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rino und wer sonst dem Arkadien, das in uns sern Herzen wohnt, nahstrebte. Es ist ein Land, das nie war, schwerlich auch je seyn wird, in welchem aber in den schönsten Augenblicken des Les bens unsre dichterische Einbildung oder Empfindung lebte. Glückwünschungen insonderheit ward forts an das Idyll angemessen gefunden: es spricht so naiv, so zart und einfach! und doch enthüllt es Alles; was unser, Herz wünschet,

In Frankreich hatte die Hirtenpoesie eine ähnliche Laufbahn, vom Gemeinen hinauf zum Feineren, zum Verfeinten Ein Bischof a) hatte den Theokrit zus erft ins Französische überseßt; ein Bischof b) gab späterhin der ganzen Gattung einen höheren Schwung. Vor und neben ihm bearbeiteten fie andre, jeder auf seine Weise. Die Deshoulieres wünschte sich ein Schäfchen zu seyn; Racan und Segrais versificirs ten naive Sentenzen. Fontenelle endlich, ein Mann von Geist und Wih, ließ das Idyll zu sich kommen, da er nicht zu ihm kommen konnte; man sagt,,,er machte seine Schäfer zu galanten Hofleuten.

Aber warum hitte er sie dazu nicht machen dürfen? Wenn Hofleute seine Eklogen låsen, folls ten sie (meinte der Dichter) durch sie Schäfer wers

a) St. Gelais.

b) Godeau,

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Beli, d. i. in Empfindungen sollten sie der Natur näher treten, weil auf diesem Wege allein Vergnús gen und Seligkeit wohnten. Dies war Fontenelle's rühmliche Absicht, die freilich aber Geist und Wih allein nicht erreichen konnten. Beide Welten, der Hofleute und Schäfer, liegen zu fern von einander.

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* In England nahm das" Idyll einen ähnlichen Gang. Hinter Philipps roheren Schäfern traten Pope's künstlichere auf. Seine vier Schäfer - Ge dichte betreffen die vier Jahrszeiten; vier gewählte Situationen schön versificirt, denen die Ekloge, Messias, ein Nachbild 6 des Pollio, folget. Einen Fortschritt hat die Dichtkunst durch sie ebên nicht ges wonnen, ob sie gleich, wie Alles von Pope,, ihrer Nation sehr werth sind. Wie mehrere, reichere, ties fere Idyllenscenen gab Shakespear so oft! hinter ihm Milton, vor ihm Spenser,

Bon deutschen Idyllendichtern reden wir jeßt noch nicht; gnug, bei allen bemerkten Verschiedenheis ten in Zeiten und Völkern ist der Hauptbegriff dieser Dichtung unverkennbar; sie ist

,,Darstellung oder Erzählung einer menschlichen Lebensweise ihrem Staude der Natur ges måß, mit Erhebung derselben zu einem Ideal von Glück und Unglück."

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Wie? Jeder menschlichen Lebensweise? Nicht

anders, wenn diese eine menschliche Lebensweife ift. Freilich steht Eine der Natur näher als die andre; schlimm, aber, wenn irgend Eine der Natur ganz entlaufen wäre. Der Krieg B. ist das häßlichste Ungeheuer; im Kriege indeß, selbst auf dem Schlachts felde giebt es zwischen Menschen und Menschen herzs durchschneidende Situationen der Klage und des Er, barmens, Idyllenscenen. So fonderbar der Na me klingt Lager, Kriegs, Schlachtidyllen; Dank dem Menschengeftihl so wahr ist er slap

Nichts scheint der Natur entfernter als Cabinet und Gerichtsstate, Kanzlei und Hof; der Kramlas den endlich, und die Frohnveste am fernsten. Uebel wåre es indessen, wenn nicht auch in diesen Wüsten hie und da ein einzelner grünender Baum eine erfrischende Quelle überschattete und einem ermatteten Wandrer Labung gabe. Unglücklich, wenn von Geschäften dieser Art die Menschlichkeit ganz verbannt wäre. Ach, wo ihr der Mund am vestesten verschlossen, wird, spricht sie oft am lautsten; mancher Gerichtsdiener oder Kerkers meister hat ein offener Ohr für sie als der taube Richs ter. Selbst in der Wohnung des Jammers, den Häusern irrer Menschen spielte die Ekloge. Sanft Verirrte phantasiren gewöhnlich Idyllen » Rasende heroische Seenen.

