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Auf dieser Maschine, die langsam vervollkommnet wird und seit ca. 30 Jahren in allgemeinem Gebrauch ist, beruht hauptsächlich der technische Unterschied zwischen der früheren und der modernen Medaille.

In naher Verwandtschaft mit der Medaillenkunst steht die Münzherstellung, oder wenigstens sollte es so sein. Ein beschämendes Gefühl unserer künstlerischen Armut befällt uns aber, wenn wir unsere Geldstücke mit den Münzen des Altertums vergleichen, wenn wir sehen, wie die damaligen Münzen eins waren mit dem Leben der Völker, wie sie ihre Geschichte ihre Siege, ihre Freuden und Spiele und ihre Zeiten der Trauer und Bedrückung wiederspiegeln.

Wie wenig dagegen haben uns unsere Münzen zu sagen. Wenn sie nichts weiter sein sollten als Metallscheiben mit ihrer Wertangabe, so genügte es, daß dieser Wert in klarer, schöner Ziffer angegeben wäre. Aber unsere Geldstücke tragen Bildnisse, die Bildnisse der Münzherren, und das sollte sie zu Kunstwerken machen. Aber mit der Kunst haben sie jeden Zusammenhang verloren, denn diese schematischen, alle an derselben Stelle des Halses mit geschwungener Linie guillotinierten Fürstenbildnisse können keinen Anspruch mehr darauf erheben. Und dann diese Rückseiten, diese ausdruckslosen Rückseiten mit der so korrekten, gutgesinnten, mit einzelnen Buchstabenstempeln eingeschlagenen Schrift! Man betrachte einmal einige silberne Groschen des 14. Jahrhunderts dagegen, mit ihrem Reichtum ornamentaler Komposition von einer einfachen, in ihrer stilistischen Wirkung so unübertrefflichen und geschmackvollen Anordnung, daß

man jedesmal wieder von neuem entzückt ist, wenn man solch ein Stück in die Hand bekommt. Aus dem Suchen nach dem Wertbestimmer entstand die Münze, und die kunstfrohen Völker vergangener Zeiten machten aus der lediglich praktischen Zwecken dienenden Metallscheibe ein Kunstwerk. Wir, die Erben einer Jahrtausende alten Kultur, sind mit unseren Münzen dahin gekommen, daß sie nichts weiter sind als Ziffern, die nur noch addiert werden, und wir sind nicht einmal konsequent genug, dann wenigstens alles fortzulassen, was sie in den Verdacht bringen könnte, mit der Kunst unerlaubte Beziehungen zu unterhalten. Allerdings, ganz abhanden gekommen ist uns ja die Sitte nicht, einmal bei einer besonderen Gelegenheit eine besondere Münze zu schlagen. Zur Erinnerung an das 200 jährige Bestehen des Königreichs Preußen haben wir wieder eine gehabt, aber sie stand ganz auf der künstlerischen Höhe unserer neuen Germania-Briefmarken oder der zur Jahrhundertwende von der deutschen Reichspost ausgegebenen offiziellen Postkarte.

Ich bin nicht der Meinung, daß man die Künstler zu Münzbeamten machen soll, wohl aber, daß man sich zur Herstellung der Münzmodelle an Künstler wenden soll. Die Münze könnte ein wichtiger Faktor sein in der künstlerischen Erziehung des Volkes, da sie doch auch dem Geringsten in die Hände kommt; aber nichts geschieht, um diesen Weg, das künstlerische Empfinden des Volkes zu wecken und zu stärken, es durch diese kleinen und intimen Kunstwerke der Liebe und dem Verständnis der Kunst überhaupt näher zu bringen, zu beschreiten. Und wir hätten in unserer deutschen

Vergangenheit anregende Vorbilder genug dazu in den verschiedenen medaillenartigen Not- und Sterbemünzen, Wahrheits- und Lüge-, Geschichts- und Siegestalern, an deren Hand man einen guten Teil der Geschichte des Volkes schreiben könnte.

Alle diese Münzen jedoch, so weit umzirkt der Kreis des auf ihnen Dargestellten sein mochte, so sehr sie auch hie und da durch die Art ihrer Behandlung einen medaillenartigen Charakter tragen mochten, ihr Hauptzweck war immer,

dem Verkehr zu dienen; sie waren nach bestehendem Münzfuß geprägt, sie waren kursierendes Geld.

