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Desto schlimmer, wenn es ohne Wissen, aber mit unauslöschlicher Wirkung ein verläumdend Gedicht ist, da Pope als ein katolischer Christ sich um den Charakter feiner Religionsverwandten etwas mehr håtte bekümmern können. Große, würdige Namén gehören der Geschichte, nicht der Laune oder dem Wohlbehagen eines Poeten, der aus ihren Situatios nen, Schönheiten seiner Art" zieht, wie Er sich das weibliche Herz denkt, und an ihm seine Verskunst übet.

Hinter Ovid und Pope, wie tief hinab ist diese sogenannte Heroide gerathen! Zum Brief Roman weiblicher und männlicher Infirmitåten.

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3. Aura, Du wehest so sanft! A. O Zephyr, wie wehest Du

lieblich!

3. Mildere deinen Hauch. 2. Zephyr, o stärke mie

ihn.

3. Aura, Du wandelst Dich. A. Du Zephyr, wehst wie der

O, Nordwind

A. 3. Da kommt Boreas selbst, welcher uns beide, bes

gråbt.

Ohngefähr ist dies der kurze Inhalt der Heroiden, einer Spielart, die das altere Griechenland nicht faunte. Nicht im Epos allein, auch im Trauer, und Lustspiel, im Idyll und Roman sprechen die Geschlachter des Alterthums gegen einander anders.

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Fortsehung

über Måhrchen und Romane,

Wie der Verfasser des ersten griechischen Romans, Heliodor, ein christlicher Bischof war, so hat sich die fe Gattung immer auch an die Spiritualität gehal. ten. In dunkeln Zeiten spielten Christus und Bes lial, Joseph und Barlaam nebst der zahllosen Menge der Heiligen im Himmel und auf Erden ihre Legen den. Als vor der Flamme der Kritik, die seit der Reformation auch Blondel, Launoi n. a. beherzt schwangen, sich mancher Heilige alter Zeiten ins Duns kel zurückzog, traten dagegen die neuen Heiligen, eine Guion, Bourignon, der Marquis de Renti, Rancé und so manche schöne Büßerinn an den Plak; ihre Leben wurden Legenden. Endete Bussi- Ras butin nicht selbst mit der Lehre des Prediger Salos mo in der vollkommensten Manier: ,,Alles ist eitel und kann je ein Wohllüstling anders enden? Die lehten Zeiten Ludwigs zogen die Spiritualität hoch hervor, meistens zwar nur aus leidenschaftlichen oder ohnmächtigen Eckel vor einer abgeftorbuen Welt; indeß auch diese schmerzhafte Veranlassung, benåhme sie etwas der Sprache der Wahrheit? Eben diese naive Herzensbekenntnisse, diese geistige Romane mit Gott und Christus, - dem Aufmerksamen bies ten sie einen reicheren Schaß der Warnung und Uns terweisung dar, als manche andre Verirrung des Geis

ftes und des Herzens. a) Nur wisse man sie zu lesen. Wo diese Geschichten das Herz ergreifen, und in sich kehren, sanft oder schmerzhaft; wer wäre es, der nicht solchen geistlichen Erfahrungen und Wans derschaften einen innigern Werth gåbe, als Allen, was blos von außen die Phantasie mahlet?

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Einige Ritter und Damen beklagten es, daß mit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts die alten Ritterromane allmählig unter die Erde gegangen seyn, av denen sich ihre Vorfahren Jahrhunderte hinab standesmäßig langweilig erbauet hatten. Als Denkmahle und Gemählde der alten Zeit sind sie nicht untergegangen; die Kunstcompofitionen, die Pulci, Ariosto, die beiden Tasso, Cervantes und andre große Dichter aus ihnen webten, wers den wie Raphaels Teppiche beschauet und verehrt; sie bleiben unsterblich. Als fortwährende Geschichte der Zeit aber, oder gar als Regel der Denkart diese alte Sitten und Trachten, (eine abgeftorbne Denk- und Lebensweise) fortzuführen, wäre eben so widerfinnig gewesen; als in unsrer Zeit sie anbetend erwecken zu wollen, kindisch. Wir wohnen nicht mehr in jenen Ritterthümern, und fånden es äußerst unbequem, darinn zu wohnen; wir reiten nicht mehr

a) Les égaremens de l'esprit et de coeur, histoire des pas

sions etc.

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in dieser Rüstung, und finden es besser, darinnen nicht reiten zu dürfen. Der Abstand zwischen den Ständen, der damals herrschte, trift uns, wo wir ihn noch in Resten erblickten, schmerzhaft, und wo wir den Rittergang der Ideen mit Spieß und Schild, den Mönchsgang der Ideen unter Tonsur und Kutte, den Stillstand aller Ideen enblich beim Volk uns ter solcher Verfassung entdecken, da schaudern wir mits leidig; und lassen unverständige Knappen die abgekommene Rüstung, Mönchsjunglein die Wegschaf= fung gemahlter Kirchenscheiben, und der ihnen ähn lichen Schriften, Buchstaben u. f. bejammern. So ungeheure Fehler das galante Heldenthum des achts zehnten Jahrhundert an sich haben mochte; mit Jes nem åltern, roheren, ist es nicht zu vertauschen.

Selbst die Poesie jenes Ritterwesens mußte so gewaltig modificirt werden, daß kaum mehr als ein Traum der vorigen Zeiten in ihr zurückblieb: denn find die Gedichte Ariosts und der Taßo's anders als selbstgeschaffene Träume? Diese fortzuseßen, wehrt úns Niemand; nur bringe man in ihre alte Schlösser eine neue Haushaltung der Dinge, d. i. für uns eine annehmlich - poetische Wahrheit.

Die Feenmährchen waren eine der feinsten Eins kleidungen, die mit dem Anfange des verflossenen Jahrhunderts in Gang kamen. Schicksalsgöttins

nen,

nen, Alfen, Feyn u. f. hatten alle Europäische Nas tionen aus Sagen der Kindheit in Gedächtniß; in mehreren Dichtungsarten waren sie långst und tref lich angewandt worden; Mährchen sind ihr Vaters land, in Mährchen thun sie eine sehr angenehme Wirs kung. Da finden bei der Wiege, oder in entscheidens den Augenblicken des Lebens sich Alfen, Feen, Gen nien ein; sie bestimmen und wenden das Schicksalt, sie geben und nehmen Geschenke. Diese Gestalten des Glaubens der alten Welt mit Bernunft anzuwenden, giebt die interessantester Erzählungen: denn wem begegneten nicht Feen in seinem Leben? wem span. nen und wanden sie nicht sein Schicksal?

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In den Feen Erzählungen aus Ludwigs Zeiten erscheint uns freilich im Meister eine ausgestorbne Welt; die Prinzen und Prinzessinnen, die Denkart und das Vergnügen mancher damaligen Stände sind (Dank sei es der Zeit!) nicht mehr die unfern; manche Des licatesse der Madame la Comtesse d'Aulnoy sowohl in ihren Feenmärchen als in ihrer Spanischen Reise lesen wir kaum anders als mit Verwunderung, wie man so delicat seyn konnte! Daß nicht aber selbst in verstand und zwecklose Erzählungen dieser Art Vers stand und Zweck gebracht werden könne, wer wollte daran zweifeln? Die Blume der Arabeske steht da; laß aufsteigen aus ihr schöne Gestalten! Keine Dichs tung vermag dem menschlichen Herzen fo feine Dinge so fein zu sagen, als der Roman und vor allen RoHerders Werke 3. schön. Lit, u. Kunst. XII.

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