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Wachspositive abnehmen, indem er bei jedem einzelnen auf folgende Weise verfährt. Er bringt die oben genannte Wachsmischung bei möglichst niedriger Temperatur zum Schmelzen und gießt sie auf das Negativ in der Stärke auf, die der in Metall anzufertigende Gegenstand haben soll. Da das Wachs die Agaroberfläche mehr oder weniger vollständig überzieht, erscheint das eigentliche Modell mit „Randwachs" umgeben, das auch alle Durchbrechungen ausfüllt. Nach dem Abheben vom Negativ wird es daher einer sorgfältigen Retuschierung unterworfen. Inwieweit das Randwachs der Durchbrechungen wegzunehmen ist, bleibt dem jeweiligen Ermessen des Formers überlassen. Stehengebliebene Wachspartien laufen beim Gusse in Metall aus und müssen durch nachträgliches Aussägen entfernt werden.

a

b

ein mit Marken versehener Gipsabguß (a Fig. 2 und Fig. 3) genommen, der um die Metallstärke gehoben den Gußraum für das Wachs begrenzt.

Zwischen den Formenrahmen und den Gipsabguß legt man zwei Streifen Pappe von der Metallstärke, formt die noch offen liegenden Flächen bb (Fig. 3) mit Gips auf, wendet die Form um und ersetzt schließlich auch die Pappe durch Gips. Zum Eingießen des Wachses schneidet man den Eingußkanal c ein, während der Kanal d einerseits als Luftpfeife, anderseits als Reservoir für das sich beim Erstarren zusammenziehende Wachs dient. Aus Fig. 2 geht hervor, daß die auf der Bildfläche senkrecht stehenden Flächen der Gipsmatrize um die Mctallstärke zu verschieben sind.

Fig. 2. a Gipspositiv, b Agar - Negativ im Holzkasten, c Metallstärke schwarz.

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Die Pariser Goldschmiedeläden, die wohl der größte Anziehungspunkt für die Besucher der Hauptstadt Frankreichs bilden, erhalten ihren größten Reiz in der Weihnachtszeit. Schon Monate vorher sind die großen Boulevards voll von Besuchern der In- und Ausländer, um ihre Einkäufe für diese Tage zu machen. Es lassen sichs deshalb die Besitzer der Goldschmiedeläden ganz besonders angelegen sein, durch viel Reklame und durch reiche Ausstellung in den Schaufenstern das Publikum anzuziehen. Aber leider führen diese Ausstellungen nur zu oft zur unruhigen Wirkung. Denn man sieht Schaufenster, wo es unmöglich ist, den Schmuck mit Ruhe zu betrachten. Durch die vielen weißen Täfelchen, auf denen der Schmuck angebracht ist, und dazwischen die vielen langen Ketten, Vasen, Schirme und Stockgriffe usw. ist der Glanz des Schmuckstückes vollständig verloren. Jedoch sieht man auch Schauläden, die als Muster der Ausstellung gelten können. Auf ganz mattgrünem Stoff, der etwas in Wellen gelegt ist, liegen auf

gelblichem Glase die Schmuckgegenstände, jedoch so, daß Schmuck allein, Ketten und Stockgriffe alles gleichmäßig auf beiden Seiten angeordnet ist. Gerade diese Einfachheit wirkt sehr vornehm und besonders der Glanz der Steine ist sehr lebhaft. Wendet man nun seine Aufmerksamkeit dem einzelnen Schmuckstücke zu, so findet man, daß die Goldschmiedekunst in letzter Zeit besonders in Ringen sehr viel neues geschaffen hat. Steine in Käferform von natürlicher Größe sind durch ein dünnes Golddrahtgestell, das in sehr strammen Linien gehalten ist, zu einem feinen Ring gefügt. Auch hat man nur durch Golddraht sehr imposante Motive geschaffen. Reich ziselierte Blümchen, aus deren Mitte ein kleines Elfenbeinköpfchen hervorragt, ist ein Motiv, das am meisten Anwendung findet. Diamantenringe von kolossaler Größe, von denen man nicht mehr glaubt, daß sie für einen Finger geschaffen, und solche, an denen nur zwei Steine angebracht sind, welche aber den Preis von 36000 Fr. repräsentieren. In Broschen

