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Gebiete des bäuerlichen Erbrechts und ehelichen Güterrechts in der Zeit von 1860-1879 incl. ergangen sind. Celle 1880 VIII und 112 S.

Die vorliegende Schrift bietet eine äusserst dankenswerthe, nach Rubriken geordnete Darstellung neuerer Entscheidungen auf dem Gebiete des Meierrechts und bildet somit eine werthvolle Ergänzung zu den Ausführungen eines Busch, Niemeyer, Frank u. A. Wir sehen die Jurisprudenz in fortschreitendem und fruchtbarem Ringen nach principieller Erfassung der specifisch deutschrechtlichen Institute, und es ist zu erwarten, dass uns diese nach nicht zu langer Zeit in Folge intensiver wissenschaftlicher Arbeit in derselben constructiven Klarheit und Prägnanz vor Augen treten, wie die Institute des römischen Rechts; und wie für diese letzteren die eminente jahrhundertelange Arbeit römischer Jurisprudenz, so wird für die deutschrechtlichen Bildungen die energische Geistesarbeit der deutschen Rechtssprechung nicht verloren sein. Allerdings hat die letztere nicht nur mit der ungewöhnlichen Schwierigkeit der deutschrechtlichen Institutionen, sondern auch mit der grossen Zersplitterung des Rechtes zu kämpfen.

Die mitgetheilten Entscheidungen beziehen sich insbesondere auf das Anerbenrecht, auf die Stellung des Anerben zu den Miterben und zu den Dritten, auf die Abfindungen und ihren rechtlichen Charakter, sodann auf die rechtliche Stellung der einheirathenden Frau und des aufheirathenden Mannes, auf Interimswirthschaft und Leibzucht. Dass das Recht des Anerben kein Sondererbrecht, keine successio ex pacto et providentia majorum ist, unterliegt keinem Zweifel, vgl. auch Frank, Ueber das Recht der Nachfolge in Meiergüter des Fürstenthums Lüneburg und der Grafschaft Hoya S. 28; der Anerbe ist gewöhnlicher heres, aber heres ex re certa, ein Verhältniss, das im deutschen Rechte des öfteren wiederkehrt und das ich in Bälde in einem anderen Werke im Zusammenhange zu behandeln gedenke. Ebenso ist die Niessbrauchsstellung des auf heirathenden Mannes und des Interimswirthes

nur eine Species des eigenartigen deutschen Niessbrauchsrechts, das ich als Dispositionsniessbrauch bezeichnen möchte und auch demnächst in einem anderen Werke constructiv untersuchen werde.

Manchmal lassen die Entscheidungen noch ein principielles Schwanken erkennen. Die Frage, ob ein abgefundenes Kind bei der Berechnung des Pflichttheils mitgezählt wird, ist dahin zu stellen, ob die Abfindung den Charakter einer definitiven Begleichung und eines Verzichtes auf künftige Erbenstellung hat, oder nur den einer vorläufigen Ausstattung unter Anrechnung auf den Erbtheil. Ob das eine oder andere vorliegt, ist Thatfrage, vgl. auch Busch, Beiträge zum Meierrecht S. 124, und Niemeyer, Das Meierrecht in der Grafschaft Hoya S. 173.

