faltet werden, – wenn sie anders überhaupt vorhanden ist. – Bei Marcel Bing, dem jedenfalls eine ungewöhnliche und originelle Begabung nachgesagt werden darf, kann von einer Vereinigung der Naturform und der modernen Ornamentlinie gesprochen werden. Er benutzt die Natur, aber in einer so eigenartigen und keck stilisierten Weise, daß durchaus der harmonische Eindruck eines Ornamentes hervorgerufen wird. Man betrachte daraufhin die Mantelschließe, die sich aus stilisierten Pfauen zusammensetzt: Sind das Vögel? Gewiß; wir unterscheiden unzweideutig den Kopf, zwei Flügel und den Schweif. Zugleich aber ist das auch ein flott gezeichnetes modernes Ornament, und in seiner interessanten und ringsum geschlossenen Linienführung ein praktisches, bequem zu tragendes Schmuckstück. Ebenso ist es bei dem Profilkopf, bei dem die sorgsam gewählte Linie von Haar und Kopfputz durchaus ornamental wirkt, während das düstere, energische Profil einen Natureindruck von schlagender Unmittelbarkeit ergibt. Bisweilen ist die gewählte Stilisierung wohl auch etwas wunderlich, wie bei dem herzförmigen Medaillonanhänger, bei dem das Auge das Bild der beiden Hähne kaum aus dem Liniengewirre herauszulösen vermag, ohne daß deswegen ein rein ornamentales Ganzes entstünde. Ich möchte damit aber nicht die Meinung erwecken, als sei diese Art der stilisierten Naturnachbildung, wie unsere Schmuckabbildungen nach Marcel Bing sie zeigen, das einzig richtige. Durchaus nicht; vielmehr möchte ich wiederholt darauf hinweisen, daß alle diese Tendenzen kommen und gehen, heute beliebt und morgen verworfen sind. Das einzig bleibende in all dem Wechsel ist die künstlerische Eigenart. Die Handwerksehre des deutschen Goldschmieds. Wir leben in einer Zeit, wo uns ein Wall von Gesetzen heute noch von einer „kaufmännischen Ehre“ und ebenso umgibt. Kein Mann kann alles im Kopfe behalten, was die von der Handwerksehren, die beide auf Treue und große deutsche Gesetzgebungsmaschine produziert. Sie Glauben gegründet sind. Erst jüngst kam uns ein Urteil arbeitet mit Dampfbetrieb. Aber soviel unter die Hände, wo es sich um eine Gesetze auch hervorgebracht werden, Veruntreuung eines Gehilfen dem Meister gute und schlechte, sie reichen nicht gegenüber handelte. Da wurde als strafaus, um alle Beziehungen der Menschen schärfend vom Schöffengericht Leipzig untereinander zu regeln. Die Gesell hervorgehoben, daß sich der Angeklagte schaft kann nicht allein durch Rechts gröblich gegen die Handwerksehre" gelehrte geleitet werden. Sie muß vom vergangen habe. Worin besteht die besittlichen Bewußtsein des Einzelnen re sondere Ehre des Gewerbetreibenden, giert werden. Schon seit alter Zeit gibt worin besteht die Handwerksehre des es ein Gesetz, das über allen Gesetzen deutschen Goldschmieds ? Sein ganzes im Handel und Gewerbe steht, das Wirken und Schaffen soll auf Treue Gesetz der Ehre, das Gesetz von Treue und Glauben gegründet sein. Er soll und Glauben im Geschäftsverkehr. Stan rein in Handel und Wandel dastehen, desehre! Standesbewußtsein! Das müs er soll geschäftliche Manipulationen versen zwei Regulatoren unseres Lebens meiden, die man wohl einem anderen sein, wenn wir im Handel und Gewerbe verzeiht, die man aber gerade von vorwärts kommen wollen. Gesetze allein einem Geschäftsmann nicht erwartet und tuns nicht. Es gab eine Zeit, wo man ihm höher anrechnet als allen anderen. im deutschen Strafrecht die Ehre der Die Handwerksehre ist verletzt, wenn Menschen in