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2. Nun danket Alle Gott.

Das wahre volksthümliche deutsche Te Deum, das ein Alter,,das ganze Chor der loksingenden Kinder Gottes" nannte.

Der Verfasser ist Martin Winkart (Bd. I, 244), Prediger zu Eilenburg in Sachsen, wo er von 1617-1649 im Segen wirkte und unter den Schrecknissen und Drangsalen des dreißigjährigen Kriegs ein Engel des Trostes für seine Gemeinde war. Er dichtete das Lied wahrscheinlich im J. 1644, als man dem Ende der Kriegsnoth schon freudig entgegensah.

Martyni Laguna besaß nämlich ein zum Druck eingerichtetes, im 3. 1644 vollendetes, ziemlich starkes Manuscript in Quart von Rinkarts eigener Hand unter dem Titel:,,Mathematischer Gedenkrink, darinnen der alt und neuen Welt siebenmal siebenfache Himmel- und Erden-circel den Hohen und Niedrigen in der Welt zum heiligen und heilwertigen Wunderbuche, den Gelehrten und Ungelehrten zum bequemen und angenehmen Stammbuche, dem gemeinen Bieder- und Jeder-mann zum täglichen und behaglichen Zuchtbuche und allen gottseligen Christen zur immerwährenden und nimmer fehlenden Luft- und Laß-tafel. In Kupfer zu sehen.“ Auf dem mit Gold verzierten Deckel stand die Jahreszahl 1644. Diesen astronomischen Circel hatte Rinkart mit zahlreichen deutschen und lateinischen Gedichten ausgestattet, und bei dem „Gesammt-Planetencircel” findet fich ein Neujahr-, Monate-, Wochen- und Tage-Segen vor, unter welchem dieses Lied mit allen drei Strophen sich befindet, so daß es falsch ist, den dritten Vers für einen spätern Zujah zu erklären.

Das Lied weist deutlich auf den Friedensschluß des dreißigjährigen Kriegs hin, für den Rinkart um so herzlicher danken konnte, als er und seine Gemeinde schwere Drangsale während dieses Kriegs durchzumachen hatten. Unter dem Bildniß Rinfarts in der Eilenburger Kirche findet sich nämlich die Ueberschrift:

Der Rinkart seinen Rink getrost und unverdrossen

Hat viermal siebenmal, doch gänzlich nicht beschlossen ;
Bis er den Friedensschluß und diesen Chor besang,
Er sang und finget noch sein ewig Leben lang.

von Anno 1617

bis Anno 1656.

Auch sind die zwei ersten Verse der gereimte Text: Sirach 50, 24-26., über welchen die schwedischen Feldprediger am Neujahrstag 1649 bei der von der schwedischen Garnison veranstalteten Friedensfestfeier zu Leipzig predigten.

Bei welcher Veranlassung jedoch dieses weitverbreitete Lied zuerst gesungen wurde, ist unbekannt. Bei dem im ganzen sächsischen Lande am 22. Juli 1650 gefeierten Friedensdankfest, wozu in der churfürstlichen Berordnung auch die Lieder vorgeschrieben waren, wurde es nicht gesungen, wahrscheinlich, weil es noch nicht in öffentliche Gesangbücher aufgenommen war. In welcher Sammlung es zuerst vorkommt, ist gleichfalls unbekannt; jedoch findet es sich in dem Neu- Leipziger G. von Gottfried Vopelius. Leipz. 1682. und im Dresdener Hausbuch vom J. 1694.

In Vers 3. ist die Lesart: „Als es anfänglich war“ die richtige und ursprüngliche. Rinkart wollte nämlich, wie Martyni Laguna behauptet, damit das bekannte kirchliche:,,Wie es war im Anfang, jezt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. (Sicut erat ab initio et nunc et semper et in secula seculorum. Amen.)“ ausdrücken. Die Lesarten:,,Als er anfänglich war“, oder: „Als der ursprünglich war", oder: Als er ohne Ursprung war", oder:,,Der unanfänglich war", wobei auf Pf. 90, 3. und Ps. 102, 28. verwiesen wird, stehen also im Widerspruch mit der Gedankenreihe des Dichters. -- ,,und dem, der beiden gleich", d. i. dem h. Geist, der gleichen Wesens mit dem Vater und Sohne ist. Denn der Vater und Sohn und h. Geist ist ein einiger Gott, gleich in der Herrlichkeit, gleich in ewiger Majestät.

