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Ein Rückblick auf das Jahr 1902.

Dem Jahre 1902. werden wir in der Mehrzahl wohl keine Träne nachweinen. Es ist keines der Jahre gewesen, an die man sich in späteren Zeiten gern erinnert, es hat uns zwar auch manche schöne Stunde gebracht, aber im großen und ganzen war es nicht nur dem Wetter nach, sondern auch in geschäftlicher Beziehung jämmerlich verregnet und die paar geschäftlichen und sonstigen Sonnentage, die wir in unserem Fache haben erleben dürfen, lassen den Gegensatz nur um so schärfer hervortreten.

War 1901 schon nicht gut, so ist 1902 wenn möglich noch schlechter gewesen und sowohl der Reichsbankpräsident Koch, der jetzt vor einem Jahre behauptete, daß der wirtschaftliche

junktur gehabt und da wir das Ende der letzten aufsteigenden Periode ungefähr auf die Grenze zwischen 1899 und 1900 verlegen können, so haben wir auch vom nächsten Jahre wohl kaum schon etwas Gutes zu erwarten; außerdem ist die Quersumme von 1903 13, in welchem Umstande abergläubische Gemüter ebenfalls ein böses Omen erblicken wollen. Wie dem auch sei und was auch kommen möge, wir werden im nächsten Jahre wie im vergangenen unser laufendes Geschäft wie immer machen, uns daran gewöhnen, unsere Ausgaben mit unseren Einnahmen im Gleichgewicht zu halten und größere Unternehmungen auf gelegenere, günstigere Zeiten verschieben. Jedenfalls sind wir dem tiefsten Stande der wirtschaftlichen

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PFORZHEIMER KÜNSTLERSCHMUCK (VON DER JUBILÄUMS-KUNSTAUSSTELLUNG KARLSRUHE).

Knöpfe, ausgeführt von H. Soellner, Pforzheim.

Entwürfe: Die mit K bezeichneten von Prof. G. Kleemann; die mit M bezeichneten von Arch. J. Müller-Salem. Beide an der Kunstgewerbeschule Pforzheim.

Niedergang damals seinen tiefsten Stand erreicht habe, wie auch der Handelsminister Möller, der uns versicherte, daß wir uns bereits wieder einer aufsteigenden Periode nähern, haben sich als schlechte Propheten erwiesen; das Geschäft ist das ganze Jahr hindurch ein unstetes und unbefriedigendes gewesen, die Umsätze blieben im Durchschnitt gegen das Vorjahr zurück, die Produktion in den Fabrikstädten unseres Faches wurde beschränkt, vielfach mußten die Arbeiter aussetzen, der Export war wenig lebhaft, kurz, die Freude am Schaffen wurde der großen Mehrheit stark durch die so geringen geschäftlichen Erfolge beeinträchtigt, und es ist nur zu verwundern, daß verhältnismäßig wenig selbständige Existenzen aus der Branche ein vorzeitiges, geschäftliches Ende gefunden haben. Es sind dies meist Geschäfte, die auch in guten Jahren nicht hätten bestehen können; sonst kann man mit Genugtuung feststellen, daß die deutsche Goldschmiedewelt sich in dem harten Kampf ums Dasein im vergangenen Jahre sehr tapfer gehalten hat und daß sie diesen Kampf siegreich bestehen wird, auch wenn wir ein weiteres schlechtes Jahr erleben sollten, können wir wohl mit aller Zuversicht erwarten.

Ein weiteres schlechtes Jahr! Wir wollen es unseren Kollegen und uns selbst nicht wünschen, aber verlockend sind die Aussichten für 1903 gerade noch nicht; wir haben seit 40 Jahren immer durchschnittlich 4-5 Jahre absteigende Kon

Depression jetzt am nächsten, wenn wir ihn nicht schon überschritten haben, und können nun doch wohl auf bessere Zukunft rechnen. Es muß doch Frühling werden!

