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Fachtechnischer und wirtschaftlicher Teil

*** Redaktion: Fachtechnischer und wirtschaftlicher Teil: Syndikus Herm. Pilz, Leipzig ~~~ Kunstgewerblicher Teil: Professor Rudolf Rücklin, Leiter der Goldschmiede-Schule, Pforzheim

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Unserer Redaktion gingen jetzt einige Anfragen zu, wie sich der Goldschmied wohl den

kontraktbrüchigen Gehilfen

gegenüber verhalten solle. Daß Gehilfen einfach sich über Gesetz und Recht hinwegsetzen, kommt leider nicht selten vor. Sie nehmen ein Engagement an und lassen nichts wieder von sich hören, und wenn sie zum Antritt aufgefordert werden, so antworten sie gar nicht, oder sie erklären einfach, daß sie bereits eine andere Stellung angetreten haben, die ihnen „besser konveniere". So teilte uns ein Goldschmied aus Stolp mit, daß er einen Gehilfen zum 1. Mai angenommen habe, der, ohne eine Zeile der Entschuldigung oder ohne sonst etwas von sich hören zu lassen, einfach weggeblieben ist. „Ich bin“, schrieb unser Abonnent, „dadurch, daß ich ohne Gehilfen blieb, in die größte Verlegenheit gekommen. Kann man sich denn nur gegen eine solche Rücksichtslosigkeit gar nicht schützen?" Wir konnten nur erwidern, daß der Gesetzgeber in den §§ 124b, 125 der Gewerbe-Ordnung wohl einen gewissen Schutz, der allerdings nicht ausreicht, gegeben hat. Es heißt da in § 124b:

„Hat eine Gehilfe rechtswidrig die Arbeit verlassen, so kann der Arbeitgeber als Entschädigung für den Tag des Vertragsbruches und jeden folgenden Tag der vertragsmäßigen oder gesetzlichen Arbeitszeit, höchstens aber für eine Woche, den Betrag des ortsüblichen Tagelohnes (§ 8 des Krankenversicherungsgesetzes) fordern. Diese Forderung ist an den Nachweis eines Schadens nicht gebunden. Durch ihre Geltendmachung wird der Anspruch auf Erfüllung des Vertrages und auf weiteren Schadenersatz ausgeschlossen . .

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da Gebrauch machen, wo sie in so rücksichtsloser Weise hintergangen werden. Über

die Kündigungsfrist der Gehilfen

hat man sich in einer zahlreich besuchten Versammlung der Arbeitnehmer unserer Branche in Berlin ausgesprochen. Man nahm gegen den von einer Kommission des Verbandes der Juweliere, Gold- und Silberschmiede Deutschlands fertiggestellten Entwurf einer Arbeitsordnung Stellung und beschloß, ihr energisch entgegenzutreten, weil darin statt der üblichen Kündigungsfrist gar keine Kündigung vorgesehen ist. In dem Entwurf, welchen seinerzeit die „Deutsche Goldschmiedezeitung" ausgearbeitet hatte, war eine Kündigung vorgesehen, und wir bekennen uns offen auch heute noch als Anhänger einer solchen. Vor allem aber scheint uns das Vorgehen der Arbeitnehmer gänzlich verfrüht, denn uns ist davon nichts bekannt, daß dieser Entwurf schon vom Verband sanktioniert wäre. Wir glauben vielmehr nicht fehlzugehen, wenn wir annehmen, daß die Frage der Arbeitsordnung erst auf dem Verbandstage in Eisenach entschieden wird. Wegen

Hausierens mit Gold- und Silberwaren mit vier Wochen

Gefängnis bestraft

wurde eine herumziehende Händlerin Katharine Koehler vom

Schöffengericht Crailsheim. Der Fall zeigte wieder, wie gemeingefährlich diese Art Händler sind. Die Koehler schwindelte einer Frau eine Kette, die einen reellen Wert von 12 Mk. haben sollte, tatsächlich aber 68 Pf. kostete, für 3 Mk. 50 Pf. auf, desgleichen einer Kellnerin eine gleiche Kette, die einen Wert von 7 Mk. repräsentieren sollte. Das Treiben wurde denn auch als

Und in § 125 werden weitere Schutzbestimmungen gegeben. gemeiner Betrug aufgefaßt und daher die exemplarische Strafe Da wird folgendes festgesetzt:

„Ein Arbeitgeber, welcher einen Gehilfen verleitet, vor rechtmäßiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeit zu verlassen, ist dem früheren Arbeitgeber für den erstandenen Schaden oder den nach § 124b an die Stelle des Schadenersatzes tretenden Betrag als Selbstschuldner mitverhaftet. In gleicher Weise haftet ein Arbeitgeber, welcher einen Gehilfen annimmt, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist.

In dem in vorstehendem Absatz bezeichneten Umfang ist auch derjenige Arbeitgeber mitverhaftet, welcher einen Gehilfen, von dem er weiß, daß derselbe einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit noch verpflichtet ist, während der Dauer dieser Verpflichtung in der Beschäftigung behält, sofern nicht seit der unrechtmäßigen Lösung des Arbeitsverhältnisses bereits 14 Tage verflossen sind."

