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willkürliche Zölle erhob und die gegen ihn gesendeten römischen Heere schlug. Seine Wittwe, die berühmte Zenobia, setzte dies angefangene Werk der Herrschaft mit bewundernswürdiger Kraft fort, bis endlich Kaiser Aurelian sie überwand, und die Königin des Orients auf ein kleines Landgut in Italien verwies. Der Stadt wurde ihre Bedeutung zunächst erhalten; Aurelian stellte mit heidnischer Pietät den grossen Tempel des Sonnengottes, der bei der Einnahme gelitten hatte, wieder her, und auch unter den spätern Kaisern wird Palmyra noch als ein bedeutender Gränzplatz gegen die Parther erwähnt; vielleicht erst in den verderblichen Kriegen der Araber wurde sie verödet und liegt jetzt unbewohnt, nur von wilden Beduinenstämmen benutzt. Unter diesen weitausgedehnten Ruinen findet man kolossale Tempel, Hallen, Märkte, Wasserleitungen, Denkmäler; vor Allem grossartig ist ein Säulengang, der die Stadt in der Mitte durchschneidet, von gewaltiger Länge, in vier Reihen korinthischer Säulen, mit einer mittlern Strasse für Wagen und zwei Seitenwegen für Fussgänger. Nach den aufgefundenen Inschriften sind sämmtliche Bauten aus der Aera der römischen Kaiser, die meisten aus späterer Zeit, die prachtvollsten wahrscheinlich unter der Regierung des Odenatus entstanden.

Es ist nicht zu bezweifeln, dass der griechisch-römische Styl bei seiner Verbreitung über das weite Gebiet des Reichs in den entfernten Gegenden durch den Einfluss des Klimas, hergebrachter Formen und eines andern Geistes mannigfach umgestaltet wurde. Vor allem im Orient. In den celtischen Ländern, wo keine ältern Bauten, wo überhaupt nur schwache und kraftlose Anfänge der Civilisation vorhanden waren, fanden die römischen

Formen ungehindert Eingang. Im Osten dagegen hatte man schon frühe, wie wir an manchen Beispielen sehen, die edle, einfache griechische Architektur durch manche Zusätze, durch eine Erweiterung und Vermehrung der Verzierungen voller, üppiger, schwülstiger behandelt. So war es schon anfangs; je mehr aber, auch im übrigen römischen Reiche, die Bedeutung der architektonischen Glieder in Vergessenheit gerieth und das Streben nach zwecklosem Reichthum um sich griff, desto freier liess man sich im Orient darin gehen. So zeigen uns denn auch die Bauten von Heliopolis und Palmyra und einige andere ähnliche Monumente des Orients *) durchweg solche Veränderungen, und lassen uns ungewiss, wie viel davon dem Geiste des Landes, wie viel der späten Entstehungszeit zuzuschreiben sei. Vieles haben diese Bauten mit den übrigen römischen gemein; die vorherrschende Anwendung der korinthischen Ordnung, der Missbrauch der Verkröpfungen, die Häufung von bildlichen und architektonischen Verzierungen am Gebälk, die Verbindung von Kragsteinen und Zahnschnitten. Hier aber hat überdies der Fries häufig eine runde Ausbauchung, für die schwülstige, üppige Richtung eine recht charakteristische Gestalt. Die Unteransichten der Architrave und des Thürsturzes sind mit Bildwerk, die Deckenfelder mit geometrischen Figuren, Kreisen, Ovalen, eckigen Feldern aller Art bedeckt. Die Säulen stehen gewöhnlich nicht auf einer fortlaufenden Fläche, sondern auf einzelnen Würfeln; an ihren Stämmen Kragsteine um Bildsäulen zu tragen. Halbsäulen oder Pilaster sind auf andre Pilaster

*) Höchst wichtig sind namentlich die Ueberreste der Stadt Petra im steinigen Arabien, freistehende Gebäude und Grotten. S. Léon de Laborde, Voyage de l'Arabie Pétrée.

geklebt, oder die Pilasterstreifen mit Schnitzwerk gefüllt. Das Gebälk über der Säulenstellung ist nicht beständig in der graden Richtung durchgeführt, sondern erhebt sich über den beiden mittlern Säulen zu einem Bogen. Selbst die Wände bilden selten eine reine Fläche, sondern sind oft in doppelten Reihen mit Nischen bedeckt, welche Säulen und Pilaster zur Seite, spitze, runde und gebrochene Giebel haben, zuweilen mit muschelartigen Zierden. Ueberhaupt erinnert uns Manches an den schwerfälligen Styl, der sich aus der falschen Anwendung der römischen Architektur im siebenzehnten Jahrhundert in unsern Gegenden entwickelte.