findet man alle nur erdenklichen Formen, rund, drei- und viereckig, oval, als schmales Rechteck usw., zuweilen in sehr schönen straffen Linien gehalten. Jedoch findet man auch größere Stücke, die ein wunderbares Farbenleben besitzen, so daß man meinen könnte, daß sie aus Laliques Werkstatt stammten. Zierliche Schmetterlinge und Käfer zwischen kleinen Blümchen prangen in dem schönsten Email. Schlangen und Menschenleiber in Elfenbein bilden mit schön gefärbter Goldfassung wirkungsvolle Schmuckstücke. Diamantenanhänge, die die ganze Brust bedecken, findet man besonders in der Rue Royal, aber in diesen Stücken scheint

der Empirestil die Vorhand zu haben. Mit Armbändern scheint die Goldschmiedekunst sich nicht viel abzugeben, denn nur selten sieht man Stücke, die wirklich Bewunderung verdienen. Dagegen scheint die Fabrikation von Gürtelschließen und Hutnadeln eine recht lebhafte zu sein. Hier spielt die Farbe eine sehr große Rolle. Da man wohl nicht auf einen weißen Hut eine schwarze Nadel steckt und da ja auch das öftere Wechseln der Hüte heute zu dem guten Ton gehört, ist wohl die Hutnadel derjenige Gegenstand, dem man sich in letzter Zeit am meisten zuwendet.

Versilberte Gegenstände nach der Reparatur auszubessern.

(Zu Frage 461).

Um schadhafte Stellen von versilberten Gegenständen auszubessern, bedient man sich mit Vorteil einer Anreibeversilberung. Man walze Silber möglichst dünn und zerschneide es in kleine Stückchen. Diese Stückchen sollen gebogen sein, damit sie in der Feuchtigkeit nicht aneinander haften. In einer Abdampfschale löst man das Silber mit Salpetersäure. Mäßiges Erhitzen der Schale befördert die Auflösung des Silbers. Die Heizung kann über Gas, Spiritus oder auf andere Weise geschehen. Nach der Auflösung des Silbers gebe man der Säure das doppelte Quantum an Wasser zu. In diese Silberlösung bringt man eine gut gereinigte Kupferplatte, auf diese schlägt sich das Feinsilber als Pulver nieder. Nach ungefähr einer Viertelstunde, nachdem sich genügend Silber aufgesetzt hat, nimmt man die Kupferplatte aus dem Bad und ersetzt sie durch eine andere. In einem Gefäß mit kaltem Wasser löst sich das Silber von der Kupferplatte und sinkt auf den Boden. Die Platten wechselt man so lange, bis sich kein Silber mehr niederschlägt. Der Silberniederschlag wird einigemal mit frischem Wasser ausgewaschen, damit die Säurespuren entfernt werden.

Vom Silberpulver, welches getrocknet wurde, mischt man 1 Teil desselben mit 2 Teilen Weinsteinrahm (gereinigtem Weinstein) und 2 Teilen Kochsalz. Zum Gebrauch gebe man der Mischung etwas Wasser zu, so daß sie einen dicken Brei bildet und verreibe die Masse gehörig. Mit einem sauberen Leinwandlappen reibt man

den Brei auf den vorher peinlich gereinigten Gegenstand und wasche ihn nach der Versilberung mit etwas Pottaschelösung ab. Der besseren Haltbarkeit wegen überzieht man den Gegenstand nach der Fertigstellung mit einem Lack.

Statt des Silberpulvers kann man auch Chlorsilber verwenden. Dieses stellt man wie folgt her. Silberabfälle und dergl. werden in einer Abdampfschale, wie oben angegeben, mit Salpetersäure gelöst. Der mit Wasser verdünnten Lösung fügt man so lange Kochsalz zu, bis sich kein Chlorsilber mehr bildet. Das Chlorsilber senkt sich als weiße Flocken auf den Boden des Gefäßes. Auf einem Filter wäscht man das Chlorsilber mit reinem Wasser, bis es von der anhaftenden Säure befreit ist und trocknet es an einem dunklen Ort, am Licht wird dasselbe schwarz. Auf einem Stein oder auf einer Glasplatte mischt man das Silber mit dem oben angegebenen Weinsteinrahm und Salz und verwendet auch dieses mit etwas Wasser angemacht. Man vergleiche den Artikel auf Seite 139a Jahrgang 1905 unter „Für die Werkstatt".

