Page images
PDF
EPUB
[graphic]
[ocr errors]

UNI OF

MICH

[graphic][graphic][graphic][graphic][graphic][graphic][graphic][subsumed][merged small]

Werkstatterziehung im Kunstgewerbe?

Von Dr. Heinrich Pudor.

(Schluß).

Weit sicherer ist aber ein anderer Weg, daß nämlich zur nur die allervorzüglichsten berufsmäßigen Kräfte in Frage Leitung jener Lehrwerkstätten unter den allervorzüglichsten berufsmäßigen Vertretern der verschiedenen Zweige des Kunstgewerbes solche Kräfte ausgewählt werden, welche neben ihrer hervorragenden Materialbeherrschung und Werkzeug - Übung pädagogisches Geschick haben. Z. B. also der vorzüglichste Goldschmied Berlins, sofern er pädagogisches Geschick hat, ist zur Leitung der Goldschmiede-Lehrwerkstatt berufen, eventl. mit Benutzung oder Heranziehung der Privatwerkstätte des betreffenden Goldschmiedes. Und ebenso auf allen anderen Gebieten. Dieser Weg ist in der Tat der nächstliegende und vielleicht nur, weil man auch hier nicht den Wald vor Bäumen gesehen hat, ist an diesen Weg noch nicht gedacht worden. Er würde zugleich auch einen wichtigen Einwurf, den man, wie erwähnt, gerade von berufsmäßiger Seite gegen diesen Werkstattunterricht erhoben hat, zunichte machen, und zwar den der Konkurrenzgefährlichkeit.

Dieser Einwurf war berechtigt. Die Interessen einer Schule sind lediglich pädagogischer und ideal-künstlerischer Natur, keinesfalls geschäftlicher Art. Schon um nicht den Anschein der Geschäftsmäßigkeit zu erwecken, darf der Verkauf von Schülerarbeiten nach außerhalb gar nicht in Frage kommen, geschweige, daß Aufträge gesucht und angenommen werden. Ich verlange im Gegensatz zu anderen nicht nur nicht, daß die gefertigten Schülerarbeiten in einer Weise verkauft werden, die eine Konkurrenz für Privatgeschäfte ausschließt, sondern ich verlange, daß sie überhaupt nicht verkauft werden dürfen. Wohl aber dürfen sie von der Direktion, bezw. vom Staate für die Schulsammlung, eventl. für das öffentliche Museum erworben werden. Im übrigen würde diese Frage, wie man es machen solle, die Schüler Entwürfe ausführen zu lassen, für die kein Käufer da ist, bei unserem Standpunkt dadurch ihre Erledigung finden, daß Arbeiten, bei denen diese Frage aktuell wird, in der Berufswerkstatt des als Lehrer fungierenden Goldschmiedes oder Tischlers angefertigt werden. In diesem Falle würde also die Profession nicht Nachteil, sondern Vorteil haben, welcher letztere aber ganz gerechtfertigt wäre, da ja

kommen. Und den größten Vorteil würden sicherlich die Schüler haben, denen es vergönnt wäre, an einer hervorragenden Arbeit unter einem hervorragenden Meister tätig zu sein. Auf diese Weise würde die so lange geklafft habende Lücke zwischen Theorie und Praxis in wünschenswerter Weise ausgefüllt werden und das deutsche Kunsthandwerk würde wieder zu Ehren kommen können. In der Tat bewegt sich unser hier vorgelegter Vorschlag im Geiste der deutschen Renaissance, als nämlich jeder, der ein guter Goldschmied werden wollte, bei einem guten Goldschmied in die Lehre ging. Die neuere Zeit verlangt neben dem rein handwerksmäßigen Können noch anderes, und deshalb hat man Kunstgewerbeschulen gegründet, die aber heute den festen Untergrund des Handwerkes völlig verloren haben und in der Luft schweben und ein Proletariat von Zeichnern herangebildet haben. Der Werkstatt-Unterricht kommt à propos und er soll uns willkommen sein, aber nur dann, wenn er in der oben angegebenen Weise in Fühlung mit dem Handwerk tritt und die besten Vertreter der Profession als die geeigneten Leiter des WerkstattUnterrichtes anerkennt und annimmt.

