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groß ist, auf einigen Gebieten der Edelmetallindustrie hervorragend geschmackvolle Arbeiten hergestellt werden. Nach dieser Richtung hin bereitete mir mein Besuch bei dem berühmten Petersburger und Moskauer Goldschmied Fabergé einen ästhetischen Genuß. Die Kostbarkeit, in welcher hier alltägliche Gebrauchsgegenstände, wie Taschenspiegel, Cigarettenetuis, Cigarrenabschneider, Pincenez, alle Arten von Berloques, Briefmarkenkästchen, Toilettengegenstände aller Art ausgeführt waren, war frappierend. In besonders reicher Weise war Email verwendet, und zwar sowohl Email cloisonné, als Email champlevé: die Cigarettentäschchen, die diese beiden Emailarbeiten in Verbindung zeigten, bereiteten mir in der Tat eine wahre Augenweide und durften auch nach Rücksicht der Farbenzusammenstellung als Beispiele der höchsten Geschmacksverfeinerung gelten. Ähnlich verhält es sich mit den Damentäschchen, die aus einer Unmasse aneinandergereihter Goldtropfen zu bestehen scheinen. Neu war für mich auch die kostbare Ausführung der Knöpfe für die elektrischen Klingeln; auch hier war vielfach Email verwendet. Großer Luxus wird auch mit Uhrdeckeln getrieben, welche ebenfalls Email cloisonné in Verbindung mit Email champlevé zeigen. Erwähnt sei, daß alle diese Emailarbeiten nicht auf Kupfer, sondern auf Gold oder Silber ausgeführt sind.

Bei Fabergé sah ich auch die große Prunkbowle aus oxydiertem Silber, welche der Zar für ein deutsches Regimentsjubiläum gestiftet hatte; an der einen Seite der Bowlenschale sah man einen slavischen Sagenheld, welcher anstürmte gegen

ein an der anderen Seite der Schale auftauchendes beflügeltes Ungeheuer.

In Moskau ist diejenige Straße, an welcher die vornehmsten kunstgewerblichen Magazine liegen, der KusnezkiMost. Hier finden wir das große Haus von J. B. Chlebnikoff fils et Cie. und J. Daziar. Bei Th. Lorié sah ich eine wunderbar geschmackvolle Cigarettentasche: auf der glänzend polierten Goldfläche sah man eine Schlange aus grün getöntem Gold, die einen Brillanten im Maul trug. Weiter erwähne ich unter den ersten Moskauer Goldschmieden des Kusnezki - Most C. E. Bolin, Shanks & Cie. und I. Fulda, die beiden letzteren stehen der modernen Strömung einigermaßen sympathisch gegenüber, während der oben erwähnte Fabergé derselben keine Konzessionen macht, da, wie er sagte, das russische Publikum vom Sezessionsstil, Darmstädter Stil, Jugendstil nichts wissen will, und in der Tat sieht man in den russischen Juweliergeschäften sehr wenig Arbeiten, die darauf hindeuten würden. Übrigens müssen wir mit großem Nachdruck darauf hinweisen, daß eine große Menge, vielleicht die Mehrzahl der besseren russischen Schmuckarbeiten in Paris angefertigt werden. Selbst Fabergé bezieht sehr viel aus Paris.

Die meisten und vornehmsten Petersburger Goldschmiedegeschäfte liegen in der Bolschaja Morskaja und auf dem Newsky Prospect. Auf der letzteren, der prächtigsten Straße Petersburgs, sitzen an einer Stelle fünf Juweliere nebeneinander: Morosow, A. Ludawin, Axenow, J. Reimann und Wladimiroff. Ferner seien O. Reichard und F. Guerat, F. Butz und Bock erwähnt.

Der Goldschmied als Kaufmann.

Buchführung und Geschäftsbücher.