Die Medaille aber im eigentlichen Sinne steht nicht im Einklang mit dem Münzfuß; ihr Metallwert, der bei Bronzemedaillen ja doch auf jeden Fall nur ein geringer ist, ist von untergeordneter Bedeutung und sie ist lediglich bestimmt, die Erinnerung an eine berühmte Person, ein wichtiges Ereignis oder auch nur an schlichte Privatpersonen und deren Familienerlebnisse festzuhalten.

Vorstehender Aufsatz des bekannten Darmstädter Medaillenkünstlers R. Bosselt über die von ihm mit viel Erfolg gepflegte Kunst wird unseren Lesern sehr willkommen sein. Wir entnehmen denselben, wie auch die Abbildungen, der Zeitschrift „Liebhaberkünste" mit freundlicher Erlaubnis der Verlagshandlung Hauskunstverlag O. Schulze-Köln, Darmstadt.

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angelegen sein ließen, haben ein Stück Arbeit getan, das ebensowenig nach Gebühr gewürdigt werden kann, wie es möglich ist, auch nur ganz kursorisch einen Überblick über den Inhalt der Ausstellung zu geben. Die reizenden Dinge konnten unmöglich noch geschmackvoller arrangiert werden, als hier in den von F. O. Schmidt hergestellten Vitrinen, die alle Stilnuancen von der Hochrenaissance bis zum Empire in bis zur Täuschung getreuer Ausführung vertreten; auch ein paar Sänften darunter, die als Behälter für anmutige Sächelchen neuester Zeit einen würdigen Beruf gefunden haben, der nicht zu weit von ihrer früheren Bestimmung abweicht, die sie andere zierliche Kleinigkeiten aufnehmen ließ, feine Damen und duftende Herrchen.

Wir verweilen nicht ohne Grund ein wenig länger bei diesen Äußerlichkeiten, denn, ehrlich gestanden, an die eigentliche Schaustellung wagen wir uns gar nicht so recht heran. Wie soll man alle diese Köstlichkeiten beschreiben? Des Anschauens würde man nicht leicht müde, dann aber Rechenschaft davon zu geben, was man gesehen hat, das wäre eine sehr langwierige Sache. Wir denken denn auch nicht daran, auch nur einen Versuch zu machen, die hervorragendsten Objekte alle aufzuzählen, zu schildern und etwa den Besuchern der Ausstellung besonders dringend zur Besichtigung zu empfehlen. Was wir tun können, ist bestenfalls ein Herausgreifen einzelner Beispiele aufs Geradewohl. Wir möchten besonders die kunstgewerbliche Bedeutung dieser Ausstellung, die neuen Anregungen, zu bedenken geben, welche durch die hier entfalteten, längst vergessenen und eingeschlafenen Techniken geboten werden. Diese feinen, durchbrochenen Elfenbeinstäbe, die papierdünn geschnittenen Figuren und Ornamente aus Elfenbein, welche nur durch die Seidengaze festgehalten werden, auf die sie montiert sind, der aufgelegte Golddekor, die Perlmuttermontierung, dann die Schwanenhäute auch Hühnerhäute da auf welche fröhliche Bilder gemalt sind, die lustig bemalten Papierfächerblätter, deren Gestelle so künstlich ausgeführt sind, als wäre es kostbarerer Stoff, den sie festhalten; ja sie sind oft die Hauptsache und aus manchen Exempeln, die wir noch anführen wollen, läßt sich darauf schließen, daß das Fächerblatt gelegentlich wohl auch aufs Austauschen berechnet war.

