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vom J. 1852 unter 573 Liedern nicht weniger als 272, die auch im Würtembergischen Gesangbuch stehen. Ja selbst das bloß auf 150 Kernlieder und 93 Kernweisen beschränkte, von der Eisenacher Conferenz in diesem Jahre glücklich zu Stand gebrachte „deutsche evangelische Kirchen-Gesangbuch" besißt 99 Lieder und 88 Weisen gemeinschaftlich mit dem Würtembergischen Gesang- und Choralbuch. Durch die dankenswerthe Güte mehrerer Mitglieder der Conferenz war ich in den Stand geseßt, den gedruckten Entwurf desselben nach seiner Genehmigung noch so rechtzeitig benüßen zu können, daß ich noch vor seinem Erscheinen im Buchhandel mit diesem vierten Bande nun schon auch einen geschichtlichen Commentar dazu darbieten kann. Die zugleich im Würtembergischen Gesangbuch und Choralbuch enthaltenen Lieder und Weisen dieses deutschen evangelischen Gesangbuchs find, mit Ausnahme der auf dem ersten, bereits gedruckt gewesenen Bogen stehenden, mit bezeichnet. Während dann noch 15 weitere Lieder desselben ihre Behandlung bei den Melodiengeschichten fanden, sind die übrigen in einem eigenen Anhang (S. 722-739) noch besonders behandelt. In Betreff des Liedertertes habe ich mich freilich zunächst an den des Würtembergischen Gesangbuchs gehalten, so daß in dieser Beziehung für den Gebrauch des vierten Bandes der Besiß eines Würtembergischen Gesangbuchs unumgänglich nöthig ist. Ein solches ist aber auf die leichteste und

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Dieselben find fortlaufend durch die Abbreviaturen: W. G. und W. Ch.-B. bezeichnet, während das deutsche evangelische Gesangbuch durch die Abbreviatur: A. Kirch.-G. bezeichnet ist. Sonstige Abbrevia turen find: Frl. G. = Freylinghausens geistreiches Gesangbuch; K. G. = Kirchen-Gesangbuch; G. Gesangbuch; GG. Gesangbücher; Ch.-B. Choralbücher; M. = Melodie; MM. =

Choralbuch; Ch. -BB.

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Melodien.

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billigste Weise von dem Cotta'schen Verlags-Comptoir in Stuttgart zu beziehen.

Besondern Dank habe ich hier noch öffentlich gegen Herrn Dr. Fa ißt in Stuttgart auszusprechen. Derselbe hat mich durch seine schäzenswerthen und umfassenden Bemerkungen, die er`mir bereitwilligst über das erste Erscheinen vieler Melodieen und ihre weitere Verbreitung in den verschiedenen deutschen Choralbüchern ålterer und neuerer Zeit mittheilte, in den Stand geseßt, nun eine möglichst zuverläßige, von lange herrschend gewesenen Irrthümern gereinigte und umfassende Melodieengeschichte zu liefern. Namentlich war er auch als Mitarbeiter am musikalischen Theile des deutschen evangelischen Gesangbuchs im Stande, mir ganz authentische Nachrichten über die Redaktion der Melodieen deffelben und das Verhältniß ihrer Fassung zu der des Originals zu geben.

Durch das am Schlusse angehängte, nahezu 3000 Lieder und Weisen umfassende und auf alle 4 Bände sich erstreckende Lieder- und Melodieen-Register wird wohl das ganze Werk zu möglichst allgemeinem Gebrauch auch beim Befiß der verschiedensten Gesang- und Choralbücher geeignet seyn.

Die in der Vorrede zum ersten Band zugesagte Angabe der hymnologischen Literatur fonnte ich leider wegen Mangels an Raum nicht geben. Ich war auf eine bestimmte Bogenzahl beschränkt.

Möge nun der Herr weiter Gnade geben, daß die durch ihre eigenen Biographieen, wie durch die ihrer Dichter und Sänger belebten Lieder eine immer größere Werthschäßung finden und ihrer Vielen zu geistlichen Waffen der Ritterschaft werden in dies

sen Zeiten bevorstehenden heißen Kampfes um die edelsten Güter des Glaubens und der Seligkeit. Möge ferner dieses Werk, indem es bei so manchen Liedern zeigt, wie sie aus dem christlichen Volks- und Gemeindeleben herausgewachsen sind, dazu mithelfen, daß sie nun auch mehr und mehr in dasselbe hineinwachsen.

Heilbronn, 15. November 1853.

E. E. Koch.

I. Allgemeine Gebetlieder.

1. Herr Gott, dich loben wir.

Der Ambrosianische Lobgesang - der würdigste Chors führer in einem Gesangbuch und Choralbuch.