Wie bei uns in Deutschland, so war es auch in allen anderen Ländern der Erde. England hat den unseligen südafrikanischen Krieg, der ihm wirtschaftlich so schwere Opfer auferlegte, nun endlich beendigt und kann seine riesige Geldmacht und Energie nun wieder auf friedlichen Gebieten verwerten: es hat im letzten Jahre noch schwer unter den Folgen des Krieges zu leiden gehabt und war dort das Geschäft in Schmucksachen ebenfalls das ganze Jahr hindurch nur wenig lebhaft und nur zu den Krönungsfestlichkeiten etwas angeregter. In Frankreich machten sich die schlechten Zeiten in gleicher Weise bemerkbar, innere Unruhen, Wahlkämpfe, Strikes in Industriegebieten u. dergl. beeinträchtigten das Geschäft. Italien und Spanien hatten mit der Ordnung finanzieller Schwierigkeiten genug zu tun, um viel für Luxusartikel wie der Schmuck, ausgeben zu können. In Österreich-Ungarn und den Balkanstaaten war es geschäftlich, wie überall, sehr ruhig und in den letzteren zeitigte die schlechte Zeit manche Zusammenbrüche. Rußland und die nordischen Reiche waren nicht besser daran, wie das übrige Europa, ebensowenig die südamerikanischen Staaten mit ihren permanenten Revolutionen. Nur die große transatlantische Republik der Vereinigten Staaten von Nord

amerika konnte sich ungetrübten Gedeihens erfreuen, und Präsident Rosevelt war in der angenehmen Lage, in einer jüngst gehaltenen Rede es nochmals zu betonen, in welchem blühenden Zustande sich die geschäftliche Lage drüben immer noch befindet und aller Aussicht nach auch noch ferner befinden wird. Als Hauptabnahme von Diamanten haben die Vereinigten Staaten es wohl auch in der Hauptsache zu Wege gebracht, daß die De Beers - Company in ihrer letzten Generalversammlung wieder einen Reingewinn von rund 40 Millionen Mark für das Jahr 1902 verkünden konnte. Im Anschluß hieran sei an die schwere Krisis erinnert, die im Anfang dieses Jahres Amsterdam und Antwerpen in der Diamanten-Industrie teils durch Strikes, teils durch Fallimente, durchzumachen hatten. Unser eigener Diamantenhandel ist glücklicherweise dank der zahlreichen Proteste und dem energischen Vorgehen des Verbandes von dem von einigen Hanauer Firmen erstrebten Zoll auf Diamanten-Rohstoff verschont geblieben.

Überhaupt können wir die Entwickelung und umfassende Tätigkeit des Verbandes Deutscher Juweliere, Gold- und Silberschmiede während des verflossenen Jahres als einen der wenigen Sonnenblicke bezeichnen, die es uns beschieden hat, wie ja überhaupt die Festtage in Dresden vom 22.-26. August d. J. allen Teilnehmern als die erfreulichsten Tage dieses Jahres in unserem Goldschmiedeleben in angenehmster Erinnerung sind und bleiben werden. Der Verband hat sich nach jeder Richtung gedeihlich entwickelt, seine Mitgliederzahl ist in stetem Wachsen begriffen, wurde in Dresden schon auf 1606 angegeben und dürfte mit Schluß des Jahres die Zahl 1800 erreichen, wenn nicht überschreiten. Der innere Ausbau der Organi- w sation des Verbandes machte im vergangenen Jahre bedeutende Fortschritte, es wurden viele wichtige das Fach berührende Fragen beraten, Eingaben an die Ministerien gemacht, von denen leider nicht alle Erfolg hatten. In dem Vorgehen gegen Taits ist es dem Verbande leider nicht gelungen, Ministerien bezw. Staatsanwaltschaft zum Einschreiten zu veranlassen, dagegen ist wenigstens für Preußen eine neue Verordnung über das Auktionswesen erreicht worden, welche den überhandnehmenden Schwindelauktionen mit Artikeln unserer Branche endlich das langersehnte Ende bereitete. Als einen bedeutenden Erfolg des vergangenen Jahres können wir die Tätigkeit des Verbandes in der Besteckfrage ansehen, die ihrer Lösung durch die Dresdener Beschlüsse um ein ganz bedeutendes Stück näher gerückt worden ist und den Grundstein für die Verwirklichung anderer wichtiger Reformen in unserem Fache auf ähnlichem Gebiete bilden wird. Ein anderes bedeutendes Moment in der letztjährigen Tätigkeit des Verbandes war der in Dresden zur Annahme gelangte Beschluß, auch die Grossisten in den Verband aufzunehmen; damit ist eine Schranke gefallen, die auf die Dauer doch nicht hätte bestehen bleiben können, denn nur das gemeinsame Zusammenwirken der drei Interessengruppen unseres Faches, der Detailleure beziehungsweise Gold- und Silberschmiede, Grossisten und Fabrikanten kann erfreuliche und ersprießliche Verhältnisse für alle Beteiligten herbeiführen helfen. Nachdem sich schon im Frühjahr ein Unterverband