es sind

Ein von Frau Baronin Buschman-Schoeller ausgestellter Fächer mit fein geschnittenen Elfenbeinstäben trägt den Ausschnitt eines Planes von der Umgebung Wiens, vornehmlich dem Prater, als Blatt. Ein Kuriosum, das seinerzeit eine persönliche Beziehung bezeichnet haben mag. Die meisten Fächer sehen freilich höchst definitiv aus und täte einem auch leid, wenn ihr heutiges Aussehen verändert worden wäre und man wüßte, daß es verloren sei. Und dabei sind die Fächermaler ihrer Zeit zumeist namenlos geblieben; sie waren eben Industriemaler, die eben schlecht (was eigentlich schlicht heißt) und recht ihre Arbeit machten, die immer anziehend und liebenswürdig war. Die kleine Reproduktion eines den Abschied Ludwigs XVI. von seiner Familie schildernden Bildes als Mittelfeld eines herrlichen Elfenbeinfächers des Erzherzogs Ludwig Viktor ist eines der wenigen Beispiele, wo man dem

Original der Malerei leicht nachgehen kann; schwieriger ist das bei den Schäferszenen, welche der prächtige Fächer der Fürstin Montenuovo-Kinsky, die Fächer der Fürstin PaarPallavicini u. a. zeigen. Einer der wenigen bezeichneten Fächer ist der von Frau Luise Giegl ausgestellte, dessen Blatt einen Maler inmitten bekannter Galeriebilder - darunter eines der Bilder der Weltteile von Rubens und die Lautenspielerin von Caravaggio — darstellt, der einer Frau ein Bild zeigt. Signatur: Ferdinand v. Krafft. Freilich hilft diese Signatur nicht, denn der Herr ist nicht bekannt. Bei manchen Fächerbildern mögen Kupferstiche als Vorlagen benützt worden sein; da kommen so zwei Fächer nach mehr als hundert Jahren wieder zusammen, welche eine solche gemeinschaftliche Quelle haben: der von Frau v. Guttmann-Wodianer mit einer Komposition „Triumph der Athene“, welche im Gegensinne auf einem Fächer der Gräfin Karoline Trauttmansdorff ausgeführt ist, nur in anderen Farben - Beweis genug dafür, daß die Vorlage schwarz-weiß war. Außerordentlich schön sind die auf einem Paravent geschmackvoll geordneten Elfenbeinfächer der Gräfin Zichy-Metternich, der Fächer mit der badenden Dame der Gräfin GoureyDroitaumont, die sechs kostbaren Elfenbeinfächer der Herzogin von Cumberland mit den in Gold aufgelegten Porträtköpfen, der in feiner durchbrochener Arbeit ausgeführte Elfenbeinfächer der Erzherzogin Maria Theresia, ein originell gestickter, auf dünnste Fischbeinlamellen montierter Fächer der Erzherzogin Maria Valerie, die Fächer des Erzherzogs Leopold Salvator einer mit reizenden Spitzenblatt, ein anderer mit einem interessanten Bilde „Ulysses bei Kalypso“, ein Fächerbild „Der Hof der Diana" (Baronin Poche) wer zählt sie alle auf! Und da haben wir noch gar nichts von der prächtigen Vitrine mit den 30 erlesenen Fächern darunter der einzige Puppenfächer der Ausstellung - des spanischen Botschafters, Herrn von Villa d'Urrutia, gesagt!

Und von den Uhren auch noch nichts, und die sind ebenso merkwürdig und in ihrer Art interessant, wenn auch zu besorgen ist, daß sie nur von einem Bruchteile der Besucher voll werden gewürdigt werden können. Viel bemerkt wird eine kostbare alte Uhr mit Emaillegehäuse des Großherzogs von Toskana; sie stammt aus dem 17. Jahrhundert und ihr Verfertiger heißt Jean Barbaret. Ganze Sammlungen von Uhren haben die Herren Bernhard Rosenfeld und Forster beigestellt, schöne Breguets darunter und technisch äußerst interessante Gehäuse; von Fürstin Kinsky ist unter anderem eine kostbare Uhr von Thomson mit getriebenem Deckel ausgestellt, von Heinrich v. Angeli merkwürdige figurale Uhren, wahrscheinlich 17. Jahrhundert, man kann Taschenuhren von größtem Embonpoint bis zur Papierdünne sehen, Standuhren Louis XV., Louis XVI. bis ins Empire herein, von der letzteren Gattung die schönste eine an einem Tischchen lehnende Dame vor einem Bücherschrank zeigend, welcher die eigentliche Uhr trägt. Ein pikantes Kuriosum ist die von Gräfin Hoyos ausgestellte Küche, voll eingerichtet, mit der Uhr auf dem Herdmantel.