An ähnliches denkt übrigens Prof. Karl Groß-Dresden. Er beläßt seine Schüler in der Werkstatt, sie zeichnen bei ihm, führen die Zeichnungen aber in ihrer Werkstatt aus. Er übernimmt als Lehrer auch Privataufträge, überweißt aber diese, nachdem er die Entwürfe hergestellt hat, den Werkstätten, in denen sie unter seiner Leitung ausgeführt werden.

Auf dem 15. Delegiertentage in Breslau des Verbandes deutscher Kunstgewerbe-Vereine hat der Vortrag desselben mit vollem Recht großen Beifall gefunden. Groß erinnerte dort daran, daß die Schule heute um der Schule willen, statt um des praktischen Lebens willen da sei. Er sagte, die besten kunstgewerblichen Schulen sind jene, welche sich mit der Zeit selbst überflüssig zu machen verstehen, d. h. welche an ihrem Teil zielbewußt mitarbeiten, das Kunstgewerbe wieder derart ,,in den Sattel zu setzen, daß es selber reiten kann“. Steht eben ein Gewerbe auf der Höhe, braucht es keine Schule.

Van de Velde.

Ein Rückblick auf seine historische Mission von Dr. Heinrich Pudor.

Van de Velde weilt noch unter den Lebenden. Aber einmal scheint die Glanzzeit seines Lebens hinter ihm zu liegen und vor allem ist eine genügende Zeit seit seinem Eintritt in die Entwicklung der dekorativen Kunst verflossen, um sich nunmehr ein objektives Urteil über seine geschichtliche Bedeutung bilden zu können. Die Mitwelt urteilt immer subjektiv. Sie steht der künstlerischen Erscheinung zu nahe gegenüber, um über ihr stehen zu können, deshalb erscheint ihr dieselbe entweder zu groß oder ganz und gar nichtig. Und deshalb hatte van de Velde neben einer beispiellosen Berühmtheit unter den heftigsten Schmähungen und Spöttereien zu leiden. Für den einen war er „alles", der andere machte sich über seinen „Bandwurmstil" lustig. Versuchen wir es dagegen einmal, ihn in die Entwicklungsgeschichte der dekorativen Künste einzugliedern.

In der geschichtlichen Betrachtung beginnt man die Neuzeit auf dem Gebiete der dekorativen Künste meist mit Ruskin und Morris. Und kein Zweifel, daß diese Propheten in einigen

Rücksichten den Eintritt in die neue Zeit markieren. Denn sie hatten den Glauben an die soziale Bedeutung der Kunst und leiteten damit die Kunst in die sozial charakterisierte Neuzeit über. Sie hatten ferner den Glauben an die hohe Mission des Kunstgewerbes, das sie in moderner Auffassung als den freien Künsten ebenbürtig hielten.

Aber in mancher wichtigen Beziehung waren Ruskin und Morris reaktionär und unmodern. Sie hatten noch keine Ahnung davon, daß die Neuzeit eine Blütezeit der Industrie und einen Triumph der Maschine bedeuten würde. Ruskin fuhr mit der Postkutsche durch die Welt und entzog seine Bücher ausdrücklich dem Massenabsatz, und Morris segnete die Handarbeit und verdammte alle maschinenmäßige Herstellung. Und doch zeigte schon die Londoner internationale Weltausstellung 1856 mit ihrem Industriepalast (Krystall-Palast), von dem Semper sagte, daß er die Tendenz bedeute, in der sich unsere Zeit vorerst bewegen wird, den Triumph des

kommenden Industriezeitalters, des Maschinenzeitalters. Von nun an aber eben ging der Gang der Entwicklung auf Belgien über. Es kam darauf an, den in der Eisenarchitektur am bezeichnendsten zum Ausdruck kommenden Charakter der Neuzeit nun auch im Kunstgewerbe zur Herrschaft zu bringen. Ruskin und Morris hatten aus der gewerblichen Industrie Kunstgewerbe gemacht. Nun galt es noch, aus dem Kunstgewerbe moderne Industrie zu machen oder besser das Kunstgewerbe auf der Grundlage der modernen maschinenmäßig arbeitenden Industrie neu zu errichten. Ruskin und Morris hatten das Gewerbe als Kunstgewerbe auf den Rang der freien Künste gehoben, aber von dem maschinenmäßig arbeitenden Kunstgewerbe noch nichts wissen wollen. Aber gerade darauf kam es nun an, die Maschine für gleichsam hoffähig, das heißt, hier kunstfähig zu erklären und den Mut, ja die Dreistigkeit zu dem Glauben und zu der Überzeugung zu haben, daß Fabrikessen und rauchgeschwärzte_Industriehallen mit der hohen, hehren, heiligen Kunst eine Ehe eingehen können. Diese Dreistigkeit hatte van de Velde. Darin liegt seine kulturhistorische Mission. Er legte den Grund zu einem Kunstgewerbe des mit der Maschine arbeitenden und mit Eisenschienen bauenden Industriezeitalters.

