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Von der III. Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden.

III. Volkskunst und Kunstindustrie.

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ie Dresdener Ausstellung verrät in ihrer ganzen Organisation und Einteilung, daß sie in erster Linie belehrend, aufklärend und anregend wirken wollte. Das beweist der fast gänzliche Mangel banaler Vergnügungsetablissements, die aufs äußerste eingeschränkte Anzahl der Restaurationen, die künstlerisch - sorgfältige Anlage der kleinen Verkaufshäuschen, der Gartenanlagen, der Wegeeinfassungen u. dgl.; mehr als dieses aber ist ein Beweis für die ernste und durchdachte Arbeit der Ausstellungsleitung, die Einrichtung der verschiedenen Spezialabteilungen, die dem Publikum eine vertieftere Erkenntnis gegenüber so manchen brennenden Tagesfragen im Gebiete der angewandten Kunst übermitteln sollten. So die Abteilung „Techniken" (historische Kunstwerke, nach Techniken geordnet), die wir schon besprochen haben, so die Trennung des Kunsthandwerks und der Kunstindustrie, und endlich die prächtige und reichhaltige Abteilung für Volkskunst. In den Industriehallen sind besonders noch die Abteilungen für mustergültige Arbeiten der Kunstindustrie und für maschinelle Apparate und die Vorführung industrieller Techniken zu erwähnen. Wohl sind alle diese Abteilungen nicht so lückenlos beschickt, wie die Unternehmer selbst und das Publikum es wünschen möchten. Einzelne sind recht lückenhaft und unvollständig geblieben. Wer aber der guten Absicht der Veranstalter mit Verständnis folgt, dem ergibt sich aus dem Vorhandenen doch eine Fülle der anregendsten und interessantesten Vergleichsmomente, die den hohen Wert des hier zum ersten Male Angestrebten in hellem Lichte erscheinen lassen.

Zu Erscheinungen von schärfster Gegensätzlichkeit hatten sich die beiden Abteilungen für Volkskunst und für „mustergültige Vorbilder aus der modernen Industrie" herausgebildet. Beide Themata sind gegenwärtig ganz besonders aktuell. Daß wir die Erzeugnisse bäuerlicher Volkskunst studieren, ist eine neue Erscheinung, die täglich weitere Kreise zieht. Nicht weniger neu ist die Erkenntnis, daß auch die Industrie imstande ist, künstlerisch einwandfreie und vorbildlich schöne Gebilde zu schaffen. Literarisch ist beides ja schon vielseitig behandelt und genügend festgelegt worden; die Dresdener Ausstellungsleitung darf für sich das Recht in Anspruch nehmen, zum erstenmal eine praktische Illustration dazu versucht zu haben. Volkskunst Bauernkunst! Die meisten von uns haben wohl, wenn wir ehrlich sein wollen, darin bisher nichts weiter erblickt, als eine kulturhistorisch interessante, vielleicht auch bloß amüsante Erscheinung. Der Bauer hat sich alles, was sich an künstlerischen Einzelformen und -wirkungen in seine Abgeschiedenheit hinein verlor, auf seine Art zurecht gemacht, und ist so im Laufe der Zeit zu ganz merkwürdigen und originellen Ergebnissen gekommen. Daß diese allgemeine Anschauung dem Wesen und dem Werte der Bauernkunst entfernt nicht gerecht wird, konnte dem aufmerksamen Besucher in Dresden klar werden.

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Es ist hier nicht der Ort, die lange Reihe von Zimmerfluchten, welche die Kunst der verschiedenen deutschen Bauernstämme zeigen, all die aufgehäuften Schätze an Stickereien, an Schmuckarbeiten, Töpfereien, Webarbeiten, Holzschnitzereien u. dgl. auch nur auszugsweise anführen oder gar beschreiben zu wollen. Aber der allgemeine kunstgewerbliche Gesamteindruck ist bedeutend genug, um wenigstens auch hier konstatiert werden zu müssen. Das Ergebnis ist nicht nur, daß wir gut daran tun werden, unsere kunstgeschichtliche Registratur um etliche Schubfächer zu erweitern, sondern daß auch der praktische Kunsthandwerker unserer Tage sich mit dem Schaffen und der Wirkungsweise des bäuerlichen Kunsthandwerks wird vertraut machen müssen.

