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In unserem modernen Geschäftsleben ist aber längst nicht mehr das Bessere der Feind des Guten, sondern das Neueste ist der Feind des Neuen geworden. Nicht der Freude des Publikums am Fortschritt sucht man Genüge zu tun, sondern seiner Sucht nach Wechsel, seiner Gier nach Neuem. Aber auch das ist eigentlich zu viel gesagt. Nicht genugtun will man den genannten Instinkten, sondern man reizt sie auf, man füttert sie groß mit Neuheiten, um ein künstliches Interesse, eine momentane Kauflust zu erzeugen. Denn ich möchte hier nicht falsch verstanden werden Wunsch nach Neuem ist an und für sich ein naturgemäßer Trieb eines jeden Menschen und seine Befriedigung einer der wichtigsten Faktoren in unserem Geschäftsleben. Die Folge einer künstlichen Überreizung desselben aber, wie sie gegenwärtig bei uns herrscht, ist einfach die, daß die Ansprüche des Publikums gesteigert werden, nicht aber seine Kauflust. Der Konsument wird also durch das gegenwärtige Verfahren nicht zu größerem Interesse und mehr Bedarf an unseren Erzeugnissen erzogen, sondern zur Wählerei, zur Blasiertheit, zur Übersättigung schließlich. Außerdem wird dadurch aber bei unserm Publikum gerade das hintangehalten, was für unsere gesamte Kunstindustrie so unendlich wichtig wäre: Die Bildung eines geläuterten, selbständigen und stabilen Geschmackes, und die wahre und zahlungswillige Schätzung dessen, was diesem Geschmacke entspricht.

Noch schlimmer sind die Folgen dieser ruhelosen Neuigkeitenjagd für unsere Kunstgewerbetreibenden und Angehörigen der Kunstindustrie; wird in den Käuferkreisen dadurch der Geschmack verdorben, so hier die Fähigkeit, etwas Gediegenes und dauernd Wertvolles zu produzieren. Oder, nehmen wir

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TEIL EINES TEESERVICES

entworfen von W. O. Dreßler, Charlottenburg, ausgeführt von H. Meyen & Co., Berlin.

Fabrikanten und Hersteller von Feinmetallwaren zwingt, unaufhörlich die Musterkollektion zu wechseln, und zwar in stets schnellerem Tempo, sondern auch die Konkurrenz. Nehmen wir einmal an, alle Geschäfte unseres Gewerbes, sowohl die Fabrikation, als auch der Groß- und Kleinverkauf, wären organisiert und miteinander zu einem Ringe verbunden, so wäre es jedenfalls möglich, hier mehr Stabilität und Ruhe hineinzubringen. Ich habe übrigens nicht die Absicht, damit einen Vorschlag zur Abhilfe zu machen; ich konstruiere nur theoretisch, um zu zeigen, daß nicht nur das Entgegenkommen gegen die Wünsche des Publikums die gegenwärtigen Zustände erzeugt hat, sondern auch das Bestreben, die Konkurrenz zu übertrumpfen.

Die Wünsche des Publikums und die Arbeitsweise der Konkurrenz müssen für jeden strebsamen Geschäftsmann das Barometer sein, nach dem er seine eigene Geschäftsführung einrichtet. Aber wie bei jedem Prinzip und bei jeder Theorie liegen auch hier Grenzen vor, deren Überschreitung weniger dem einzelnen Geschäft, als im Laufe der Zeit dem ganzen Gewerbe zu schwerem, zu oft fast unausrottbarem Schaden gereicht. Und den Schaden, den die gegenwärtige übermäßige Neuheitenhetze der Gesamtheit unseres Gewerbes zuzufügen droht, einmal zu besprechen, soll die Aufgabe der folgenden Zeilen sein.

