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in diesem Falle die nach dem Entwurfe immer ihm zustehende Wahl zwischen der fremden und der Landesmünze.

Findet die Zahlung in der Landesmünze statt, so ist nach dem Entwurfe die Umrechnung nach dem zur Verfallzeit am Zahlungsorte, eventuell nach dem am nächsten Orte bestehenden Kurse auf Sicht vorzunehmen. Das stimmt zwar materiell mit der deutschen und schweizerischen W.O. überein; indess ist die Fassung des § 73 nicht ganz einwandsfrei. Einerseits kann zweifelhaft sein, was unter dem für die Wechselsumme,,bestehenden Kurs auf Sicht" gemeint sei; soll, wenn in Franken von Berlin auf Moskau trassirt ist, der vielleicht ganz verschiedene Kurs des Moskauer Sichtwechsels auf Paris oder Rom, Brüssel, Genf oder auf Berlin massgebend sein? Auch giebt es wohl ganz ausnahmsweise Fälle, in denen für die Wechselsumme ein Sichtkurs auf keinem Kursblatt zu finden ist; man denke nur an die päpstlichen Bajocchi und die Hamburger Mark Banco; dass Wechsel in diesen Währungen noch existiren oder ausgestellt werden, ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber doch weder unmöglich, noch unstatthaft 21). Vorzuziehen ist der Wortlaut der D.W.O. Art. 37,,nach ihrem Werthe zur Verfallzeit"; denn wenngleich dieser,,Werth" in der Regel der Kurs der geschriebenen Wechselsumme ist 22), so lässt doch der allgemeine Ausdruck auch für die Fälle einen Ausweg, in denen ein Kurs nicht existirt. Uebrigens haben auch die anderen Wechselordnungen, ausser der schweizerischen, die Berechnung nach dem Kurse, nicht nach dem Werthe vorgeschrieben. Ungarn will die Zahlung nur nach jenem Kurse geleistet wissen, welcher sich als Durchschnittspreis des für diese Münzsorte vor dem Zahlungstage auf der Budapester Effektenbörse zuletzt notirten Kurses ergiebt. Die italienische und skandinavische Bestimmung entspricht wesentlich der russischen; doch ist in letzterer einerseits der Geldkurs

21) Wächter p. 397, n. 4.

22) Thöl § 47, n. 9; Wächter p. 1044; Schneider p. 530.

(,,zu welchem Wechsel. . zu der Zeit gekauft werden") als massgebend vorgeschrieben 23), andererseits soll ihr zufolge eventuell nicht sowohl der Kurs des nächsten Orts schlechthin, als vielmehr der Kurs des nächsten inländischen Wechselplatzes entscheiden 24).

Die englische Wechselordnung Sect. 72 verweist nur auf den Sichtwechselkurs des Zahlungsorts und des Verfalltags, ohne einen eventuellen Ort zu substituiren. Belgien Art. 33 beschränkt sich sogar nur darauf, vom Wechselkurs des Verfalltags ohne Ortsangabe zu sprechen.

Ist ein bestimmter Kurs im Wechsel selbst angegeben, so soll nach ausdrücklicher Bestimmung des Codice Art. 38 und der belgischen 25) W.O. Art. 33 dieser und nicht der Wechselkurs des Verfalltags massgebend sein; auch für England scheint nach Sect. 72 dasselbe verordnet. Die anderen Gesetze und der Entwurf schweigen; doch ist die Bestimmung auch dort wohl zu subintelligiren; in Deutschland wenigstens ist die gleiche Norm Rechtens 26).

5. Nach dem Entwurf § 74 und den anderen Wechselordnungen 27), mit Ausnahme der englischen 28), darf der Inhaber eine ihm angebotene Theilzahlung nicht zurückweisen; Belgien hat sich erst nach anfänglichem Zögern zu dieser Aenderung des mindestens unklaren Art. 156 des franz. C. d. c. verstanden 29). Der Entwurf hebt hierbei ausdrücklich hervor, dass diese Annahmepflicht sich, wie auch von der deutschen Praxis angenommen wird 30), nur auf die bei recht

23) Polaczek p. 44.