verschiedene Klassen ein unlauterer Wettbewerb getrieben, eine teilte. Da gab es eine „allgemeine Schund- und Schmutzkonkurrenz durch Menschenehre“, eine „bürgerliche Ehre“, wahrheitswidrige Reklamen, durch uneine „Amtsehre“, ja im Ausgange des reelle Ausverkäufe, Auktionen u. S. W. Mittelalters sprach man von Ritterehre, in die Welt gesetzt und der eigene Bauernehre, Soldatenehre u. s.w., wobei Vorteil auf Schleichwegen zum Nachteil es vorkommen konnte, daß ein und die der Kollegen gesucht wird. Die Würde selbe Person zweierlei Ehre hatte und des Goldschmieds sollte es verbieten, der Richter untersuchen mußte, welche daß er die Reklamen der Ausschreier Ehre verletzt war, da ja für jede eine auf Märkten und Messen sich zu eigen besondere Buße festgesetzt war. Schon macht, daß er sich zum Absatz seiner Johann Christian Thomasius machte sich Waren der Allüren von ,,Seiferts Oskar“ über diese Zersplitterung lustig. Und ANHÄNGER und wie die Berühmtheiten der Jahrdoch erkennt man noch heute eine be Entwurf: Marcel Bing. märkte sonst heißen, bedient. Geklagt sondere „Standesehre“ an. Man spricht Ausführung: L'art nouveau Bing, Paris. sei es, aber wahr ist es, daß in der Reklame die Handwerksehre des deutschen die Handwerksehre Schiffbruch gelitten. Goldschmieds oft einen schweren Stoß Gerade beim Taxieren der Waren des erhält. Vor uns liegen eine ganze Reihe Konkurrenten soll größte Vorsicht und von Reklamen aus der letzten Weihnachts kollegiale Rücksicht walten. Wer zu niedrig zeit. Diese superlativischen Anpreisungen taxiert, um dem Konkurrenten eine Schlappe machen einen geradezu lächerlichen Ein zu versetzen, handelt wider Treue und druck auf den reellen, ernst denkenden Glauben und verletzt seine eigene StandesGoldschmied. Sie schädigen aber den ehre. Neue Sachen abzuschätzen lehnen ganzen Stand und erschweren das solide deshalb schon die meisten Goldschmiede Geschäft. ab, aber allgemein ist diese vortreffliche Aber die Handwerksehre fordert auch, Sitte leider noch nicht geworden. daß die Goldschmiedemeister einander Warum schließen wir uns denn in Insich die Achtung und Kollegialität ein nungen und freien Vereinigungen zusamräumen, die nach der Standes- und Berufs men? Warum schufen wir im Verband zusammengehörigkeit erwartet werden eine Organisation, die alle deutschen Golddarf. Wie sieht es denn damit aus? schmiede umfassen soll? Weil wir geUns schrieb vor kurzem ein Goldschmied meinsam, unter Wahrung der Standesehre, über die Unkollegialität an kleinen Plätzen, unsere Interessen wahren, unsere Lage wo die Fachkollegen ohne Gruß anein heben, unser Recht stärken wollten. Weil ander vorübergingen. „Nur durch kolle uns das Wort des Dichters vor der Seele giales Zusammenhalten,“ hieß es in dem schwebte: „Vereinigt werden auch die betreffenden Brief, „können wir der un Schwachen mächtig!“ Aber es steht schlecht lauteren Konkurrenz entgegentreten.“ Das um diese Gemeinsamkeit, wenn wir es bei ist sehr war. An den großen Plätzen ist ANHÄNGER schönen Worten bewenden lassen und im es aber oft nicht besser wie an kleinen. Entwurf: Marcel Bing. praktischen Geschäftsleben nicht danach In den Annoncen werden heute Wendungen Ausführung: L'art nouveau Bing, Paris. handeln. Die Handwerksehre muß uns gebraucht, welche den Konkurrenten in verbieten, im Handel auf Schleichwegen Schatten stellen sollen. Man sieht darüber hinweg, daß man dem Konkurrenten einen Vorsprung abzugewinnen. Was man es doch auch mit