Durch manche neuere Entscheidungen zieht sich ein unrichtiger Romanismus hindurch, welcher energisch zu bekämpfen ist. So hoch wir das römische Recht, diese Perle antiker Kultur, stellen, so dürfen wir unter seinem Einflusse nicht die fruchtbaren Keime ächtdeutschen Rechtes unterschätzen. Wir halten es für Romanismus, wenn man in neuerer Zeit von dem Satze, dass die Abfindungsforderung eines auf dem Hofgute unverheirathet versterbenden Miterben mit seinem Tode erlischt und die Summe beim Hofe verbleibt, abzugehen anfängt. Die Unvererblichkeit der Abfindung liegt nicht nur im dringenden Interesse der so häufig an sich schon belasteten Hofgüter, sondern sie ist auch in der Natur der deutschrechtlichen Gemeinschaft begründet; sie beruht auf demselben Princip, wie der Satz, dass das Miteigenthum zu gesammter Hand auf die Erben (mit Ausnahme der Descendenten) nicht übergeht, sondern mit dem Tode des Miteigenthümers erlischt, so dass das Recht der anderen Miteigenthümer sich consolidirt, vgl. darüber meine Abhandlung in der Ztschft. f. französ. Civilrecht VIII S. 276. Es war daher ein richtiger juristischer Zug, wenn das deutsche Herkommen sich auch bezüglich der Abfindungsforderung, welche ja nur eben das Ge

meinschaftsrecht des Miterben repräsentirt1), in diesem Sinne entwickelt hat, vgl. auch Busch, Beiträge zum Meierrecht S. 151, und es möge daher an diesem Herkommen festgehalten werden. Ebenso ist es ein unrichtiger Romanismus, wenn man in verschiedenen Entscheidungen von dem Satze: „Das Eingebrachte bleibt im Hof" zu Gunsten des römischen Dotalsystems abgewichen ist. Auch scheint uns die Ansicht, dass das Recht des Interimswirthes durch seinen Konkurs nicht erlösche, sondern von der Gläubigerschaft während der Mahljahre ausgeübt werden dürfe, mit dem Rechtsgedanken der Interimswirthschaft im Widerspruch zu stehen. Denn der Interimswirth hat nicht nur Rechte, sondern, und zwar vornehmlich Pflichten, zu deren Erledigung gerade er speciell persönlich mit Rücksicht auf seine Wirthschaftstüchtigkeit ausersehen worden ist, vgl. auch Niemeyer, S. 200.

Dagegen ist anderseits die Grundbuchfrage, ob der aufgeheirathete Ehemann oder die Ehefrau in das Grundbuch als Eigenthümerin einzutragen sei, vom Berliner Obertribunal mit Recht dahin beantwortet worden, dass die Ehefrau einzutragen sei, weil sie in Wahrheit die Eigenthümerin ist.

Der Verfasser hat mit richtigem Takte aus den Entscheidungen bald den Kerngedanken herausgeschält, bald die massgebenden Worte in extenso mitgetheilt, so dass seine Sammlung sehr instructiv ist. Er hat durch dieselbe der Wissenschaft des deutschen Rechts einen grossen Dienst erwiesen, und es ist nur zu wünschen, dass auch auf anderen Gebieten des deutschen Rechts solche Sammlungen in ähnlicher Weise angelegt werden; sie wären eine bedeutende Stütze für die Wissenschaft des deutschen Rechts, welche gerade bezüglich des Materials mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen hat.

11. Emil Strohal. Die Prioritätsabtretung nach heutigem Grundbuchrecht. Mit besonderer Rücksichtnahme auf

1) Vgl. auch Frank a. a. O. S. 50, der aber hieraus S. 55 fg. nicht die richtige Consequenz zieht.

die österreichische Gesetzgebung. Festschrift der k. k. Universität Graz aus Anlass der Jahresfeier am 15. November 1880. Graz 1880 107 S.

12. Otto Conrad.

Die Prioritätsabtretung in ihrer Wirkung auf Zwischen-Hypotheken. Eine Studie über §. 30 des österr. Grundbuchsgesetzes vom 25. Juli 1871. Wien 1881. 98 S. 1).