Danach hat der Goldschmied folgende Wege offen: Klage auf Ersatz des entstandenen Schadens . . . . . Klage auf eine Woche ortsüblichen Tagelohn . . . . . Vorhalt an den Meister, bei dem der kontraktbrüchige Gehilfe eingetreten ist. Das letztere ist deshalb notwendig, weil von dem Gehilfen selbst oft im Klagewege nichts zu holen sein wird, der Gehalt aber nur pfändbar ist, wenn und soweit er 1500 Mark im Jahre übersteigt. Eine Besserung in diesen Verhältnissen kann nach unserem Dafürhalten nur eintreten, wenn die Goldschmiede von diesem Rechte auch wirklich überall

ausgeworfen. Dem Landjäger Gaiser, welcher die Betrügerin stellte, haben wir als Belohnung

die Hausier-Prämie

zukommen lassen. Über den

Ausverkaufs-Schwindel

ist in letzter Zeit wieder so viel geklagt worden, daß es an der Zeit ist, daß die Regierung einmal eingreift. Namentlich liegt es hinsichtlich des „Nachschubs" beim Ausverkauf trotz aller ergangenen Urteile noch sehr im Argen, weil wir keine einheitliche Rechtsprechung haben. Die Strafkammer Saarbrücken verurteilte jetzt einen Kaufmann in St. Johann wegen unlauteren Wettbewerbes, der im Februar 1904 sein Geschäft mit 110000 Mk. gegründet hatte, aber bereits im Oktober einen „Totalausverkauf wegen gänzlicher Geschäftsaufgabe" annoncierte. Fortgesetzt wurden dem Geschäft neue Waren zugeführt und die Lieferanten mußten die Bestellungen vordatieren, so daß der Anschein erweckt wurde, als seien dieselben noch vor dem Ausverkauf bewirkt worden. Interessant war aber, was sich im Laufe der Verhandlung über die Natur der

Ausverkaufs- Preise

herausstellte. Durch Vergleich aus den Fakturen hat das Gericht festgestellt, daß die sogen. „regulären Verkaufspreise" des Ge

schäftes 40-50%, in anderen Fällen 64-79%, in einem Falle sogar 128% Aufschläge zu den Einkaufspreisen darstellten. Die „reduzierten Ausverkaufspreise" aber erhielten noch Zuschläge von 18, 20, 22, 36 bis 48% zu den Einkaufspreisen. Da sieht man, wie weit der „Ausverkaufs-Schwindel" gediehen ist. Wieder

eine Verurteilung der Bera - Compagnie

hat in München stattgefunden. Ein Juwelier dort schreibt uns: „Sie werden sich noch entsinnen, daß die Bera-Diamanten-Compagnie auch hier die Namen der Kunden veröffentlichte, die unter den Bera-Steinen echte Diamanten herauszufinden wußten. Da hatte nun der Redakteur des „Grobian" einen der genannten Diamantenfinder in seinem Blatte lächerlich gemacht, weshalb ihn das Schöffengericht München I zu 50 Mk. Geldstrafe verurteilte. In dem Urteil aber wurde ausdrücklich festgelegt, daß „das Geschäftsgebaren der Bera-Gesellschaft ein betrügerisches und gemeingefährliches sei". War da nicht eigentlich die Bera-Compagnie die Verurteilte? Vielleicht geben Sie auch diesen Fall in Ihrem Blatte bekannt." Mit Vergnügen! Wir sind auch ganz der Meinung des Herrn Einsenders. Gerichtet ist auch in diesem Prozeß wieder das „amerikanische System" der Bera-Compagnie. In einem weiteren Prozeß wegen unlauteren Wettbewerbs, den der Allgemeine Gewerbeverein, München gegen die Inhaber der Compagnie vor der dritten Kammer für Handelssachen in München angestrengt hatte, und in der es sich darum handelte, ob ein als ‚echter Diamant" verkaufter Stein wirklich „echt“ sei, haben die Sachverständigen Dr. Grünling, Konservator an der Mineralogischen Sammlung des Staates, und Hofjuwelier Heiden sich übereinstimmend dahin ausgesprochen, daß dieser angeblich echte Diamant nichts als Glas sei. Also Schwindel über Schwindel! In der oft ventilierten Frage

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Goldschmied und Uhrmacher

ist ein neues Ereignis zu melden. Die „Deutsche Uhrmacherzeitung"

hat folgendes Inserat veröffentlicht:

„Einen Goldschmiede-Lehrkursus für junge Uhrmacher hat Herr Gold- und Silberschmied Erich Neuendorff in Münster i. W., Hörster Strasse 2, eröffnet, auf den wir hierdurch aufmerksam machen."

Natürlich preist die „Deutsche Uhrmacherzeitung" ein solches Unternehmen an. Wir für unseren Teil müssen erklären, daß es uns eigentümlich berührt, wenn ein Goldschmied die Konkurrenz seines Gewerbes auch noch in solchen Lehrkursen ausbilden will, damit die Betreffenden dann sich mit Fug und Recht „Uhrmacher und Goldschmied" nennen können. Was soll denn daraus werden? Wenn man noch auf einer Scheidung der beiden Gewerbe bestehen bleiben will, so dürfen solche Brücken nicht gebaut werden. Oder sollte doch einmal die Zeit kommen, wo diese Scheidung, wie die „Deutsche Goldschmiedezeitung" schon vor Jahren prophezeite, von der Bildfläche des gewerblichen Lebens verschwinden wird? Uns hat man wegen dieser Anschauung fast der Felonie geziehen. Und heute? Auch die gemeinschaftlichen Beratungen der Uhrmacher und Goldschmiede führen ja immer näher und näher zusammen. Vereint müßten alle Interessenten gegen

die Schundwaren der Versandhäuser

vorgehen. Es ist wirklich ein beschämendes Gefühl, wenn man da liest: „Doppel-Kavalier-Uhrkette nur 98 Pf. Als Geschenk noch eine Kavalier-Gelduhr gratis!" Diese Uhrkette wird obendrein mit der folgenden Reklame bedacht: „Diese prachtvolle, feuervergoldete Doppel-Kavalier - Uhrkette kostet nur 98 Pf., 10 Stück auf einmal nur 9 Mk." Unterzeichnet ist dieses schöne Inserat: „Gebr. Wolfertz, Versandhaus „Rotkäppchen", Wald bei Solingen Nr. 2219." Wenn doch dieses „Rotkäppchen“ der Wolf fräße! Wir würden den Jäger nicht holen, der ihm den Leib aufschnitte und Rotkäppchen wieder zum Leben erweckte!