einem Fachgenossen zu tun hat! Man im gewöhnlichen Leben Schlauheit und Pfiffigkeit nennen mag, handelt ganz so, als ob man im Konkurrenten einen persön- ist oft genug im geschäftlichen Leben als unehrenhaft anlichen Feind zu bekämpfen habe, zusehen, selbst wenn es durch die einen Widersacher, den man aus Maschen des Gesetzes hindurchdem Sattel heben müsse. Im persön schlüpft. Jeder Goldschmied darf und lichen Verkehr mit der Kundschaft muß seinen eigenen Vorteil bei Kauf entblöden sich viele nicht, ihren und Verkauf ausnutzen. Aber Merkur Handwerksgenossen direkt zu schä gilt heute nicht mehr als der Gott digen. Es werden da Urteile gefällt, der Diebe. Nicht auf Hinterwegen die man möglichst verschleiert, um sollen die Vorteile gewonnen werden. nicht gepackt werden zu können. Der ehrliche Geschäftsmann soll nicht „Ja,“ heißt es da zu einem Kunden. in den Schlichen des Schmugglers der eine Sache zur Reparatur bringt, sein Heil suchen. Der Schild seiner die er früher bei einem anderen Handwerksehre soll rein von Flecken Goldschmied gekauft hat, „das Stück bleiben. Auch im Verkehr mit der hätten Sie bei mir viel billiger kaufen Kundschaft und seinen Angestellten können,“ oder „da sind Sie um die soll er nach Treue und Glauben Hälfte überteuert worden,“ oder „da handeln. Falsche Vorspiegelungen haben Sie sich anschmieren lassen.“ über die Ware dem Kunden gegenSehr richtig hat ein Berliner Handels über, die denselben zu einem unblatt mit Bezugnahme auf solche Fälle günstigen Kaufe verleiten, stempeln von einer „Verrohung im Geschäfts zum Betrüger. Desgleichen falsche leben“ gesprochen. Wir haben erst Vorspiegelungen beim Einkauf von kürzlich einen Fall zur Kenntnis er Altgold. Wir denken dabei an zwei halten, wo eine Kundin den ge Gerichtsverhandlungen aus neuester kauften neuen Gegenstand zu einem Zeit. Wo solche Machinationen vorKonkurrenten geschafft hatte, damit kommen, da ist die deutsche Handdieser sein Gutachten abgeben sollte. werksehre zu Grabe getragen worden! Obwohl der von dem ersten Gold Die Wahrung von Treue und Glauben, schmied genommene Verdienst ein die Hütung der Handwerksehre muß ganz normaler war, hatte der Kon über dem Gesetze stehen und für kurrent doch von einem „Hereinfall“ die Reinheit und Würde in Handel gesprochen und denselben Gegen und Handwerk Sorge tragen. Daher stand zu einem Preis offeriert, der ist es ein ernster Mahnruf in unseren unter dem üblichen zurückblieb. Aber Tagen, der nicht oft genug in den die Kundin war empört und verlangte bewegten, sorgenreichen Geschäftsvon dem ersten Goldschmied die verkehr hineingerufen werden kann: Zurücknahme der Ware. Das Ende Deutsche Goldschmiede! Haltet vom Liede war ein Beleidigungs auf Treue und Glauben! prozeß, in dem der Konkurrent als · ANHÄNGER Zeuge eine sehr eigentümliche Rolle Hütet Eure Meisterwürde! Entwurf: Marcel Bing. spielte. Bei solchen Manövern hat Ausführung: L'art nouveau Bing, Paris. Wahret Eure Handwerksehrel Der Bernstein im Kunstgewerbe. Auf der unter dem Proktektorate der Großfürstin Xenia stattfindenden internationalen Ausstellung für Kostüme, Schmuckund Luxusgegenstände, welche im Dezember vorigen Jahres in St. Petersburg eröffnet wurde und die bis zum März 1903 dauerte, gibt das preußische Ministerium für Handel und Gewerbe eine Übersicht der deutschen Bernsteinindustrie, soweit sie sich mit der Anfertigung von Schmuck- und Luxusgegenständen beschäftigt. Mit den Vorarbeiten, der Einrichtung, dem