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Gesangbücher" ist es, welche Luther im Jahre 1538 der Schrift seines Freundes H. Joh. Walther: Lob und Preis der löblichen Kunst Musica, unter der Aufschrift,,Frau Musika“ beigegeben hat:,,Für allen Freuden auf Erden 2c.“ (V, 1), ein Preis der Musik als des besten Mittels, Leib und Seele gesund zu erhalten.

Nun folgen noch einige Katechismuslieder, so im Jahre 1539 eine poetische Bearbeitung des Vaterunsers: ,,Vater unser im Himmelreich 2c.“ (Nr. 17), zuerst gedruckt in Val. Schumann's geistlichen Liedern, Leipzig 1539, 8. (U), und „Ein geistlich lied von unserer heiligen Taufe, darin fein kurz gefasset, was sie sei? wer sie gestiftet hat? was sie nite?:,,Christ, unser Herr, zum Jordan kam 2c." (Nr. 18) - letzteres zuerst in den Geistlichen Liedern zu Wittenberg, Anno 1543 gedruckt durch 3. Klug (X).

Das Judaslied (II, 35) hat Luther selbst veröffentlicht. Ob das Lied vom Austreiben des Papstes (II, 36) ihm zuzuschreiben sei, macht Mathesius' Angabe mehr als zweifelhaft. Ein von Schamelius (Lieder - Commentarius, 1757, S. 57) erwähnter Einblattdruck von 1541 kann nicht existirt haben, wenn Mathesius das Lied erst 1545 nach Wittenberg brachte und Luther es dann drucken ließ.

Der polemische Ton, der in den beiden letzten Liedern wider geistliche und weltliche Feinde des Evangeliums angestimmt ist, klingt fort, aber in höherer Tonart und gereinigter Gestalt, in dem 1542 zuerst in einem Einzeldruck nachweisbaren, 1543 in die Geistlichen Lieder Klug's aufgenommenen ,,Kinderlied, zu singen wider die zween Erzfeinde Christi und seiner heiligen Kirchen, den Babst und Türken", zuerst in drei Strophen, später um zwei Strophen gemehrt: „Erhalt uns Herr bei deinem Wort 2c." (Nr. 30).

Den Beschluß der geistlichen Liederdichtung Luther's machen noch drei, zuerst im Klug'schen Gesangbuch (Wittenberg 1543) erscheinende Kirchenlieder (Nr. 5, 6, 63).

Wenn schon einige der bisher aufgezählten Lieder Luther's

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auf der Grenze stehen zwischen geistlicher Lyrik und did aktischer Spruchdichtung, so gehören ganz entschieden in Letzteres Gebiet verschiedene Reime und Sprüche, die theils in seinen Tischreden von Freunden Luther's verzeichnet stehen, theils von ihm selbst in seinem Handpsalter, in seinem Haushaltungsbuch oder an andern Stellen seiner Schriften handschriftlich aufgezeichnet, oder in zeitgenössischen Flugblättern oder Gelegenheitsschriften gedruckt sind. Diese sind in Abtheilung II gesammelt.

Dann die Haushaltungssprüche, von seiner Hand, wie es scheint im Jahre 1542 aufgezeichnet: „Es gehet gar viel in ein Haus 2c.“, „Zum besten düngt der Mist das Feld 2c.“, „Ich armer Mann, so halt ich haus 2c.",,,Thu wie dein Vater hat gethan 2c."

Fragen wir nach den Quellen, aus denen Luther seine geistlichen Lieder schöpfte, so sind nur die wenigsten der leztern ganz frei gedichtet; so die zwei ersten:,,Ein neues Lied 2c." und Nun freut euch, liebe Christen zc.", und einige der letzten, wie:,,Jesus Christus unser Heiland 2c.",,,Christ lag in Todesbanden 2c.",,,Vom Himmel hoch 2c.",,,Vom Himmel kam zc.", ,,Erhalt uns Herr 2c."- und auch diese lehnen doch, wie sich das bei Luther, dem Volksmann und Bibelmann, im Grunde von selbst versteht, theils an das Bibelwort, theils an das weltliche oder geistliche Volkslied, nur in freierer Weise, sich an.

Die meisten seiner Lieder aber sind und wollen nichts anderes sein als deutsche, volksthümliche und für den Gemeindegebrauch geeignete Bearbeitungen gegebener VorLagen, denen sie in Gedanken und Form mehr oder minder treu sich anschließen, und zwar sind diese Vorlagen gegeben theils in biblischen Abschnitten, besonders Psalmen, Dorologien oder auch andern Stellen der Heiligen Schrift; theils in den Hauptstücken des Katechismus: Glaube, Gebet des Herrn, Gebote, Taufe, Abendmahl; theils in alten lateinischen Kirchenhymnen oder Sequenzen; theils endlich in ältern deutschen Liedern oder Leisen.

Luther.

