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Ein neues Prachtstück Hamburgischer Goldschmiedekunst.

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Die reichen Hamburger Patrizierfamilien rechnen es sich zur Ehre an, den Silberschatz des Rathauses ihrer Vaterstadt um schöne Prunkstücke zu bereichern. Aber die heute unseren Lesern im Bilde vorgeführte Prunkschale, eine Schöpfung aus dem Atelier des Hamburger Senats - Goldschmiedes Herrn Alexander Schönauer, hat ihre Geschichte. Die Hamburger Nachrichten" berichten darüber: In dem bekannten Buche „Stil in den technischen und tektonischen Künsten" findet man von dem in Altona geborenen Architekt Prof. Dr. Gottfried Semper die Abbildung einer bowlenartigen Prunkschale aufgenommen, in der er in Bildform das Zusammenwirken von Kunst und der Autorität des Stoffes verstanden wissen wollte.

Der Deckel dieser, als fröhlicher Nachklang italienischer Spätrenaissance erdachten Schale sollte, nach seiner Angabe, mit einem aus akanthusartigen Blättergeranke in durchbrochener Arbeit hergestellten mächtigen Knauf gekrönt sein. Der Rumpf und der Grund des Deckels seien zu vergolden, um den Rumpf ein antiker Fries zu legen ein figurenreiches bacchantisches Freudenfest mit Nereiden, Seejungfern und Seeungeheuern alles Figürliche am Deckel und am Untersatze ist in oxydiertem Silber auszuführen: Das Blatt- und Rankenwerk des Untersatzes, der Hauptsache nach in weißem, mattem Silber, mit untermischten Vergoldungen herzustellen, damit der goldene Rumpf nicht isoliert bleibe. So lauteten die gemachten An

gaben zu dem bildlichen Entwurfe.

Gottfried Semper starb und sein Entwurf blieb unausgeführt. Bei der 100 Jahr-Gedenkfeier für Gottfried Semper benutzte der Direktor des Hamburger Kunst- und GewerbeMuseums, Prof. Dr. Justus Brinckmann, sehr glücklich in seinem Vortrage, um den künstlerischen Reichtum der Ideenwelt seines Schöpfers zu illustrieren und knüpfte gleichzeitig den Wunsch daran, diesen Entwurf durch die Freigebigkeit eines Hamburger Bürgers noch einmal in edlen lebendigen Metall auferstehen und für den Silberschatz des Hamburger Rathauses gestiftet zu sehen. Nun, dieser wohlgemeinte Wunsch sollte sehr bald in Erfüllung gehen. Der Hamburger Bürger, Herr Edmund J. A. Siemers, setzte sich mit dem Hamburger Senats-Goldschmied Schönauer ins Vernehmen, und als dieser vor den enormen Schwierigkeiten der Ausführung nicht zurückschreckte, die die Ausführung eines so großen im Entwurf nur in einseitiger Zeichnung vorliegenden Kunstwerkes unter allen Umständen bedeutet, wurde der Auftrag perfekt.

Das edle Werk bietet für unser, durch die neuzeitliche Tendenz zur Vereinfachung in der Kunst in seinen Ansprüchen etwas herabgestimmtes Auge im Moment des ersten Gegenübertretens einen Anblick von verwirrendem Reichtum im Ornament und in den figürlichen Motiven. Die Delikatesse der bis in die kleinste Einzelheit mit vollendeter Sorgfalt be

werkstelligten Durchbildung, die sich gleichfalls sofort bemerkbar macht, läßt indes das Gefühl eines Überladenseins, des für jedes Kunstwerk stets so gefährlichen Vielzuvielen, gar nicht aufkommen. Köstlich schon ist der den Deckel krönende kronenartige Knauf, wo zwischen den aus Akanthusgerippe gebildeten Bändern Puttos hervortreten, die auf Sphinxe reiten. Auf der Oberseite des Blättergerippes sind in kleinen Täfelchen die Wappen von Hamburg und des Spenders befestigt. Auf der polierten Fläche des Deckels lesen wir die bei jedem Namen mit einem „S“ einsetzende Inschrift: „Von Gottfried Semper erdacht von Alexander Schönauer gemacht von Edmund J. A. Siemers dargebracht dem Senat von Hamburg 1906." Da der von Semper hinterlassene Entwurf, wie bereits erwähnt, nur die eine Seite der Terrine in Ausführung zeigt, Schönauer aber aus begreiflichen Gründen künstlerischer Natur eine Wiederholung dieser Frieszeichnung auf beiden Seiten nicht vornehmen wollte, blieb ihm nichts übrig, als mit eigener Kraft einzuspringen und den halbfertigen Fries fertig zu komponieren. Er tat dies mit vollendetem Künstlerglück. Die beiden Hälften des Friesbandes, die einen Zug veranschaulichen, der zusammengesetzt ist aus musizierenden und singenden Bacchanten, Seejungfrauen, Faunen, Liebesgöttern, phantastischen Seeungeheuern mit Schlangenleibern, Drachen-, Löwen- und Tigerköpfen im ganzen 55 Figuren greifen so völlig einheitlich ineinander, daß sie wie aus einem Guß hervorgegangen erscheinen. Der den Rumpf tragende Sockel ist von Weingewinde eingerankt, mit Masken verziert. An den Ecken springen nackte geflügelte Jungfrauen hervor, zu ihren Häuptern auf den polierten Flächen des oberen Sockelblattes an jeder Ecke je eine bärtige Männermaske, die, indem sie figürliche Bewegung auch in diesen Teil der sonst leeren Fläche tragen, dem Auge als willkommener Ruhepunkt dienen.