Fortschritt muß sein. Jeder Fortschritt besteht darin, daß man etwas Besseres sucht und findet, und das Bessere wird naturgemäß etwas Neues sein, das an die Stelle des Alten gesetzt wird und dieses verdrängt. Daß etwa das Alte auch ein Gutes war, ist kein Grund, um es nicht zu beseitigen. Das Bessere ist ja bekanntlich ein unerbittlicher Feind des Guten, oder sollte es wenigstens sein.

TEIL EINES TEESERVICES entworfen von W. O. Dreßler, Charlottenburg, ausgeführt von H. Meyen & Co., Berlin.

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an, die Fähigkeit sei vorhanden, so ist doch jedenfalls keine Möglichkeit vorhanden, sie in die Tat umzusetzen. Es ist ja im Geschäftsleben doppelt und dreifach schwierig, etwas wirklich Gutes und Geschmackvolles zu produzieren, weil jeder Gegenstand durch so und so viele Hände gehen muß, ehe er zum Verkauf kommen kann. Es wäre also dringend nötig, daß, wo es sich um Erzeugnisse einer Kunstindustrie han

delt, die verschiedenen Mitarbeiter nicht nur technisch, sondern auch vom Geschmacksstandpunkt aus möglichst gründlich und einheitlich zusammengearbeitet wären. Das erfordert Zeit und Gewöhnung; wo ist aber diese heutzutage möglich? Kaum ist irgend ein, Genre" in Hast und Eile durchgepeitscht, so muß schon wieder ein anderer dran -, nicht weil der erste schlecht oder veraltet oder unzeitgemäß wäre, behüte Gott; aber er ist nun doch schon vorhanden, also ist er eigentlich auch schon abgetan. Was Schönheit, was praktische Einrichtung oder gediegene Durchführung

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Idas Muster ist ja schon ein Vierteljahr alt! Ein ganzes Viertel

SCHMUCKSACHEN VON W. O. DRESSLER, CHARLOTTENBURG

jahr!! Dem Einkäufer sträubt sich das Haar vor Entsetzen, wenn er so etwas hört. Das Publikum erwartet längst etwas Neues, also machen wir etwas Neues.

Nichts hat mehr gelitten unter diesen Verhältnissen, nichts ist schlimmer diskreditiert worden, als eben die moderne Kunstrichtung. Was Gutes daran war und ist, wurde in der Hast dieses Treibens nicht verstanden oder mißverstanden. Was Hohles und Leeres und Aufgedonnertes in ihrem Gefolge erschien, das wurde mit affenartiger Geschwindigkeit verbreitet, ausgeschlachtet, zehnmal hin- und hergedreht, weil es sich eben so handhaben ließ, wie der intensive Geschäftsbetrieb es verlangt, während wahre Kunstleistungen auf diesem Wege einfach nicht zu erzielen sind. So ist es gekommen, daß das in unserer Kunstindustrie geprägte Wort: Sezessionsstil" in weiten, und zwar gerade den künstlerisch gebildeten Kreisen, eines recht schlechten Rufes genießt, weil man dem Stile, der Kunst

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richtung an sich alle die Sünden aufrechnet, welche eine unter dem Drucke ständigen Vorwärtshetzens arbeitende Fabrikation unter ihrer Flagge begangen hat.

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Das gewiß

Man wird nun vielleicht sagen: Ja, man kann von der Kunstindustrie doch keine Kunstwerke verlangen. Kunst ist Kunst und Industrie ist Industrie. Man muß jeden mit seinem eigenen Maßstab messen. Die Kunstindustrie muß eben dem Kunstgeschmack der Zeit in der von den breiten Käuferkreisen beliebten Form Ausdruck verleihen, und muß das tun mit den Kräften, die sie eben in ihren Dienst stellen kann. ist teilweise richtig, aber auch nur teilweise. Einmal sind in unserem Feinmetallgewerbe z. B. sehr viel bessere Kräfte tätig, als die Erzeugnisse derselben in ihrer Mehrheit vermuten lassen. Wenn unsere Zeichner, Modelleure und die sonstigen, künstlerisch tätigen Angehörigen des Gewerbes nur einmal drei Jahre Ruhe und Zeit hätten, sich in eine bestimmte und begrenzte Richtung einzuleben, und zu immer größerer Einfachheit