In Zeiten lebhaften Verkehrs bildet sich leicht eine ungesunde Steigerung der Verkehrsoperationen, ein ungesundes Bestreben, aus den vorhandenen wirthschaftlichen Grössen neue Werthe hervorzuzaubern. Der Credit, das relative Werthmittel, dessen gewaltige Federkraft dahin trachtet, den vorhandenen wirthschaftlichen Gütern die grösstmögliche Verwendungsfähigkeit, die günstigste Stelle im organischen Haushalte des wirthschaftlichen Lebens anzuweisen und dadurch ihre wirthschaftliche Arbeitskraft zu potenziren, wird als absolutes, unbegrenzt schöpferisches wirthschaftliches Werthgut betrachtet, und unbegrenzte Werthschätze glaubt man seinem Schosse entlocken zu können. Diese Uebersteigerung des Verkehres übt fast immer ihren Rückschlag auf die Jurisprudenz aus, und es lässt sich sofort bemerken, wie künstliche und immer künstlichere Gebilde den natürlichen Boden des Rechts überdecken. Dies ist auch der Eindruck, welchen auf uns die gegenwärtigen gewaltigen Anstrengungen machen, um in der Prioritätsabtretung eine neue wirthschaftliche Arbeitskraft zu erzielen und die in den hypothezirten Grundstücken schlummernden pekuniären Werthe dadurch zu steigern. Die Abtretung eines Pfandrechts an einen Andern zu vollem Ausübungsrechte oder zu Afterpfand ist etwas ganz natürliches, vgl. meine Pfandrechtlichen Forschungen S. 190. 195. 235,

1) Ueber Strohal vgl. jetzt auch den Aufsatz von Küntzel in den Beiträgen zur Erläuterung des Deutschen Rechts v. Rassow und Küntzel XXVI S. 68 fg. 80 fg., wo auch weitere Litteratur.

und damit lassen sich in völlig genügender Weise diejenigen hierher gehörigen Interessen befriedigen, welche den Schutz des Rechtes zu finden haben; denn ebenso wie einem sonstigen Dritten, kann der erste Hypothekar seine Hypothek auch dem secundus oder tertius zum Afterpfand überlassen und ebenso der secundus oder tertius seine Hypothek dem primus 2).

Allein dieses eben will vielen Verkehrskreisen nicht genügen: nicht die erste Hypothek selbst soll der Ausübung nach übertragen werden, sondern nur ihr Rang soll ihr abgestreift und der Nachhypothek umgehängt werden, während anderseits die erste Hypothek mit dem Range der nachfolgenden bekleidet werden soll. Dies aber ist unzulässig: nur das Recht selbst, nicht eine Eigenschaft desselben ist der Uebertragung fähig; denn diese Eigenschaft steht im untrennbaren Zusammenhang mit einer Fülle anderer Eigenschaften, wobei vielleicht die eine günstige Eigenschaft durch eine andere ungünstige aufgewogen wird; durch Herausziehen einer Eigenschaft aus dem Zusammenhang wird sie denaturirt, in der geistigen, wie in der physischen Welt. Die praktischen Conflicte, welche die Theorie und die Praxis als Consequenzen dieser Eigenschaftsübertragung signalisirt hat, genügen, um über dieselbe das Urtheil zu sprechen. Man braucht nur den Fall zu unterstellen, wo die erste Hypothek für die Schuld eines ganz solventen Freundes A, die dritte für die Schuld eines ganz insolventen Freundes C bürgweise bestellt ist und es nunmehr zur Subhastation kommen soll, Hier kann der Gläubiger des letztern ein ausserordentliches Interesse daran haben, sich den ersten Rang zu kaufen oder wenn er zu

2) Damit kann und wird gewöhnlich eine entsprechende Verpfändung der Forderung verbunden sein, vgl. meine Pfandrechtl. Forschungen S. 195. 235. Was Exner in Grünhut's Zeitschr. VII S. 313 fg. gegen die Herbeiziehung des Afterpfandes einwendet, ist durchaus nicht zutreffend; insbesondere wird hier in unrichtiger Weise mit dem Parteiwillen operirt. Am richtigsten Regelsberger, Bayer. Hypothekenrecht S. 452. Vgl. auch v. Bar, Das Hannover'sche Hypothekenrecht S. 113.

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