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schon unter Justinians Regierung noch weiter in der Anwendung des Kuppelbaues. Die Apostelkirche in Constantinopel, welche nach der ausführlichen Beschreibung, die der Geschichtschreiber der Justinianeischen Bauten ihr widmet, besondere Aufmerksamkeit erregt zu haben scheint, unterschied sich sehr wesentlich von der Sophienkirche. Ihrem Grundrisse nach (welcher aus dem Bau Constantins beibehalten wurde) bildete sie ein Kreuz, dessen Arme innerlich mit parallelen Säulenreihen geschmückt waren. Der westliche Arm des Kreuzes war etwas länger als die andern, der Altar aber stand nicht in einer östlichen Concha, sondern in der Vierung des Kreuzes. Die Kuppel über diesem mittlern Raume glich völlig der an der Sophienkirche nur in kleinerer Dimension; ausserdem erhob sich aber auch auf jedem Arme des Kreuzes eine ähnliche Kuppel, die sich nur dadurch unterschied, dass sie ohne Fenster war *). Ganz gleiche Form erhielt noch unter Justinians Regierung die Johanniskirche zu Ephesus; wir sehen daher schon jetzt eine zweite Form entstehen, welche sich später häufig wiederholte, die des Kreuzes mit fünf Kuppeln.

Bemerkenswerth ist es bei der Ausbildung des byzantinischen Styles, dass symbolische Beziehungen im gewöhnlichen Sinne des Wortes darauf wenig oder gar keinen Einfluss hatten. Eusebius (im dritten Buche der Lebensgeschichte Constantins) bemerkt es wohl, dass in dem Rundbau der Grabkirche zu Jerusalem zwölf Pfeiler nach der Zahl der Apostel angebracht worden, und die drei Fenster in der Concha des Chors bezog man auf die Dreieinigkeit. Aber ausser solchen zufälligen Deutungen

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*) Prokop, de aedif. I. 4. V. 1. Wahrscheinlich waren die fensterlosen Seitenkuppeln etwas niedriger und kleiner. Vgl. oben S. 125.

finden wir nicht, dass man sich im Grossen danach gerichtet habe, und man zog in der Regel die quadrate Anlage der Kirchen der heiligen Form des Kreuzes ohne Bedenken vor.

Zweite Epoche.

Die nachjustinianeische Zeit.

Ein Monument wie die Sophienkirche, welches den Styl seiner Zeit so entschieden ausspräche und einen geschichtlichen Abschnitt begründete, finden wir in den spätern Jahrhunderten des byzantinischen Reiches nicht wieder, und wir sind für die Beurtheilung der Formen theils auf Gebäude beschränkt, deren Datum ungewiss ist, theils auf Nachrichten über Bauten, welche wir nicht mehr aufzeigen können. Indessen scheint es nicht überflüssig, eine Uebersicht dieser Nachrichten aus den byzantinischen Schriftstellern zusammenzutragen.

Der Nachfolger Justinians, Justin II., setzte die Bauthätigkeit seines Vorgängers noch einigermassen fort. Er vergrösserte die Kirche der Blachernen, indem er ihr eine südliche und eine nördliche Concha hinzufügte und ihr dadurch die Gestalt eines Kreuzes gab. Bald nach ihm begannen unruhigere Zeiten für das Reich; bei dem Wechsel grausamer und schwacher Fürsten, unter den Bürgerzwisten der Thronprätendenten, neben den Anstrengungen der Kriege gegen die andringenden Bulgaren und Araber behielt man nicht Zeit und Mittel für grosse Bauunternehmungen *), und der kräftige Regent, welcher endlich zur Herrschaft gelangte, Leo der Isaurier (717) erzeugte

*) Es versteht sich, dass auch in dieser Zeit einzelne Prachtbauten ausgeführt wurden; so unter Justinian II. 693 ein reichgeschmücktes Triclinium. Schlosser Gesch. d. bilderst. Kaiser S. 102.

durch seinen Bilderhass einen innern Zwist, welcher lange Zeit hindurch wüthete und alle Verhältnisse zerstörte. Erst gegen die Mitte des neunten Jahrhunderts kam ein kluger und gerechter Kaiser auf den Thron, welcher, obgleich auch er der vorherrschenden, den Bildern günstigen Ansicht des Volkes widerstrebte, den Aufruhr etwas zu beschwichtigen und die Kraft der Regierung herzustellen wusste. Dieser Fürst, Theophilus (829-842), der dankbare Schüler des Johannes Grammaticus, eines für seine Zeit bedeutenden Gelehrten, begünstigte wieder die Wissenschaften und Künste und suchte den Glanz der Hauptstadt zu erneuern. Er begann mit der Herstellung der in den Bilderstreitigkeiten verwüsteten Kirchen und benutzte eine Zeit des Friedens zu bedeutenden öffentlichen Bauten. Als eine Stiftung von bleibendem Nutzen wurde noch spät ein von ihm gegründetes Hospital gerühmt; grössere Summen aber verwendete er, um dem Volke durch prachtvolle Paläste, die mit edlen Marmorarten, Vergoldungen und plastischen Arbeiten glänzten, zu imponiren. Wir besitzen über diese Palastbauten ziemlich ausführliche Angaben, um so glaubhafter, weil sie nicht von gleichzeitigen Schmeichlern, sondern von etwas spätern, dem bilderfeindlichen Kaiser keinesweges günstig gesinnten Schriftstellern herrühren, und diese Angaben, obgleich im Einzelnen häufig dunkel, sind dadurch lehrreich, dass sie uns eine Anschauung von der Anlage byzantinischer Paläste gewähren. Wenn man, wie es wohl geschehen ist, alle die Gebäude, welche mit bestimmten Namen aufgezählt werden, für einzelne grössere Schlösser mit vielen Sälen und Gemächern, wie die neuere Zeit sie kennt, halten wollte, so würden wir eine übertriebene und die wirklich sehr bedeutende Grösse