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und Ruhe durchzubilden, so würden wir sehen, daß unsere Feinmetallindustrie durchaus das Zeug hat, zwar einfache und schlichte, aber künstlerisch durchaus reife Erzeugnisse hervorzubringen. Sache des Künstlers sollte es sein, Neues zu finden und zu entwickeln. Sache der Industrie wäre es, sich in den Bahnen einer begrenzten, zeitgemäßen Tradition zu halten. Statt dessen hat sich das Verhältnis geradezu umgekehrt: Unsere Künstler halten im Ganzen an den Errungenschaften der Moderne fest und suchen sie einfacher und bodenwüchsiger zu gestalten; unsere Industrie aber fährt in allen Höhen und Tiefen umher, um nur Neues und immer wieder Neues herauszubringen.

ENTWURF

von W. O. Dreßler Charlottenburg.

Und wenn es nun wirklich Neues wäre! Aber die Raschheit, mit der dabei verfahren werden muß, bringt es mit sich, daß es immer wieder nur Kleinigkeiten sind, immer wieder nur anders herumgedrehte Schnörkel, aus denen die Neuheit besteht. Äußerlich erstrebt man

ja möglichste Verschiedenheit; innerlich aber sind das alles Augenblicksgeschöpfe, und eine wirklich wertvolle neue Idee kommt in den seltensten Fällen zu Tage, weil man sich nicht die Zeit lassen kann, sie auszureifen.

Es

Hierin liegt wohl das Grundübel in den künstlerischen Verhältnissen unserer Kunstindustrie: In dem Mangel eines gemeinsamen Grundgedankens, eines festen Bodens, auf dem man vorwärts zu schreiten wüßte. liegt uns ja durchaus fern, das unablässige Streben nach Neuem, nach Abwechslung in den Ereignissen an sich zn verwerfen, bezw. als ein Übel zu beklagen. Aber wir meinen, es sei hohe Zeit, daß unser kunstindustrieller Eilzug feste Schienen unter die Räder bekomme und einen ruhigen Betrieb. Wir beklagen es weniger, daß die Verhältnisse uns zwingen, so vielerlei Neues zu schaffen, als daß die kleinliche und ruckweise Art des Geschäftsbetriebes und der Musterproduktion es fast unmöglich machen, einmal eine bedeutsame Neuheit herauszubringen, deren jahrelanger Ausbau und Ausnutzuug sich lohnen würde.

Mit der übermäßigen Sucht, Neuheiten, und zwar schnell und leicht zu produzieren, hängt auch das Haschen nach Anregungen zusammen, das uns in so hohem Maße von allen möglichen Strömungen des In- und Auslandes abhängig macht, und zugleich auch die ruhige Verarbeitung einer einmal gewonnenen Anregung wieder zu nichte macht. Wie oft hört man die Erzeuger guter gediegener Ware klagen, daß alles, was sie herausbringen, ihnen sofort von Fabrikanten billiger Ware nachgemacht würde und ihnen dadurch in kurzem der Absatz verdorben würde.

Diese Klage ist gewiß berechtigt. Eine andere Frage ist nur die, ob nicht die suchende und schaffende dekorative Kunst unserer Tage berechtigt wäre, diesen Vorwurf gegen die gesamte KunstIndustrie der Jetztzeit zu erheben.

Genug der Klagen. Gibt es nicht vielleicht ein Mittel der Abhilfe, das noch zu besprechen wäre? Selbstverständlich muß es ebensowohl möglich sein, einen Fehler zu vermeiden, wie ihn zu begehen. Aber in diesem Falle ist es nicht der einzelne, der den Fehler macht, sondern er

GLAS MIT SILBERFUSS

ZIERSCHALE

liegt in der gesamten, Entwicklung unserer Geschäfts-, ja, man kann wohl sagen, unserer Kulturverhältnisse begründet. Er ist zu suchen einesteils in der mangelnden künstlerischen Kultur unseres breiten Publikums, das an die Erzeugnisse der Kunstindustrie unberechtigte Ansprüche stellt, und in der schrankenlosen geschäftlichen Konkurrenz, die jeden bis an die äußerste Grenze des praktisch Möglichen treibt. Daß dabei die ästhetischen Möglichkeiten eben gar zu leicht in die Brüche gehen, ist selbstverständlich.