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PFORZHEIMER KÜNSTLERSCHMUCK

K

(VON DER JUBILÄUMS-KUNSTAUSSTELLUNG KARLSRUHE)
Haarstecker und Broschen. Ausführung von Th. Fahrner, Pforzheim.
Entwürfe: W: Prof. F. Wolber. K: Prof. G. Kleemann.
Beide an der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule Pforzheim.

bandes zustande gekommen, so daß der Wirkungskreis desselben sich immer mehr ausdehnt und vertieft; auch die Freie Vereinigung des Gold- und Silberwarengewerbes zu Berlin hat sich erst in jüngster Zeit als Ortsgruppe des Verbandes für

W

Berlin und den Regierungsbezirk Potsdam neu konstituiert
und somit zur Konsolidierung des Verbandes unter Ver-
meidung der Zersplitte-
rung der Kräfte bei-
getragen.

Als bedeutsam für unser Fach erwiesen sich im vergangenen Jahre auch die Ausstellungen von Karlsruhe und Düsseldorf, sowie die augenblickliche offene des Vereins für Deutsches Kunstgewerbe in Berlin, die viel Anregung und Sehenswertes in Goldund Silberschmuck und -Geräten boten. Der letztgenannte Verein hält seine Ausstellung zur Feier seines 25 jährigen Bestehens ab; auch der Pforzheimer Kunstgewerbe - Verein konnte in diesem Jahre auf eine 25 jährige, gesegnete Tätigkeit zurückblicken.

Wenn wir in den voraufgegangenen Zeilen einen raschen und gedrängten Überblick über die Hauptereignisse des letzten Jahres, soweit sie die Goldschmiedekunst betreffen, zu geben versucht haben und dabei der Tätigkeit der Lebenden gedachten, so wollen wir auch nicht derjenigen unserer bedeuten

deren Fachgenossen vergessen, die im Laufe des Jahres nach einem tatenreichen Leben in ein besseres Jenseits abberufen

MODERNE CHATELAINS IN OXYDIERTEM SILBER
von Gust. Hauber, Schwäb.-Gmünd.

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Chemische Spaziergänge.

Von Dr. Hans Braun, Berlin.

Borsäure und Borax, Löten, Schlacke, Glas, Edelstein-Imitationen, Emaille.