Die moderne Gravierkunst.

Zunächst

Geschichte und Technik des Gravierens. Dargestellt von C. J. Stahl. Eine ganz empfindliche Lücke in der Reihe unserer Spezialwerke bemüht sich obiges, im Verlage von A. Hartleben, Wien und Leipzig erschienene Buch auszufüllen und zwar mit Erfolg, denn das Stahlsche Buch ist nicht nur dem Anfänger,. sondern auch dem älteren erfahrenen Graveur sehr zu empfehlen, es gibt manchen Fingerzeig und neue Anregungen. gibt der Verfasser eine kurze allgemeine Uebersicht über die Geschichte der Gravierkunst, er erwähnt die ältesten Gravierversuche, das Einritzen von Linien und Ornamenten in Tierknochen usw. und kommt so fortlaufend bis auf den heutigen Stand der Graviertechnik zu sprechen. Im folgenden Abschnitt bespricht er dann ausführlich die Gravier- und Steinschneidekunst, die Emailleund Niellotechniken bei den Griechen und Römern im Altertum, und im Kapitel „Mittelalter" teilt er uns manches über die Anwendung der Gravierung in der kirchlichen Kunst mit und spricht unter anderem über Albrecht Dürer, Holbein, Benvenuto Cellini, Wenzel Jamnitzer, über die Gravierungen der Zunftgeräte und die feinen Uhrgravierungen der damaligen Zeit. Im 15. Jahrhundert ist leider die Graviertechnik infolge Ueberhandnahme der Massenfabrikation und Eindringen des Maschinenbetriebs in dieses Arbeitsgebiet sehr zurückgegangen und erst seit dem Ende des Jahrhunderts und Anfang des jetzigen ist wieder Aussicht vorhanden, daß die Gravierkunst zu höherer Blüte gelangt. Viel aber bleibt jetzt noch zu wünschen übrig und sehr mit Recht klagt der Verfasser über die zähe Konsequenz, mit der viele Graveure sich hüten, andere Schriftformen, andere Dekorationen auszuführen, als eben die alten, aus der „Lehre“ übernommenen, und ganz vereinzelt findet man erst Graveure, welche mit der Zeit fortschreiten, sich von alten Ueberlieferungen freimachen und sich der Wanderfahrt nach der sonnigen Kunst anschließen. Im Kapitel „Die Gravierkunst in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung" erweckt der Verfasser unser Interesse durch die Mitteilungen über das Zusammenwirken der Gravier- und Goldschmiedekunst und behauptet sehr richtig, daß es in früherer Zeit „spezielle" Graveure nicht gab, sondern

Gold- und Silberschmied, Graveur und Ziseleur waren eins und erst später fand die Spezialisierung der einzelnen Techniker statt. Interessant weiß er uns noch über die Goldschmiedekunst bei unsern Vorfahren, den alten Germanen zu berichten. Im Alemanenrecht, das etwa im Jahre 616 entstand, finden wir im Kapitel 79 über Goldschmiede erwähnt: „Wer einen solchen, der sein Meisterstück gemacht hatte, erschlug, mußte es mit 40 Gulden büBen." Wie gering wurde hier unsere schöne Kunst bewertet, denn merkwürdigerweise war dieselbe Strafe auf Tötung eines Schweinehirten gesetzt. Später wurde es besser und wir finden die Goldschmiede und Graveure an der Spitze der Gilden und Zünfte und viele Privilegien und Rechte wurden ihnen zuteil. In der Jetztzeit haben wir endlich die Ziselier- und Gravierkunst als selbständige Berufszweige und hoffentlich bringt die Zeit diese zu immer höherer Wertung. Ueber die Technik des Gravierens spricht der Verfasser nun ganz ausführlich und mit großer Gewissenhaftigkeit und erwähnt selbst kleinere Sachen, die aber doch von großer Wichtigkeit sind, z. B. das Anspitzen der Bleistifte und dgl. Im Abschnitt „Werkzeuge“ lesen wir mancherlei über Stichel, Punzen, Gravierkugeln, Kluppen usw., Anfertigung von Werkzeug, Härten, Schleifen, dann folgen die praktischen Uebungen, und bei Besprechung der Schriften und Monogramme empfiehlt der Schreiber allen Graveuren und Goldschmieden aufs angelegentlichste das im Verlage von Wilhelm Diebener, Leipzig erschienene Monogrammwerk, welches bis jetzt in seiner Reichhaltigkeit und Zweckdienlichkeit unübertroffen ist. Nun folgen eine Reihe von Mitteilungen über Heraldik, Stahlgravierungen, Stempel, Petschafte, Schildergravierung, Emaillieren, Tauschieren, Aetzen, und vieles andere bis zur modernen Elektrogravüre und Reduziermaschine und zum Schluß die zahlreichen Rezepte, Ratschläge und Hilfsmittel. Zweifellos wird die Lektüre dieses Buches dem Graveur und Goldschmied manche Vorteile bringen und ist die Anschaffung sehr zu empfehlen. Zu beziehen ist dasselbe ebenfalls vom Verlagshause Wilhelm Diebener, Leipzig.