Nur aus Belgien konnte dieser Prophet kommen. Denn Belgien mehr noch als England war ein modernes Industrieland mit einem Meer von Kohlenbergwerken und Fabrikessen. In diesem Lande hatte schon ein Constantin Meunier in anderem Sinne die Fabrikessen für kunstfähig erklärt und in der Malerei verherrlicht und desgleichen den Fabrikarbeiter für kunstfähig erklärt und in der Plastik verherrlicht.

Daß aber aus diesen Fabriken und Maschinen selbst Kunst hervorgehen könne, daß diese Fabrikarbeiter selbst Kunst produzieren könnten, das glaubte und erwies erst van de Velde. Und wiederum ist es so sehr bezeichnend, daß dieser kunstgewerbliche Prophet sich gerade aus der den modernen Charakter am schärfsten aussprechenden Eisenarchitektur die Anregungen holte. Denn von ihr entlehnte er die Kurven, die Krümmungen und Biegungen des Holzes. Und wie in der Industrie im allgemeinen und im Eisenbau im besonderen nicht die Phantasie, sondern die nüchterne Berechnung herrscht, so schaltete van de Velde wenigstens theoretisch jene aus, und ließ sich von dieser leiten. Dies wiederum aber war nur möglich dadurch, daß er die Handarbeit für veraltet erklärte und für die Maschine allein dachte und entwarf. Es ist der erste Vertreter des Maschinenzeitalters im Kunstgewerbe. Das ist seine geschichtliche Bedeutung. In dieser Beziehung ist er in der Tat moderner Künstler mit Licht- und Schattenseiten und in dieser Beziehung beginnt die moderne Bewegung mit ihm, nicht mit Morris oder Ruskin, deren Ideal noch die Postkutsche war.

Und van de Velde war konsequent. Wenn das neue Kunstgewerbe auf der Industrie sich erheben und von der Maschine leben muß, so muß die Phantasie dirigiert werden durch mathematische Berechnung, durch abstrahierende Vernunft. Also kein Naturalismus in herkömmlichen Sinne mit geschnitzten Blumen und getriebenen Köpfen. Die abstrakte Linie wurde auf den Schild erhoben. An Stelle des „an sich Schönen" trat das in der Sachlichkeit und Nützlichkeit Schöne. Hier konnte sich van de Velde auf den Biedermeierstil stützen, mit dem er sonst nichts Gemeinsames hat. Aber auch mit

dem Rokoko teilt er nur die Vorliebe für bewegte Linien, während gerade die Grazie des Rokokos van de Velde abgeht. Sogar er selbst hat zugestanden, daß er vom Rokoko manches genommen hat. Aber er täuscht sich hierin wohl selbst. Der Rokokostil als rein dekorativer Stil ist so unsachlich wie möglich, unterscheidet sich also gerade im wichtigsten Punkte von van de Velde. Eher noch geben wir ihm recht, wenn er seine Anhängerschaft an den gotischen Stil betont. Denn von diesem hat er in der Tat das Konstruktive, die Vorliebe für Rippenbildung, das Herausarbeiten des Plastischen aus dem Konstruktiven gemein.