Um Zinn zu verkupfern fertigt man sich eine Lösung von 1 Teil Kupfervitriol in 16 Teilen Wasser. Es bilden sich blaßblaue basische Salze, die durch Salmiakgeist, den man unter Umrühren langsam zufügt, wieder gelöst werden und eine klare, dunkelblaue Flüssigkeit bilden. Mit einem weichen, sauberen Pinsel bringt man die Flüssigkeit auf die gut gereinigte Stelle.

Zum Jubiläum der Firma Hagenmeyer & Kirchner, Berlin.

In Berlin gab es bis in die achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein, eigentlich nur das eine Geschäft von W. Victor, in welchem die Goldarbeiter ihre Hilfsartikel, als da sind Chatons, Ohrringshaken, Kugeln, unechte und halbechte Steine, erhalten konnten. Das Geschäft ging nach dem Tode des Inhabers ein. Es waren noch zwei Firmen Leopold Donath, der 1864 sich etablierte, aber fast nur Werkzeuge für Graveure hielt, und die Firma Bruno Gumprecht am Platze. Fabriken, welche Hilfsartikel fertigten, fehlten und fehlen auch heute noch. Die Pforzheimer Fabrikanten zeigten auch keinerlei Interesse, Hilfsartikel nach Berlin zu liefern. Ist es mir doch passiert, daß ich 100 Paar Brissuren für Kinderboutons nicht erhalten konnte, sondern dieselben erst durch Vermittelung des Grossisten, der die Boutons bestellt hatte, bekam. Am 1. Januar 1881 übernahmen nun die Herren Hagenmeyer & Kirchner die oben erwähnte Firma,,Bruno Gumprecht" und führten sie, in der ersten Zeit, unter dem bisherigen Namen, in der alten Art fort. Sie sahen aber bald ein, daß es notwendig war, das Geschäft auf anderer Grundlage auszudehnen. Zu dieser Zeit waren die Korallenwaren sehr begehrt und verstand es Herr Hagenmeyer durch seine Kenntnis der Korallen und Lieferung tadelloser, gut geschraubter Ware sich nicht nur in Berlin, sondern auch in ganz Deutschland und im Auslande,

Z.

speziell in Dänemark, welches er heute noch bereist, einen großen, treuen Kundenkreis zu erwerben. In Berlin hatten die Inhaber ihr Interesse namentlich auch auf die Lieferung von Hilfsartikeln gerichtet, und finden die Goldarbeiter bei ihnen jetzt alles, was sie an Werkzeugen, Maschinen, Steinen und sonstigen Hilfsartikeln brauchten. Als im Jahre 1892 auch noch das bereits erwähnte Geschäft von Leopold Donath übernommen wurde, vergrößerte sich der Kundenkreis namentlich durch die Graveure bedeutend.

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Seit September 1892, in welchem Monat Herr Fritz Kirchner aus der Firma ausschied, betreibt Herr Hagenmeyer dieselbe allein. Er blickt nun auf eine ununterbrochene 25 jährige Tätigkeit zurück, die ihn mit Freude erfüllen kann, da es ihm gelungen ist, die Firma so zu Ansehen zu bringen, daß sie heute mit zu den ersten der Branche zählt.

Er zeigt auch für das Allgemeinwohl ein reges Interesse. Der Freien Vereinigung seit Anfang an zugehörig, war er sechs Jahre Schriftführer derselben und ist jetzt seit vier Jahren Schatzmeister. Ich kann nur, mit vielen meiner Kollegen, von Herzen wünschen, daß er noch lange in ungetrübter Gesundheit den Seinigen erhalten bleibe und daß das Geschäft auf der bewährten Grundlage weiter wachse, blühe und gedeihe. W.

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50jähriges Jubiläum der Muschel-Cameenschneiderei in Hanau.

Von Carl Nikolaus, Juwelier in Hanau.

In den vierziger Jahren des 19. Jahrh. kam ein Juwelier J. Diehls von Hanau nach Paris, woselbst er das Cameenschneiden erlernte.

Nach einigen Jahren ging er wieder nach Hanau zurück und gründete dort ein Juwelier- und Emailleurgeschäft. Anfangs der fünfziger Jahre, als die Firma festen Fuß gefaßt und einige tüchtige Arbeiter herangebildet hatte, begann Diehls das Cameenschneiden einzuführen, so daß dasselbe heute auf ein über fünfzigjähriges Bestehen in Hanau zurückblicken kann.

Der neue Artikel führte sich rasch und gut ein, so daß bald weitere Firmen entstanden. Zuerst Karl Kurr, dann im Jahre 1870 Becker und Neidhans, welch' letztere heute noch ihre Tätigkeit ausübt.