24) Maurer p. 346.

25) Die Fassung freilich ist unklar; vgl. indess Sachs p. 69 und Namur p. 372. Bezüglich Englands vgl. n. 17.

26) Wächter p. 397, n. 6.

27) Deutschland 38, Ungarn 38, Belgien 46 a. 1. 2, Skandinavien 37, Italien 291, Schweiz 757.

28) Chalmers, digest p. 181, Art. 233, Note.

29) Sachs p. 72, Lyon-Caen p. 662, 663.

30) Vgl. Wächter p. 1045, n. 8.

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft.

IV. Band.

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zeitiger Präsentation, nicht auf eine erst nachträglich angebotene Theilzahlung bezieht. Dagegen fehlt im Entwurf, sowie in der ungarischen, nordischen und belgischen W.O. der Zusatz der deutschen, schweizer und italienischen W.O., dass diese Annahmepflicht selbst dann vorhanden, wenn der Wechsel voll acceptirt gewesen; diese Omission ist bedauerlich, weil missdeutungsfähig 31). Belgien und Italien haben es für nöthig erachtet, die Protesterhebung wegen des Ueberrestes zur Erhaltung des Regresses noch besonders in Erinnerung zu bringen.

Gegen die Pflicht zur Annahme von Theilzahlungen haben sich der Preussische Entwurf, mehrere Stimmen der Leipziger Conferenz und neuerdings Vidari erklärt 32), weil der Inhaber die Interessen der Vordermänner nicht wahrzunehmen braucht, und weil die Theilzahlungen in einzelnen Fällen dem Inhaber lästig und nachtheilig werden können 33).

6. § 75 des Entwurfs über die Quittung entspricht wörtlich dem Art. 39 der deutschen und ungarischen, sowie dem Art. 758 der schweizer W.O. Er stimmt auch im wesentlichen mit der skandinavischen und italienischen W.O. (§ 38 resp. 294) überein; doch hebt die erstere hervor, dass die besondere Quittung der Theilzahlung auf der Wechselabschrift nur, wenn es verlangt wird, ertheilt werden solle; der Codice aber fügt hinzu, dass bei Zahlung nach Protest auch die Protesturkunde und die Retourrechnung dem Zahlenden zuzustellen sei. Belgien und England haben keine besondere Bestimmung, doch ist die Quittungspflicht wohl in beiden Ländern gleichfalls Rechtens 34).

7. Der Entwurf § 76 gewährt dem Acceptanten resp. dem

31) Vgl. Lyon-Caen p. 662.

32) Motive des Preuss. Entwurfs p. 68. Vidari im Arch. giur. VII, p. 347.

33) Vgl. aber auch Thöl, Protok. p. 77, Burkhardt-Fürstenberger p. 101.

34) Lyon-Caen p. 658 bei n. 6. Chalmers, digest p. 161; vgl. auch Appendix zu der Act, p. 80, schedule sub voce „receipt“.

Aussteller des Eigenwechsels das Depositionsrecht in wesentlicher Uebereinstimmung mit der deutschen, ungarischen, schweizer und italienischen W.O. 35); dagegen fehlt eine analoge Bestimmung in den Wechselordnungen Skandinaviens, Belgiens und Englands. Diese Omission ist in Skandinavien nur deshalb erfolgt, weil die deutsche Bestimmung, die aus den allgemeinen Regeln des dänischen und norwegischen Civilrechts sich ergiebt, mit dem schwedischen Privatrecht sich nicht gut in Einklang bringen liess 36). In England dürfte dagegen die Weglassung vielleicht darin ihren Grund finden, dass der Vollacceptant nach Sect. 52 auch ohne Präsentation zur Zahlung verpflichtet ist 37).

Der Entwurf hat zu dem Depositionsfall der Nichtpräsentation noch einen zweiten hinzugefügt: den Annahmeverzug des Inhabers 38). Diese Erweiterung ist zu billigen.