Wir haben in unseren letzten Artikeln über den „Goldschmied als Kaufmann" die Etablierung des jungen Goldschmiedes besprochen und ihn beim Einkauf seines Lagers begleitet. Wir sehen ihn nun im neueröffneten Laden damit beschäftigt, sein Schaufenster so verlockend wie möglich herzurichten und in Erwartung der Kunden, die dem jungen strebsamen Manne ja nun in ungezählten Scharen zulaufen sollen, wie er es sich in seinen Träumen so gern ausmalt. Geduld! so schnell kommen die Kunden nicht und, junger Anfänger, du wirst noch manche Stunde hinterm Werkbrett statt hinterm Ladentisch zubringen müssen. Vergiß aber auch dein Schreibpult nicht, denn das Geschäft will heutzutage nicht nur auf Goldschmiedsart, nein es muß kaufmännisch betrieben werden, wenn es vorwärts kommen soll, und dazu ist eine geordnete Buchführung unerläßlich, selbst für das kleinste Geschäft. Der junge Goldschmied, welcher jahraus, jahrein am Feilnagel gesessen hat, mag ja wohl eine gewisse Abneigung gegen das Schreibwerk haben, welches ihm direkt nichts einbringt, aber da es für das Gedeihen des Geschäfts unbedingt notwendig ist, so wird er sich mit dem Gedanken rasch befreunden, und wenn er sie erst ein paarmal gemacht hat, wird ihm auch diese Arbeit Freude machen. Er wird aus seinen Büchern stets genau ersehen können, ob und wie er vorwärts kommt; er wird rechtzeitig mit dem Einkauf einhalten können, wenn er sieht, daß sein Lager größer wird, als es der Umsatz zuläßt, und wird gern sein Lager ergänzen, wenn der umgekehrte Umstand eintritt. Er wird aus den Büchern beurteilen können, ob seine Unkosten für Miete, Beleuchtung, Haushalt, Privatbedarf dem Verdienst entsprechen, den ihm seine geschäftliche Tätigkeit in Laden und Werkstatt einbringt, und wird sich danach einrichten; er wird durch die geregelte Buchführung auch in seinen Zahlungen an seine

Lieferanten Ordnung halten und jeden nach Vermögen zur abgemachten Zeit befriedigen, ohne einen allzu stürmisch auf Zahlung drängenden Gläubiger zu bevorzugen und den bescheiden und kulant wartenden Lieferanten durch verzögerte Zahlung zu benachteiligen. Und wenn, was wir nicht wünschen wollen, dem Anfänger in seinem jungen Unternehmen das Glück trotz allen Fleißes nicht hold sein sollte und er sich eines schönen oder vielmehr bösen Tages an seine Gläubiger um Nachsicht oder Auseinandersetzung wird wenden müssen, so werden ihm diese bereitwilliger entgegen kommen, wenn er ihnen ordentlich geführte Bücher vorlegen kann, aus denen genau ersichtlich ist, wie das Geschäft betrieben wurde, als wenn nur unordentliche Buchungen vorhanden sind, die keinen klaren Einblick gestatten und vielleicht dem Verdachte Raum geben können, daß nicht alles lauter und korrekt zugegangen ist.

Der junge Goldschmied halte sich vor Augen und sei überzeugt, daß Buchführung in den einfachen, bewährten Formen, die wir ihm vorschlagen werden, keine Hexerei ist und daß sich jeder seine paar Bücher selbst führen kann, der über hinreichende Schulkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen verfügt und dem gesunder Menschenverstand zur Seite steht. Hauptregel und Haupterfordernis ist aber, daß die Buchführung nicht gelegentlich gemacht wird, sie muß vielmehr regelmäßig auf dem Laufenden gehalten werden. Eine halbe oder ganze Stunde des Abends genügt vollkommen, um die Vorfälle des Tages zu buchen, ein Sonntag Vormittag, um etwaige Rückstände nachzuholen oder am Schluß des Monats den dann erforderlichen Monatsabschluß zu machen, und wenn im Trubel der Weihnachtszeit die Bücher auch einmal vierzehn Tage zurückbleiben, kann man das in den ruhigen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr nachholen. Nicht dringend genug kann davor gewarnt werden, die Bücher längere

Zeit in Rückstand kommen zu lassen, das Nachholen des Versäumten ist dann sehr schwer und in vielen Fällen geradezu unmöglich.

Für ein mittleres Geschäft, wie wir es im Auge haben, genügen Lagerbuch, Kassenbuch und Hauptbuch; wenn das Geschäft größer wird, kann man auch die anderen kaufmännischen Bücher, wie Journal, Tagebuch, Memorial u. s. w. noch hinzunehmen; in nachfolgendem wollen wir versuchen, dem Goldschmied die Führung der einzelnen Bücher zu erklären.