Leider hatte die Blüte des neuen Industriezweiges keinen langen Bestand: Schon 1885 ging der Absatz zurück, und viele Arbeiter, die im Cameenschneiden ausgebildet waren, mußten einen anderen Beruf ergreifen, wobei die meisten Diamantschleifer wurden. Scither sind die geschnittenen Cameen aus der Schmuckindustrie ja immer mehr verschwunden.

Außer Muscheln wurden in Hanau auch in großen Quantitäten Lava, Malachit, Korallen, Perlmutter und andere Materialien geschnitten, was sich eben mit dem Stichel bearbeiten ließ.

Das erste größere Absatzgebiet war Nordamerika; hier wurden die Cameen als Broschen und Armbänder getragen. Die Montierung in Gold und der Export wurden vielfach von der Firma Steinheuer & Co. übernommen. Auch Einlegearbeit in Gold und Steinen auf Cameen war beliebt. In dieser Art wurde bis etwa 1870 gearbeitet.

Dann kam ein großer Aufschwung des Exportes in Phantasieartikeln, die in Hanau und Pforzheim fabriziert wurden. Später wandte sich der Absatz nach Schweden und Dänemark; für diese Länder wurden fast ausschließlich Darstellungen nach den Werken des Bildhauers Thorwaldsen graviert, die dort massenhaft gekauft und getragen wurden. Aber auch hier erlosch endlich die Kauflust, und jetzt existieren und arbeiten nur noch ganz wenige Cameenschneider. Hoffen wir, daß auch für diese schöne Kunst wieder einmal bessere Zeiten kommen werden!

Zur Sache Metrisches Karat

erhalten wir vom Bureau International des Poids et Mesures in Sèvres, der offiziellen internationalen Stelle für die Bearbeitung aller das metrische Maß und Gewicht betreffenden Fragen, die von den Regierungen aller Länder, welche das metrische Maß und Gewicht eingeführt haben, unterhalten wird, die folgende Nachricht durch den Direktor des genannten Bureaus, Herrn Ch. Ed. Guillaume:

Im Verfolg meines Briefes vom 8. September 1905 habe ich das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß Herr M. Falce, Vorsitzender der Chambre Syndicate der Brillanten-, Perlen- und Edelsteinhändler in Paris mir anzeigt, daß die erwähnte Kammer soeben folgenden Beschluß gefaßt hat:

Die Syndikatskammer der Brillanten-, Perlen- und Edelsteinhändler, sowie der Steinschleifer faßt den Beschluß, daß die Vereinheitlichung des Karatgewichtes durch die Annahme eines gesetzlichen Gewichtes herbeigeführt werden

möge, welches den Namen „Metrisches Karat" führen und dem Gewicht von 200 Milligramm gleich sein soll. Dieser Beschluß beweist, daß die an der Reform der Karatfrage am meisten interessierten französischen Geschäftsleute diese sofort annehmen werden, sobald dem neuen Gewicht durch eine internationale Übereinkunft gesetzliche Kraft verliehen werden wird. Ich werde auch künftig nicht verfehlen, Sie von allen zu unserer Kenntnis kommenden Tatsachen zu unterrichten, die die uns beschäftigende Frage betreffen und ich versichere Sie meiner besonderen Hochachtung

gez. Ch. Ed. Guillaume.

Indem wir diesen Brief zur Kenntnis unserer Leser bringen, benierken wir, daß wir eine Abschrift dem Vorstande des Verbandes Deutscher Juweliere, Gold- und Silberschmiede sowie den Handelskammern Hanau und Pforzheim zugestellt haben.

Der Horussperber.

Humoreske von Karl Herold, Alexandrien.

Sie wohnten in San Giovanni bei Neapel, waren Nachbarn und konnten einander nicht ausstehen. In ihre Hantierungen ließen sich beide nicht hereinschen, und wenn einer den andern auf neugierigen Blicken nach den Nebengebäuden, in denen gearbeitet wurde, ertappte, so war's gewiß, daß am nächsten Tage eine neue Schutzmaßregel geschaffen wurde, die das Erkunden der Geheimnisse des Hauses völlig unmöglich machte.

Signor Barnaba Santi war gegen die Fünfzig alt; seine Frau Isabella war eine beleibte fromme Dame und Ninetta, die einzige Tochter, das hübscheste Mädchen in ganz San Giovanni. Der Nachbar, Andrea Minotoli, hatte noch nicht die Dreißig und suchte jede Gelegenheit, der schönen Ninetta zu begegnen.

