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Goldschmiedekunst.*)

Von Alfred Lichtwark.

Die Auslage eines vornehmen Goldschmiedes verrät mehr von dem Zustand unseres Geschmacks und gibt eine zutreffendere Vorstellung von der wirklich vorhandenen Gesinnung und den wirklichen Bedürfnissen der Gesellschaft und des ausführenden Technikers, der in früherer Zeit Künstler war, als irgend eine Weltausstellung.

Da alle Goldschmiedsladen der Großstädte nach demselben Schema angelegt sind, muß etwas wie der Ausdruck des Gesetzes vorliegen.

Sie haben durchweg zwei Abteilungen. Oben, im besten Licht und in bequemster, der durchschnittlichen Augenhöhe angepaẞter Sichtigkeit, breiten sich auf weißem oder rosigem Sammet die Perlketten, Diamantsterne und Rubinringe aus. Unten liegen zwischen silbernen Zigarettendosen, Streichholzschachteln, Zigarrenabschneidern und anderen nützlichen Dingen

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man muß sich bücken, sie zu sehen allerlei Gürtelspangen und Broschen aus vergoldetem oder oxydiertem Silber mit Steinen, deren Namen niemand kennt und die auch Glasflüsse sein könnten.

Die Schmuckgedanken dieser Waren erinnern an Blumen, an Knochengelenke oder verschiedenartige Naturformen, die etwas so Ungreifbares an sich haben wie tanzende Lichtflecke auf bewegtem Wasser.

Oben wohnt der wirkliche Geschmack der vornehmen Welt. Unten liegt die neue Kunst, die man Kindern und Bonnen schenkt, auch wohl zur Tennis- oder Picknicktoilette trägt. Oben herrscht die solide Technik der Goldschmiedewerkstatt und das edelste Material, unten die billige neue Kunst stammt aus Fabriken und bekommt weder echte Diamanten und Rubinen noch Smaragde oder Saphire zu kosten, kaum einmal Gold. Oben brüstet sich die Überlieferung im guten und bösen Sinn, unten schimmert ein Abglanz der neuen Formen und Kunstmittel, die sich einige führende Künstler ausgedacht haben.

Dies alles kann man feststellen, wenn man im Gespräch vorbeigeht, zögernden Schrittes einen Bogen nach dem Fenster schlägt und ohne Gespräch oder Gang zu unterbrechen, den Blick einen Husch auf die Suche schickt.

Wer stehen bleibt und es lohnt sich immer kann an der obersten Auslage ein Verzeichnis der Gedanken, Techniken und Materialien aufnehmen, die der heutigen Goldschmiedewerkstatt eigen sind. Mit dem Umfang der künstlerischen oder technischen Gedanken unserer Goldschmiede können wir keinen Staat machen. An ornamentalen Gedanken gibt es den Stern, den Halbmond, den Blumenzweig, den Schmetterling, die Libelle, zeitweilig auch die Spinne, man weiß nicht, wie ein Goldschmied auf dies abstoßende Tier verfallen ist, vielleicht war etwas Aberglaube dabei, da der Schmuck ja abends getragen wird. Dazu natürlich die einfachen Reihungen der Halsbänder und Perlschnüre und einige ganz unorganische oder

völlig unverständliche Schnörkelformen. Ich glaube, ich habe nichts vergessen. Diademe, Kämme, Armbänder pflegen mit noch geringerem Aufwand an Erfindung hergestellt zu werden.

Und die Gestalten der Blätter, Blüten, Schmetterlinge und Libellen sind ohne jegliche Anlehnung an eine erkennbare Naturform gebildet. Sie stellen das Blatt, die Blüte, den Schmetterling an sich dar.

In der Silhouette, den Umrissen, als Fleck und Linie sind diese Formen durchweg sehr wenig gefühlt. Es scheint, als ob man nach Möglichkeit vermeiden will, irgend etwas außer dem Material selbst wirken zu lassen und sich vor jedem Element Kunst ängstlich hütet.

