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wie Burkhardt, Munzinger und Fick für den entgegengesetzten Standpunkt des englischen Rechts eingetreten sind 18). Auch die Hervorhebung der Conventionalstrafe neben den Zinsen erscheint angemessen. Dagegen ist die Fassung des Entwurfs (Die in einem Wechsel enthaltenen Nebenverabredungen . . sind ungültig“) nicht ganz glücklich. Der Wechsel enthält nicht zweiseitige Verabredungen, sondern einseitige Versprechen; auch scheint es, zur Ausschliessung jedes Zweifels über die Gültigkeit des Wechsels selbst, empfehlenswerth, mit den andern Gesetzen das Nebenversprechen als „nicht geschrieben“ zu bezeichnen. England gestattet auch Summen nach Wechselcours (Sect. 9, Nr. 1 d).

6. Das genaue Ausstellungsdatum nach Ort, Jahr, Monat und Tag fordert der Entwurf in Uebereinstimmung mit der deutschen, schweizerischen und ungarischen WO. Die übrigen Wechselrechte zeigen nicht gleiche Strenge. Die skandinavische W.O. spricht nur von der Zeit der Ausstellung, „gestattet also, dem schwedischen Rechte folgend, auch eine andere Bezeichnung als nach dem Monatstag, so dass z. B. ein Wechsel, ausgestellt am Mittwoch nach Ostern 1878 nach ihm gültig ist 19)". Das belgische Gesetz und der Codice verlangen sogar nur ganz allgemein die Datirung ohne nähere Interpretation, und die belgische Jurispudenz ist geneigt, diesen Ausdruck nur vom Zeit-, nicht auch vom Ortsdatum zu verstehen. Am weitesten geht die englische Act, die in Sect. 3, Nr. 4 a. u. c. Sect. 12 u. 13 ausdrücklich ausspricht, dass ein Wechsel wegen fehlenden oder falschen Datums nicht unwirksam werde, und dass es dem Inhaber gestattet sei, das richtige Datum der Begebung einzurücken. In Belgien hat der Vorschlag, in gleicher Weise von der Datirung als Essentiale abzusehen, nicht Anklang gefunden 20).

18) Munzinger p. 367. Auch Lyon-Caen a. a. O.
19) Maurer p. 338. Polaczek p. 38.

20) Sachs p. 48; Namur p. 258, Nr. 417. Vgl. übrigens auch Thöl, Protokolle p. 15, sowie Bd. I, p. 472-479 dieser Zeitschrift und LyonCaen p. 556 bei n. 5.

7. Was die Zahlungszeit betrifft, so weist der Entwurf § 3, Nr. 5 eine sehr bedeutsame Abweichung von der deutschen, schweizer, ungarischen und italienischen WO. auf; in Uebereinstimmung mit dem belgischen, skandinavischen und englischen Recht 21) wird nämlich der Wechsel ohne Angabe der Zahlungszeit für gültig und zwar für einen Sicht wechsel erklärt. Diese Neuerung ist zu billigen; sie entspricht dem Grundsatze „quod sine die debetur, statim debetur" und birgt die Gefahr einer Unbestimmtheit der Zahlungszeit nicht in sich. Mit dieser Neuerung verträgt es sich aber schlecht, dass der Entwurf die Verfallzeit unter den wesentlichen Erfordernissen" des Wechsels in §§ 3 u. 4 verzeichnet; sie hat vielmehr aufgehört, essentiell zu sein und ist in der nordischen W.O. auch ganz zutreffend aus § 1 eliminirt.

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Dagegen harmonirt der Entwurf mit dem deutschen, sowie mit dem nordischen, schweizer, ungarischen, italienischen und wohl auch mit dem belgischen Recht in der Ausschliessung der Ratenwechsel, welche nur das englische Gesetz ausdrücklich und auch mit der Clausel, dass Verzug bezüglich einer Rate Fälligkeit der ganzen Summe nach sich ziehen soll, für statthaft erklärt. (Sect. 9, Nr. 1 b u. c.)