Signor Barnaba war Steinschneider. Früher hatte er nur die schönen Bilder in die großen Muscheln geschnitten, die man drinnen in Neapel an die Fremden verkauft. Aber das Geschäft in dem Artikel hatte sehr nachgelassen, und so war er rechtzeitig auf Ersatz bedacht gewesen, und ein günstiger Zufall hatte ihn auf die Skarabäen aufmerksam gemacht. Er hatte in Ägypten einen Importeur gefunden, der ihn mit den nötigen Modellen versorgte, und seit jener Zeit lieferte er in größeren Quantitäten die "echten" antiken Skarabäcn, die von den Fremden so gern gekauft

werden. Das war ein flottes, lohnendes und einfaches Geschäft, und er wachte mit Eifersucht darüber, daß man ihm darin nichts absehe. Und dem Andrea gegenüber mußte er sich dabei besonders in acht nehmen, denn dieser verfertigte auch allerlei; er war ein Künstler, der die schönsten „antiken" Schalen, Lampen und ähnliche Sachen fabrizierte, und man konnte nie wissen, ob sich der nicht auch vielleicht auf die Skarabäen werfen und ihm das Geschäft verderben würde. Signor Barnaba hielt diesen Schwerenöter mit dem flotten schwarzen Schnurrbart, mit der schmeichelnden Romanzenstimme und mit den geschickten Händen für jeder Schandtat fähig, und eine Schandtat wäre es gewesen, hätte er auch Skarabäen verfertigt! Dabei war die Ninetta so zutraulich zu Andrea. Signor Barnaba hatte die beiden zu seinem größten Ärger schon oft zusammenstehen und plaudern sehen, und wenn auch Ninetta nicht in die Geschäftsgeheimnisse ihres Vaters eingeweiht war, immerhin wußte sie doch so viel davon, daß sie den Andrea auf die Fährte bringen konnte. Madonna Isabella sprach sich gegen ihren Gatten dahin aus, der Andrea wolle möglicherweise die Ninetta heiraten, deshalb suche er ihre Gesellschaft; aber Signor Barnaba erklärte ihr darauf, daß Andrea die Gesellschaft aller hübschen Mädchen um den ganzen Golf herum

suche, er habe ihn bereits mit mindestens fünfzig schön tun sehen, und da er leider - man könne das nicht leugnen auch ein hübscher Mensch sei und augenscheinlich sein gutes Auskommen habe, so werde er ganz sicher eine reichere heiraten als Ninetta. Donna Isabella seufzte darauf nur, nahm ihren Rosenkranz und suchte sich auf diese Weise mit der unangenehmen Geschichte abzufinden.

Eines Abends erzählte Ninetta den Eltern ganz unbefangen, daß der Nachbar Andrea am Morgen mit der „Regina Margherita" nach Ägypten abgereist sei, in Geschäften habe er gesagt.

Ihr Vater wurde aufgeregt. Woher sie das wisse? fragte er. Andrea habe es ihr selbst erzählt, bereits vor einigen Tagen, und sie habe es schon immer sagen wollen, doch stets vergessen.

gefunden, für den er sich sehr interessierte, nicht weil er antik und der heilige Vogel das Symbol des jungen Gottes Horus war, sondern weil man ihn ausgezeichnet imitieren konnte. Die Figur war aus Metall, roh und doch von künstlerischem Geiste inspiriert und ließ sich in Stein ausgezeichnet nachmachen. Besonders wenn man sie etwas größer und feiner in der Ausführung lieferte. So wäre das, entgegen so vielen andern Altertümern, eine Zierde für jeden Salon", und kein Engländer, der seine Ágyptenreise gemacht, würde ohne solch einen Vogel heimkehren, der neben dem Reiz einer künstlerischen Darstellung auch noch den Vorzug hatte, echt antik" zu sein. Leider erwies sich der Händler bezüglich des Preises unerbittlich; der Vogel war eben erst gefunden worden, und der Fellache, der ihn aus einem alten

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Unsere Deutsche Goldschmiede-Zeitung erweitert von dieser Nummer ab wiederum ihren Wirkungskreis. Wir erhöhen die Auflage auf die Gesamtanzahl von

7800 Exemplaren

und garantieren diese Auflage, deren Verbreitung allwöchentlich an die Goldschmiede
Deutschlands sowie an den Großhandel usw. erfolgt. Die Verbreitung nach Österreich,
der Schweiz und an deutschsprechende Interessenten im übrigen Ausland ist ebenfalls
eine sehr umfangreiche.