Pforzheimer Goldschmiede-Fachschulen.

Von R. Rücklin.

Es ist nicht etwa ein Druckfehler, wenn die obenstehende Überschrift von Fachschulen in der Mehrzahl spricht: Pforzheim kann sich tatsächlich rühmen, zwei Fachschulen zu besitzen für dasjenige Gewerbe, dem das ganze Gemeinwesen den größten Teil seiner Blüte und seines Wachstums verdankt. Die eine dieser Anstalten ist die schon längst in weiteren Kreisen rühmlichst bekannte Kunstgewerbeschule, die

im Jahre 1877 als Fachschule für die Edelmetallindustrie gegründet wurde, und eine solche im besten und strengsten Sinne bis heute geblieben ist; die zweite Anstalt, von der hier besonders die Rede sein soll, ist als Schule älter, als spezielle Goldschmiedefachschule aber jünger als die erstgenannte. Ich meine damit die Abteilung für Goldschmiedelehrlinge an der Pforzheimer Gewerbeschule.

Die Pforzheimer Gewerbeschule wurde schon 1833 als staatlich geordnete Handwerkerschule gegründet. Da sie aber alle Gewerbe umfaßte, die in der Stadt überhaupt vertreten sind, so konnte erst nach und nach dem Einzelfache des Goldschmiedes diejenige Berücksichtigung geschenkt werden, die es seiner überwiegenden Bedeutung nach eigentlich verdiente. Auch konnte es in den ersten Jahrzehnten des Bestehens der Kunstgewerbeschule als unnötig erscheinen, daß die Gewerbeschule auf die Goldschmiede besondere Rücksicht nehme, da die erstere dem Bedürfnisse nach fachlicher und zeichnerischer Ausbildung, soweit dieses in den in Betracht kommenden Kreisen sich zeigte, zu genügen vermochte.

Aber mit dem Wachstume der Industrie, mit der wachsenden Ausbildung der einzelnen Spezialzweige derselben trat hierin eine Änderung zu Tage, die nicht übersehen werden

durfte. Schon rein ziffernmäßig vermochte die Kunstgewerbeschule dem Bedürfnisse nicht mehr zu genügen: Trotz fortwährender Vermehrung des Lehrpersonals konnte die Leitung der Anstalt weder alle sich meldenden Schüler aufnehmen, noch vermochte sie der ständigen Überfüllung der einzelnen Abteilungen zu steuern. Aber auch abgesehen davon, stellte sich ein Bedürfnis nach Unterrichtszweigen heraus, die, obwohl durchaus zum Fache gehörig, doch kaum in den Unterrichtsbetrieb einer Kunstgewerbeschule eingefügt werden konnten. Ich erwähne nur Metallurgie und Geschäftsrechnen. Als daher im Jahre 1892 ein neues Gebäude für die Gewerbeschule eingeweiht werden konnte, ergriff der Leiter derselben, Herr Rektor F. Rücklin, die Gelegenheit, um die von ihm schon längst als notwendig erkannte Teilung der Anstalt in eine Handwerker- und eine Goldschmiedeabteilung durchzuführen.

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Der Unterricht an dieser Goldschmiedeabteilung wurde nach Möglichkeit den Spezialanforderungen des Gewerbes angepaßt. Demgemäß teilte er sich in Realien und in Zeichenund Modellierunterricht. Von den Realien seien als charakteristische Fächer das Legierungsrechnen, die Kostenberechnung für den Betrieb eines kleinen Goldwarengeschäftes, Buchführung und Geschäftsaufsatz und die Technologie der Edelmetalle angeführt. Diesem durchaus sachlich durchgebildeten Fachunterricht gegenüber fiel der Zeichenunterricht insofern ab, als er seither vorwiegend als elementarer Vorbereitungsunterricht für den Besuch der Kunstgewerbeschule gehandhabt wurde. Das war ein Widerspruch, denn die Kunstgewerbeschule eignet sich nur zur Ausbildung solcher Schüler, die eine bestimmte Begabung und eine nicht zu gering bemessene Zeit für ihre Studien zur Verfügung haben. Aber es sind genug Goldschmiedelehrlinge vorhanden, die weder das eine noch das andere in dem notwendigen Grade aufweisen können, und die trotzdem Unterricht im Fachzeichnen wünschen und brauchen. Für diese mußte die Goldschmiedeabteilung der Gewerbeschule der richtige Platz sein.

