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Moderner Schmuck von Walter Ortlieb.

Unter diesem Titel ist im Verlag von Karl Koch-Krauß, Inh. Karl Koch, Berlin, ein Werkchen erschienen, das wir der Beachtung eines jeden selbstproduzierenden Goldschmiedes empfehlen können. Es bringt auf 16 Tafeln eine reichlich bemessene Anzahl von Schmuckentwürfen, von einfachschlichter, moderner Auffassung, wie sie im Interesse einer vornehm wirkenden und doch billigen Herstellung nur warm begrüßt werden muß. Wenn etwas Befremdendes in der Darstellung insofern liegt, als dieselbe allzusehr, wenigstens bei den ersten Tafeln - an Buchschmuck erinnert, so muß demgegenüber hervorgehoben werden, daß der moderne Schmuck gegenüber der Kleidung doch eigentlich eine ähnliche Rolle zu spielen berufen ist, wie der Buchschmuck im Buche: Die einer dekorativ behandelten Zierrat, dem nach unsern modernen Empfinden eine einfache und kräftige Fernwirkung innewohnen soll. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß der letzte Teil der Tafeln, (12-16) der in zarter, einfach - plastischer Darstellung gehalten ist, für eine praktische Ausführung faßlicher und leichter verständlich erscheint, als die Schwarzweißmanier der Tafeln 1-11.

Die Ornamentation ist eine streng stilistische; in wohlerwogener Einfachheit und origineller Erfindung setzen sich diese Schmuckkompositionen aus Steinen, ruhigen Flächen und elastischen Linien zusammen. Im allgemeinen erscheinen die Entwürfe für eine Ausführung

die medizinische Verwendung der Edelsteine. In demselben führt der Autor, dem offenbar gründliche Studien und ein äußerst vielseitiges Wissen zu Gebote stehen, den gewiß jedermann überraschenden und interessanten Nachweis, daß wir mit vollem Rechte von einer Geschichte und hoch ausgebildeten Literatur der Edelsteinmedizin reden können.

Uns Modernen muß es ja von vornherein klar sein, daß es sich bei allen, bei medizinischer Anwendung von Edelsteinen angenommenen oder angeblich beobachteten Heilerfolgen tatsächlich nur um eine Suggestion, d. h. um eine durch den festen Glauben an die Wirksamkeit des Mittels hervorgerufene scheinbare oder wohl auch wirkliche Besserung eines krankhaften Zustandes handeln kann. Gerade unsere Zeit, in welcher der Hypnotismus eine Rolle in der Behandlung von geistigen Erkrankungen spielt, in welcher spiritistische und okkultistische Bestrebungen, von England und Amerika ausgehend, wieder stärker auftreten, muß wohl ein Verständnis dafür besitzen, auf welche Art sich, im Verein mit geheimwissenschaftlichen Vorstellungen und Praktiken, in enger Verknüpfung mit Magie und Astrologie eine vollständige Lehre von der Heilwirkung der Edelsteine herausbilden konnte.

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TINTENFASS IN EMAILLIERTEM KUPFER,
in Silber montiert

von H. Behrnd, Silberwarenfabrik in Dresden.
Email von J. Rapoport in Budapest. Entwurf für die
Montierung: Maurice Dufrène, Paris.

in Silber und Halbedelsteinen mit Email gedacht.

Der Künstler, Walter Ortlieb, ist Württemberger und hat in der bekannten Kunstgießerei P. Stotz in Stuttgart praktisch gelernt; bei der gleichen Firma war er bis 1896 noch als Zeichner und Modelleur tätig. Nachdem er einige Zeit auf der Münchener Kunstgewerbeschule studiert und einen Kursus in Rom bei Prof. Meurer (stilistische Pflanzenstudien) durchgemacht hatte, ließ er sich in Berlin nieder, wo er teils selbständig, teils als künstlerischer Leiter in ersten Werkstätten tätig ist. R.