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Nehmen wir die Zahl sämmtlicher geistlichen Lieder zu 41 an, so sind davon: 1) frei gedichtet 9; 2) Bibellieder 10; 3) Katechismuslieder 7; 4) Uebersetzungen aus dem Lateinischen 9; 5) Bearbeitungen deutscher Terte 6.

Ihrer Abzweckung nach aber sind es fast durchaus Gemeinde lieder, die Luther gibt: nicht individuelle Stimmungen oder Gefühle bringt er darin zum Ausdruck, ebenso wenig tiefe theologische Ideen oder hohe mystisch-theosophische Speculationen, sondern den einfachen Gemeindeglauben im Anschluß an das einfache Bibelwort in einer Form, wie sie für Geist, Herz und Mund der Gemeinde und jedes einfachen Christen sich eignet, und doch in einem Reichthum und einer Mannichfaltigkeit der Gedanken und Anschauungen, der Formen und Bilder, daß trotz der vorkommenden Wiederholungen jedes der Luther- Lieder wieder seinen eigenthümlichen Typus trägt. An sprachlichen Härten und Schwerfälligkeiten fehlt es nicht: nicht immer ist das Metall des Inhalts gleichmäßig in Fluß gekommen, nicht immer der Guß in allen Theilen gelungen. Andererseits aber sind alle unnützen Künsteleien in Versbau und Diction, alles Schulmäßige und Pedantische, Gezierte und Gespreizte, worein die Poesie jener Zeit zum großen Theil verfallen war, glücklich vermieden; dagegen zeigen die Verse eine gewisse natürliche Kunst und frische Natürlichkeit, wie sie den besten Volksliedern eigenthümlich ist, und einen dem Inhalt angemessenen Rhythmus sowie leichte Singbarkeit.

So ist Luther wie der Vater der evangelischen Kirche, so auch der Vater des evangelischen Kirchenliedes, und durch seine eigenen Dichtungen wie durch seine prosaischen Schriften, durch die neuen Ideen, die er anregte, und durch die neuen Formen, die er schuf, einer der einflußreichsten Begründer und Förderer der neuern Literatur und Cultur geworden.

Zahllose fliegende Blätter und zahlreiche Gesangbücher und Liedersammlungen in ungezählten Drucken und Nachdrucken haben Luther's Lieder wie seine reformatorischen Ge

danken, gleich als ob die Engel vom Himmel Botendienste gethan", durch ganz Deutschland getragen; zahllose geistliche Sänger haben den von ihm angeschlagenen Ton weiter= gesungen, und auch die weltlichen Sänger seiner Zeit wie der folgenden Jahrhunderte, auch die Classiker der deutschen Literatur haben bewußt oder unbewußt aus seiner Fülle geschöpft, aus seiner Sprache sich die ihrige gebildet. Denn", wie Jakob Grimm sagt,,,was der deutschen Sprache Leib und Geist genährt, verjüngt, was Blüten neuer Poesie gc= trieben hat, verdanken wir keinem mehr als Luther." Und was noch mehr ist: was das deutsche Volk an geistiger Freiheit und echter Bildung besigt und in immer neuen Kämpfen und nie ermüdender Kraftanstrengung sich erarbeitet, das verdankt es trotz allem, was alte und neue Gegner dawider sagen mögen - dem gnadenreichen Gotteswerke der Reformation und ihrem gottgesandten und gottbegnadeten Heros und Herold D. Martin Luther.

Göttingen.

Julius Wagenmann.

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Einleitung.

Was meine Ausgabe der dichterischen Erzeugnisse Luther's betrifft, so habe ich bei den Geistlichen Liedern die letzte bei seinen Lebzeiten erschienene Sammlung, die sich durch Schönheit und Sorgfalt auszeichnet, die bei Valentin Babst zu Leipzig 1545 erschienene Ausgabe, mit Ausschluß des Lateinischen, wortgetreu wiederholt, meistens auch buchstabengetreu, da die Schreibung fast durchgängig die unnöthige Consonantenhäufung meidet. Wer ew für eu und y statt i – vorzieht, mag sich diese nach Belieben herstellen. Beim lauten Lesen oder gar im Gesange verschwinden jene alten Formen von selbst; wo aber beim lauten Vortrage ein anderer Laut durch eine Neuerung erzeugt sein würde, ist der Text Valentin Babst's beibehalten.

Jedem Liede habe ich die Angabe hinzugefügt, in welcher der benußten Quellenschriften dasselbe zuerst vorkommt. Die Quellen selbst, bei denen ich Ph. Wackernagel, der ausführlichern Angaben wegen, auch da nenne, wo ich die Bücher selbst benutzt habe, sind hier durch ausführliche Mittheilungen über das seit Schöber und Riederer, also seit Fünfvierteljahrhunderten vermißte, von Wackernagel überall vergeblich gesuchte Gesangbuch von 1533 aus Cyprian's Hauskirche erweitert. Das Exemplar, das ich von letterer benußen konnte, das einzige bekannte, erwarb die hiesige Bibliothek im

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