Dieses Lied nun ist zum ächten deutschen Volkslied worden; während das Te Deum für den künstlichen Chorgesang, ist dieses für den Gemeindegesang zum Hauptlied worden. Kein Lied ist auch so oft aus dem Munde des Volks als Weihgesang fast jeder bedeutenderen Festlichkeit er schollen und keines ertönt auch jezt noch so oft bei Dank- und Freudenfesten in der Gemeinde und in der Familie, in der Kirche und im Hause, als dieses hochgefeierte Lied.

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Vielen in Würtemberg steht es in gerührtem Andenken, mit welch festlichen, heiligen Gefühlen dieses Lied gesungen ward am 28. Juli 1817 auf dem alten Schloßplaß zu Stuttgart, als nach der schweren theuren Zeit der erste Roggenwagen unter dem Geläute aller Glocken und unter dem Geleite von 1800 Schulkindern, mit Blumen bekränzt, von der Geistlichkeit und dem Stadtmagistrat vor versammeltem Volke begrüßt wurde, und am 28. Sept. 1841 auf dem neuen Schloßplaß, als König Wilhelm,,der Vielgeliebte“ zur Feier seiner fünfundzwanzigjährigen Regierung von seinem Volke in festlichem Schmuck begrüßt wurde.

Als Friedrich der Große am 5. Dez. 1757 in der Schlacht bei Leuthen einen glorreichen Sieg über die dreimal stärkern Destreicher errungen hatte (vgl. Nr. 13.), brach er noch an demselben Abend nach Liffa auf mit einem kleinen Trupp Husaren, um dem fliehenden Feind zu folgen. Sein ermüdetes Heer aber ließ er noch einige Zeit auf dem Schlachtfelde stehen. Hier sanken viele der braven, tapfern Kriegsleute, von Hunger, Frost und Mattigkeit überwältigt, auf den feuchten Boden hin. Ringsum stöhnten Verwundete. Bei jedem Schritte stieß man auf Leichen. Die Dunkelheit der Nacht machte Alles noch schauerlicher. Da fieng auf einmal ein Soldat an, laut und langsam zu fingen:,,Nun danfet Alle Gott." Von denselben Gefühlen ergriffen, fielen die Spielleute mit den Instrumenten ein, und in einer Minute sang das ganze Heer das kräftige Loblied mit. Selbst die auf der Wahlstatt liegenden Verwundeten, die bisher die Luft mit ihrem Aechzen und Stöhnen erfüllt hatten, vergaßen so lang ihre Schmerzen und stimmten auch mit ein. Es war einer der feierlichsten Augenblicke. Mit neuem Muth belebt, verließen die frommen Streiter ihre Siegesgefilde und zogen noch an dem selben Abend ihrem königlichen Führer nach gen Lissa, als sie von dorther Kanonenschüsse hörten. Welch ein Gefühl mußte da durch jedes Herz gehen! Als aber im J. 1815 am Abend des 18. Juni nach der siegreichen Schlacht bei Waterloo ein Soldat der alte Blücher ebenfalls ein Danklied anstimmen wollte, da giengs nicht, weil kein gemeinsames Lied da war.

Julius Krais hat diese erhebende,,Scene aus dem siebenjährigen Krieg" in einem in dem christlichen Volksblatt,,Die neue Zeit.“ Jahrgang 1851. Nro. 48. mitgetheilten Lied besungen:

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Dazwischen hört man dort und hier
Rädergeroll und Reitertrott;

Doch plößlich stimmt ein Grenadier
Laut an: „Nun danket Alle Gott!"
Und in demselben Augenblick
Fällt ein mit ihm die Kriegsmusik,
Und plöglich ist nur Ein Gefühl
Des Danks in jeder Brust entfettet,
Die aus dem blut'gen Mordgewühl
Sich noch lebendig sieht gerettet;
Und durch die schweigenden Kolonnen
Der fünfundzwanzigtausend Krieger
Erbrausen schnell der Andacht Wonnen
Von Mund zu Mund als frohe Sieger,
Wie bricht ihr Strom so feierlich
Am Himmelsdom gewölbe sich!