Der Arbeitsmarkt, der sich gerade im vergangenen Jahre entsprechend der Be-
deutung unserer Zeitung in sehr bemerkenswerter Weise gesteigert hat, erlangt nun-
mehr ein weiteres Fundament für seine Wirksamkeit dadurch, daß aufgegebene Inserate
Stellenangebote, Stellengesuche, Geschäfts-An- und -Verkäufe und dergl. jedem
Goldschmiede zu Gesicht kommen.

Die Export-Ausgabe der Deutschen Goldschmiede-Zeitung wird an ca. 5000 Firmen des Groß-, Export- und Importhandels der ganzen Welt verbreitet.

Deutsche Goldschmiede-Zeitung

Wilhelm Diebener.

Signor Barnaba sprach sich dann mißmutig über die Inferiorität des weiblichen Geschlechts aus, wurde für einige Tage sehr nachdenklich und verkündigte schließlich den Seinen, daß er mit der nächsten „Regina Margherita" ebenfalls nach Ägypten gehen werde. Er wolle sich doch das schöne Geschäft nicht von diesem Menschen vor der Nase wegschnappen oder verderben lassen.

Isabella war bekümmert über diese Reise, aber was war da zu machen? Sie betete also recht fleißig, daß alles gut gehen möge, und tat im geheimen für die glückliche Rückkehr ihres Mannes ein Gelübde, von dem sie sich eine große Wirkung versprach.

Signor Barnaba reiste also ab und fand drüben, daß ihm der Nachbar bisher noch nichts geschadet hatte. Aber er bedauerte deshalb die Reise nicht; sie hatte ihm doch mancherlei Neues gezeigt und ihm weitere Perspektiven für seine Kunst eröffnet. Besonders war da eine, die er sehr nutzbringend auszubeuten gedachte: Bei einem Trödler hatte er einen alten Horussperber

Schutthügel ausgewühlt hatte, kam zufällig dazu und konnte nur bestätigen, daß es sich da um ein ganz seltenes altes Stück handele, das für drei Pfund geradezu verschenkt sei. Barnaba hätte jedoch dieses Geld gern gespart, denn er hoffte, den Vogel aus dem Gedächtnis nachahmen zu können. Aber es gibt bei diesen antiken Sachen so vieles zu berücksichtigen, was man nicht im Kopfe behalten kann, und das, wenn unbeachtet geblieben, die Fälschung zu deutlich verrät. Darum lohnte es sich doch wohl, die Ausgabe zu wagen. So wurde der Sperber erworben, und Signor Barnaba machte davon seiner Gattin Mitteilung in dem Briefe, in dem er ihr seine baldige Rückkehr anzeigte; er habe einen wunderschönen Horussperber gekauft, der sowohl ihr als Ninetta viel Vergnügen bereiten werde. Dabei empfand er jetzt schon eine innere Freude, wenn er sich die enttäuschten Gesichter von Frau und Tochter vorstellte beim Erblicken dieses antiken Kleinods, denn selbstverständlich würden sie einen lebenden Vogel erwarten.

Bei der Abfahrt in Alexandrien gewahrte Signor Barnaba, daß ein widriges Geschick den Nachbar Andrea mit ihm auf das gleiche Fahrzeug gebracht hatte, und er bemühte sich, den jungen Mann möglichst kühl zu behandeln. Dieser jedoch schien das gar nicht zu bemerken, er war im Gegenteil die Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit selbst, und da es ihm gelang, sich innerhalb weniger Stunden das Wohlwollen der ganzen Schiffsgesellschaft zu erringen, so widerstand auch Signor Barnaba dem Einflusse seines Nachbarn nicht, und es bahnte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen an. Wer hätte auch einem Menschen böse sein können, der die schönsten Piedigrottalieder, von ganzen fünfundzwanzig Jahren her, sang; und für einen Tenor mit guten hohen Tönen schwärmte Signor Barnaba wie jeder richtige Italiener.

Sie waren also Freunde geworden, und gegen Ende der Fahrt plagte den Älteren doch die Neugier nach dem Zweck der Reise seines Nachbarn. Er wußte daher das Gespräch geschickt darauf zu bringen, aber Andrea wich ihm aus, und so fand er es für angezeigt, durch ein Entgegenkommen ermutigend auf den jungen Mann einzuwirken.