des Palastes weit übersteigende Vorstellung erhalten. Durch genauere Prüfung der Angaben über diese Bauten selbst und der Anweisungen zu ihrem Gebrauche bei den Feierlichkeiten des Hofes, welche der spätere Kaiser Constantin Poryhyrogennetos in seinem Werke über die Ceremonien giebt, erfährt man vielmehr, dass jedes einzelne dieser namhaften Gebäude nur aus einem oder zwei gewaltigen Sälen oder Hallen bestand, an welche sich stets wenige Nebenzimmer anschlossen*). Diese einzelnen Prachtgebäude waren dann durch Säulengänge und Höfe verbunden, die theils dem Volke, theils nur gewissen Beamten und Dienern zugänglich waren, und die alle wieder besondere Namen erhielten und also als eigene Gebäude betrachtet werden können. Alle diese einzelnen Theile wurden dann aber wieder als ein Ganzes, als der Königsbau (avázτopov) angesehen. Eine Vorstellung der ganzen Anordnung dürfte schon der Palast des Diocletian in Salona gewähren, von dem früher die Rede gewesen ist.

Die Reihe dieser Bauten des Theophilus begann mit dem Karianischen Palaste, der weil er gegen die kalten Winde geschützt war im Winter bewohnt wurde. Daran reihete sich der Trikonchos, eine prachtvolle Kirche oder Kapelle mit goldenem Dache und mit drei grossen Nischen in Osten, Norden und Süden, von denen die mitt

*) Solche einzelnen Gebäude wurden dann nach dem Hauptbestandtheil: Triclinium genannt, welches Wort man daher hier nicht in seiner ursprünglichen Bedeutung als Speisesaal verstehen darf. Die Nebengemächer wurden nach byzantinischem Sprachgebrauche ebenso uneigentlich als Schlafzimmer (cubiculum, xovßovxλeíov) bezeichnet, obgleich sie nicht zu diesem Zwecke dienten. Die dazu wirklich bestimmten Räume sind in den byzantinischen Quellen mit dem Worte: Hoitov benannt. Vergl. Reiske ad Const. Porphyr. de cerim. ed. Bonn. p. 24.

lere mit vier grossen Porphyrsäulen geschmückt, dem Erzengel Michael, die beiden andern weiblichen Märtyrern gewidmet waren, während die westliche Seite mit drei mächtigen Eingangsthüren von Silber und Erz auf zwei Säulen ruhete. Von da kam man in das Sigma, einen Portikus von 15 Säulen, die in Form eines halben Mondes, ähnlich der damals üblichen Gestalt des Buchstabens S (C) aufgestellt waren *), darauf vermittelst einer abwärtsführenden Treppe und durch einen zweiten Portikus in ein anderes Gebäude oder Hof, der Tetraserum genannt wurde und vier Conchen hatte. Von diesen erregte die nördliche besondere Aufmerksamkeit, weil sie, nach akustischen Regeln gebaut, das leise gesprochene Wort an entfernter Stelle vernehmen liess; sie wurde deshalb Mysterium genannt. In der Nähe des Sigma wurden auch die öffentlichen Spiele gefeiert, und man gelangte daher aus demselben zu den Marmorstufen, auf deren Höhe aus einer prachtvollen Concha der Hof, und von einem goldnen, reich mit Edelsteinen besetzten Throne der Kaiser zuschauete. In der Nähe waren zwei eherne Löwen aufgestellt, welche bei solchen Festen Getränke auswarfen, während eine Schale von Erz sich beständig mit Aepfeln, Nüssen und Mandeln für das Volk anfüllte. Auf der westlichen Seite des Sigma standen dann noch zwei Triklinien oder Säle, auf der östlichen die Waffenkammer Eros, und der Palast Margarita oder die Perle, dessen Dach von acht Säulen aus rhodischem Marmor getragen wurde, dessen Wände mit gemalten Thieren prangten. Weiterhin kam ein Schlafgemach des Kaisers, prachtvoll wie die Margarita, dessen goldene Kuppel auf

*) Daher wurde das Sigma auch Trikonchos, die dreifache Nische, genannt.

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