Alle Gesetze kommen mit dem Entwurf in Statuirung der Statthaftigkeit der Tag-, Dato-, Sicht- und Nachsichtwechsel überein. Nicht ganz gleiche Einigkeit herrscht bezüglich der Mess- und Marktwechsel. Während nämlich die deutsche und schweizer W.O. sowohl Mess- als Marktwechsel gestatten, lässt der Entwurf nur Wechsel auf eine Messe, das ungarische Gesetz nur Wechsel auf einen Markt, Belgien nur Wechsel en foire" und der Codice in fiera" zu. Es liegt wohl hier nicht überall bewusste Ausschliessung der andern Gattung vor, vielmehr dürften vielleicht mit dem einen Worte die beiden

21) Belgien Art. 2, Skandinavien § 3, England Sect. 10, Nr. 1 b. Vgl. auch Sachs p. 48; Mecklenburg'scher Entwurf einer W.O., Art. 13; Lyon-Caen p. 558 und Bd. I, p. 482 ff. dieser Zeitschrift.

so nahe verwandten 22) Begriffe von Messe und Markt gemeint sein. Die nordische W.O. hat sowohl den Mess-, als den Marktwechsel, da dieselben im Norden nie üblich gewesen, ausgeschlossen. Nach dem englischen Gesetz müssen beide Arten umsomehr als statthaft gelten, als dasselbe jeden dies certus an (fixed or determinable future time) für eine erlaubte Zahlungszeit erklärt und nur den dies incertus an (payable on a contigen cy) ausgeschlossen hat (Sect. 3 u. 11).

Uso wechsel sind nach dem Entwurf, wie in Deutschland, Italien, Ungarn, Skandinavien und der Schweiz unstatthaft, während Belgien sie ausdrücklich, England aber wohl stillschweigend (auch hier ist der Verfalltag doch,,determinable“) zulässt. Der Entwurf ist auch hierin zu billigen 23).

8. Der Zahlungsort ist im Entwurf für die Tratte mit Recht für essentiell erklärt, wie dies in Deutschland, der Schweiz, Italien, Ungarn und auch nach der Schlussredaktion in der skandinavischen W.O. der Fall ist 24). Dagegen wird die Gültigkeit des Wechsels nach Sect. 3, Nr. 4 c und 45, Nr. 4 e und d des englischen Gesetzes dadurch nicht aufgehoben, dass der Zahlungsort fehlt. Auch nach belgischem Gesetz scheint der Zahlungsort nicht essentiell, da nach Art. 2 bei fehlender Angabe eines Zahlungsorts das Domicil des Bezogenen als Zahlungsort gelten soll.

Eine der deutschen, schweizer, italienischen, belgischen und skandinavischen W.O. unbekannte Bestimmung findet sich in der ungarischen WO. (§ 3, Nr. 7 a. E.), wie im Entwurf § 8, Absatz 1 bezüglich mehrerer Zahlungsorte. Sie lautet:

,,Sind in dem Wechsel mehrere Zahlungsorte angegeben, so gilt als Zahlungsort der erste derselben." Diese Norm entscheidet eine Streitfrage, die auch die deutsche Judikatur

22) Vgl. auch Thöl, Motive zur Mecklenburg. W.O. p. 79, aber auch Vidari, la lettera di cambio p. 370 („,in fiera" und ,,su mercato“). Ueber altenglische ,,billae nundinales", vgl. Chalmers, digest p. 19. 23) Vgl. Beiträge p. 74-78.

24) Vgl. Maurer p. 337 und Teichmann in dieser Zeitschrift III, p. 144.

viel beschäftigt hat und selbst von Thöl in den verschiedenen Auflagen seines Wechselrechts verschieden beantwortet worden ist 25). Es ist erfreulich, dass der Gesetzgeber die Controverse und zwar zu Gunsten der Gültigkeit des Wechsels entschieden hat, ohne doch, wie die Motive der skandinavischen W.O., dem Inhaber das Wahlrecht einzuräumen 26).

Auch nach englischem Recht war bisher ein alternativer Zahlungsort statthaft 27); er scheint es auch nach der neuen Act zu sein, wenngleich die alternative und successive Benennung mehrerer Bezogenen jetzt 28) durch Sect. 6 ausgeschlossen ist.