Es ist das Verdienst des Herrn Kommerzienrates Gesell in Pforzheim, dies erkannt und in mühevoller und selbstloser Arbeit dafür gesorgt zu haben, daß für die große Masse unseres industriellen Nachwuchses, der für eine speziell kunstgewerbliche Ausbildung nicht in Frage kommt, doch ein fachlicher Zeichenunterricht in die Wege geleitet wurde.

Bei dem Interesse, welches man für Goldschmiedefachschulen bei dem Leserkreise unseres Blattes wohl mit Recht voraussetzen kann, darf bei diesem Punkte, der Organisation eines im begrenzten Sinne kunstgewerblichen, aber intensiv fachlichen Zeichenunterrichtes für Goldschmiedelehrlinge etwas länger verweilt werden.

Ich will hier gleich vorweg nehmen, daß Herr Kommerzienrat Gesell, der in seiner Eigenschaft als Mitglied des Pforzheimer Ortsgewerbeschulrates und des Großh. Bad. Landesgewerbeschulrates mit den einschlägigen Pforzheimer Schulfragen stets aktiv in Fühlung gewesen ist, noch weiteres ins Auge gefaßt hat, nämlich den Besuch dieser Goldschmiedefachschule für alle diejenigen Goldschmiedelehrlinge obligatorisch zu machen, die in Pforzheim ortsansässig sind und die Kunstgewerbeschule nicht besuchen. Es ist ja in der Tat ein Widerspruch, dem Handwerk die Last des Gewerbeschulbesuchs als Pflicht aufzuerlegen, während die Goldschmiedeindustrie davon frei ist. Andererseits kann momentan an die volle Verwirklichung dieses Gedankens nicht gedacht werden, weil es eben der Goldschmiedelehrlinge in Pforzheim zu viele sind. Es sind jetzt 430 Vollschüler an der Goldschmiedeabteilung der Gewerbeschule, und über 500 Gäste im Freihandzeichnen. Die Verwirklichung des Gesellschen Planes, schon in dem angegebenen beschränkten Umfange, würde ein Mehr von mindestens 200 Vollschülern mit sich bringen. Diese zu unterrichten fehlen vorläufig noch die Mittel, die Lehrkräfte und die Räumlichkeiten. Sicher ist es aber, daß durch die gedachte Maßregel die Konkurrenzfähigkeit der Pforzheimer Edelmetallindustrie nur gefördert werden könnte, und daß ihre Durchführung nur eine Frage der Zeit sein kann. Um dem bisherigen allgemein gehaltenen Freihandzeichnenunterricht der Pforzheimer Goldschmiedeschule den Charakter eines Fachzeichnenunterrichtes zu geben, sind als wichtigstes infolge der Anregungen des Herrn Kommerzienrats Gesell zwei Veränderungen neuerdings eingeführt worden: Der Modellierunterricht, dessen Besuch bisher freiwillig war, ist zum Pflichtfach gemacht, und für die dritte Jahresklasse ist Bijouteriezeichnen eingerichtet worden.

Daß auf das Modellieren für Goldschmiede ein besonders großer Wert gelegt wird, darf niemand überraschen. Arbeitet doch der Goldschmied im eigentlichen Sinne des Wortes, sowie der Ziseleur und der Stahlgraveur der Hauptsache nach als Kleinplastiker. Sie müßten also von sich aus den größten Wert darauf legen, im Modellieren gut ausgebildet zu werden.

Allerdings tut das erfahrungsgemäß der größere Teil der jungen Leute nicht; das reinlichere Geschäft des Freihandzeichnens, das schneller fördert und dessen Erzeugnisse mehr in die Augen stechen, pflegt mehr anzuziehen. Es ist deshalb nur zu begrüßen, daß man die Teilnahme oder Nichtteilnahme an diesem so hochwichtigen Fache dem Belieben des einzelnen Schülers, dem man ein Verständnis hierüber noch nicht wohl zumuten darf, entzogen hat.