Albert Kahlbrandt, Altona.

Das schlechte Stempeln der Gold- und Silberwaren.

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Wenn wir unsere heutigen Gold- und Silberwaren auf ihre Stempelung hin ansehen, so müssen wir uns oft darüber wundern, in welcher kleinlichen Art und Weise dies geschieht. An den meisten Schmuck- und kostbaren Geräten ist die Stempelung so versteckt angebracht, daß man fast glauben sollte, es handle sich hier darum, eine Verunzierung des Gegenstandes zu vermeiden. Es ist ja richtig, daß die Zeichnung besonders bei Schmucksachen nicht in ihrer Schönheit durch das Stempeln beeinträchtigt werden darf, aber bei einigermaßen guten Willen und Geschmack wird wohl an jedem Kunstwerke der Goldschmiede ein passendes Plätzchen zu finden sein, wo der Stempel Waren- und Beschauzeichen in gehöriger und deutlicher Weise einzuschlagen wäre. Sehen wir uns nur einmal in dieser Beziehung die Stempelungen, besser noch gesagt Merkzeichen, unserer alten Meister an, wie deutlich und schön dieselben an ihren Schmuckwerken angebracht sind! Wie deutlich und charakteristisch! Die Stempelung soll doch für den Beschauer den Wert und die Herkunft des Gegenstandes zeigen. Aus diesem Grunde ist es so wichtig, daß das Zeichen an einem leicht auffindbaren Platz gehört und nicht in einer solchen Kleinheit ausgeführt werden darf, daß wir dasselbe mit bloßem Auge nicht genau erkennen können. Denn gerade durch diese Kleinheit läuft das Zeichen so oft Gefahr, durch die kleinste Verletzung beim Gebrauch oder infolge Abschleifens an Deutlichkeit zu verlieren.

Es passiert uns im Geschäftsleben so oft, daß bei Verkäufen der Kaufende das Wert- und Fabrikzeichen zu sehen wünscht. Dabei gerät aber der Verkäufer zumeist

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abgesehen, ist dies durchgängig so. Manche große und angesehene Firmen sind in dieser Beziehung so nachlässig und gleichgültig, als handele es sich dabei um Fabrikmarken in Weißblechtöpfe oder in billige Gürtlerwaren einzuschlagen. Die Stempelung ist doch aber die Urkunde, die dem echten Gegenstande mitgegeben wird. Sie beurkundet einesteils den Feingehalt des Edelmetalles, andererseits aber auch den Erzeuger des Schmuckoder Gebrauchsstückes. Daher kann nicht dringend genug empfohlen werden, das Feingehalts- und Warenzeichen recht liebevoll möchten wir sagen in großer, deutlicher Weise an dem ihnen gehörenden Platz anzubringen, so, wie dies durchgängig unsere alten Meister taten. Dieselben fertigten ihre Merk- und Beschauzeichen nicht so, wie dies heute bei uns geschieht, erhaben, sondern gravierten dieselben in ganz natürlicher Weise in den Stahlpunzen ein, und dies in der einfachsten und schlichtesten Ausführung, so daß ihre Merkzeichen an den Jahrhunderte alten Geräten noch heute vollkommen erkennbar sind.

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1. Merkzeichen: Wenzel Jamnitzer, geb. 1508 in Wien, zünftig in Nürnberg, † 1585.
2. Merkzeichen: Daniel Lauer, Meister in Nürnberg, 1583. 3. Merkzeichen: Hanns Bertold,
Meister in Nürnberg, 1601. 4. Merkzeichen: Nicolaus Schmidt, Meister in Nürnberg, 1582.
5. Merkzeichen: Franz Vischer (Fischer), Meister in Nürnberg, 1600. 6. Merkzeichen:
Hans Petzold, geb. 1551, Meister in Nürnberg, † 1633. 7. Beschauzeichen: Augsburg,
Ende 16. Jahrh. 8. Merkzeichen: vermutlich Jacob Jäger, Augsburg, † 1673. 9. Meister-
zeichen, Augsburg. 10. Merkzeichen: Christof Bantzer, Augsburg, † 1653. 11. und 12.
Beschauzeichen von Straßburg, 1472-1567. 13. und 14. Merkzeichen: Johann Friedr.
Krug, Meister in Straßburg, 1739.15. Merkzeichen: Johann Ludwig Imlin, Meister in
Straßburg, 1689. 16. Merkzeichen: Cornelius Linck, Meister in Straßburg, 1656. 17. Merk-
zeichen: Daniel Hammer, Meister in Straßburg, 1659. 18. Merkzeichen: Gottfried Lang,
Meister in München, † 1632. 19. Merkzeichen von Hans Schleich, † 1616, Jacob
Wilhelm, 1629, Heinrich Albertin, 1599, sämtlich in München. 20. Merkzeichen:
Georg Hoffmann, Breslau, wird erwähnt 1589-1600. 21. Beschauzeichen von Alt-Hanau,
17. Jahrh. 22. Merkzeichen: Sebastian Fechter der Ältere, Meister in Basel, 1633, † 1692.
23. Joh. Christoph Barrowsky, Meister in Riga, 1771. 24. Merkzeichen: Johann
Lamoureux, Meister in Riga, † 1744.