Wie nun?

Und aus der sogenannt - bürgerlichen Gesellschaft, wäre aus ihr das Glück der Idyllenwelt verbannt? Ist dann nicht sie auch in

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in allen Ordnungen und Ständen auf Gefühle der Menschheit gebauet? Vater, Mutter, Kind, Freund, Geliebte, zu welchem Stande sie auch gehören, sind sie anders als in der Idyllenwelt glücklich? · Darum spricht man zu Kindern, zu Geliebten auch unwissend in dieser Sprache; darum wünscht man zu Ehen, zu Geschäften in dieser Sprache Glück. Nicht um ein Utopien zu wünschen, wo kein Nordwind wehe, kein Unfall sich ereigne; fondern daß auch aus dem Uns falle selbst ein neues Glück, und durch das einge tropfte Bittere des Lebens fein Angenehmes um so süßer werde. So wollte es die Natur; dem Zweck strebt Jeder Vernünftige, Wohlgesinnte und Wohl gesittete nach. Er sucht sich seinen Stand, sein Geschäft, sein Haus, seine Kammer, selbst jede vorübergehende Gesellschaft zum Ideal, d. i. sich durch sie so glücklich zu machen, als er kann, und den Genossen sein Glück mitzutheilen. Eben den Narren erkennt man vorzüglich am Mangel dies ser Idee, des Ideals einer Lebensweise für sich und des idealischen Mitgefühls für andre. Den rohen Selbstmenschen, den Tyrannen andrer, flieht alles Idyllenartige, da doch selbst der Cyklopenwelt, dem Reiche des Pluto selbst das Idyll nicht ganz fremd ist.

Schon Theokrit schrieb ein Fischeridyll; Jagds, Gärtner, Schiffsidyllen sind ihm gefolgt; der Kas meeltreiber Haffan selbst hat ein bekanntes Idyll ers

halten. a) Was hätten nun die Lebensarten vor ane dern voraus? Daß sie, sagt man, näher der Natur liegen. Wohl! so rücke man denn auch in seinem Stande der Natur näher; warum wollte man unnatürlich, oder gar der Natur zuwider leben? Oder macht das ihr Idyllenartiges, daß sie gewöhnlich kleine Gesellschaften bilden? Beruhet nicht allent Halben auf kleinern Gesellschaftern das Glück des Les bens? und knüpfen Freundschaft, Liebe, Genossens schaft zum Werk, zur Haushaltung, gar zur Gefahr, zu jedem Unternehmen dies Band einer kleinen Ges sellschaft nicht? zu welchem Stande man auch gehöre, Müßte ich Fischer oder Jäger seyn, um die Natur zu genießen und meine Hütte zu ordnen? Also in allen Situationen, in allen Geschäften des Lebens, wenn sie nicht wider die Natur sind, lebe man ihr ger måß und verschönere sein Leben. Allenthalben blühe Arkadien, oder es blüht nirgend. Aus unserm Hers zen sproffend muß unser Verstand sich durch Kunst dies Lebens-Idyllion schaffen, durch Auswahl diese Lebenss efloge vollendent.

Auf wie einen reinen Prag tritt hiemit das Idyll! Leere Beschreibungen der Natur, Schäfertändeleien, die nirgend existiren, verschwinden in ihm wie abges kommene Galanterieen; der ganze Kram einer uns fremden Bilderwelt, von dem unsre Phantasie so wes nig als unsre Empfindung weiß, verschwindet. Das

a) Von Collins.

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