Edelsteinmedizin.

Daß sich an die Edelsteine mit ihren, dem Naturmenschen so wunderbar erscheinenden Eigenschaften von altersher mancherlei Aberglaube anknüpfte, ist bekannt. Daß aber diese Meinungen im Laufe der Zeit zu einem vollständigen Heilsystem ausgebildet wurden, die Jahrhunderte hindurch die medizinische Wissenschaft beherrschte, das dürfte doch im allgemeinen unbekannt sein. Vor mir liegt ein kleines Werk eines jungen Arztes und Gelehrten, Dr. med. et phil. H. Fühner in Straßburg, betitelt: Lithotherapie. Historische Studien über

In sehr gründlicher und fesselnder Weise schildert unser Gewährsmann, wie Edelsteine wohl zunächst als Zaubermittel, als Amulette benutzt wurden, denen man bestimmte Einflüsse auf den Träger zuschrieb. Daraus entwickelte sich dann die Meinung, daß ein Gegenstand, der schon durch seine bloße Berührung heilsame Veränderungen im kranken Körper hervorzubringen vermöge, jedenfalls noch viel stärker wirken müsse, wenn er fein gepulvert oder vielleicht geröstet dem Innern des Menschen einverleibt würde. Diese innerliche Anwendung von Edelsteinen stammt aus Indien, der alten Heimat der Juwelen. Von dort wurde sie durch die Araber, den Gelehrten und Ärzten des Mittelalters, nach Europa gebracht, wo sie ihren Höhepunkt erreichte. Hier blieb sie jahrhundertelang in Ansehen. So unglaublich es klingt, so weist der Verfasser doch an der Hand einer Preisliste eines deutschen Drogenhauses aus dem Jahre 1757 nach, daß damals noch die Namen aller Edelsteine unter den Arzneimitteln aufgezählt werden. Erst die allmählich sich durchsetzende Erkenntnis von der chemischen Beschaffenheit der Edelsteine, vor allem von ihrer Unlöslichkeit, verdrängte sie aus dem Arzneischatze.

Aber völlig ausgestorben ist der Glaube an die medizinische Wirksamkeit der Edelsteine keineswegs. Im Orient ist er jedenfalls noch vielerorts lebendig und auch in unserm Volke, wie der Verfasser am Schlusse seiner Einleitung sagt, ,,schlummert" der Glaube an die Wirksamkeit der Edelsteine fort, und mancher kleine moderne Aberglaube, ich erinnere

an die Apostel- und Monatssteine, an den unglückbringenden Opal, an Diamantpulver als Abortivum, führt mit feinem Faden zurück auf die einst so hoch geachtete Edelsteinmedizin. R. R.

Das Haus René Lalique's.

Der Pariser Goldschmied René Lalique hat unter Mitwirkung eines Architekten, aber nach eigenen Entwürfen in Paris in der Straße Cours la Reine sich ein eigenes Haus gebaut. Die vornehme Anlage und Ausstattung desselben zeigt, daß Lalique durch seine Kunst nicht bloß ein berühmter, sondern auch ein reicher Mann geworden ist, und der Umstand, daß er die ganze Ornamentik selbst entworfen und

Glase wirkt äußerst pikant. Das Schönste an der Türe aber sind 4 Reliefplatten, ebenfalls aus gegossenem Glase gefertigt, auf deren jeder eine Anzahl wundervoll modellierter, nackter Jünglingsgestalten zu sehen sind, welche bei geschlossenen Türflügeln auf den mittleren Falz loszustürmen scheinen, um sich den Eintritt ins Haus zu erzwingen. Damit ist die Aufgabe der Türe, Störung und Unruhe vom Hause fernzuhalten, unübertrefflich symbolisiert. Das Innere enthält unten einen großen Ausstellungssaal und die Ateliers, oben die Wohnräume des Künstlers. Sie sind noch nicht vollständig fertig gestellt. Soviel ist aber jedenfalls zu sehen, daß sich daran der vornehme Geschmack Laliques und seine Freude an kostbaren Stoffen mehr und erfreulicher aussprechen wird, als an

EMAILLIERTE KUPFERGEFÄSSE,

in Silber montiert von H. Behrnd, Silberwarenfabrik in Dresden.