Der Borax ist seit den ältesten Zeiten bekannt. Er bildete im grauen Altertum einen wertvollen Handelsartikel und wurde schon damals zur technischen Verwendung herangezogen. Es ist anzunehmen, daß die Chinesen und Japaner sich dieses in Ostasien vorkommenden Salzes bei ihren metallurgischen und Emaille-Arbeiten bedienten. Der indische Borax ist heute noch als ,,Tinkal" im Handel und das Wort „Borax" ist abzuleiten von dem arabischen ,,Baurach". Bis vor zwei Jahrhunderten hat man sich eigentlich wenig wissenschaftlich mit dem Borax beschäftigt, bis 1702 Homberg entdeckte, daß durch Salzsäure oder Salpetersäure aus dem Borax eine Substanz abgeschieden wurde, die in glänzenden Schuppen kristallisierte. Man hatte zum erstenmal die Borsäure aus ihrer Verbindung befreit. Einige Zeit später machte man die Entdeckung, daß

die Wasserdämpfe, die aus den Fumarolen Toscanas dem vulkanischen Erdreich entsteigen, dieselbe Substanz enthielt, die man bei der Zerlegung von Borax mit Säure erhalten hatte. Man machte also die merkwürdige Entdeckung, daß ein Körper, der in der Technik seit Jahrhunderten als feuerfest bekannt war, eine Substanz enthielt, die sich mit Wasserdämpfen verflüchtete. Borax und Borsäure verhalten sich in der Hitze gleich, beide schmelzen zusammen. Durch die Entdeckung der Borsäure auf europäischem Gebiet wurde die Zufuhr des Tinkal selbstverständlich zurückgedrängt. Durch die monopolisierenden Bestrebungen deutscher, französischer und italienischer Fabrikanten und Händler veranlaßt, brachten die Engländer wieder die ostasiatische Ware auf den Markt und bewirkten gleichzeitig die Ausnützung der chilenischen

Borax-Kalkminen. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß heute Borax und Borsäure so billige Produkte sind.

Borax pflegt man chemisch schlechthin als borsaures Natrium zu bezeichnen, in Wirklichkeit haben wir aber das vierfachborsaure Salz vor uns, welches mit zehn Molekülen Wasser kristallisiert. Schmilzt man Borax, so verflüchtet sich zunächst das Kristallwasser, d. h. dasjenige Wasser, welches dem Körper die Kristallform verliehen hat. Übrigens ist nicht immer Wasser zur Kristallbildung nötig; die Kochsalzkristalle enthalten z. B. kein Wasser.

Beim Schmelzen von Borax bildet sich eine schwammige Masse, welche dadurch entsteht, daß die gebildeten Wasserdämpfe feine Boraxhäutchen vor sich her treiben. Nimmt man die Erwärmung langsam vor, so wird die Wasserverdunstung

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man nun eine Kleinigkeit des Untersuchungsobjektes an die Boraxperle und erhitzt wiederum, so wird man beobachten, daß bei Anwesenheit der geringsten Spur Chrom die Perle eine schöne smaragdgrüne Farbe annimmt. Ist Kobalt anwesend, so erhält man eine blaue Perle, die von der blauen Kupferperle nur um ein geringes unterschieden ist. Uran und Eisen färben gelb und unter gewissen Umständen Kupfer rot, Nickel, Antimon und Silber dagegen grau. Borax besitzt nämlich die Eigentümlichkeit, Metalloxyde in ganz charakteristischer Farbe zu lösen. Man vermutet, daß diese Färbung auf der Bildung borsaurer Metallsalze beruht. Obwohl die Borsäure in wässeriger Lösung eine so schwache Säure ist, daß sie nur mit der Kohlensäure annähernd verglichen werden kann, stellt sie im feuerflüssigen Zustande die stärkste Säure

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PFORZHEIMER KÜNSTLERSCHMUCK (VON DER JUBILÄUMS-KUNSTAUSSTELLUNG KARLSRUHE).