Aufbau und der Vertretung dieser Sammelausstellung wurde der Landesgeologe Professor Dr. Klebs aus Königsberg i. Pr., Mitglied der Petersburger Akademie der Wissenschaften, beauftragt, der in gleichem Auftrage bereits auf der letzten Pariser Weltausstellung tätig war. worden. Das leuchtende Feuer des Bernsteins, gepaart mit Durchsichtigkeit und Klarheit, sowie sein zartes, mildes Gelb waren die Ursachen, daß sich die Aufmerksamkeit der Putzsuchenden schon in den frühesten Zeiten auf ihn lenkte. Dazu kamen seine leichte Bearbeitung und hohe Politurfähigkeit und, was ja ganz besonders zum Schmucke gehört, ein bedeutender Wert, der namentlich in den ältesten Zeiten ganz besonders hoch gewesen sein mag, weil das äußerst beschränkte Vorkommen des Bernsteins und die Schwierigkeit seines Erlangens ihn zu einem Stoffe machten, der damals weit höher als selbst das Gold geschätzt wurde. Im Altertum fand ein lebhafter Handel mit Bernstein statt, seine Handelswege sind klar gekennzeichnet durch die Tauschobjekte für Bernstein aus Bronze, Silber und anderen Stoffen, welche von Händlern aus den in der Kultur höher stehenden Ländern den Völkern des Nordens vermittelt wurden. Das am meisten handeltreibende Volk des Altertums, die Phönizier waren auch die ersten Bernsteinhändler, und der Massenfund von Bernsteinperlen, den Schliemann bei Mykene ans Tageslicht förderte, dürfte sicher durch Phönizier dorthin gebracht worden sein. Immerhin kann jener Handel mit Bernstein, der nur in geringen Mengen von den Ufern der Nordsee auf der berühmten Handelsstraße des Altertums, durch die Täler der Rhône und des Rheins, bezogen wurde, nicht groß gewesen sein. Da gelang es den Etruskern, etwa 500 Jahre vor Christi, die reichen Bernsteinquellen des heutigen Ostpreußens zu entdecken; sie trieben nun einen schwunghaften Handel mit Bernstein, und auch die Griechen erreichten mit ihren Handelsbeziehungen, wie Funde bewiesen haben, HALSSCHMUCK MIT BERNSTEIN Juwelier C. Steyl, Königsberg. Wie heutzutage so viele Zweige erloschenen Kunstgewerbes eine Neubelebung erfahren, so bereitet sich eine solche neuerdings auch in bezug auf die künstlerische Verwertung des Bernsteins vor, und mit Freuden ist es zu begrüßen, so schreibt die in Breslau erscheinende Schlesische Zeitung, daß dieses dem Preußenlande ureigenste Erzeugnis wieder mehr zu Ansehen kommen soll. Schon in den ältesten Zeiten hat der Bernstein - bekanntlich das erhärtete Harz einer vorweltlichen Conifere – in der Verwendung zum körperlichen Schmucke eine große Rolle gespielt. Mit dem Erwachen des menschlichen Bewußtseins tritt uns zugleich der Wunsch, sich zu schmücken, entgegen, und in der Ausbildung des Schmuckes liegt ja ein Hauptfaktor der kulturellen Entwickelung des Menschengeschlechts. Schon aus jenen Zeitabschnitten, die wissenschaftlich als älteste Steinzeit bezeichnet werden, tritt uns Schmuck in wechselreichen Formen entgegen, an den Gegenständen zum häuslichen Gebrauch sowohl als an den zur Verteidigung dienenden Geräten. Von Periode zu Periode immer feiner, schöner und mannigfaltiger ausgebildet, erreicht so der Schmuck allmählich die kunst- und stilvollen Formen der neueren Jahrhunderte. So lange nun der Mensch sich schmückt, so lange kennt er auch den Bernstein. Im Bernsteinmuseum zu Königsberg i. Pr. befinden sich von den Menschen der Steinzeit gefertigte Bernsteinarbeiten. Diese Amulette und Schmuckgegenstände aus Bernstein stammen etwa aus dem Jahre 1000 