9. Wie die skandinavische WO. § 4 und der Codice Art. 254, so hat auch der Entwurf in §§ 10 u. 11 die Zulässigkeit des Domicilwechsels ausdrücklich statuirt. Dies Verfahren, welches auch Munzinger und das Schweizer Concordat eingeschlagen 29), erscheint zweckmässiger, als das von den anderen Wechselordnungen 80) befolgte System, „die Statthaftigkeit der Domicilirung stillschweigend vorauszusetzen, um dann hinterher ganz gelegentlich des Domicilwechsels zu gedenken" 31).

10. Allen Gesetzgebungen 32) und dem Entwurf § 14 gemeinsam ist die Bestimmung, dass eine Schrift, welcher eines der wesentlichen Erfordernisse des Wechsels fehlt, nicht als Wechsel gilt. Die Fassung des Entwurfs ist freilich nicht ganz einwandsfrei. Indem nämlich § 14 hierbei von einer Schrift redet,,,welche den Bestimmungen der §§ 2-6 nicht

25) Thöl§ 48, n. 8. R.O.H.G. VII, p. 191. Vgl. auch Wächter p. 423. 26) Vgl. auch Maurer p. 338 und Polaczek p. 39.

27) Chalmers, digest p. 23.

28) Ueber das frühere Recht vgl. ebendaselbst p. 4.

29) Schneider u. Fick p. 507.

30) Ueber England vgl. Sect. 19, Nr. 2 c. (örtlich qualificirtes Accept) und Sect. 39, Nr. 2; Wächter p. 235 u. 63, sowie Thöl, Protok. p. 91 ff. 31) Maurer p. 338.

32) D.W.O. § 7, Ungarn § 6, Skandinavien § 5, Schweiz 725, Italien 253, England Sect. 2, Nr. 2; auch in Belgien vgl. Namur Nr. 439, p. 267 und Lyon-Caen p. 562, n. 1.

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entspricht," § 5 aber nur vom Wechsel an eigene Ordre handelt, so wäre das Missverständniss, als wäre der Wechsel an fremde Ordre kein Wechsel, trotz § 3, Nr. 4 nicht ganz unmöglich. Dass auch die auf eine solche Schrift gesetzten Erklärungen Accept, Giro, Aval im Gegensatz zu dem Prinzip der,,Einflusslosigkeit" ungültiger Unterschriften keine Wechselkraft haben, ist im Entwurf, wie in der deutschen, schweizer, nordischen und ungarischen W.O. mit Recht hervorgehoben; in Belgien, Italien und England mag man es als selbstverständlich gehalten haben. Dagegen enthält der Codice in Art. 253, wie das Schweizer Concordat 33) den für das Wechselrecht weit überflüssigeren Zusatz, dass aus einer solchen Schrift unter Umständen civilrechtliche Wirkungen hervorgehen können.

11. Die ungarische W.O. hat es in §. 6 für erforderlich gehalten, dem Mangel eines wesentlichen Erfordernisses den Fall der absichtlichen Durchstreichung eines solchen ausdrücklich gleichzustellen und die Absichtlichkeit der Durchstreichung bis zum Beweise des Gegentheils zu präsumiren. Hiermit stimmt das englische Gesetz Sect. 63 überein. Es widerspricht aber der formellen Natur des Wechsels, die Unwirksamkeit durchstrichener Bestimmungen von der Absicht abhängig zu machen. Die deutsche Praxis und Theorie sind auch darüber einig, dass der Nachweis, die Ausstreichung sei aus Versehen erfolgt, die zerstörte Form weder wiederherstellen, noch ersetzen kann 34). Es dürfte sich gerade dem ungarischen und britischen Recht gegenüber empfehlen, den allerdings bei richtiger Interpretation selbstverständlichen Folgesatz in den Entwurf einzuschieben: dem Mangel eines wesentlichen Erfordernisses steht jede Streichung desselben gleich.

12. Nur dem Entwurf und dem spanischen Gesetz eigenthümlich, aber aus den Besonderheiten des russischen Prozess

33) Schneider u. Fick p. 508, n. 2.
34) Erk. des R.O.H.G. XIX, p. 270-272,

v. 17./12. 1875.

Thöl

§ 183 bei n. 5-8. Wächter p. 660, n. 4. Ueber Acceptstreichung vgl. unten.

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