Dies Material besteht nun fast ausschließlich aus Brillanten (die schon fast ordinär wirken) und Perlen. Farbige Edelsteine wie Smaragd, Rubin, Saphir kommen seltener vor und man nutzt ihre Eigenschaften fast niemals aus. In den letzten Jahren begegnet man namentlich in Ringen wieder den rundgeschliffenen farbigen Edelsteinen. Zunächst sind sie wohl aus praktischen Rücksichten glatt beliebt. Aber an diesen wenigen Versuchen wird man lernen, daß der farbige Edelstein seine besten Eigenschaften aufgibt, wenn man ihn zwingt, mit vielen Facetten den Diamanten nachzuahmen. Das Gold ist an dem vornehmen Schmuck fast ganz verschwunden. Es hält sich eigentlich nur noch an Armbändern und Ringen, wo man es nicht entbehren kann. Man wird es wohl nicht wertvoll genug halten. Ich habe nirgend beobachtet, daß man die künstlerischen Mittel, die der Stoff des Goldes bietet, irgendwie ausgenutzt hätte. Ein modernes Schmuckstück, das sich auf eine Mondferne dem herrlichen Goldschmuck der späten Bronzezeit in Kopenhagen, dem Goldschmuck aus der Zeit Alfreds des Großen, wie es vergangenes Jahr im British Museum ausgestellt war, dem etwas jüngeren Schmuck der deutschen Fürstin im Besitz des Freiherrn v. Heyl nähern dürfte, ist mir nicht bekannt. Die technische Arbeit in diesen neuzeitigen Auslagen vornehmsten Schmucks ist mehr die des Mechanikers, der für die größtmögliche Sicherheit der Befestigung zu sorgen hat, als die des Künstlers, der alle besonderen Eigenschaften seines Materials zur Geltung zu bringen wünscht.

Es hat etwas Erschreckendes, wenn einem zum erstenmal die Einsicht kommt, daß beim vornehmsten Schmuck unserer Zeit nicht der schmückende Wert zuerst und zuletzt gesucht wird, sondern ohne Rücksicht auf die künstlerische Wirkung der rein materielle.

Seit vielen Jahren haben wir dies eingesehen und Künstler und Kunstfreunde haben immer wieder auf die unberührten Möglichkeiten schmückender Wirkungen hingewiesen, die in aufgegebenen alten und neuen Techniken und tausend edlen ebenso vernachlässigten Stoffen liegt. (Schluß folgt.)

*) Aus dem Werk „Der Deutsche der Zukunft", Seite 59. Verlag von Bruno Cassirer, Berlin.

Unsere Bilder.

Die beiden Entwürfe zu Siegelmarken von Friedrich Britze, Berlin, haben einen Vorzug, der sie besonders dem Graveur als Vorbild empfehlenswert erscheinen läßt: Eine sehr sorgfältige, gediegene Strichtechnik, eine Sache also, die momentan eigentlich selten geworden ist. Namentlich das Wappen mit dem Dürerkopfe ist eine sehr gute Leistung in dieser Beziehung: Überall der gleiche schlichte, lockere Strich, der ohne jeden billigen Effekt doch genau das ausspricht, was er aussprechen soll.

Zwei Abbildungen von Hochzeitsgeschenken der kunstfrohen Stadt München bringen wir auf einem Blatt vereinigt, eines zur silbernen Hochzeit unseres Kaiserpaares, das andere zur grünen Hochzeit des Prinzen Ferdinand Maria v. Bayern.