vor unserer Zeitrechnung. Sie haben in einer Tiefe von 6 bis 9 Meter in dem Grunde des Kurischen Haffes gelegen und sind von dort durch gelegentliche Tiefbaggerungen herausgeholt STOCKGRIFF AUS BERNSTEIN Fr. Rosenstiel, Hoflieferant, Berlin. die ostpreußischen Lande. Von 150 v. Chr. ab, als das aufblühende römische Reich nur nach Erweiterung seines Besitztums trachtete, verfiel der Bernsteinhandel gänzlich. Erst zu Beginn der christlichen Zeitrechnung wurde der Bernstein unter dem Namen „Elektrum“ so gut wie neu entdeckt. Nun nahm ihn die Mode unter ihre mächtige Protektion und brachte ihn unter dem Namen „Succinum“ zu hohen Ehren; sein Wert und seine Bedeutung stiegen schnell mit dem zunehmenden Luxus, und die verschiedensten Sachen, wie Gewandnadeln, Knöpfe, Nippes, kunstvolle Schnitzereien, in den Jahren 1800 und 1810 sich direkt Verluste aus dem Pokale u. S. w., wurden aus ihm angefertigt. Als durch einen Bernsteinregal ergeben hatten, und die Einnahme von 1816 Zufall auf einem Schiffe syrischer Seeräuber große Mengen ab ziemlich gleichmäßig 40100 Mark betrug, ist sie im Jahre Bernsteins vorgefunden wurden und die Römer hörten, daß 1898 bis auf 510083 Mark gestiegen. Der aus der See oder dieser Stoff in den nördlichen Meeren an weißen Uferbergen der Erde gewonnene Bernstein wird möglichst nach den vorkäme, ließ Nero sofort eine besondere militärische Ge- natürlichen Sprüngen zerteilt, von allen Unreinigkeiten befreit sandtschaft nach dem Norden ausrüsten, um den Bernstein und nach Umfang, Form und Farbe in eine große Anzahl von zu holen. Durch diese Expedition wurde die Bernsteinküste Handelssorten geteilt. Diese passen sich in Größe, Stückdes Samlandes dem römischen Handel erschlossen, der bisher zahl, Gewicht u. s. w. vollständig den verschiedenen Zweigen auf den indirekten Bezug angewiesen war. Im Austausche der Bernsteinindustrie an. Auch als im Jahre 1899 die Gegegen Bernstein gelangten nun große Massen von römischen samtanlage der Firma Stantien & Becker in den Besitz des Erzeugnissen nach preußischen Staates Ostpreußen, und die überging, blieb diese Gräber des 1. bis Herausbildung des 3. Jahrhunderts sind feinsten Sortiments überreich an römi das leitende Prinzip. schen Arbeiten. Wenn Man unterscheidet auch mit dem Vor mehr als hundert dringen nördlicher solcher HandelssorVölker nach dem ten, deren Preise von Süden der Bernstein 1—300 Mark für das handel immer mehr Kilogramm schwanzurückging, so hat ken. Am meisten doch ein solcher noch geschätzt sind die während des ganzen mit dem Namen Mittelalters bestan „Fliesen“ bezeichneden, dafür sprechen ten Stücke, die minbesonders Grabfunde destens 75 Millimeter von Bernsteinperlen dick, ebenso breit in Süddeutschland aus und 25 Zentimeter dem 7. und 8. Jahr lang sind. Sonst hundert. Erst im 14. ziemlich gleich geJahrhundert wurde formte, jedoch fladann wieder in her chere Stücke nennt vorragender Weise man „Platten“; beide für den Vertrieb des finden ihre Verwengewonnenen Bern dung gegenwärtig steins gesorgt und fast nur zu Zigarrenzwar durch den deut spitzen, Ansätzen für schen Ritterorden, der Pfeifen u. S. W. Die mit den preußischen mehr runden Bernund Pommerschen steinstücke werden Landen auch das so dagegen hauptsächgenannte Bernstein lich zur Perlenfabriregal besaß. Der kation verwendet, von Orden ließ große den großen Korallen Lagerhäuser mit sor für den Export nach tierten Vorräten in weniger kultivierten Brügge, Lübeck, Gegenden