Emails von J. Rapaport, Budapest. Entwürfe für die Montierung: Maurice Dufrène, Paris.

die Ausstattung angegeben hat, läßt seine Künstlerschaft in einem neuen Lichte erscheinen. Freilich, so originell und seiner Wirkungen sicher, wie in seiner eigenen Kunst, erscheint er in der Architektur nicht. Die Fassade ist nicht eigentlich modern gehalten, sondern zeigt deutliche Anklänge an die Formen der französischen Renaissance und Gotik. Als Motiv für die ornamentale Ausstattung, die übrigens sehr diskret auftritt, hat der Künstler durchgehends die Tanne gewählt und weiß damit sehr originelle und reizvolle Wirkungen hervorzubringen. Das gilt namentlich von den geschmiedeten Balkongittern, während die eigentlich architektonischen Formen weniger glücklich gelöst sind. Das Meisterstück der ganzen Fassade, ein echter Lalique, ist die große Haustüre. Sie ist in strengen, wuchtigen Formen als ein geschmiedetes Eisengitter hergestellt, dessen Zwischenräume mit gegossenem Glase geschlossen sind. Schon der starke Gegensatz zwischen dem starren, dunklen Eisen und dem durchschimmernden

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der Außenfassade. Im ganzen gewinnt man den Eindruck, als ob Lalique zu größerer Einfachheit überzugehen - beginne. R. R.

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Aus dem Pforzheimer Kunstgewerbe

museum.

Hier waren in letzter Zeit einige interessante Arbeiten in Edelmetall ausgestellt. Anfang Dezember waren, als Geschenk des Herrn M. Kiehnle, hier, an den Kunstgewerbeverein anläßlich seines 25jährigen Jubiläums eine Anzahl kleiner Emailmalereien zu sehen. Ebenso hatte Herr G. Hauber aus Schw. Gmünd aus dem gleichen Anlasse einige Buchbeschläge und Ketten mit Anhänger und der badische Kunstgewerbeverein einen großen Lorberkranz mit einer angehängten

Widmungsplakette gestiftet, welch' letztere von dem bekannten Medailleur und Ciseleur Prof. R. Meyer in Karlsruhe getrieben war; beide Geschenke waren im Ausstellungssaal die übliche Zeit zur Schau gestellt.

Später war eine interessante Arbeit ausgestellt, dem Anschein nach aus Zentral- oder Südamerika stammend: Eine ganze Anzahl Einzelschmuckstücke in einer Art von Perlfiligran gearbeitet, d. h. äußerst fein gebohrte Perlen auf Draht gereiht, und dieser Draht zu allerhand Figuren, Rosetten und dergl. zusammengebogen. Die meisten Stücke waren offenbar bestimmt, auf dem Kleid aufgenäht zu werden. Mitte Dezember erregte eine Kollektion von emaillierten, silbermontierten Kupfervasen, von der Silberwarenfabrik H. BehrndDresden ausgestellt, das besondere Interesse der Besucher. Wir werden über diese Arbeiten an anderer Stelle eine ausführliche Besprechung mit Illustrationen bringen. Auch die Neuerwerbungen der Großh. Kunstgewerbeschule von der

Ausstellung zu Turin bieten viel Originelles und Wertvolles, darunter besonders zwei Gürtelschließer nach Entwurf von Prof. J. Olbrich-Darmstadt; die eine war in matter, fein getönter Vergoldung mit rotem Email, die andere in blauoxydiertem Stahl gehalten. Gürtel und Schließen waren nach Farben und Ornament übereinstimmend komponiert. R.