Wichtiger aber noch ist dies, daß van de Velde allen figürlichen Dekor perhorresziert. Das Figürliche ist für ihn zu unsachlich, zu konkret, zu wenig nützlich. Modern ist für ihn gleichbedeutend mit unfigürlich. Während die Kunst vor ihm die Linie nur als Rahmen des figürlichen Dekors verwendete, wird bei ihm die Linie selbst zum Dekor. Und auch hier muß man sich erinnern, daß die Maschine in- Linien, nicht in Figuren arbeitet, daß die Eisenschienen in Linien sich bebegrenzen. Von der Eisenarchitektur aber läßt sich van de Velde befruchten, wenn er nach dem ornamentalen Schmuck seiner Arbeiten sucht. Schmuck, Dekor freilich im herkömmlichen Sinne gibt es für van de Velde nicht: das Ornament ist dem Gegenstand oder einem Gliede desselben nicht als Dekoration aufgeklebt oder angemalt, sondern es ist organischer Teil mit ihm, es wächst aus ihm heraus, es ist nichts als betonter Ausdruck des Linienflusses des betreffenden Gliedes oder der konstruktiven Aufgabe desselben. Deshalb findet sich das Linienornament bei ihm auch immer nur da, wo Konstruktion und Umriß es nahelegen. Streng genommen darf man deshalb bei ihm ebensowenig von Linienornament als von Liniendekor reden, vielmehr ist bei ihm die Linie die Sprache der Konstruktion. Manche seiner Nachtreter nur mißverstanden ihn so gröblich, das sie aus der van de Velde-Linie einen Dekor und ein Ornament machten, daß sie neben dem figürlichen Ornament und wie figürliches Ornament verwandten.

In die große Öffentlichkeit trat van de Velde zuerst im Jahre 1896. Es handelte sich um die Einrichtung des neugegründeten Kunstgewerbehauses L'Art Nouveau S. Bing in Paris. Van de Velde entwarf die Möbel für drei Zimmer, einschließlich Tapeten und Glas. Die Zimmer waren ein Speisezimmer, ein Rauchzimmer und ein Ruhesaal (letzterer, „erschien" zuerst anonym). Und bei dieser Gelegenheit wurde van de Velde nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland bekannt. Die Dresdener Kunstausstellung wollte im Jahre 1897 zum ersten Male eine kunstgewerbliche Abteilung einrichten. Das Organisationskomitee fand in Paris im Hause von L'Art Nouveau die gewünschte Sensation und kaufte alles, was van de Velde geschaffen. So kamen jene drei Zimmer nach Deutschland und der van de Veldesche yachting Style" (nach Goncourt), Schnörkelstil (wie man ihn in Dresden nannte, Muschelstil (wie ihn die Kölnische Zeitung nannte), Bandwurmstil (wie er sonst genannt wird), wurde auch in Deutschland bekannt. Und bald (Oktober 1897) erschien das erste Heft der von van de Velde mit Bruckmann zusammen gegründeten Zeitschrift „Dekorative Kunst", der Alexander Kochs „Deutsche Kunst und Dekoration“ (Darmstadt) auf dem Fuße folgte.

Unsere Bilder.

Das erste Blatt enthält Entwürfe für halbfeinen, gangbaren Schmuck. Es soll also gutes Material verwendet werden, aber es müssen niedrige Preise angesetzt werden können. Es kommen für die Ausführung dieser Entwürfe nur echte Steine und Perlen in Betracht. Das ist für den Zeichner sehr wesentlich, da ihm damit sehr enge Grenzen für den Steindekor gezogen sind. Es können höchstens 1-2 kleine Steine und vielleicht noch einige Perlen in Frage kommen, um den Preis auf einem „gangbaren Niveau" zu erhalten. Aus dem gleichen Grunde ist auch die Ausführung der Metallarbeit ganz oder teilweise in Pressung gedacht. Der Zeichner des Blattes, Herr H. Hürlemann in Pforzheim, hat sich in seinen Entwürfen mit Geschick und feinem Verständnis diesen Bedingungen angepaßt. Besonders originell wirken die ruhigen, gegeneinander gestellten Flächen.

Die Entwürfe für moderne Silberwaren, von Lorenz Hofelich, Berlin, zeigen eine gewisse Verschiedenheit in der Auffassung: die oberen drei mehr weich und elegant, die beiden Gefäße unten wuchtig und streng. Brauchbare, geschmackvoll entworfene Vorbilder sind es in jedem Fall.

Zierlich und apart wirken die Beschlägentwürfe von F. Großhans in Pforzheim. Da die Anfertigung von Zierbeschlägen in der Feinmetallindustrie eine immer größere Bedeutung gewinnt, so werden die Motive gewiß willkommen sein.

Zum Schlusse kommen wieder zwei Blatt Entwürfe aus unserer Schmuckkonkurrenz für den Kleingoldschmied, mit Beiträgen der Herren C. Horst-Hanau, A. WiedmannPforzheim, W. Jung-Hanau und Maler A. HendrickBreslau, in denen manches Gute und Beachtenswerte enthalten ist. R. R.

« PreviousContinue »