in Verlegenheit, indem er sich vergeblich abmüht, die kleine Stelle zu finden, wo der Stempel in verschämter Kleinheit versteckt ist. Er hat die unebene, sogenannte gestempelte Stelle zwar schon gesehen, diese aber nur für einen Fehler im Metall gehalten. Die heutigen Stempelungen sind ja meistens derart, daß der Stahl eines kräftigen Silberpolierers hinreicht, den ganzen schönen Stempel in eine buckelige Trümmerstätte zu verwandeln, wo dann kaum das kundigste Auge, noch dazu mit der Lupe bewaffnet, die Überreste entziffern kann. Bei matten Silber- und Goldsachen ist dies allerdings weniger der Fall; aber wie ist auch darin schon gesündigt worden. Wie oft kommen nicht in unsere Werkstätten goldene und silberne Broschen, wo der Haken oder die Nadel abgebrochen ist? Und aus welchem Grunde? Weil man sich nicht scheute, den Stempel auf den Broschhaken oder in den Nadelstiel einzuschlagen! Von verständigen Ausnahmen

Wir brauchen sie nur der Reihe nach anzusehen, wie sie in dem trefflichen Handbuch von Dr. Marc Rosenberg: „Der Goldschmiede Merkzeichen“ (Verlag von Heinrich Keller, Frankfurt a. M.) in so schönen und vielen Beispielen vorgeführt werden, ein Werk, dem wir auch die obigen Abbildungen entnahmen. Wir lesen darin unter Straßburg im Jahre 1472", Seite 338:,,Wie die goltsmyde ir wergk zeichenen und eyn gemeyn zeychen haben söllent" (Abbildung 11 und 12). Und weiter auf Seite 346: „Jeder goldtsmid

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sol sin eygen zeichen haben“. Art. 18 (1739): „Und uff das man wissen möge, welcher goldtschmidt ein yede arbeit gemacht habe, sol fürtter ein yegklicher goldtschmidt, der das hantwerck in der stat Straszburg treyben und bruchen will, ein besonder merkzeichen und uff demselben puntzen synen namen gestochen haben, dasselbig, so offt er sin arbeit will lossen zeichen, mit yme tragen und durch die verordenten beschauwer neben des hantwercks zeichen schlagen lossen."

Zum Schlusse sei noch auf die obigen Abbildungen von Merkzeichen unserer alten Meister hingewiesen; mögen sie das beweisen, was in obigen Zeilen gesagt ist. Dieselben sind in doppelter Größe wiedergegeben. Übrigens wird auch heute noch bei den konservativen Völkern die Stempelung in der alten und deutlichen Weise gehandhabt. Wir erinnern nur an die englischen und russischen Punzierungen. P. A.

Neues vom metrischen Karat.
Von Ludwig Schröder*).

Zum letzten Male habe ich in der Nummer vom 18. Dezember 1905 der „Deutschen Goldschmiede-Zeitung“ über das metrische Karat berichtet und zwar, daß das Syndikat der Pariser Steinhändler, Vorsitzender M. Falco, sich für die Einführung des metrischen Karats ausgesprochen habe. Seitdem haben sich in der Frage dieser Reform mancherlei andere maßgebende Instanzen in zustimmendem Sinne geäußert, deshalb möchte ich in nachstehendem

einen Bericht über den augenblicklichen Stand der Angelegenheit geben und erbitte mir für die nachfolgenden Zeilen das freundliche Interesse der Anhänger wie der Gegner des neuen Karats.

Für diejenigen Leser der „Deutschen Goldschmiede-Zeitung“,

*) In dem Kampfe um das metrische Karat bringen wir hier wieder eine Kundgebung, welche für dasselbe eintritt, da wir auch den gegenteiligen Anschauungen aus Pforzheim und Hanau Raum gegeben haben. (Die Schriftltg.)

welche die Frage nicht von Anfang an verfolgt haben, möchte ich kurz vorausschicken, daß das jetzige Karat ungesetzlich ist, weil es nicht mit dem in den meisten Ländern eingeführten metrischen Maß und Gewicht übereinstimmt. Die Folge davon war, daß in Deutschland, in Frankreich, in Italien, in Österreich usw. seitens der Behörden fortgesetzt Karatwagen und Karatgewichte beschlagnahmt und deren Besitzer zum Teil mit hohen Geldstrafen belegt wurden, weil sie in ihren Geschäften ungesetzliche Gewichte benutzten. Infolgedessen wendeten sich die Verbände der Fachgenossen in den verschiedenen Ländern an die Behörden, um für das alte Karat die gesetzliche Genehmigung zur Verwendung zu erhalten. Diesem Ersuchen konnten die Regierungen nicht stattgeben, weil sie damit einem internationalen Abkommen zuwider gehandelt hätten und weil sie sehr richtig sagten, daß die Einführung des metrischen Maßes und Gewichtes einen großen Kulturfortschritt bedeutete und die Genehmigung eines veralteten Gewichtes ein Rückschritt wäre. So wurde denn auch die Eingabe des Verbandes deutscher Juweliere, Gold- und Silberschmiede an die Regierung wegen Beibehaltung des alten Karates rundweg abschlägig beschieden.

Die deutsche Regierung machte aber das internationale Bureau für Maße und Gewichte in Sèvres, Frankreich, auf die Frage aufmerksam und der Direktor dieses Bureaus, dessen Vorsitzender übrigens der Leiter der Berliner Sternwarte, Herr Professor Wilhelm Förster ist, kam auf die Idee, das alte Karat dem metrischen Maße und Gewichte anzupassen und es dadurch zu einem gesetzlichen Gewicht zu machen. Der Wert des bisherigen Karatgewichtes schwankt in den verschiedenen Ländern zwischen 191.7 Milligramm in Ägypten und 254.6 Milligramm in Arabien; in den Hauptländern des Edelsteinhandels England, Belgien, Holland schwankt es zwischen 205.0 und 205.8 Milligramm; 1 Milligramm ist gleich einem Zehntel Gramm. Durch diese Verschiedenheiten im Werte entstehen im internationalen Handel fortwährend Schwierigkeiten, so daß schon vor Jahren die Vereinigung der Amsterdamer Steinhändler übereinkam, in Streitfällen das metrische Gewicht entscheiden zu lassen und daß in diesem Falle 4 Karat gleich ein Gramm sein sollten.

