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1.

Luther an seine Tischgesellen.

Gnade und friede in Christo. Lieben herrn und freunde. Ich hab euer aller schreiben empfangen und, wie es allenthalben zustehet, vernomen. Auf das ir widerum vernemet, wie es hie zustehet, füge ich euch zu wissen, das wir, nemlich ich, M. Veit 1 und Ciriacus 2, nicht auf den reichstag gegen Augsburg ziehen. Wir sind aber sonst wol auf einen andern reichstag komen.

3

So ist ein rubet 3 gleich für unserm fenster hinunter, wie ein kleiner wald, da haben die dolen und kraen einen reichstag hingelegt, da ist ein solch zu und abreiten, ein solch geschrei, tag und nacht, one aufhören, als wenn sie alle trunken, vol und toll, da geckt jung und alt durch einander, das mich wundert, wie stim und odem so lang weren möge. Und möcht gern wissen, ob auch solches adels und reisigen zeugs auch etlich noch bei euch weren. Mich dünkt, sie seien aus aller welt hieher versamlet.

5

Ich hab iren keiser noch nicht gesehen. Aber sonst schweben der adel und großen hansen imer für unsern augen, nicht fast köstlich gekleidet, sondern einfeltig in einerlei farbe, alle gleich schwarz, und alle gleich grauaugig, fingen alle gleich einen gesang, doch mit lieblichem unterscheid der jungen und der alten, großen und kleinen. Sie achten auch nicht der großen palast und saal, denn ir saal ist gewelbet mit dem schönen weiten himel, ir bodem ist eitel feld, getefelt mit hübschen grünen

1. Der Neundte Teil der Bücher Lutheri. Wittemberg 1558. Fol. Bl. 406. Jena 5, 30. Altenburg 5, 20. Leipzig 20, 141. Halle 16, 2126. De Wette, 4, 7. Irmischer, 54, 143.

1. 1 Veit, Veit Dietrich. 2 Ciriacus Kaufmann, Luthers Schwester= sohn aus Mansfeld. 3 rubet, Anpflanzung. 4 weren, währen, dauern.

5 reisiger zeug, Kriegsrüstung.

zweigen. So sind die wende so weit als der welt ende.

Sie fragen auch nichts nach rossen und harnisch, sie haben gefiderte reder, damit sie auch den büchsen empfliehen und eim zorn entfißen können. Es sind große mechtige herrn, was sie aber beschließen, weiß ich noch nicht.

So viel ich aber von einem dolmetscher habe vernomen, haben sie für einen gewaltigen zug und streit wider weizen, gersten, hafern, malz und allerlei korn und getreidig, und wird mancher ritter hie werden und große thaten thun.

Also sizen wir hie im reichstag, hören und sehen zu mit großer lust und liebe, wie die fürsten und herrn, samt andern stenden des reichs, so frölich singen und wolleben. Aber sonderliche freude haben wir, wenn wir sehen, wie ritterlich sie schwenzen, den schnabel wischen und die wer 2 stürzen, das sie siegen und ehre einlegen wider korn und malz. Wir wünschen inen glück und heil, das sie allzumal an einen zaunstecken gespießet weren.

Ich halt aber, es sei nichts anders denn die sophisten und papisten mit iren predigen und schreiben, die muß ich alle auf eim haufen also für mir haben, auf das ich höre ire liebliche stimme und predigten, und sehe, wie sehr nüglich volk es ist, alles zu verzeren, was auf erden ist, und dafür gecken für die lange weil.

Heute haben wir die erste nachtigal gehöret, denn sie hat dem April nicht wöllen trauen. Es ist bisher eitel köstlich wetter gewest, hat noch nie geregenet, one gestern ein wenig. Bei euch wirds vieleicht anders sein. Hiemit Gott befohlen und

haltet wol haus.

Aus dem reichstag der Malztürken XXVIII. Aprilis. Anno M. D. XXX.

Martinus Luther D.

1 entsi zen, entweichen. 2 wer, Wehr.

2.