Knöpfe und Plaketten. Ausführung H. Söllner, Pforzheim.
Entwürfe: M Arch. J. Müller-Salem, S Prof. A. Schmid. G Prof. G. Kleemann, W Prof. F. Wolber.
Sämtliche aus der Großen Kunstgewerbeschule Pforzheim.

sich mit einer geringeren Vehemenz zeigen. Erhitzt man das Salz dagegen plötzlich, so wird eine schnelle Verdunstung des Kristallwassers herbeigeführt und es kommt in der geschmolzenen Masse zu Erscheinungen, die wir am besten mit Explosionen vergleichen können. Durch die plötzliche Ausdehnung werden kleine Teilchen fortgeschleudert, und dies ist auch der Grund, weshalb man mit Borax beim Löten so schwer arbeiten kann. Wird der betreffende Gegenstand, der gelötet werden soll, langsam erhitzt, so wird bedeutend weniger Material von der Lötstelle fortspringen. Geduld und Ruhe ist also das einzige Mittel, welches man angeben kann. Der junge Goldschmied muß dieselben Erfahrungen in dieser Beziehung durchmachen wie der angehende Chemiker. Bei der Untersuchung auf Metalle ist es eine altbewährte Methode, die Gegenwart verschiedener Körper durch die Farbe der Boraxperle zu ermitteln. Mit der Öse eines Platindrahtes bringt man etwas gepulverten Borax in die Flamme, um das Kristallwasser zu vertreiben. Hierbei beobachtet man nun, daß der ganze Inhalt der Öse plötzlich fortspringt. Nähert man dagegen den Borax langsam der Flamme, bis man keine Auftreibungen der Masse mehr beobachtet, so kann man den Borax zu einer wasserhellen Perle zusammenschmelzen. Bringt

dar, die wir besitzen. Unter Anwendung entsprechender Hitzegrade vermag die Borsäure alle anderen, besonders auch feuerfeste Säuren (Phosphorsäure) aus ihren Verbindungen zu verdrängen. Hieraus ergibt sich, daß man beim Löten Börsäure und Borax mit dem gleichen Erfolg anwenden kann.

Die chemische Wirkung der Borsäure und seines Natronsalzes beim Löten besteht also darin, daß die auf der Metalloberfläche befindlichen Oxyde in Lösung gebracht werden, um so die blanken Metallflächen der Einwirkung der Adhäsionskraft aussetzen zu können. Würde der Goldschmied nur mit Feinmetallen arbeiten, so würde die Anwendung von Borax nicht nötig sein, weil die Oxyde der Edelmetalle bekanntlich durch die Hitze zerlegt werden. Da in der Praxis aber nur Legierungen vorkommen, so hat man mit Zinn-, Zink-, Kupferund Nickeloxyd etc. zu rechnen, und dem aufmerksamen Beobachter wird bei Gelegenheit eine Färbung der Schmelze nach dem Löten gewiß schon aufgefallen sein.

Der Goldschmied pflegt aber auch Borax beim Zusammenschmelzen seiner Legierungen anzuwenden. Auch hier erfüllt er den bereits beschriebenen Zweck. Er soll die Oberfläche der geschmolzenen Metallmasse vor Oxydation schützen und gleichzeitig die etwa vorhandenen Metalloxyde der Schwer

metalle in Lösung bringen. Würde man das Schmelzen der Legierung ohne Borax oder bei Anwesenheit von zu wenig Borax vornehmen, so würden die unvermeidlich entstehenden Oxyde der Schwermetalle später ein Reißen der Masse bewirken. Andererseits können die in der Legierung mechanisch untergemischten Schwermetalloxyde eine mehr oder weniger starke Porosität zur Folge haben. Mit anderen Worten ausgedrückt heißt dies: die Legierung würde in ein Gemisch aus Metall und Metalloxyd übergeführt.

Denselben Zweck, den Borax in der Werkstätte des Goldschmieds erfüllt, versieht draußen im Hüttenbetrieb bei der Gewinnung der Schwermetalle der Sand. In seiner chemischen Zusammensetzung besteht Sand aus Siliciumoxyd, oder, wie man es schlechthin nennt, aus Kiesel. Durch den Sand wird die Bildung einer Schlacke bewerkstelligt, welche die glühende Metallmasse ebenso vor dem Sauerstoff der Luft schützen soll, wie der Borax. In ihrem chemischen Verhalten ähneln sich Börsäure und Kiesel ungemein. Auch Kiesel vermag mit Metalloxyden Verbindungen einzugehen, welche ganz charakteristische Färbungen zeigen. Kieselsaures Eisenoxydul ruft die dunkelgrüne, kieselsaures Eisenoxyd dagegen die hellgrüne Farbe des Glases hervor.