Herr Ch. Ed. Guillaume nun als Leiter des internationalen Maß- und Gewichts-Bureaus schlug vor, das alte Karat von ungefähr 205 Milligramm fallen zu lassen und dafür ein neues von 200 Milligramm einzuführen, welches sich in das gesetzliche metrische System einfügen würde. Alle, aber auch alle Personen, welche irgendwie mit Edelsteinen zu tun haben und an die Abschätzung eines vorliegenden Edelsteines nach dem alten Karat gewöhnt sind, hätten keinerlei Schwierigkeiten durch die Reform, denn der Mann soll noch geboren werden, der auf den ersten Blick in allen Fällen sofort zweifellos ohne Wage feststellen kann, ob ein Stein z. B. 53 oder 54 Vierundsechzigstel wiegt. Es hätte also niemand umzulernen und was die Preise der Edelsteine betrifft, so ist es allgemein bekannt, daß diese derart schwanken, daß ein vorübergehender Unterschied von 22 % nicht die geringste Rolle spielt; größer ist nämlich der Unterschied des neuen gegen das alte Karat nicht. Mit der Bewertung auf 200 Milligramm könnte man zugleich die Einteilung des Karates auf Hundertstel, statt der bisherigen Vierundsechzigstel durchführen und dies wäre eine weitere bedeutende Erleichterung im Steinhandel. Es muß doch auch dem konservativsten Gemüte einleuchten, daß sich nach dem Dezimalsystem besser, schneller und sicherer rechnet wie früher

nach Taler, Silbergroschen und Pfennigen, nach Fuß und Zoll, nach Pfund, Lot und Quentchen und in unserm Falle nach Vierundsechzigsteln.

Der in der Fachpresse aller Länder veröffentlichte Gedanke des Herrn Guillaume zur Vereinfachung des Karates von 205 auf 200 Milligramm fand überall begeisterte Aufnahme; die Verbände der verschiedenen Länder besprachen ihn, viele faßten Beschlüsse zu seinen Gunsten, z. B. das Syndikat der Pariser Steinhändler, die Chambre syndicale der Pariser Juweliere, Gold- und Silberschmiede, der Vorstand des Deutschen Verbandes, die Freie Vereinigung in Berlin usw. Dem italienischen Goldschmiede Verbande ließ ich das gesamte Material in dieser Frage zugehen und dessen stellvertretender Vorsitzender erklärte mir persönlich, das die Reform „eminentemente logica" sei und er nicht zweifle, daß sich auch sein Verband ihr anschließen werde. In England habe ich ebenfalls bereits die geeigneten Schritte getan und ich weiß bestimmt, daß die dortigen Interessenten, ebenso wie die amerikanischen, der Reform sehr sympatisch gegenüber stehen; das englische Maß- und Gewichtsgesetz von 1897 bestimmt ausdrücklich, daß im internationalen Handel mit Edelsteinen das metrische Gewicht gesetzlich zulässig sei.

Betreffs der Eingabe der Hanauer Handelskammer an das Reichsamt des Innern wegen Beibehaltung des alten Karats bin ich außer dem abschlägigen Bescheide, der darauf ergangen ist, von einer in diesem Reichsamt maßgebenden Persönlichkeit ermächtigt, zu erklären, daß:

Eine Legalierung des alten deutschen Karates als Gewichtseinheit für den Handel mit Edelsteinen, keinesfalls zu erwarten ist, um so weniger als bereits unter Mitwirkung des hochoffiziellen internationalen Maß- und Gewichtsbureaus eine Vereinbarung im Werke ist, durch welche ein internationales metrisches Karat von 200 Milligramm geschaffen und allseitig legalisiert werden könnte. Dem habe ich noch hinzuzufügen, daß auch in Belgien und Holland und anderen Ländern von anderer Seite die nötigen Schritte getan worden sind, um diese zum Anschluß an das metrische Karat zu veranlassen und meine letzten Nachrichten vom Direktor des internationalen Bureaus besagen, daß die formelle Zustimmung der dortigen Interessenten in Kürze zu erwarten sei.

Bereits in der internationalen Zusammenkunft vom 13. April 1905 hat sich das offizielle internationale Bureau ausdrücklich für die Einführung des metrischen Karates von 200 Milligramm erklärt und denjenigen Gegnern, die glauben, daß England der Reform abgeneigt sei, kann ich mitteilen, daß in derselben Zusammenkunft das Apothekergewicht im internationalen Verkehr dem metrischen Gewicht angepaßt wurde und daß es ein Engländer, Namens Cherney war, der für diese Reform eintrat. Solche internationalen Zusammenkünfte zur Besprechung und internationalen Regelung von Maß- und Gewichtsfragen finden alljährlich statt. Die diesjährige wird auf Grund der inzwischen eingegangenen Zustimmungserklärungen zum metrischen Karat neue Beschlüsse zu seinen Gunsten fassen und sie den Regierungen der einzelnen Länder als Material überweisen. Den Fachverbänden der einzelnen Länder erwächst dann die Pflicht, bei ihren auf diese Art offiziell vorbereiteten Behörden wegen Einführung des metrischen Karates vorstellig zu werdenu nd so, wie die Sachen liegen, ist es ganz unzweifelhaft, daß die Regierungen ein Gesetz zugunsten des metrischen Karates erlassen werden.