Für die liebevolle Eindringlichkeit, die der erste Schöpfer des Entwurfs, Gottfried Semper, an dessen Durchbildung gewandt, sprachen auch die bis in den Fuß des Untersatzes hineingehenden zeichnerischen Details, die unerschöpflich im Erfinden, an dieser Stelle zwischen Blattpflanzen, kletternden Molchen, Eidechsen usw. - direkt modernes Empfinden atmen. Die beiden an den Seiten abstehenden Griffe werden von je zwei Muscheln blasenden Tritonen getragen, die in der Einheit ihrer Modellierung ebenso glänzende Beweise sind der vorausgegangenen gründlichen Aktstudien und der vornehmen Gestaltungskraft unseres heimischen Goldschmiedes, wie die Figuren des großen Festzuges auf dem Friese.

Die insgesamt 13 Kilo Silber wiegende Prunkschale, die in der Höhe 55 Zentimeter, im Durchmesser 33 Zentimeter mißt, wurde beim diesjährigen Kaiser-Geburtstags-Diner im Hamburger Rathause zum ersten Male die Zierde der Senatstafel. Dr. Waiter Obst.

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Das Augenmaß.

Augenmaß, was ist das? Hat schon jemand ein Augenmaß gesehen? Niemand; und doch ist dies ein so gang und gäbes Maß, daß man in sehr vielen Spezialfächern gar nicht ohne dem fertig werden kann. Das Augenmaß ist kein Längen- oder Hohlmaß, auch kein Gewichtsmaß, es ist überhaupt kein Maß oder Maßwerkzeug, doch spielt es verschiedentlich eine so große Rolle, ich erinnere vor allem an die Kriegskunst, in welcher Entfernungen, Höhen usw. nur nach „Augenmaß" gemessen werden; so noch viele andere Zwecke, für die ein gutes Augenmaß stets von großer Wichtigkeit ist.

Von unserem Standpunkte wollen wir aber von Krieg gar nichts wissen, denn wir können dabei nichts gewinnen, wohl aber verlieren, denn durch Kriegswirren werden die Geschäfte lahm gelegt und wir sitzen dabei auf dem Trocknen.

Wir wollen nun einmal sehen, was das Augenmaß für das gewerbliche Leben eigentlich für einen Zweck hat, und wollen diese Angelegenheit rein sachlich behandeln.

Jeder Künstler resp. gewerblicher Kunsthandwerker, wie Maler, Bildhauer und Goldschmied, bedarf notwendig des Augenmaßes, da er in sehr vielen Fällen mit anderen Maßen gar nichts anfangen kann, und je mehr das Augenmaß ausgebildet ist und je genauer man mit dem Augenmaße umzugehen weiß und es in Anwendung bringen kann, desto besser und ergiebiger stellt sich die Arbeit für den Betreffenden, ja, ich möchte behaupten, desto leichter fällt ihm die Arbeit.

Es ist selbstverständlich, daß man für eine Arbeit im großen und ganzen erst ein gewisses Grundmaß haben muß, welches mit dem Meterstock, Zirkel oder sonstwie gegeben wird, dann aber hört auch alle und jede Maßgabe auf, und nur das Augenmaß tritt in Kraft.

Ein Maler beispielsweise kann bei Ausführung eines Porträts oder einer Landschaft usw. auf seiner Leinwand nur einzelne Punkte bezeichnen, worauf er sein Hauptaugenmerk zu richten hat, alles übrige muß er nach dem oben angegebenen Augenmaße herstellen, und ist hierbei ein gutes, scharfes Augenmaß derart wichtig, daß man behaupten kann, je schärfer und je besser dasselbe ist, je bedeutender ist der Künstler, wenn hierhin auch nicht nur allein die richtigen Abmessungen, sondern auch die richtigen Abtönungen gehören; alles dies kann man mit dem Worte Augenmaß bezeichnen.

Noch vielmehr aber ist dies beim Bildhauer der Fall, dieser hat oft gar keine Handhabe weiter, als das Augenmaß, er weiß wie groß und wie hoch sein Werk werden soll, aber weiter oft auch nichts; bei allen übrigen Ausführungen muß er sich auf sein Augenmaß verlassen, weshalb man auch oft genug hört, daß das Werk eines Künstlers „gelungen“ oder „nicht gelungen“ ausgefallen ist.