bis zu den Augsburg, Venedig feinen, in Brillanterrichten. Auch der schliff ausgeführten Gründung von Bern Perlenschnüren. Sie steindreherzünften, geben das Material für sogenannten Pater gröberen Schmuck, nostermachern, wurde für die Betkränze der jeder Vorschub ge Katholiken und Moleistet. So entstand BERNSTEINKOLLIER hammedaner, für die eine BernsteindreherVon Fr. Rosenstiel, Hoflieferant, Berlin. bläulich gelben, olizunft 1302 in Brügge, venförmigen Kolliers 1310 eine solche in Lübeck. Später wurden noch in Stolp, und für die Mundstücke zu den türkischen Pfeifen. Die ganz Kolberg, Köslin und Danzig derartige Zünfte gegründet. kleinen „Firnis“ genannten Bernsteinstückchen werden ge Doch erst in neuester Zeit, um die Mitte des 19. Jahr schmolzen und liefern einen wegen seiner Härte und Behunderts, beginnen eine vollständige Umgestaltung und ein ständigkeit sehr geschätzten Lack. ungeahnter Aufschwung des Handels mit Bernstein und der Das eigentliche Kunstgewerbe in der Bernsteinindustrie Verarbeitung desselben. Die Firma Stantien & Becker, die hatte sich nun im letzten Jahrhundert, namentlich im Vergleich auf Grund von Pachtverträgen die Ausbeutung übernommen zu früheren Kulturepochen, fast gar nicht geltend gemacht. hatte, vermehrte durch die Anwendung neuer technischer Nur noch in Museen finden wir Gegenstände, welche Zeugnis Hülfsmittel, wie Bagger, Taucher und Bergbau, die Produktion davon ablegen, wie sehr der Bernstein einst für das Kunstvon Rohbernstein derart, daß die Einkünfte des Staates aus handwerk geschätzt wurde. Seine reizvollen, farbigen Verdem Regal sich in großartiger Weise steigerten. Während schiedenheiten, die helleren und dunkleren, klaren und matten. gesprenkelt gelben und rötlichen von Ofterdinger gearbeitet wurde; sie ist gedacht als ein Stücke wußte man beim Belegen von aufgeregtes Meer, auf welchem Wellen und Tangmassen mit Truhen u. S. w. aufs beste anzu- abgerollten Bernsteinstücken, die zum Teil die Gestalt von wenden, und die Schnitzereien wur- Wasserbewohnern erhalten haben, ihr Spiel treiben. Nicht den mit großer Meisterschaft aus- geringere Aufmerksamkeit verdienen vier schöne, große Silbergeführt. Auch die nicht seltene Ver- pokale in der Art alter, edelsteinbesetzter Kirchenpokale, mit bindung mit Gold beweist, wie hoch rundgeschliffenem klarem und trübem Bernstein besetzt. Ferner damals der Bernstein bewertet wurde. sind reizende Broschen vorhanden, welche beweisen, daß Kleine Schüsseln, Schalen, aus Bern- dem Bernstein die ihm vielfach abgesprochene Berechtigung, stein zusammengesetzt, waren damals zu feinem, geschmackvollem Schmuck zu dienen, doch zusehr beliebt, ebenso zierliche Löffel, kommt. In anmutig stilisierte, oxydiert silberne Blumenformen und wir erfahren, daß Luther einen sind in diskreter Weise runde oder längliche Bernsteinperlen BROSCHE solchen einem Fürsten zum Geschenk eingesetzt. Wirkt in dieser Verwendung der grünlich- oder MIT BERNSTEIN machte. Besonders im 17. und 18. bläulichweiße, leicht geäderte Bernstein in seinem matten Juwelier C. Steyl, Jahrhundert fand der Bernstein Ver- Schimmer dem Opal ähnlich, so zeigt sich der durchsichtig Königsberg. wendung zu wertvollen Gegenständen, klare, besonders in runder Form, oft von lebhafterem Feuer selbst als Auflage zu Möbeln. Ein als selbst der Topas. Ein köstliches, prachtvoller, überreich mit Schnitze vielreihiges Kollier aus matten Bernreien verzierter Schrank, ein Ge steinperlen, gehalten