Nachbesserungsrecht des Verkäufers.

Bekanntlich hat nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bei Lieferung mangelhafter Ware der Käufer das Recht, Wandelung oder Minderung, d. h. Rückgängigmachung des Kaufs oder Herabsetzung des Kaufpreises zu verlangen. Es fragt sich nun, ob nach bürgerlichem Recht dem Verkäufer das Recht zusteht, durch Nachbesserung der mangelhaften Ware die vom Käufer verlangte Wandelung abzuwenden. Mit dieser Frage beschäftigt sich das Reichsgericht in der angezogenen Entscheidung. Es geht davon aus, daß das Gesetz an keiner Stelle dem Verkäufer ausdrücklich das Recht zugesprochen habe, das Wandelungsbegehren des Käufers, d. h. das Verlangen nach Rückgängigmachung des Kaufs, durch Nachbesserung der mangelhaften Ware oder Ersatzlieferung einer vertrags

mäßigen Ware abzuwenden. Es schließt aber aus allgemeinen Erwägungen, daß in besonders gearteten Fällen ein solches Recht anerkannt werden müsse, nämlich dann, wenn die Ausübung des Wandelungsrechtes seitens des Käufers nur den Zweck haben kann, dem Verkäufer Schaden zuzufügen, oder, wenn aus dem nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegenden Inhalt des Vertrags die Verpflichtung des Käufers zu folgern ist, die ausgebesserte Leistung gelten zu lassen.

Diese Entscheidung des Reichsgerichts ist mit Genugtuung zu begrüßen. Sie ist eine lebendige Fortentwicklung des in der modernen Gesetzgebung im allgemeinen betonten Billigkeitsprinzips. Hierbei wird es ja im allgemeinen seltener vorkommen, daß

jemand lediglich aus Chikane von dem ihm zustehenden Wandelungsrecht Gebrauch macht. Desto häufiger wird der zweite Fall vorkommen. Es ist also zu beachten, daß der Inhalt des Kaufvertrags nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte ausgelegt werden muß und daß man auf Grund einer solchen Auslegung öfters dazu kommen kann, dem Verkäufer ein Nachbesserungsrecht zuzusprechen. Hierbei werden namentlich die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche berücksichtigt werden müssen. Es wird in unserer Branche handels

üblich sein, daß sich der Käufer eine Nachbesserung mangelhafter Ware gefallen lassen muß. Dann kann er das sonst dem Käufer zustehende Wandelungsrecht nicht ausüben, sofern nicht Treu und Glauben im besonderen Falle dafür spricht. So wird beispielsweise, wenn ein Kunde bei einem Juwelier einen Ring nach einem bestimmten Muster bestellt und bei der Fassung sich Mängel zeigen, der ganze Ring nicht zurückgewiesen werden können, sondern es muß dem Juwelier erst Gelegenheit zur Verbesserung, zur Abhilfe des Mangels gegeben werden.

Wie ist die Lage der Gold- und Silberarbeiter?

Zur Statistik des Metallarbeiter-Verbandes.

Auf Grund eigener statistischer Erhebungen der Gold- und Silberwarenindustrie in Deutschland hat der deutsche MetallarbeiterVerband ein Werkchen erscheinen lassen unter dem Titel: „Die Gold- und Silberarbeiter, ihre Lohn und Arbeitsverhältnisse" (Stuttgart, Verlag von Alexander Schlicke & Co.). Wir haben die Schrift mit großem Interesse gelesen und empfehlen sie allen denen, welche sich mit den sozialen Verhältnissen in den industriellen Betrieben unserer Branche beschäftigen wollen, zum Studium. Freilich muß alles, was darin niedergelegt ist, mit Vorsicht aufgenommen werden, weil die Statistik lückenhaft geblieben ist. Nach der Zählung vom 14. Juni 1895 gab es in Deutschland 6123 Betriebe mit 34145 Arbeitnehmern. Seitdem ist die Zahl jährlich, wie in allen Berufszweigen, noch gewachsen. Und wie war die Beteiligung an der Enquete auf Grund der Fragebogen des Metallarbeiterverbandes? Es sind an der Statistik 297 Betriebe mit 6408 Arbeitnehmern beteiligt. Dieses Resultat ist nicht bedeutend und zeigt, daß auch die Gold- und Silberarbeiter zu einem großen Teile solchen Erhebungen mit einem beklagenswerten Indifferentismus gegenüberstehen. An dem Mißerfolg aber soll natürlich schuld sein: Die „Deutsche Goldschmiede-Zeitung!" Man wird sich entsinnen, daß wir zu gleicher Zeit eine Arbeitgeber-Statistik auf Grund von uns ausgegebener Fragebogen zu schaffen unternahmen. Wir fanden nun auch bei einer großen Zahl von Goldschmieden freudige Unterstützung und erhielten ein Material, das viel Interessantes bot. Und doch haben wir dieses Material nicht publiziert. Der Grund dafür? Das Material war lückenhaft, unzulänglich, gerade wie das, was jetzt vom Metallarbeiter-Verband vorgelegt wird. Und mit solchem Material zu arbeiten ist immer bedenklich. Die Gefahr einer tendenziösen Entstellung liegt nahe, wenn man Zahlen zur Beweisführung benutzt, die nicht ausreichen, um ein sicheres Gesamtbild zu zeichnen. Daß wir das vorher prophezeiten, wird uns zum Vorwurf gemacht und der Redakteur der GoldschmiedeZeitung wird wieder einmal als Sündenbock dem Opfermesser überliefert. (Vgl. S. 12ff. der Schrift.) Aber wir kannten unsere Pappenheimer! Privatenqueten, mögen sie nun unter Arbeitgebern oder Arbeitnehmern veranstaltet werden, werden wohl nie ein völlig befriedigendes Resultat geben. Wenn wir auf die Veröffentlichung unseres Materials seinerzeit verzichteten, so geschah es, weil wir uns nicht befugt hielten, aus demselben wirtschaftspolitische Konsequenzen zu ziehen, wie es der MetallarbeiterVerband tut. Immerhin ist eine Erhebung in bald 300 Betrieben mit über 6000 Personen schon interessant genug, um das Buch zu einer verdienstvollen Arbeit zu stempeln.

