantalus gewählt werden müßten ? Schafft heilbringende Gestalten, göttliche Bilder.

Ower den Ring, den Ring der Göttinn hätte,
Der jeden Wahn verscheucht, der freundlich trüget,
Vor dem der falschen Kunst, der Gorgonette,
Die Lary' entfällt, die schädlich uns vergnüget,
Den Ring, in dem sich an der Anmuth Kette
Das Innigste zum Innigsten sich füget;
Er würde, frei von Dunst und Zauberbinden,
Nur Wahrheit schön, nur bold die Güte finden

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In der Rede werden dergleichen Gedankenbildun gen gewöhnlich Personendichtung, in der Kunst Allegorie genannt; sind sie in Beiden Eins ? Kann bildende oder zeichnende Kunst darstellen, was die Rede mit bestimmter Genauigkeit als ihre Schöpfung andentet? Darf Rede sich gefallen lassen, was die bildende oder zeichnende Kunst in ihrer engen Werkståtte allein auszudrücken vermag? Darf sie von ihr Gesetze nehmen?

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Jedermann siehet das Hauptgesek der Allego, rie: „in mir spreche Geist durch den Körper;

womöglich nicht symbolisch, fondern natürlich.“ Mithin scheint hier die Kunst der Rede vorzutreten, indem sie spricht: ich bilde Gestalten. Was bils det sie nun durch ihre Gestalten? wie weit reicht ihre Allegorie ?

1. Allegorie der Kunst.

Bildete die Kunst der großen Schöpfung Alles nach, Alles; so stünde es in Ihr auch wie in der großen Schöpfung da, verstandvoll oder verstandlos, nachdem man es dieser kleineren Schöpfung ansieht. Oder vielmehr in der kleinen Kunstschöpfung stünde alles schlechter da, als in der großen Natur, d. i. leblos, unverbunden; da der große Genius des lebendigen Daseyns Alles mit Allem zusammens, füget.

Also muß in der Kunst ein engerer, bestimmter Zweck vorhanden seyn, zu welchem sich die Vorstels lungen gesellen; und wer kann dieser seyn als die Idee des Künstlers? Der Künstler aber kann Ideen nicht anders als nach seiner Kunst gesellen : denn den großen Zusammenhang der Natur erreicht Er nicht. Mithin beschränkt sich seine Allegorie darauf, was Er vorzustellen vermag, in jeder Art seiner Künste.

1. In der Bildnerei, die ganze Gestalten bildet, müssen diese durch sich selbst bedeuten; es find große oder schöne Personificationen.

Ein

kleines Spielwerk durch Attribute, Symbole oder gar durch eine Beischrift erschöpft die Sache nicht; die ganze Gestalt spreche bedeutend.

Und sprechen nicht so alle hohe Göttergestalten? Der König des Himmels, Vater der Götter und Menschen, wie er dasißt auf seinem Thror, zu seinen Füßen der Adler. Milde ist der Blick seines erhas benen Hauptes, weisheitsvoll seine Stirn, mächtig sein Wink, der Himmel und Erde beweget. Sein Blik drohet; aber die andre Hand führt den Stab des Hirten der Völker. Wer sich ihm nahete, wer bittend sein Knie berührte, verstand den Künstler.

So spricht Pallas in ihrer stillerscheinenden Ges ftalt, die aus Jupiters Haupt sichtbar gewordene Tochs ter, seine Macht und Weisheit; seine ganze starkmůs thige Gesinnung.

So die Meergebohrne Göttinn, die Gestalt der Schönheit, gehüllt in Liebreiz, in Schaam, `Zucht und Anmuth. Der Heldenjüngling Apollo und die Heldenjungfrau Diana, Grazien und Musen, Merkur und Amor. Jede Gestalt bedeutet ihre Idee, sie durch sich sprechend, natürlich). Symbole und Attribute mögen diese innere Bedeutung ihres Das seyns nåher bestimmen und erläutern; (widersprechen müffen sie ihr nie;) der reine Punkt der Allegorie indeß liegt in der Personification selbst, im menschlich dargestellten Göttercharakter. Kleinliche Deutungen, die an ihnen tändeln, widersprächen dem ers

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