Und was ist Glas? Nun, ein ähnlicher Körper wie die Hochofenschlacke. Da man im Hüttenprozeß außer Sand noch Kalk zusetzt, bildet sich als Schlacke kieselsaurer Kalk eine spröde, undurchsichtige Masse. Nimmt man das Zusammenschmelzen dagegen unter weiterem Zusatz von Soda vor, so erhält man ein Produkt, welches in chemischer Beziehung Natrium-Calcium-Silikat vorstellt. Das böhmische Glas besteht aus kieselsaurem Kalium-Calcium, und fügt man außerdem noch Blei zu, so gelangt man zum Flintglas. Je höher man den Bleigehalt eines Glases steigert, um so tiefer liegt sein Schmelzpunkt und um so geringer ist seine Härte und seine Festigkeit. Reiner dagegen wird sein Klang und schöner der Glanz, sowie die Lichtbrechungs- und das Lichtzerstreuungsvermögen. Bleihaltige Gläser werden für optische Linsen und

Prismen verarbeitet, und da ihr Lichtbrechungsvermögen ein sehr großes ist, erscheinen die durch solche Linsen betrachteten Gegenstände mit farbigen Rändern versehen. Das Kalikalkglas (Kronglas) besitzt diese Eigenschaften in geringerem Grade. Bringt man also eine konvexe Flintglaslinse mit einer konkaven Kronglaslinse zusammen, so erhält man die „,achromatische Linse", die zur Darstellung von Mikroskopen, Ferngläsern und Operngläsern Verwendung findet. In letzter Zeit setzt man dem Glase auch Aluminium, Zink, Barium und Bor zu und erhält dadurch Glasmassen, welche zu verschiedenen wissenschaftlichen Instrumenten dienen.

Schmilzt man Pottasche, Mennige, Sand, Aluminiumoxyd und Borsäure zusammen, so erhält man eine Glasmasse, welche heute einen eigenen Industriezweig darstellt. Nach seinem Erfinder Strasser führt die Masse den Namen Strass. Wie natürliche Edelsteine geschliffen kommen diese in ihrem Glanz und Lichtzerstreuungsvermögen echten Steinen mehr oder weniger nahe, in ihrer Härte aber stehen sie bedeutend hinter jenen zurück. Die Brillanten werden aus ungefärbtem Glas geschliffen. Durch Zusatz von Metalloxyden ist man aber in der Lage, Farbtöne zu erzeugen, die an den Rubin, Saphyr, Smaragd und Topas erinnern. Der Vorgang der Färbung ist genau derselbe wie in der Boraxperle. Chromoxyd liefert eine grüne, Kupferoxyd eine blaugrüne, Kobaltoxyd eine blaue, Mangansuperoxyd eine weinrote bis violette und Uranoxyd eine gelbe, grünlich floureszierende Schmelze.

Während die Glasflüsse durchsichtig dargestellt werden, fertigt man die Emaillegläser getrübt an. Man pflegt ihnen

in der Regel etwas Zinnoxyd zuzusetzen und erhält dann das sogenannte Bein- oder Milchglas. Die Färbungen dieser Masse werden entsprechend den Glasflüssen ausgeführt, die ausgegossen in Stückchen zerschlagen, geschliffen und dann zu den bekannten Mosaikbildern zusammengesetzt werden. Venedig ist ehedem der Sitz dieser Industrie gewesen, wo man auch zuerst gefärbte und trübe Glasperlen aus derselben Masse anfertigte. Fortsetzung folgt.

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