Sehr wichtig ist das Lagerbuch, welches einen Nachweis darüber erbringen soll, was eingekauft und was verkauft wird; es ist unerläßlich, um bei etwaigem Schaden durch Einbruchsdiebstahl oder Feuer oder gar Veruntreuungen durch Angestellte nachweisen zu können, was am Lager hätte vorhanden sein müssen und was etwa durch einen der er

wähnten Umstände abhanden gekommen ist. Als praktisch, auch für kleinere und mittlere Geschäfte hat es sich erwiesen, das Lagerbuch in der Weise zu führen, daß in demselben nacheinander, Stück für Stück, die eingekauften Waren unter fortlaufenden Nummern eingetragen werden, d. h. nicht nur der Etablierungsposten, sondern auch alle im Laufe des Tages, der Woche u. s. w. gemachten Einkäufe an zum Geschäftsbetrieb gehörenden Waren mit der Nummer, die das betreffende Stück beim Fabrikanten hat, dem Einkaufspreis, dem Verkaufspreis und dem Datum, an welchem das betreffende Stück verkauft worden ist; in einer Rubrik ,,Bemerkungen" kann man sich, wenn man sich auch diese Mühe machen will, noch eine Beschreibung oder kleine Skizze des Gegenstandes machen, um dadurch Anhaltspunkte für etwaige Nachbestellungen zu haben. Ein Schema für ein solches Lagerbuch wäre etwa folgendes:

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Die fortlaufenden Nummern sind für das schnelle Aufsuchen eines Gegenstandes, wenn man ihn als verkauft bezeichnen will, sehr angenehm und lassen sich, etwa mit roter Tinte neben oder über der Fabriknummer des Fabrikanten auf der Karte oder dem Etikette leicht anbringen. Diese Nummern stets recht deutlich zu schreiben, ist wichtig, damit keine Irrtümer vorkommen, die man außerdem noch vermeiden kann, wenn man beim Anschreiben der Verkäufe Art des Gegenstandes und Preis noch einmal vergleicht. Die Rubrik „Gegenstand" kann man natürlich noch etwas ausführlicher halten, wie oben angegeben, um etwa Steingewichte bei gefaßten Sachen, Gewichte von Löffeln und dergl. noch in diese Rubrik bringen zu können. Da ein mittleres Geschäft wohl nicht mit vielen Lieferanten zu tun haben wird, so wird es genügen, dieselben durch ihre Anfangsbuchstaben zu bezeichnen, z. B. W. M., B. & L., L. S. u. s. w. Die nächste Rubrik ist für die Fabriknummer des Lieferanten, wie sie auf dessen Rechnungen angegeben ist, bestimmt und deshalb notwendig, um Nachbestellungen richtig aufgeben zu können. Die anderen Rubriken, betreffend Datum und Preis des Ein- und Verkaufes erklären sich von selbst. Es wird freilich, sobald man etwas verkauft hat, nicht angängig sein, den Verkaufsvermerk sofort

im Lagerbuch zu machen, nachdem der Kunde den Laden verlassen hat. Wir empfehlen deshalb, sich an bequemer Stelle im Laden, wo sich meist irgendwo eine Art Pult befindet, eine Kladde aufzulegen, in welche man alle Vorfälle, die zu buchen sind, einträgt. Eine solche Kladde stellt eine Art Notizbuch vor, in dem man sich der Reihe nach einträgt, was im Geschäft vorkommt, wobei es nichts ausmacht, wenn die verschiedensten Dinge durcheinander stehen. Abends nimmt man dann die Kladde vor, macht die Buchungen in die verschiedenen Bücher und erledigt die sonstigen Notizen, die sich vielleicht auf Bestellungen und dergleichen beziehen. Das Lagerbuch muß stets sorgfältig auf dem Laufenden erhalten bleiben, da es zur Kontrolle des Lagers dient. Am Schlusse des Jahres muß Inventur gemacht werden, und da muß jeder Gegenstand, bei dem sich kein Verkaufsvermerk findet, noch auf dem Lager vorhanden sein, was man durch Vergleichen des Lagers mit dem Lagerbuch feststellt. Sollten Sachen umgetauscht werden im Laufe des Jahres, so trägt man den Gegenstand, den der Kunde zurückbringt, als neuen Eingang unter einer neuen Nummer ein und macht den Verkaufsvermerk bei dem neu gewählten; auf diese Art braucht im Lagerbuch nichts gestrichen oder geändert zu werden und man behält klare Buchungen.

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BROSCHE

Entwurf: Marcel Bing.
Ausführung:
L'art nouveau Bing,
Paris.