Die starke Wirkung, welche die Bauernkunst in ihren Werken heute auf uns Moderne ausübt, ist zunächst und in erster Reihe auf den Ausdruck treuherziger Gewissenhaftigkeit und innerster Selbstüberzeugung zurückzuführen, der sich in denselben ausspricht. Niemand kann sagen, daß sie in formaler oder technischer Beziehung für uns vorbildlich wären. Nicht einmal ein besonders feiner Geschmack läßt sich ihnen nachrühmen: Die Wirkungen sind bei allem Gemütlichen und Originellen für unsere Geschmacksansprüche doch viel zu derb. So ist es im Schmuck von dem die ausgestellten friesischen Arbeiten besonders hervorgehoben seien, so ist es in der Kleidung und in der Raumausstattung. Aber für die Raumdisposition, für das Arbeiten mit schlichtesten Wirkungen und einfachsten Techniken, für das volle Ausschöpfen der Wirkung einer Technik kann die Bauernkunst als eine reiche Fundgrube von Anregung, auch für den modernen Kunsthandwerker, angesehen werden.

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Wiederzubeleben ist die Bauernkunst nicht. Sie ist unwiederbringlich dahin, weil wir die Verhältnisse nicht wiedererschaffen oder erhalten können, unter denen sie entstanden ist. Der bäuerliche Besteller und der bäuerliche Kunsthandwerker waren eines Stammes, eines Standes, eines Geschmackes. Nicht Mode und Geschmacksströmungen, sondern menschenalte Überlieferung bestimmte, und der zäh am Alten hängende Sinn des Bauern hielt die Geschmacksrichtung durch lebendige Anteilnahme lebendig. Daß alles individuelle Handarbeit war, erhöht noch den feinen Reiz, der diese Arbeiten für unser Gefühl umgibt.

Und nun von dieser Abteilung in die Industriehalle für vorbildliche Erzeugnisse. Ein Rennboot; ein mächtiges Automobil; ein Verkaufsautomat; eine Heizkörperummantelung: Das sind so die Ausstellungsgegenstände, die zunächst ins Auge fallen. Nicht, wie bei der Bauernkunst, Gegenstände, die durch jahrhundertelangem Gebrauch geheiligt sind, sondern Maschinen und Apparate neuester Erfindung. Die Absicht war, an ihnen zu zeigen, wie man durch zweckmäßige Gestaltung, schönes Material und solide Technik allein, also ohne jede Zuhilfenahme äußerer Zierformen, schon Arbeiten echt künstlerischen Charakters erzielen könne.

Ein ausge

zeichneter Gedanke, daß man auch diese so hochbedeutsame Dresdener Abteilung hat mich in dieser Meinung bestärkt care Seite gerade des modernen Kunstschaffens in einer besonderen Spezialabteilung zur Anschauung bringen wollte. Die Durchführung ist allerdings recht wenig vollständig, so daß wohl manchem Besucher ihr Vorhandensein kaum zum Bewußtsein gekommen sein mag. Was vor allem interessant erscheint an diesem Teil der Ausstellung, das ist der Nachweis, daß es keinen Gegenstand des allgemeinen, öffentlichen oder privaten Gebrauches gibt, der nicht Gegenstand künstlerischer Geschmacksentfaltung und künstlerischer Sorgfalt sein könnte und sollte. Das ist ein Satz, der in allen Gewerben da und dort noch mehr gewürdigt werden dürfte.

Diese Ausstellung vorbildlicher Industrieerzeugnisse zeigt also, daß nicht nur die Kunstindustrie die Verpflichtung und die Gelegenheit hat, guten, künstlerischen Geschmack in der Ausstattung ihrer Erzeugnisse zu beweisen und zu pflegen, sondern auch die Industrie schlechtweg, soweit sie sich mit der Herstellung irgend welchen Gebrauchsgerätes befaßt. Man wollte dies, wie man aus den an der Wand des Ausstellungsraumes angeschriebenen Bezeichnungen schließen darf, dadurch beweisen, daß vorgeführt werden sollte: die Schönheit des Materials, die Schönheit der soliden Arbeit und die Schönheit der zweckmäßigen Form. Man hätte das auch in ein Wort zusammenfassen können: Man hat hier gezeigt, daß auch der einfachste Gegenstand schön wird und künstlerisch wirkt, wenn jede Arbeitsoperation an ihm von künstlerischem Geschmack geführt wird, daß also die kunstgewerbliche Schönheit eines Gegenstandes von der Anwendung besonderer Ornamentund Zierformen unabhängig ist.

Man nennt dies neuerdings: Die Schönheit der reinen Zweckform, und glaubt damit, den Wappenspruch der moderndekorativen Kunst, im Gegensatz zu der älteren, gefunden zu haben. Ich glaube und das Studium dieser hochinteressanten

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daß das ein schönklingendes, aber leeres Schlagwort ist, über dessen Inhalt diejenigen, die es mit so vieler Überzeugungstreue brauchen, nicht so ganz klar sind. Man kann es doch kaum anders auffassen, als daß das Äußere eines Gegenstandes durch Erwägungen der Zweckmäßigkeit, und nicht der künstlerischen Schönheit bestimmt werden solle, oder vielmehr, daß das zweite sich aus dem ersteren ergeben müsse. Ich werde daran aber erst glauben, wenn man mir die reine Zweckmäßigkeitsform, z. B. bei einer Brosche oder Gürtelschließe, gezeigt haben wird. Meines Erachtens gibt es eine solche hier überhaupt nicht.

