Deutsche Widerspiele der Französischen Revolution: Reflexionen des Revolutionsmythos im selbstbezüglichen Spiel von Goethe bis DürrenmattDie Französische Revolution ist in Deutschland von Anfang an als ein Schauspiel und Spektakel wahrgenommen worden, wobei diese Sichtweise in der Selbstinszenierung der Revolution als "Schauspiel der Geschichte" eine Begründung und Bestätigung fand und zugleich auf der politischen Ebene den Distanzierungsmodus des interessierten, immer jedoch sich unbetroffen wähnenden Zuschauers rechtfertigte. Damit ließ sich die Revolution auf der Straße zur Revolution im Geiste sublimieren, wodurch sie in den Modus des Ästhetischen rückte, das in diesem Zusammenhang gesteigerte epistemische Bedeutung für die Wahrnehmung von Geschichte gewinnen konnte. Diese wurde noch einmal ins Grundsätzliche verändert, wenn sie sich selbstreflexiv verstehen und das in ihrem Darstellungsmodus auch repräsentieren konnte. Für die Dramatik geschieht dies am auffälligsten in der Form des Spiels-im-Spiel, und so ist es von bemerkenswerter, bislang nur beiläufig bemerkter Konsequenz, daß sich die direkte oder indirekte Reflexion der Französischen Revolution in den bedeutenden Werken der deutschen Dramatik fast ausschließlich dieser Dramaturgie bedient und damit eine über zwei Jahrhunderte stabile Darstellungs- und Deutungstradition ausbildet. Die vorliegende Arbeit profiliert an einschlägigen Dramen von Goethe, Tieck, Büchner, Schnitzler, P. Weiss und H. Müller eine bis zum späten Dürrenmatt in sich geschlossenen Traditionslinie, in der das selbstbezügliche Spiel, den politischen Mythos der Revolution ästhetisch entmythisierend, zu einer umfassenden Kritik des modernen Geschichtsverständnisses gelangt, die letztlich auch die Grenzen der Dramenform selbst thematisiert. |
Contents
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2 Gegenstandskonstitution in Auseinandersetzung mit Adolf Muschgs Die Aufgeregten von Goethe 1970 | 32 |
3 Die Revolution zwischen Spiel und Ernst | 37 |
31 Das VerkehrteWeltSpiel des Breme von Bremenfeld eines Chirurgus von gutem Humor | 38 |
32 Die Improvisation einer Nationalversammlung ein Produkt von adeligem Leichtsinn Frevel und Spott | 48 |
4 Ideologische Vorentscheidungen ihre ästhetische Bearbeitung und der Fragmentstatus der Aufgeregten | 54 |
III Arbeit an der poetischen Revolution Tiecks Literaturkomödien Der gestiefelte Kater und Die verkehrte Welt | 63 |
Der grüne Kakadu Welttheater in einem Akt | 163 |
2 Der Quatorze Juillet | 167 |
3 Die Spiele im Grünen Kakadu | 174 |
4 Sicherheit ist nirgends Wir wissen nichts von andern nichts von uns Wir spielen immer wer es weiß ist klug | 180 |
5 Die Einakterform | 186 |
VI Nach dem versäumten Augenblick Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats von Peter Weiss | 191 |
2 Die Revolution auf der Bühne von Charenton | 199 |
3 Die Kunst unter den Bedingungen von Charenton | 206 |
2 Der gestiefelte Kater oder sie sind wieder da unten ins Poetische hineingeplumpt | 70 |
22 Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit die revolutionären Strahlwörter als Medium der Textintention | 83 |
23 Eine im Akt gelingender Rezeption gegründete Brüderlichkeit | 90 |
3 Je nun eine gute Verwirrung ist mehr wert als eine schlechte Ordnung Die Verkehrte Welt Ein historisches Schauspiel in fünf Aufzügen | 96 |
32 Die verkehrte Welt im Horizont des antirevolutionären Dramas | 100 |
33 Skaramuz der Revolutionär als komische Figur | 105 |
34 Der komische Irrtum des Apoll wider die klassische Harmonie | 111 |
35 Die Satire als ästhetische Utopie | 117 |
IV Dantons Tod Kunst an der Grenze der Kunst | 125 |
2 Robespierre und das erhabne Drama der Revolution | 132 |
3 Danton und das absurde Welttheater | 137 |
4 Das ambivalente Pathos der Gasse | 144 |
5 Der Souffleur Das Theater betritt die Gasse | 149 |
6 Das SpielimSpiel als Problematisierung des Ästhetischen | 154 |
7 Ein relativer Zuwachs an Wirklichkeit | 157 |
4 Rekonstruktionen des versäumten Augenblicks | 217 |
42 Bühnenbild | 220 |
De Sades Autorschaft und die Dialektik der Aufklärung | 227 |
VII Explosion einer Erinnerung Heiner Müllers Der Auftrag Erinnerung an eine Revolution | 231 |
2 Das Theater der weißen Revolution | 240 |
3 Zur Dialektik von Auftrag und Verrat | 248 |
4 Schönheit Maske und Verrat Zur impliziten Poetik von Müllers Text | 255 |
VIII Achterloo in Acherloo irgendwo bei Waterloo Ein groteskes Endspiel | 261 |
2 Vom Zeitstück zum Welttheater | 269 |
3 Die Dialektik der Bühne | 276 |
4 Der Stellvertreter und das Ganze der Dürrenmattschen Konstruktion | 283 |
5 Judith und Holofernes | 290 |
Literaturverzeichnis | 299 |