Moderne Goldschmiedekünstler: V. Marcel Bing.

Von R. Rücklin.

Ein bedeutsames Zeichen dafür, welche wirtschaftliche Rolle das moderne Kunstgewerbe jetzt schon spielt, ist das Entstehen der modernen Kunst

gewerbehäuser. Das sind. Firmen, die es sich zur Aufgabe machen, die verschiedensten Zweige des Kunstgewerbes zu pflegen unter Zugrundelegung von Entwürfen bewährter Künstler; in diesen Etablissements wird alles mögliche angefertigt und verkauft, nur die unkünstlerische Gebrauchsware ist ausgeschlossen. Man sieht also, es ist gegenwärtig unter gewissen Umständen möglich, auch ein Geschäft zu machen, wenn man dem industriellen Massengeschmack grundsätzlich keine Konzessionen macht.

Natürlich gehört dazu das Publikum großer Städte mit regem Kunstleben. Paris hat zwei solcher Firmen; im Jahre 1895 gründete Bing in der Rue Chancal Drouot sein Kunstgewerbehaus „L'art nouveau", im Jahre 1899 folgte Julius MeierGräfe mit „La maison moderne". Beide Häuser haben durch die eigenartige Verbindung künstlerischer Tendenzen mit geschäftsmäßigem Betrieb und Vertrieb schon beträchtliche Erfolge erzielt und sich in dem Pariser Kunstleben eine ehrenvolle Position errungen.

Der Sohn des Begründers von "L'art nouveau Bing", M. Marcel Bing, ist es, mit dem die nachfolgenden Zeilen sich beschäftigen sollen. Er ist selbst ausübender Künstler geworden und muß unter die bedeutenderen modernen Schmuckkünstler gerechnet werden. Seine Eigenart veranschaulichen die beigegebenen sechs Illustrationen gut. zeigt sich in denselben als schneidiger Stilist und eleganter moderner Linienkünstler. In jeder von diesen verschiedenen Arbeitsweisen nimmt er eine gesonderte Stellung unter seinen französischen Berufsgenossen ein.

Er

Man pflegt die modernen Gewerbekünstler in zwei Gruppen einzuteilen: In solche, die sich der mehr oder weniger oder gar nicht stilisierten Naturform bedienen, und solche, welche mit der modernen Linie arbeiten. An die Spitze der einen Gruppe kann man etwa von bekannten Namen Lalique stellen, an die Spitze der anderen van der Velde. Das ist eine ungemein bequeme und einleuchtende Sache, und der kunstgewerbliche Bildungsphilister hat es nun leicht, der einen

Gruppe seinen Segen zu erteilen und über die andere die Achseln zu zucken oder sich über ihre Unvernunft zu erbosen. Tatsächlich ist diese Unterscheidung eine ziemlich äußerliche und hat mit der künstlerischen Wertschätzung als solcher wenig zu tun. Man kann auf die eine oder auf die andere Art wertvolle Kunstwerke schaffen, und die einzige Grundbedingung dazu ist, daß man ein echter Künstler ist. Eine andere Sache ist es, wenn man bei der Beurteilung den praktischen Zweck der Arbeit in den Vordergrund der Betrachtung stellt. Da muß man freilich sagen, daß die moderne Ornamentlinie sich jedem Gebrauchszwecke willig und sinngemäß fügt, während man von der Nachahmung der Naturformen das gleiche nicht eben behaupten kann. Man wird also etwa sagen können: Für kunstgewerbliche Gegenstände, welche praktisch benutzt, bezw. gehandhabt werden sollen, ist die moderne Ornamentlinie im allgemeinen die geeignetere Dekoration (wenigstens für plastische Behandlung), für Dinge, die mehr zu Schmuck und anschauendem Genießen bestimmt sind, ist neben dieser auch die Naturnachahmung am Platze.

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Der Schmuck, das Bijou, hat der Hauptsache nach als Zierde zu dienen. Je nach Wunsch und Umständen soll diese Zierde schlicht und zurückhaltend oder reich und prunkend wirken. Jeweils nach diesen Wünschen oder nach eigener Absicht und Begabung wird der Künstler sich der Nachbildung der Natur oder der modernen Ornamentik widmen. Beide Arten sind gleichberechtigt, und in beiden kann die höchste künstlerische Kraft und Begabung ent

KOPFANÄHNGER

JEntwurf: Marcel Bing. Ausführung: L'art nouveau Bing, Paris.

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