Ein Fachverband des Kunstgewerbes.

Wir glauben, die nachfolgende Mitteilung unseren Lesern nicht vorenthalten zu sollen. Es ist immerhin ein beachtenswertes Zeichen der Zeit, daß auch für wirtschaftliche Interessen der kunstgewerblich arbeitenden Berufsarten eine besondere Berücksichtigung und Pflege durch korporativen Zusammenschluß erstrebt wird. Unsere Berufsgenossen werden zwar an der neuen Vereinigung kein praktisches Interesse nehmen, da sie das, was hier angestrebt werden soll, in ihrem Berufsverbande ja schon besitzen.

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Von Berlin aus wird seit einiger Zeit darauf hingewirkt, einen „Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen des Kunstgewerbes" zu schaffen, der sich über ganz Deutschland erstrecken soll. Nach dem vorliegenden Aufruf bezweckt der neue Verband, die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen aller Gruppen der Kunstgewerbetreibenden, sowohl der Industrie als des Handels zu vertreten und zu fördern". Hierzu rechnet der Fachverband insbesondere die Mitwirkung bei Feststellung des Etats für kunstgewerbliche Anstalten aller Art, wie Fachschulen, Museen u. s. w., bei Vergebung öffentlicher Arbeiten, Berufung Sachverständiger in Ausstellungsfragen, bei der Gesetzgebung auf dem Gebiete des Urheberrechts, des Geschmacks-, Gebrauchsmuster- und Markenschutzes, in Zollfragen und bei Abschluß von Handelsverträgen.

Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Herren: O. Schulz, H. Hirschwald, A. Friede

richsen, G. Cöllin, H. Kayser. Zum Generalsekretär ist Herr Br. Wolff-Beckh gewählt.

Soweit die Presse überhaupt von der Neugründung Notiz genommen hat, hat sie sich nicht gerade anerkennend dazu ausgesprochen. Einmal ist darauf hingewiesen worden, daß das Bedürfnis für einen wirtschaftlichen Sonderverband des Kunstgewerbes kaum anzuerkennen sei, vielmehr deckten sich die wirtschaftlichen Interessen des Kunstgewerbes mit denen des Gesamtgewerbes und des Handwerks in allen wesentlichen Punkten. Es erscheine daher ein Anschluß der Kunsthandwerker an die bestehenden gewerblichen Korporationen zur

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Entwürfe von Prof. G. Kleemann a. d. Grossh. Kunstgewerbeschule, Pforzheim. Ausführung von Lauer & Wiedmann, Pforzheim.

Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Interessen zweckmäßiger und erfolgreicher als die beabsichtigte Sonderbündelei. Sei doch auch in dem Aufrufe selbst konstatiert, daß viele Kunstgewerbetreibende sich mit Vorteil solchen Vereinigungen angeschlossen hätten. Warum also eine schädliche Zersplitterung der Kräfte herbeiführen!

Wir können diese Einwendungen gegen die Neugründung nur als berechtigt anerkennen und müssen auch den Fachverband bis auf weiteres als überflüssig bezeichnen. Es scheint, daß hier der Ehrgeiz gewisser Leute, eine Rolle in der Öffentlichkeit zu spielen oder auch der Wunsch, einen besoldeten Posten zu bekommen, mehr ausschlaggebend gewesen ist, als die Notwendigkeit und das Bedürfnis. Was soll wohl der Fachverband bei Feststellung des Etats für kunstgewerbliche Anstalten aller Art, wie Fachschulen, Museen u. s. w. mitwirken? Eine solche Mitwirkung lassen sich die maßgebenden Instanzen, das sind die Rechtsträger der Anstalten, höchstens dann gefallen, wenn der Verband reichliche Mittel zu dem Etat zuschießt, es ist aber fraglich, ob er je über solche verfügen wird. Ebensowenig kann er sich bei Vergebung öffentlicher Arbeiten nützlich machen,