Die Schrift konstatiert zunächst, daß die Gold- und Silberwarenindustrie aus dem ehemals handwerksmäßigen Gewerbe, das zum größten Teil für den lokalen Markt arbeitete, sich zu einer Großindustrie entwickelte, die auf dem Weltmarkte heute tonangebend ist. Dies gilt besonders von der Bijouterieindustrie und hauptsächlich von den mit der Fabrikation von Schmuckwaren sich befassenden Hauptorten Pforzheim, Schwäb. Gmünd und Hanau. Der Mittel- und Kleinbetrieb hat sich in der Goldwarenindustrie trotzdem noch ziemlich erhalten und macht nur langsame Fortschritte zum Großbetrieb. Der ganze Bijouterie warenhandel liegt

heute, bei hauptsächlich internationalem Gepräge, in den Händen kapitalkräftiger Grossisten. Diese dominierende Stellung des Großhandels hat die ganze Produktion von Gold- und Silberwaren außerordentlich beeinflußt, andererseits ist aber auch dadurch erst der Weltmarkt erschlossen worden, so daß heute die deutschen Produkte nicht nur erfolgreich neben den Pariser Erzeugnissen konkurrieren, sondern diese zum Teil überflügeln.

Was die Zahl der Betriebe anlangt, so betrug sie 1875: 5615, 1882: 5574 und 1895: 6123. Die Zahl der Arbeitnehmer war 1875: 23 341, 1882: 23 101 und 1895: 34 145. Auf einen Betrieb kamen durchschnittlich 4,2-4,1-5,6 Personen. Die Zahl der Betriebe mit Motoren war 1882 noch 70, 1895 aber schon 325. Bei der Erhebung von 1875 war noch kein solcher Betrieb zu konstatieren. Die Zahl und Größe dieser Betriebe ergab 1895 insgesamt 57 Großbetriebe, 216 Mittelbetriebe und 97 Kleinbetriebe. Von den im Jahre 1895 gezählten 20 433 Gehilfen und Arbeitern, waren nur 1611 im deutschen MetallarbeiterVerband organisiert, das ist 7,9%. Die Arbeitszeit ist nach den Erhebungen nicht einheitlich geregelt und namentlich nicht in Pforzheim, Schwäb. Gmünd und Hanau. Sind genügende Aufträge vorhanden, so wird mit Ueberzeit gearbeitet, bei flauem Geschäftsgang und in der stillen Zeit muß mehrere Tage ausgesetzt werden, oder es wird die Arbeitszeit pro Tag bis zu 5 Stunden verkürzt. Die Ueberstunden werden nicht immer bezahlt. Im Gegenteil, von den sämtlichen an der Statistik beteiligten 297 Betrieben bezahlen nur 61=20,5% Zuschläge für Ueberstunden und zwar von 10-33%. Halten wir dem unsere eigene damalige Statistik entgegen, so können wir konstatieren, daß hinsichtlich der festen Arbeitszeit und der Ueberstunden auch in Berlin, Hamburg, Dresden, München, Leipzig, Breslau, Görlitz, Neustadt a. H., Köln usw. keine festen Vereinbarungen getroffen worden sind, sondern sehr verschiedentliche Anordnungen bestehen. Das Durchschnittsalter sämtlicher an der Statistik des MetallarbeitnehmerVerbandes beteiligten Personen beträgt 30 Jahre. Als durchschnittlicher Jahresarbeitsverdienst ergab sich bei ständigen Arbeiten 1162 M. Geklagt wird über die hohen Mietpreise, welche vom Einkommen allein 20,9% verschlingen. Die Feststellungen über die Heimarbeit sind so lückenhaft, daß wir sie hier übergehen wollen. Etwa 30,9% der beteiligten Arbeitnehmer hat Ausgaben für eigenes Werkzeug gehabt. Die sanitären Werkstättenverhältnisse werden ungünstig geschildert. Es wird noch über mangelnde Luftzufuhr, schlechte Ventilation, nicht ausreichende Waschgelegenheit geklagt, während die Lichtzufuhr als befriedigend hingestellt wird. Im zweiten Teil des Werkes werden die Verhältnisse in einzelnen Städten geschildert, und zwar in Berlin, Braunschweig, Bremen, Breslau, Döbeln, Düsseldorf, Elmshorn, Essen, Gera, Schwäb. Gmünd, Görlitz, Halle, Hanau, Heilbronn, Itzehoe, Krefeld, Leipzig, Liegnitz, Libau, Magdeburg, Mainz, Neumünster, Pforzheim, Rathenow, Regensburg, Stuttgart und Viersen. Den Schluß bilden die Tabellen über Arbeitsverdienst, Ueberzeitarbeit, Aussetzen, Mietsverhältnisse, Aufwendung für eigenes Werkzeug, Organisationsverhältnisse und Familienstand. Wir werden gelegentlich noch einiges von den Berichten aus den einzelnen Städten hier wiedergeben.

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