An sein liebes fönlin Hensichen Luther.

und vleißig betest. Thu also, Wenn ich heim kome, so wil

Gnad und friede in Christo. Mein liebes sönichen. Ich sehe gern, das du wol lernest mein sönichen, und fare fort. ich dir ein schön jarmarkt mitbringen. Ich weiß einen hübschen lustigen garten, da gehen viel kinder innen, haben güldene röcklin an und lesen schöne epfel unter den beumen, und birnen, kirschen, spilling 1 und pflaumen, singen, springen und sind frölich, haben auch schöne kleine pferdlin mit gülden zeumen und silbern setteln. Da fragt ich den man, des der garten ist, wes die kinder weren? Da sprach er, Es sind die kinder, die gern beten, lernen und from sind.

Da sprach ich, Lieber man, ich hab auch einen son, heißt Hensichen Luther, möcht er nicht auch in den garten komen, das er auch solche schöne epfel und birn essen möchte und solche feine pferdlin reiten und mit diesen kindern spielen? Da sprach der man, Wenn er gern betet, lernet und from ist, so sol er auch in den garten komen; Lippus und Jost auch. Und wenn sie all zusamen komen, so werden sie auch pfeifen, pauken, lauten und allerlei seitenspiel haben, auch tanzen und mit kleinen armbrüsten schießen.

Und er zeigt mir dort eine feine wiesen im garten, zum tanzen zugericht, da hiengen eitel güldene pfeifen, pauken und feine silberne armbrüste. Aber es war noch früe, das die kinder noch nicht gessen hatten, darum kunte ich des tanzes nicht erharren, und sprach zu dem man, Ach, lieber herr, ich wil flugs hingehen und das alles meinem lieben sönlin Hensichen schreiben, das er ja vleißig bete, wol lerne und from sei, auf das er auch in diesen garten kome. Aber er hat eine mume, Lene, die muß er mitbringen. Da sprach der man, Es sol ja sein. Gehe hin und schreibe im also.

Darum liebes sönlin Hensichen, lerne und bete ja getrost und sage es Lippus und Josten auch, das sie auch lernen und

2. Der Neundte Teil der Bücher Lutheri. Wittemberg. 1558. Fol. Bl. 442a. Jena 5, 270. Altenburg 5, 403. Leipzig 22, 558. Halle 21, 328,

De Wette, 4, 41. Irmischer, 54, 156.

2. 1 spilling, Wachspflaume, prunum cereum.

beten, so werdet ir mit einander in den garten komen. Hiemit bis 1 dem lieben allmechtigen Gott befohlen und grüße mumen Lenen und gib ir einen buss 2 von meinet wegen.

Anno M. D. XXX.

Dein lieber Vater

Martinus Luther.

3.

An Dr. Gregorius Brück.

Dem Achtbarn hochgelarten herrn Gregorio Brück, der rechten Doctor, churfürstlichem zu Sachsen canzler und rat, meinem günstigen herrn und freundlichem lieben gevatter.

1

Gnade und friede in Christo. Achtbar, hochgelarter lieber herr und gevatter. Ich habe nu etlich malen an meinen gnedigsten herrn geschrieben und an die unsern, das ich wol denke, ich hab sein zu viel gemacht, sonderlich an meinen gnedigsten herrn, als ob ich gleich zweivelte, das Gottes trost und hülfe mehr und sterker bei s. c. f. g.1 weren, denn bei mir. Ich habe es aber aus anregung der unsern gethan, der etliche so wankelmütig und sorgfeltig2 sind, als hette Gott unser vergessen, so er unser nicht kan vergessen, er müste zuvor sein selbs vergessen. Es were denn, das unser sache nicht seine sache und unser lere nicht sein wort were. Sonst, wo wir des gewis sind und nicht zweiveln, das es seine sache und wort ist, so ist auch gewis unser gebet erhöret und die hülfe schon beschlossen und zugerüst, das uns geholfen werde. Das kan nicht feilen.3 Denn er spricht, Kan auch ein weib ires kindlins vergessen, das sie sich nicht solt erbarmen über ires leibs frucht? Und

2.

1 bis, sei. 2 buss, Kuß.

3. Der Neundte Teil der Bücher Lutheri. Wittemberg 1558. Fol. Bl. 423b f. Jena 5, 52. Altenburg 5, 246. Leipzig 20, 182. Halle 16, 2139. De Wette, 4, 127. Irmischer, 54, 183.

3. 1 seiner kurfürstlichen gnaden. 3 feilen, fehlschlagen.

2 sorgfeltig, besorgt, sorgenvoll.

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