von Agraffen schenk Georgs II. von England, ist aus klar geschliffenen Bernsteinperlen, gegenwärtig im Privatbesitz in Am mit Brillanten eingefaßt, möchten wir sterdam. Ein großer Schrank aus noch erwähnen. Es hat einen Wert der Zeit Augusts des Starken steht von 4500 Mark. Dann hat die Firma in Dresden. Bekannt ist, daß der Fr. Rosenstiel in Berlin, von der wir schönste Bernsteinschatz, welchen schon in Paris künstlerische Schnitzeunser preußisches Königshaus besaß, reien in Bernstein sahen, höchst das berühmte Bernsteinkabinett, von prächtige Sachen eingesandt. Da ist Friedrich dem Großen dem russischen in einer prachtvollen, großen, buntHof als Geschenk übersandt wurde. gerippten, glattpolierten BernsteinIm Berliner Kunstgewerbemuseum muschel die Geburt der schaumsind noch mehrere Kunstwerke aus geborenen Aphrodite dargestellt. Die Bernstein aufbewahrt, die aus der warmen Töne der aus Elfenbein fein königlichen Kunstkammer stammen. und weich geschnitzten Figur harSpäter aber verlernte man fast ganz monieren aufs beste mit dem Gelb die geschmackvolle Anwendung des des Bernsteins. Ein anderes Stück Bernsteins. Das edle, prächtige Ma stellt eine Nymphe auf einem Meeresterial wurde hauptsächlich zu Zigarren felsen ruhend dar, hier ist der Bernspitzen, Mundstücken für Pfeifen, stein teils roh und rissig, teils poliert höchstens zu grobem Schmuck und gehalten. An beiden Sachen hat man zu Perlen, die einfach abgedreht den Bernstein in jener malerisch wurden, verwendet. Da gab die wirkenden Weise zu behandeln geletzte Weltausstellung in Paris, auf wußt, wie es unsere Vorfahren im welcher das preußische Ministerium 17. und 18. Jahrhundert verstanden; für Handel und Gewerbe eine Sammel auch damals hat man ja die reizvollen ausstellung der deutschen Bernstein Zufälligkeiten des Bernsteins mit industrie veranstaltete, neue An seinen weißgeflammten Mustern zu regung, das Kunstgewerbe auch auf reizvollen Kompositionen benutzt. — diesem Gebiete zu fördern. Vier Dieselbe Firma – sie ist 1825 gezehn Fabrikanten aus ganz Deutsch gründet und exportiert Mundstücke land wurden zur Beteiligung an der für Zigarren- und Pfeifenspitzen, Ausstellung aufgefordert, und es hauptsächlich nach Holland, Nordwurden zum Teil ganz hervorragende und Südamerika und der Türkei – Bernsteingegenstände von künstle hat auch die höchst aparten Schmuckrischem Werte nach Paris gesandt. SILBERPOKAL MIT BERNSTEIN BESETZT sachen und glatte feine montierte In dem mit Bernstein gleichsam Juwelier C. Steyl, Königsberg. Waren für Rauchgeräte gesendet. tapezierten Raume - bildete diese Abteilung ein überaus fesselndes und originelles Schaustück, das denn auch mit dem „grand prix“ ausgezeichnet wurde. Es ist nun zu erwarten, daß dieser Eindruck auf der petersburger Ausstellung noch erhöht sein wird. Wie in Paris sind die verschiedenen Handelssorten des Bernsteins in hohen Glasschränken zur Anschauung übereinander ge 4-6 schichtet worden, so gleichsam Bernsteinwände bildend. Und wiederum sind wundervolle Sachen eingeliefert worden, gänz ES lich neu im Entwurf, in der Verbindung des Bernsteins mit Edelmetall; es kommt hauptsächlich oxydiertes Silber mit leichter Goldtönung, der Färbung des Bernsteins entsprechend und daher sehr vornehm wirkend, in Anwendung. Da hat die Juwelierfirma Carl Steyl in Königsberg i. Pr. eine reich BERNSTEINKOLLIER ziselierte Prunkschale eingesandt, die nach einem Entwurfe Juwelier C. Steyl, Königsberg. WIMMI |