Um ein genaues Hand in Hand gehen des zeichnerischen und plastischen Unterrichts in jeder Klasse zu erzielen, ist angeordnet worden, daß jeder Lehrer in seiner Abteilung beide Unterrichtsarten selbst erteilt. Es ist das ein interessanter Versuch, von dem eigenartige und bedeutsame Fortschritte erhofft werden dürfen. Dadurch wird es leicht ermöglicht, daß der Schüler ein und dasselbe Motiv sowohl zeichnerisch als auch plastisch bewältigt, was gerade für die Arbeitsweise des Goldschmiedes, der oft genug in die Lage kommt, einen gezeichneten Entwurf in die Plastik übersetzen zu müssen, von nicht zu unterschätzendem Vorteil ist.

Ein zweiter wichtiger Punkt in der Reorganisation des Zeichenunterrichts der Pforzheimer Goldschmiedeschule ist die Einführung der Darstellung von Bijouterie- und Kleinmetallgegenständen. Wohlverstanden, der Darstellung solcher ; das freie Entwerfen soll nach wie vor dem Unterrichte der Kunstgewerbeschule aufbehalten bleiben.

Bis jetzt hatte man prinzipiell für den Zeichnenunterricht in der Goldschmiedeschule von Schmuck und Kleingeräte abgesehen, weil man ihn eben lediglich als Vorbereitung für die Kunstgewerbeschule auffaßte. Da aber, wie oben schon ausgeführt wurde, tatsächlich der größere Teil der Schüler gar nicht so weit kommt, so ist es unumgänglich, für diese einen nicht nur vorbereitenden, sondern einen in irgend einer Form abschließenden Fachunterricht im Zeichnen einzurichten. Es ist jedenfalls die glücklichste, ja die einzig mögliche Lösung, daß man hierfür als Abschluß das Wiedergeben von Fachgegenständen einführte.

Freilich darf man sich nicht verhehlen, daß die Durchführung gerade dieses Punktes des neuen Programms in der Praxis mancherlei Schwierigkeiten bieten wird. Dem Zeichnenunterricht in der Goldschmiedeabteilung der Gewerbeschule wird der Charakter einer Vorbereitung für den höher gearteten Unterricht an der Kunstgewerbeschule nie genommen werden können oder dürfen. Denn ein solcher ist einesteils ein Bedürfnis für diese Anstalt, andernteils wird gerade das bessere Schülermaterial der Goldschmiedeschule stets danach streben, baldmöglichst an die Kunstgewerbeschule zu gelangen. also seine Aufgabe ganz zu erfüllen, wird der neu organisierte Zeichnenunterricht nach zwei Seiten hin wirken müssen: Man erwartet von ihm eine tüchtige Vorbildung für die Kunstgewerbeschule, ohne daß er zugleich eines in sich abgeschlossenen und selbständigen Inhaltes entraten dürfte.

Noch ein dritter Punkt des Reformprogrammes sei angeführt. Es sollen Skizzierübungen an der Goldschmiedeschule getrieben werden, um es dem Schüler zu ermöglichen, einmal in der Praxis ein Muster leicht und ohne schwerfällige Vorbereitungen zeichnen zu können. Wie die Verhältnisse gegenwärtig liegen, kann man wohl sagen, daß damit eine sehr hohe Anforderung an die Schule gestellt wird. Zeichnen lernen kann ja schließlich jeder normal begabte Mensch. Skizzieren im eigentlichen Sinne des Wortes lernt nur der Künstler. Wenngleich es hier in diesem Sinne natürlich nicht gefordert wird, so wird man sich doch um so genauer vorhalten müssen, was man damit erreichen will und kann. Skizzieren heißt, eine künstlerische Darstellung einer Sache geben mit den denkbar geringsten Mitteln und in sehr kurzer Zeit. Daß das sehr viel schwieriger ist, als wenn alle Darstellungsmittel und eine beliebige Zeit zur Verfügung stehen, ist einleuchtend; und es liegt die große und schwer zu bekämpfende Gefahr vor bei dem Skizzierunterricht, daß dem Schüler ein rasches und äußerlich keckes Hinhauen wichtiger

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