da diese stets von denjenigen Stellen vergeben werden, welche die Arbeiten bezahlen. Die Berufung Sachverständiger erfolgt zur Zeit auf Anhörung der Spezial-Fachverbände und dabei muß es im Interesse dieser bewenden. Ebenso haben sich bisher stets die notwendigen Personen und das sachliche Material mit Leichtigkeit finden lassen, wenn es sich um Veranstaltung von Ausstellungen handelte. Bei der Gesetzgebung auf dem Gebiete des Urheberrechts, des Geschmacks-, Gebrauchsmusterund Markenschutzes u. s. w. wirken jetzt neben den amtlichen Interessenvertretungen, den Handelskammern, in sehr nützlicher Weise die verschiedenen Sachverständigen-Vereine, Kunst- und

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GOLDBROSCHEN.

Entwurf von Bildhauer A. Sautter, Lehrer a. d. Gr. Kunstgewerbe-
schule, Pforzheim.

Ausführung von Lauer & Wiedmann, Pforzheim.

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Ferner sind wir in der angenehmen Lage, noch einen Nachtrag zu den bereits in Nr. 1 veröffentlichten Abbildungen vom Pforzheimer Künstlerschmuck zu geben, bestehend aus Schmucksachen nach Entwürfen von Prof. G. Kleemann, zwei Broschen von Bildhauer A. Sautter und einer Plakette von Prof. A. Schmid, sämtlich an der Großherzogl. Kunstgewerbeschule in Pforzheim. Im übrigen verweisen wir auf die ebendort erschienene Besprechung.

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Aus unseren Industriecentren.

Bericht über das Geschäftsjahr 1902. (Von unseren Spezial-Korrespondenten.)

Pforzheim. Soweit sich bis jetzt übersehen läßt, darf man vom verflossenen Jahre in der Edelmetallindustrie, speziell für den Platz Pforzheim wohl behaupten, daß es besser gewesen ist, als sich anfangs 1902 erwarten ließ. Das will zwar nicht viel besagen. Denn mit einem größeren Pessimismus ist man hier, wenn auch uneingestanden, selten in ein neues Jahr eingetreten, als in das Jahr 1902. Die Bankkrisis, welche im September 1901 für ein paar Tage den ganzen Platz erschütterte, warf ihre Schatten noch in das neue Jahr, man wußte noch nicht, ob nicht doch durch die von den Bankiers eingeführte Beschränkung der mitunter zu weit ausgedehnten Blankokredite der eine oder der andere Fabrikant in seiner Existenz bedroht wurde und ob nicht Zahlungsstockungen dadurch vorkommen, sobald der Bankier nach Abschluß der Rechnung für Ende Dezember 1901 auf Reduktion der Barvorschüsse dringt. Noch war das Mißtrauen nicht geschwunden. Die Berichte über das Weihnachtsgeschäft von 1901 lauteten vielfach ungünstig. Es ließ sich deshalb auch nicht absehen, ob nicht mit Beginn des Jahres zahlreiche Zahlungseinstellungen von Juwelieren, besonders von solchen, welche hier einen zu großen Kredit in Anspruch genommen hatten, die Folge sein werden. Es kamen auch nicht wenige vor, manchen aber noch früh genug, daß für den Lieferanten noch eine ansehnliche Quote zu retten war, so daß für den Platz im ganzen die allgemeine Kreditbeschränkung, welche hier Platz gegriffen, sich eher als nützlich erwies. Der Pessimismus fand weiter Nahrung durch die Zahlungsstockung eines hiesigen Exporteurs, dem es später mit vieler Mühe gelang, mit Unterstützung guter Freunde ein Arrangement zu erzielen, durch welches die Gläubiger, die fast ausschließlich Pforzheimer sind, etwa 50% in verschiedenen Raten erhielten, bezw. nacherhalten sollen. Aber das Ostergeschäft 1902 ließ sich wider alles Erwarten erträglich an. Die kreditbedürftigen Fabrikanten, welche die liquidierende Bankfirma Winter, Engler & Co. abstoßen mußte, fanden bei anderen Bankiers nach und nach Unterkunft. Nur wenige Firmen, welche schon seit Jahren auf schwachen Füßen gestanden, gerieten ins Schwanken und in Konkurs standen nur zwei von einiger Bedeutung, die eine noch dazu nicht wegen ihrer Fabrikation, sondern infolge von Überspekulation in Häusern und Grundstücken.