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Es gibt Gegenstände genug unsere Schmucksachen zählen eigentlich alle dazu deren Benutzung von vornherein nur aus Gründen der Schönheit, nicht aber der Zweckmäßigkeit erfolgt. Bei denen kann von einer reinen Zweckform niemals die Rede sein, weil es keine solche gibt. Und wenn wir genauer zusehen, so werden wir finden, daß es auch bei dem einfachsten Gegenstande Momente gibt, wo nur der Geschmack, nicht aber Erwägungen der Zweckmäßigkeit für die Ausstattung entscheidend sein können. In welcher Farbe z. B. irgend ein Gerät oder Gegenstand gehalten werden soll, wird sich nie aus Zweckmäßigkeitsgründen herausklügeln lassen. Die werden hier nur einzelne Anhaltspunkte geben können. Das ausschlaggebende Moment ist hier, wie bei jeder Ausübung der angewandten Kunst, einzig und allein der gute Geschmack des Urhebers.

Das ist das gemeinsame, man kann wohl sagen, das einzige Band, das die Arbeiten der Bauernkunst künstlerisch mit denen der modernen Industrie verbindet. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, vermögen auch diese scheinbar einander so entgegengesetzten und fremden Gebiete ihre Berührungspunkte zu finden und einander zu befruchten.

R. Rücklin.

Unsere Bilder.

Als Eingang bringen wir diesmal eine Reihe neuzeitlicher Monogramme, großenteils im Charakter der Biedermeierzeit gehalten, nach Entwürfen des Malers Richard Langner in München, die durch ihre künstlerische Einfachheit und Eigenart sehr ansprechen. Unser zweites Blatt vereinigt eine Anzahl interessant gezeichneter Schmuckentwürfe in modernem Geschmack von Karl Köffel in Pforzheim.

Weiterhin bringen wir Arbeiten der Pforzheimer Firma D. F. Weber von der Karlsruher Jubiläums - Ausstellung, bei denen sich guter Geschmack mit gediegenster Durchführung paart. Ein interessantes Stück ist der oben in drei Ansichten dargestellte Jubiläumsring, der in massivem Gold in Handarbeit hergestellt ist. In der massiven, goldenen Siegelplatte ist das Monogramm des großherzoglichen Paares (F. L.) in Platina eingelassen. Seitlich aufsteigend sind die beiderseitigen Wappen, das badische und das preußische, angebracht, umschlungen von Eichenlaub und Myrten. Der große Anhänger rechts hat als Mittelstück eine schwarze Perlschale. Die letzten drei Tafeln nehmen Darstellungen von Ausstellungsgegenständen des Juweliers J. Th. Heinze- Dresden von

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der Dresdener Ausstellung ein. Die Schmuckstücke wirken nicht nur durch reizvollen Entwurf, sondern besonders durch die gewählte Farbenzusammenstellung der Steine und der emaillierten Teile besonders günstig. Der große siebenarmige Leuchter ist, wie auch die Schmucksachen, nach eigenem Entwurf gefertigt und verrät in seiner kraftvollen Erscheinung eindringliches Pflanzenstudium. Der Ratsleuchter auf der letzten Tafel ist nach Entwurf des Architekten Max Hans Kühne ausgeführt. Der markige und eigenartige Aufbau zeigt zwei übereinander angeordnete Lichtkränze mit je sechs Tüllen.

Außer diesen hier abgebildeten schönen Stücken ist das Atelier J. Th. Heinze noch in der Abteilung Kunst und Kunsthandwerk mit zwei Kelchen vertreten, in Silber getrieben und mit Steinen besetzt, wobei Mondsteine, Granaten, Amazonensteine und Lapislazuli zur Verwendung kamen. Der Entwurf ist von Prof. Kreis-Dresden. Endlich ist noch ein schönes Kreuz auf der Ausstellung, das Kreuz in Jaspis auf Amethystsockel, die Figuren Christus, Maria und Johannes in Silber; alles in allem ein erfreuliches Bild eines rührigen, kunsthandwerklichen Betriebes. R. R.

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SCHMUCKSTÜCKE, ENTWORFEN UND AUSGEFÜHRT VON J. TH. HEINZE, JUWELIER, DRESDEN.

(MUSTER GESETZLICH GESCHÜTZT.)

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