Es war am letzten Nachmittag; sie saßen auf dem Verdeck, und eine kleine Pause war in der Unterhaltung eingetreten. Da ging Signor Barnaba hinab in seine Kajüte, holte den Horussperber herauf und zeigte ihn Andrea mit einem gewissen Stolz. Dieser besah das Kunstwerk, lobte es sehr und fragte nach dem Preise. Barnaba, der von dem Werte seines Sperbers überzeugt war, schlug schnell zwei Pfund drauf und sagte Andrea, daß er fünf Pfund gekostet habe.

Der junge Mann lächelte. „Lieber Herr Nachbar," sagte er, ,,wenn ich gewußt hätte, daß Sie sich dafür interessieren, so hätte ich Sie schon lange eingeladen, in San Giovanni nur eine Tür weiter zu gehen. Sie hätten da diese schönen Vögel zu Hunderten haben können, das Stück zu drei Lire. Und ich hätte dabei noch recht gut verdient. Diese Horussperber werden in meinem kleinen Atelier ausgebrütet!"

Mit dem Preis von drei Lire hatte Signor Andrea ebenfalls gelogen, nach unten zu, aber er wollte seinem Nachbarn das Nachmachen gründlich verleiden, und so lag es nur in seinem Interesse, den Preis so niedrig als möglich anzugeben. Barnaba war enttäuscht und ärgerlich, aber er suchte sich so wenig als möglich davon merken zu lassen. Andrea, der sich seine Verstimmung denken konnte, wollte ihn davon abbringen, und ging nun, das zu holen, was er selbst eingekauft hatte. Es nahm wenig Platz ein: in einem Schächtelchen brachte er eine Krawattennadel und eine Brosche, beide einen Skarabäus als Mittelpunkt der geflügelten Sonnenscheibe tragend.

„Das ist eigentlich noch das einzige, was man echt drüben bekommt die Skarabäen," sagte Andrea belehrend, „es gibt ihrer so viele, daß es sich nicht lohnt, sie nachzumachen. Ich habe vierzig Piaster für das Stück gezahlt und sie dann fassen lassen!"

"

Barnaba betrachtete jetzt mit einem gewissen Hochgefühl die beiden Kleinode. „Hm," sagte er, wenn Sie sich in San Giovanni die Mühe gegeben hätten, eine Tür weiter zu gehen, so hätten Sie die beiden Dinger da für eine Lira kaufen können. Diese Sorte Käfer wächst in meinem Studio. Sie hätten sich dann vielleicht die Ausgabe für die Goldfassung gespart!"

Der junge Mann lachte nur darüber.

„Wen wollen Sie mit der Brosche beglücken?" fragte Barnaba. Jener richtete sich etwas auf. „Wenn man siebenundzwanzig Jahre alt ist, darf man doch an einen Schatz denken!" sagte er heiter. Und dem darf man doch etwas mitbringen von der Reise!" Wenn Sie jedem von Ihren Schätzen solch ein Ding mitbringen wollten, wär's ein gutes Geschäft für mich," erwiderte Barnaba,,,denn ich denke, daß Sie doch schon mit mindestens hundert Mädchen schön getan haben!"

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,,Wenn man die Beste und die Schönste haben will, muß man eben alle ansehen," sagte Andrea.

Um die gleiche Zeit waren Signora Isabella und Signorina Ninetta in großer Aufregung. Die Mutter hatte sich überall erkundigt, was für eine Art Vogel ein Horussperber sei, aber niemand konnte ihr darauf genügende Auskunft geben. Ninetta war der Meinung, es sei eine Art Papagei, denn sie hatte sich schon lange einen solchen gewünscht. Ein Bekannter, der aus einem

noch unaufgeklärten Grunde im Ruf großer Gelehrsamkeit stand, sagte, es müsse eine Art Wüstengeier sein, konnte aber mit seiner Ansicht nicht durchdringen. Ein solch nutzloses und häßliches Vieh würde der Vater gewiß nicht mitbringen.