Dieser Gesang soll nach einer alten unverbürgten Sage, die in der Chronik des mailändischen Bischofs Dacius († 553) zu lesen ist und von Bellarmin nacherzählt wird, in der Osternacht des Jahrs 387, in welcher Aurelius Augustinus, der nachmalige berühmte Kirchenvater, nach seiner Belehrung von dem Bischof Ambrosius zu Mailand getauft wurde, auf wunderbarliche Weise gedichtet worden seyn. Ohne vorher genommene Rücksprache sollen nämlich Ambrosius und Augustinus (Bd. I, 15, 16), wie aus göttlicher Eingebung, die Worte desselben abwechselnd vor der versammelten Gemeinde gesungen haben; Ambrosius habe angefangen, Augustin sey nachgefolgt und habe endlich mit den Worten geschlossen: ,,in te, Domine, speravi!" (,,Auf dich hoffen wir, lieber Herr!") Augustins Mutter, die fromme Monica, sey darüber herzlich froh gewesen und habe gesagt:,,malo te Christianum Augustinum, quam imperatorem Augustum," d. i.,,es ist mir lieber, daß du jeßt Augustin, der Christ, bist, als wenn du Augustus, der Kaiser, wärest." Im Straßburger gr. Kirch.-G. von 1541 und 1560 und in vielen andern Kirchenbüchern steht dieser Gesang deßhalb mit dem Titel:,,Das Lobgesang und Bekenntnis des rechten Glaubens: „,,,Te Deum laudamus"", Sanet Augustino und Ambrosio zugeschrieben.“

Der Biograph des Ambrosius, Paulinus von Mailand, und andere Zeitgenossen berichten jedoch nichts davon; die Chronik des Dacius aber ist erst im eilften Jahrhundert geschrieben und darum unzuverlässig. Die Unrichtigkeit dieser Sage hat Tenzel in einem besondern Werke nachgewiesen:,,Exercit. X. de hymno: Te Deum laudamus. Lips. Rod, Kirchenlieb. IV.

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1692.". 393 f. Einige halten den Nicetius, Bischof zu Trier (ums J. 535), für den Verfasser dieses Gesangs, Andere schreiben ihn dem Athanasius, Bischof zu Alexandrien, welcher im 3. 336 in der Verbannung zu Trier lebte und ein großer Musikfreund war, Andere dem Hilarius, Bischof zu Poitiers (I, 14), zu.

Das Richtige ist, ihn für eine von dem Erzbischof Ambrofius von Mailand für seinen Kircheichoi zefertigte und von Augustin, dem Bischof von Hippo, dann auch in der afrikanischen Kirche eingeführte lateinische Uebersehung des alten morgenländischen Abendgesangs in griechischer Sprache zu halten, so daß er also ganz auf dieselbe Art entstanden wäre, wie der Hymnus angelicus:,,Gloria in excelsis" aus einem morgenländischen Morgengesang (vgl. zu Nr. 36.). Beide altgriechischen Andachten, die Abend- und Morgenandacht, finden sich auch neben einander in einer der ältesten Evangelienhandschriften des sechsten Jahrhunderts gleich hinter den heiligen Büchern aufgezeichnet. Der hier ins Auge zu fassende Abendgefang lautet in einem Alexandrinischen Coder also: Καθ' ἑκάστην ἡμέραν ευλογήσω σε

Καὶ ἀινέσω τὸ ὄνομά σου ἐἰς τὸν αἰῶνα

Καὶ εἰς τὸν ἀιῶνα τοῦ αἰῶνος.

Καταξίωσον κύριε καὶ τὴν ἡμέραν τάυτην

Αναμαρτήτους φυλαχθῆναι ἡμᾶς.

Καὶ ἀινετὸν καὶ δεδοξασμένον τὸ ὄνομά σου εἰς τοὺς αιώνας.

Ευλογητός ει κύριε ὁ θεὸς τῶν πατέρων ἡμῶν,

Αμήν.

Ευλογητὸς ἔι κύριε, διδαξόν με τὰ δικαιώματά σου.

Κύριε καταφυγὴ ἐγενήθης ἡμῖν ἐν γενεᾷ καὶ γενεᾷ
Ἐγώ ξιπα, κύριε ἐλέησόν με

Ἴασαι τὴν ψυχήν μου, ὅτι ἡμαρτόν σοι.

Κύριε πρός σε κατέφυγα,

Δίδαξόν με του ποιεῖν τὸ θέλημά σου ὅτι σὺ ει ὁ θεός μου. Ότι παρά σοι πηγὴ ζωῆς

Ἐν τῷ φωτί σου οψόμεθα φῶς

Παράτινον τὸ ἔλεός σου τοῖς γινώσκουσίν σε.

Der nun aus diesem morgenländischen Abendpsalmen durch Ambrofius Uebersehung entstandene lateinische Hymnus verbreitete sich durch das Ansehen, das Ambrofius genoß, sehr bald in den Kirchen des Abendlands unter dem Namen des Ambrosianischen Lobgesangs, so daß er dort jedenfalls schon in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts ganz heimisch war. Schon die Ordensregel des h. Benedikt von Nurfia Kap. 11.

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