Als Depositionsstelle ist im Entwurf, sowie im Codice nur das Gericht bezeichnet; andere Behörden oder Depositionsstellen sind nicht erwähnt. Den Schlusssatz des deutschen Art. 40, dass es der Vorladung des Inhabers nicht bedarf, hat der Entwurf wohl als processualischer Natur ausgeschieden; der Codice erklärt nicht nur die Vorladung, sondern jede Benachrichtigung des Inhabers für unnöthig („senza bisogno di alcuno avviso“).

8. Während die deutsche, die ungarische und wohl auch die englische 39) W.O. die Zahlung vor Verfall nicht besonders erörtern, haben die anderen Gesetze 40) und auch

35) Deutschland 40, Ungarn 40, Schweiz 759, Italien 296.
36) Polaczek p. 45.

37) Vgl. Chalmers, digest p. 133, 134. Bez. Belgiens vgl. Namur p. 379 u. 380,,il y a une lacune dans notre législation".

38) Renaud p. 30 hebt mit Recht hervor, dass es sich hierbei nur um Annahmeverzug bei oder nach Verfall handeln könne.

39) Sect. 59 Nr. 1 bestimmt nur, dass Zahlung bei oder nach Verfall

den Wechsel tilge. Vgl. jedoch Chalmers, digest p. 184.

40) Belgien 34 u. 36, Skandinavien 40, Schweiz 760, Italien 293.

der Entwurf § 77 die Frage, was an sich nur zu billigen 41), ausdrücklich geregelt. Nach § 77, Abs. 1 soll der Wechselinhaber zur Zahlungsannahme vor Verfall nicht verbunden sein. Dieser Grundsatz widerspricht zwar dem Civilrecht, ist indess für das Wechselrecht empfehlenswerth und gilt auch in Deutschland 42) und den übrigen Ländern. Der 2. Absatz des § 77 bestimmt in wesentlicher Uebereinstimmung mit § 40 der skandinavischen W.O., dass der vor Verfall zahlende Schuldner für allen Schaden haftet, der aus der Zahlung an den unrechtmässigen, wenn gleich formell legitimirten Inhaber entstanden ist. Diese Fassung ist nicht zu billigen. Wem soll denn der Zahlende haften? jeder beliebigen Person, der aus der verfrühten Zahlung Schaden erwächst, oder nur einer im Wechselverbande stehenden? Und ist wirklich eine volle Haftbarkeit für allen in concreto erwachsenen Schaden gewollt, mag er auch die Wechselsumme selbst übersteigen? Falls etwa ein ungetreuer Commis einen in blanco indossirten Wechsel seines Prinzipals eigenmächtig vor Verfall einkassirt, mit dem empfangenen Betrage die sehr niedrig lombardirten Werthpapiere seines Prinzipals eingelöst und diese demnächst in eigenen Nutzen versilbert hat, so müsste nach dem Entwurf der Zahlende dem Prinzipal anscheinend nicht nur die Wechselsumme, sondern den vollen Werth der lombardirten Effekten ersetzen, denn dieser Schaden ist dem Prinzipal doch aus der vorzeitigen Zahlung an den unrechtmässigen Inhaber entstanden. Endlich ist es auch inconsequent, wenn der Entwurf nur den zahlenden Schuldner und nicht vielmehr jeden Zahler aus der verfrühten Zahlung für haftbar erklärt 43). Auch die belgische und italienische W.O. normiren die Wirkung der

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41) Vgl. Asser p. 25; Renaud, Kritik (1855) p. 19, (1882) p. 31; Burkhardt p. 160. Vgl. aber auch Preuss. Motive p. 66; Thöl, Protok. p. 76 u. 250. Incorrekt Polaczek p. 45 (statt Wechselprozessordnung muss es Civilrecht heissen).

42) Liebe, Motive p. 126; Thöl § 86, n. 9; Maurer p. 348.
43) Das rügt treffend Renaud p. 31.

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