In allen Fällen, wo es sich um Formengebung — sogenannte „Fasson", wie es beim Kunsthandwerker heißt handelt, ist das Augenmaß von großer Bedeutung; überall, wo plastische Formenbildung nach einer gegebenen Zeichnung nachgebildet werden soll, ist das Übertragen von der Zeichnung auf das Modell mittels Augenmaß von Wichtigkeit, und je besser dasselbe ausgebildet ist, je erfolgreicher ist derjenige zu arbeiten imstande, der Übung darin besitzt.

Das Auge, die Seele des Menschen, das in so vieler Hinsicht eine so große Rolle spielt, ist also in diesem Falle das Meßwerkzeug, es soll uns helfen unsere Arbeit erleichtern, es soll zur Aus- und Durchbildung unserer geistigen Fähigkeiten beitragen. Gerade das Goldschmiedehandwerk im besonderen ist darauf angewiesen, auf ein gutes Augenmaß zu halten, schöne, auf einer Zeichnung gegebenen Formen sollen auf das Arbeitsstück übertragen werden; wir können nun wohl Länge, größten oder kleinsten Durchmesser, mit dem Zirkel messen, die Hauptsache aber, die schöne geschwungene Form, die vielleicht auf der Zeichnung gegeben ist, können wir nur mittels des Augenmaßes übertragen, die Zeichnung muß sich gleichsam in dem Arbeitsstück oder umgekehrt abspiegeln; je mehr diese Fertigkeit ausgebildet worden, desto besser für den Arbeitenden.

Übung macht den Meister, pflegt man zu sagen, aber nicht Übung allein ist es in vielen Fällen, sondern sehr oft sogar natürliche Gaben sind es, einen Gegenstand auf seine richtigen Abmessungen taxieren zu können.

Jeder Meister sollte sein besonderes Augenmerk darauf verwenden, jungen Leuten, die sich dem Fache widmen, ein richtiges Augenmaß beizubringen, was bei nicht natürlicher Veranlagung doch leicht durch immerwährende Übung erreicht werden kann, getreu dem Spruche: „daß die schöne Linie dicht neben der schlechten liegt"; die kleinsten Schwankungen können oft dazu beitragen, einer Sache das gewünschte Ansehen zu geben.

Unsere Bilder.

Die prächtige Bowle, von dem Altmeister Semper erdacht, von dem modernen Goldschmied Schönauer gemacht, findet an gesonderter Stelle ihrer eingehende Würdigung.

Auf Tafel 2 und 3 sind eine Anzahl brauchbarer Entwürfe für modernen Schmuck vereinigt. Von F. Hürlimann-Pforzheim sind die hübschen Skizzen für halbfeinen Schmuck mit sparsamer Steinverwendung, von A. Mittmann-Pforzheim und M. DiehlBerlin stammen die Entwürfe für Juwelenschmuck, in denen sich das Bestreben nach einer mehr feinen und zierlichen Formensprache glücklich ausprägt. Außerdem bringen wir auf Blatt 3 noch Juwelenentwürfe, mit denen ein Schüler der Fachschule der Juweliere, Gold- und Silberschmiede (Fritz Jahr aus Gera bei F. Dönges-Berlin), sich die bronzene Medaille geholt hat.

Auf der letzten Leipziger Messe hatte die Aktiengesellschaft vorm. H. Gladenbeck & Sohn (Abt. Lewy Söhne) im „Kunstgewerbehaus" originelle Ziergeräte und Gefäße ausgestellt, von denen wir, mit freundlicher Erlaubnis der Firma, hier einige

abbilden. Abbildung 1 stellt ein farbiges, irisierendes Glas dar, mit farbig patinierter Bronze montiert; bei Abbildung 2, 3 und 5 sind die Trauben vergoldete, die Blätter farbig patinierte Bronze; die Gläser sind ebenfalls farbig irisierend. Abbildung 4 ist einer Serie von Schreibtischgegenständen aus Kompositionsmasse mit brauner Patinierung entnommen, und Abbildung 6 einer solchen in schwarzgrüner Patina. Wie die Illustrationen erkennen lassen, sind Kompositionen stets originell und künstlerisch; die Farbengebung ist bemerkenswert sorgfältig gewählt.

Die Gravierarbeiten und Zierstücke von Friedr. Schneider, Berlin, weisen gewandt gezeichnete und anregende Motive auf. Besonders die Ehrentafel für den verstorbenen Eisenbahnminister Budde ist vorzüglich im Charakter einer getriebenen Feinmetallarbeit gehalten; höchstens möchte das untere Flammenmotiv etwas ruhiger gehalten sein. Von den übrigen Ziermotiven ist das Monogramm J. M. R. in der kreisförmigen Füllung eine besonders glückliche Lösung. R. R.

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