bei

wirkte. Der Export blieb zwar hinter den guten Jahren Ende des letzten Jahrzehntes erheblich zurück, war aber im großen Ganzen erträglich. Eine bedeutende Änderung machte sich in der Ausfuhr nach Italien bemerkbar. Der bekannte italienische Genre in mittelfeiner Goldware wurde nur noch wenig verlangt, da er in Italien selbst, hauptsächlich in Valenza und Mailand, infolge der billigen italienischen Löhne viel billiger hergestellt wird, eine Wahrnehmung, welche sich erst im letzten

Jahre besonders bemerkbar machte. Dafür wurden von den großen Neapeler Firmen, welche ein schwunghaftes Exportgeschäft nach Südamerika, Tunis und Malta betreiben, besondere in Italien nicht verkäufliche Spezialitäten viel begehrt und nachbestellt. Abgesehen von dieser Veränderung im Absatz war auch sonst das Jahr im italienischen Geschäft nicht zu loben. Eine Neapeler Grossistenfirma, welche seiner Zeit mit Unterstützung hiesiger Firmen zum Teil ersten Ranges zur Liquidation der alten Firma Murob gebildet worden, sah sich infolge schlechten Geschäftsganges genötigt, erst um einen Zahlungsaufschub zu bitten, dann aber zu liquidieren. Wie das so in Italien schon manchmal der Fall gewesen, erwiesen sich bei näherer Prüfung die Außenstände, sobald die Zahlungsstockung bekannt geworden, als außerordentlich minderwertig. Die italienischen Detailleure zahlen zu einem nicht geringen Prozentsatze eben nur so lange, als sie gleichzeitig neue Waren bekommen. Der Verlust, den der Pforzheimer Platz in dieser Insolvenz erleidet, nähert sich einer halben Million Lire. Geringer, aber immer noch unangenehm in hohem Maße wirkte gegen Ende 1902 der Verlust, der aus der Liquidation einer Firma in Mailand resultiert. Nicht so bedeutend, aber gerade noch empfindlich genug, waren die Insolvenzen einiger Russen, zu denen gegen Ende des Jahres noch einige geringere Konkurse im Exportgeschäft traten. Wären diese Verluste nicht gewesen, hätten sich nicht die venezolanischen Wirren zu Geschäftsstillstand und Krieg entwickelt, dazu sich nicht die furchtbaren Naturereignisse in Mittelamerika mit ihren schlimmen wirtschaftlichen Folgen gesellt, so wäre die Ausfuhr noch als ziemlich gut zu bezeichnen.

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HAARKAMM UND ZWEI BROSCHEN IN GOLD.
Entwürfe von Prof. G. Kleemann a. d. Großh. Kunstgewerbeschule
in Pforzheim.
Ausführung von Lauer & Wiedmann in Pforzheim.

In Deutschland wie im Auslande zeigte sich eine gewisse Zuversicht auf baldigen Frieden in Südafrika, der denn auch, als er im Frühsommer eintrat, auf das Geschäft belebend

Es gelang, einige neue Absatzgebiete zu gewinnen, deren Aufnahmefähigkeit allerdings noch zu erproben ist. Dagegen ist sehr zu befürchten, daß, sobald die Handelsverträge erneuert werden sollen, manche verloren gehen, wenn die maßgebenden Faktoren in der Edelmetallindustrie sich nicht ganz energisch ins Zeug legen.

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