Auch im Abenlande fand dieser Geschmack immer ́ mehr Anwendung, weniger durch unmittelbaren Einfluss orientalischer Formen, als weil die geistige Richtung eine ähnliche geworden war. Ich übergehe die andern in Italien erhaltenen Denkmäler, unter denen namentlich zwei Thore in Verona nicht unwichtig sind, um bei einem bedeutenden Bau des Kaisers Diocletian zu verweilen, der uns noch sehr vollständig erhalten ist und eine deutliche Anschauung von dem Style seiner Zeit gewährt. Es ist der Palast zu Salona, jetzt Spalatro, an der Küste Dalmatiens. In dieser anmuthigen Gegend unfern der kühlenden Meeresbucht, zwischen fruchtbaren Ebenen und waldigen Anhöhen erbaute sich der alternde Kaiser, indem er die Sorgen der Regierung seinen Reichsgehülfen überliess, einen Landsitz, in fürstlicher Pracht und Würde und zugleich, wie es den unruhigen Zeiten gemäss, in kriegerischer Haltung. Das Ganze bildet ein grosses

Viereck von mehr als siebenhundert Fuss Breite und Länge, ausserhalb von hohen Mauern und Thürmen umgeben, inwendig von Säulengängen durchzogen, mit zwei

Tempeln und mit Wohnungen für den Kaiser und sein Gefolge. Das Technische des Baues ist noch vortrefflich, die Ornamente sind mit verschwenderischem Reichthume und mit Fleiss behandelt, an einzelnen findet sich auch noch ein Ueberrest der frühern Anmuth, bei den meisten aber schon eine Dürftigkeit und Trockenheit, welche zeigt, dass man auf eine genaue Betrachtung dieses hergebrachten Schmuckes, auf die Prüfung eines fühlenden Auges nicht mehr rechnete. Der gekrümmte Fries, die bizarre Häufung schwerfälliger Arabesken ist gewöhnlich. Dagegen ist in der Anordnung viel Eigenthümliches, manches von grossem, malerischem Reize, wenn auch auf Kosten der verständigen Einfachheit. Die langen Säulenreihen tragen nicht mehr Gebälk, sondern Bogen, die grossen Mauerflächen sind mit Reihen runder Fenster oder Nischen zwischen hochschwebenden von Kragsteinen getragenen Säulen bedeckt. Einer der beiden Tempel ist in achteckiger Form durch eine runde Kuppel von sehr künstlicher Wölbung bedeckt, seinen Seiten entspricht ein eben so achteckiger Portikus, über welchen dann nicht bloss die Kuppel, sondern schon das zweite Stockwerk der senkrechten Wände hinausragt, mithin eine sehr neue und auffallende Form. Die Wölbung spielt hier eine ungleich wichtigere Rolle als bisher, namentlich ist es bedeutsam, dass der Bogen nicht mehr vereinzelt und zwischen Säulen eingeschlossen vorkommt, wie am Colosseum und an so vielen ältern Gebäuden, sondern dass er sich frei auf den Kapitälen erhebt und sich in langen Reihen fortpflanzt.

Die ausschliesslichen Freunde antiker Baukunst*) können diese Formen nur mit Missbehagen aufnehmen. *) Hirt, Gesch. d. Bauk. II. S. 436.

Es ist gewiss, dass die griechischen Bauglieder, die man doch nach wie vor anwendete, hier noch mehr missverstanden sind als in ältern römischen Bauten. Die Säule in der hergebrachten Form fordert das grade aufliegende Gebälk, der Bogen als ein Mittleres zwischen der horizontalen und verticalen Richtung erfüllt diese Forderung nicht; noch mehr ist der Charakter der Säule verletzt, wenn sie, die Trägerin der Last, hoch über dem Boden schwebt. Nicht minder unschön ist der gebogene Fries, dessen Ueberfülle zwecklos, und wenn man sie deuten wollte, als das Zeichen eines weichen, unzuverlässigen Stoffes erscheinen würde, welchen die Last zusammenpresst.

Allein dennoch darf man diese ungünstige Seite nicht allein ins Auge fassen. Neben dem Widersprechenden ́und Unzusammenhängenden findet sich ein Reichthum von mannigfaltigen Formen, den die alte Welt bisher nicht gekannt hatte, und der die Phantasie mächtig reizt. Diese hohen Mauern mit ihren abenteuerlichen schwebenden Säulen und schattigen Nischen, diese wechselnden Durchsichten durch die Bogen der Säulengänge geben dem Schönheitssinn, wenn auch vielleicht nicht dem eigentlich architektonischen, vielfache Nahrung und Anregung. Wir finden auch hier die Kunst wieder ein Bild der Zeit; in dem prachtvollen Landsitze des Kaisers, der in dem Gegensatze von Herrschaft und Zurückgezogenheit schon selbst ein Bild dieses wechselvollen, romantischen Jahrhunderts war, zeigt auch sie sich in einer phantastisch bunten Gestalt, mit Wagnissen und Andeutungen. Selbst in architektonischer Beziehung ist zu erwägen, ob bei so grossen Verhältnissen und so mannigfaltigen Bedürfnissen eine strenge Beobachtung der antiken Architektur noch einen eben so günstigen Eindruck hervorbringen würde.

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