Da sieh, hervortritt aus dem Dunkel
Der Sterne Chor mit Lichtgesunkel;
Sie ftimmen in den Nachtgefang
Mit ihrem Orgeldonnerklang.
Die Geister, die von hinnen zieh'n,
Hoch schwebend ob den blutig bleichen
Im Schlachtfeld hingesäten Leichen,
Verweilen, lauschen noch im Flich'n.
Vom ungeheuren Kampf erschlafft,
Fühlt nun das Heer erneute Kraft;
Frisch mit des Jubels lautem Schalle,
Voran die Straße schreiten Alle:
Fern donnern wieder, horch, Geschüße
Und Jeder will der Erste kühn
Von neuem stürzen in das Sprüh'n
Der rafselnden Kanonenblige,
Will froh sein kaum gerettet Leben
Dahin für Volk und König geben,
In aller Feinde dichtste Rott

Hinein, hinein mit seinem Gott!

Bei der am 31. Mai 1850 stattgehabten feierlichen Enthüllung von Friedrichs des Großen Standbild zu Berlin sang deßhalb auch in Gegenwart des Königs die ganze verfammelte Menge dieses Lied.

Der ehrwürdige Bischof der Brüdergemeinde, A. G. Spangenberg (Bd. II, 380) ließ sich einst, schon reif zur Todesfichel, als ein achtundachtzigjähriger Greis, da er vor körperlichen Leiden Tag und Nacht auf einem Stuhle fißend zubringen mußte, im August 1792 an einem schönen Morgen, wenige Wochen vor seinem Tode, auf seinem Stuhl auf das herrschaftliche Waizenfeld zu Berthelsdorf unter die Menge der Schnitter hinführen. Nachdem sie sich in einem Kreis um ihn aufgestellt hatten, hielt er eine herzliche Anrede an sie, erzählte ihnen, wie er ehedem in Nordamerika mit seinen Brüdern die Feldfrüchte unter

frohem Jubelgesang eingesammelt habe und ermunterte fie sodann, Gott für den reichen Erntejegen zu danken und ihre Arbeit dabei tröstlich und getreu zu verrichten. Nach dieser Rede stimmte er mit ihnen das Lied an: ,,Nun danket Alle Gott", ließ hierauf Speise und Trank unter fie vers theilen und ertheilte ihnen zuleßt seinen Segen, so daß sie sich der Thränen nicht enthalten konnten. Er aber kehrte, in seinem Gott vergnügt, in seine Krankenstube zurück, die er nun nicht mehr verlassen konnte und von der er bald zur himmlischen Ernte abberufen ward.

(Spangenbergs Leben von Jer. Risler. 1794. S. 511. §. 262.)

Zu Brezenacer, einem Filialort des bei Winnenden gelegenen würtembergischen Pfarrdorfes Oppelsbohm lag seit Oktober 1849 die am 21. Jan. 1812 zu Lindenthal geborene ledige Christine Schwarz unter den heftigsten Krämpfen darnieder, in Folge derer allmählich der rechte und linke Arm und Fuß gelähmt und der Kiefer so steif wurde, daß man ihr den Mund oft mit einem Werkzeug öffnen mußte, um ihr nur ein klein wenig Speise beizubringen. Bald konnte sie aber auch weder Speise noch Trank mehr bei sich behalten und zuleßt stieg die Noth so hoch, daß auch das Genick steif wurde, womit sie sich der Wärterin noch einigermaßen hatte verständlich machen können. Im Februar 1852 ließen fich sogar Zeichen der Verwesung an Händen und Füßen wahrnehmen. Doch dieß Alles ließ Gott also kommen, auf daß seine Herrlichkeit offens bar würde an ihr. Am 26. Februar hatte die Wärterin noch einen Freund zu ihr ins Zimmer geführt, damit er sie noch einmal sehe, che sie heimgehe, und der hatte auch das Zimmer wieder verlassen, nicht anders wähnend, als daß ihr Ende nun ganz nahe fey. Schweigend in Erwartung ihres baldigen Todes faß die Wärterin nun wieder allein vor dem Krankenbette. Da fieng nach einiger Zeit mit einemmal die Stumme zu reden an: „Catharina! ich kann wieder reden! Der Herr hat Großes an mir gethan; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend!" U18bald rief die Wärterin, nachdem sie sich von ihrem Schreck, unter dem sie fast zu Boden gesunken war, wieder erholt hatte, die Leute im Hause herbei und Alle staunten über das Wunder der Allmacht und Güte Gottes, das an diesem Weibe geschehen. Wie meine Noth aufs Höchste gestiegen war" so erzählte sie hernach selbst - ,,da betete ich zu meinem Heilande:,,,,Du siehst meine große Noth, ich kann nicht mehr fordern, was ich bedarf; wenn man mich fragt, kann ich nicht mehr antworten, fann nicht einmal mehr winken. Du aber bist noch eben so mächtig, wie das

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