Aber darüber waren sich die beiden Frauen einig, daß der Horussperber, da er nun einmal mitkomme, auch untergebracht werden müsse, und so wurde beschlossen, einen Käfig für ihn zu kaufen. Ninetta befürwortete allerdings einen Ständer mit Stange, an der man den Sperber durch ein Kettchen befestige, da die Sperber auf diese Weise untergebracht zu sein gewöhnt wären, aber die Mutter bestand auf einem Messingkäfig. Das war reinlicher und sah auch schöner aus. So wurde also der Messingkäfig schnell gekauft. Er war groß, damit der Vogel Raum habe, und etwas teuer; aber man tröstete sich, daß der Vater in der Freude des Wiedersehens über diese nicht im voraus bewilligte Ausgabe ein Auge zudrücken werde. Weshalb brachte er überhaupt ein solches Tier mit! Zwei seidene Kleider, für Mutter und Tochter, wären viel willkommener gewesen!

Dann war das Schiff angekommen und der Empfang ein so lauter gewesen, als sei Signor Barnaba aus einer andern Welt zurückgekehrt. Der Nachbar Andrea, der die neue Freundschaft ausnützte und sich dicht neben Barnaba hielt, bekam auf diese Weise auch sein Teil an dem herzlichen Empfang ab.

Als die Droschke bestiegen werden sollte, die się hinaus nach San Giovanni führte, erinnerte sich Ninetta des Vogels. „Wo ist denn der Sperber?" fragte sie, wir können ihn doch nicht hier auf dem Schiff zurücklassen1"

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„Ich habe ihn im Koffer!" antwortete Barnaba würdig und im Innern vergnügt über den Erfolg seiner Rede, denn die beiden Frauen sahen ihn ganz bestürzt an.

„Im Koffer? Ist er denn unterwegs gestorben?« „Gestorben?" fragte Barnaba. „Aber ein Horussperber ist doch nicht lebendig, der kann doch nicht sterben! Wißt ihr denn das nicht?" Signor Barnaba sprach, als ob das jedes Kind wissen müsse, oder als ob seine Damen ägyptische Altertumskunde studiert hätten.

Und ich habe ein großes Messingbauer um vierzig Lire für ihn gekauft!" brach Signora Isabella los. Was ist das eigentlich, ein Horussperber?"

Signor Barnaba trieb zum Einsteigen, denn es wurde ihm ungemütlich. Dann stand auch Signor Andrea dabei, der zwar das Gesicht nicht verzog, von dem er aber genau wußte, daß er ihn auslache und vielleicht gar die ganze Geschichte weiter erzählen werde. So fuhr denn die Droschke davon, und die Insassen betrachteten einander verlegen und ungehalten, ein jedes mit der unangenehmen Gewißheit, daß nun zu Hause eine dramatische Szene folgen werde.

Signor Andrea nahm mit seiner Droschke einen kleinen Umweg durch die Stadt und trieb sie sehr zur Eile an. Er wollte noch etwas besorgen und doch nicht viel später ankommen als die Santis. Es gelang ihm auch: Signor Barnaba war noch nicht dazu gekommen, seiner Meinung über den Messingkäfig Ausdruck zu geben, als die Droschke draußen schon hielt und Andrea in das Zimmer trat. Er trug einen wunderbaren bunten Papagei auf der Hand, den er Signora Isabella überreichte als Zeichen seiner hohen Verehrung, und als er darauf Signorina Ninetta die schöne Skarabäusbrosche gab als Zeichen seiner tiefen Zuneigung, war die Mama auch darüber sehr glücklich, und der Papa fand schließlich nichts mehr einzuwenden. Denn Andrea flüsterte ihm lachend ins Ohr: „Ich habe sie alle studiert und kann beschwören, daß sie die Beste und die Schönste um den ganzen Golf herum ist.“

Den Horussperber brauchte Signor Barnaba nicht zu kopieren. Nachdem die beiden Herren ihre Ateliers näher kennen gelernt hatten, fanden sie, daß es viel besser sei, diese zu vereinigen, anstatt einander Konkurrenz zu machen, und so ist die Firma Santi und Minotoli entstanden, die dafür sorgt, daß der Reisende stets die echtesten, besterhaltenen ,,Antiquitäten" in Ägypten findet. Und den Papagei hat Frau Ninetta, die Schönste und Beste am ganzen Golf, die Worte sprechen gelehrt: „Ich bin ein Horussperber!" wozu er sich jedoch, in Anbetracht der offenen Unwahrheit dieser Behauptung, erst nach langen Bemühungen bereit finden ließ. Jetzt ist er aber beinahe selbst davon überzeugt.

PASPAS PASPAS PASPAS PASPAS PAS PAS PAS PAS PAS PASPAS PASPAS PASPAS PASPAS

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