Das erstere Werk, eine Arbeit des Professors F. v. Miller in München stellt einen Hochzeitspokal, in der Form eines sogen. Braut- oder Doppelbechers, dar. Ein hoher Sockel aus Nußbaumholz in vergoldetem Silber gefaßt, zeigt an der Vorderseite in Gold und Email die Wappenschilde des Hochzeitspaares mit der Kaiserkrone. In Elfenbein eingelegt sind darunter die Initialen des Kaisers und der Kaiserin, verbunden durch den sogen. Liebesknoten. Auf der Rückseite ist in Elfenbein und Perlmutter ein Schiff mit geblähten Segeln, das Lebensschiff mit Amor am Steuer, darunter das Wappen der Schenkgeberin der Stadt München. An den beiden Seitenflächen des Sockels finden wir Tag und Jahr der Vermählung und der silbernen Hochzeit von Myrtenkranz und Kranz aus Edelweiß umgeben, ebenso den Wortlaut der Widmung in Elfenbein eingelegt. Ein Lorbeerkranz schlingt sich um das Postament. Auf diesem Sockel steht die silberne Kredenzschale mit dem Hochzeitsbecher. Vier große in Silber gefaßte Steine, Lapis-Lazuli, bilden die Vermittlung zwischen Sockel und Schalenfuß. Der Letztere ist gebildet aus einer in Silber geschmiedeten und vergoldeten Hülle, aus deren innerem Kern der Reichtum zu quellen scheint, den sie verbirgt. Wo sie gesprengt ist, treten Edelsteine zutage und Lorbeer wächst hervor, auf dessen in Email ausgeführter Laubkrone die weit ausladende Schale in oxydiertem, an der Innenfläche vergoldetem Silber ruht. Einfach und schlicht in

der Form und darin abstechend von dem Prunke, der ihn trägt und umgibt, steht in der Mitte aus edelstem Material der Hochzeitsbecher. Er ist aus massivem, gediegenem Gold gehämmert und aus zwei voneinander abzuhebenden Bechern gebildet. Email und Steine schmücken den Fuß und umrahmen die Namen der Kinder des kaiserlichen Paares. Das Ganze ist wieder ein schönes Zeugnis für die Meisterschaft Fr. v. Millers, der bei der Ausführung unterstützt wurde durch Kunstmaler Hupp, von dem die interessante heraldische Zier am Sockel des Hochzeitspokales stammt, und durch Juwelier Eberth, der bei der Fassung des teilbaren Pokals mitgearbeitet hat.

Für das Hochzeitsgeschenk für den Prinzen Ferdinand Maria hatte sich die Stadtgemeinde München eine große Anzahl Arbeiten von Kunstgewerbetreibenden der Stadt vorlegen lassen. Da sich unter diesen Umständen aber die Wahl zu schwierig gestaltete, so überließ der Magistrat schließlich die Wahl dem Vater des Bräutigams, dem Prinzen Ludwig Ferdinand, der sich für das von dem bekannten Hofgoldschmied Th. Heiden eingereichte Kunstwerk entschied. Dasselbe stellt sich als eine naturgetreue Nachbildung der Mariensäule vor dem Münchener Rathaus dar, in gelbem Marmor mit ziseliertem und vergoldetem Silber ausgeführt. Zu Füßen der Balustrade liegt ein silberner Myrtenkranz, der die Widmungsinschrift trägt.

Die beiden folgenden Tafeln vereinigen eine Anzahl hübscher und eigenartiger Schmuckentwürfe von verschiedenen Urhebern. Es sei besonders auf die Chatelainekette von C. Stahl, Pforzheim, aufmerksam gemacht, deren Abbildung, nach dem Originalmodell gefertigt, eine bemerkenswert sichere Technik verrät, sowie auch die beiden Anhänger mit den großen Steinen von F. Nieẞing in Vreden.

Den Beschluß bilden sechs Uhrgehäuse mit künstlerischen Plakettenprägungen, teils von Girard Perregaux & Co., teils von P. Ditisheim in La Chaux-de-Fonds. Die fünf oberen zeichnen sich durch künstlerisch-einfache, weiche Behandlung vorteilhaft aus. Für die künstlerische Qualität der unteren, mehr bildmäßigen Darstellung bürgt der Name des Herstellers, des bekannten Medailleurs Dubois. R. R.

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HOCHZEITSGESCHENK DER STADT MÜNCHEN FÜR PRINZ FERDINAND MARIA.

DAS GESCHENK DER STADT MÜNCHEN ZUR SILBERNEN HOCHZEIT DES KAISER-
PAARES: HOCHZEITSPOKAL, ENTWORFEN UND AUSGEFÜHRT VON PROF. FRITZ
V. MILLER, MÜNCHEN, UNTER BEIHILFE VON JUWELIER EBERTH UND MALER HUPP.

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