Es ist nun einmal nicht anders und läßt sich nicht umgehen: Die Kunstindustrie muß mit Geschmackswerten rechnen und mit solchen arbeiten. Insofern und soweit sie dies tut, muß sie dann aber auch künstlerisch arbeiten, das heißt, sie muß sich die nötige Ruhe und Versenkung in ihren Gegenstand, in die gewählte oder zu wählende Richtung verschaffen können. Nur dann kann sie geschmackvoll und gediegen arbeiten, und nur dann wird sie in den Ruf kommen, dies zu tun. Wie viel es aber für den Geschäftsgang, für die Blüte einer lokalen oder nationalen Spezialindustrie bedeutet, wenn sie diesen Ruf besitzt, das zeigen Bei

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Entwürfe von W. Klein, Vorstand der gewerblichen Fortbildungsschule Schwäb.- Gmünd.

Beide Abbildungen aus der Zeitschrift: „Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins Stuttgart".

spiele. Es wäre interessant, zu wissen, wieviel dem Pariser Juweliergewerbe jährlich an Bestellung an Verdienst zufließt, weil es in dem Rufe steht, am geschmackvollsten und gediegensten zu arbeiten. Und nicht weniger wäre es wert, zu wissen, wieviel die böhmische Granatwarenindustrie finanziell eingebüßt hat, weil sie diesen Ruf verloren hat. Man könnte an gesetzliche Beschränkung des schrankenlosen Wettbewerbes, man

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an organisatorischen Zusammenschluß der beteiligten Kreise denken, um hier Besserung zu erzielen. Aber wir leben in künstlerischer Beziehung in einer gärenden Übergangszeit, und es tut nicht gut, in einer solchen allzuviele Schranken zu ziehen und Bestimmungen aufzurichten, die sich vielleicht in kurzem als verfehlt oder nicht mehr zeitgemäß herausstellen könnten. Das naturgemäßeste, das wirksamste Mittel würde es sein, wenn jeder Angehörige unseres deutschen Feinmetallgewerbes sich seiner Zugehörigkeit zu diesem in dem Sinne bewußt würde, daß er nicht nur auf seinen eigenen, momentanen Verdienst, sondern auch auf

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Entwürfe von W. Klein, Vorstand der gewerblichen Fortbildungsschule in Schwäb.-Gmünd. Beide Abbildungen aus der Zeitschrift: „Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins, Stuttgart".

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Als Lötmittel zum Hartlöten verwendet man meist Borax, welcher entweder trocken oder mit Wasser zu Brei gerührt, auf die Lötfuge gebracht wird. Am vorteilhaftesten verwendet man kalzinierten, d. h. durch Erhitzen von seinem Kristallwasser befreiten Borax, welcher sich beim Löten nicht so stark aufbläht wie der gewöhnliche. Der Borax löst die die Lötstelle verunreinigenden Metalloxyde auf.

Zum Hartlöten des Kupfers und der Kupferlegierungen bedient man sich auch des Kryoliths (fein pulverisiert) oder eines Gemisches von 2 T. Kryolithpulver und 1 T. Phosphorsäure.

Das Müllersche Hartlötwasser besteht aus gleichen Teilen Phosphorsäure und 80% igem Weingeist.

Als Hartlötmittel für Aluminiumbronze benutzt man ein Gemisch gleicher Teile Kryolith und Chlorbaryum.

Als Lötmittel zum Löten von Eisen mit Gußeisen verwendet man ein zusammengeschmolzenes Gemisch gleicher Teile Gußeisenfeilspäne und kalzinierten Borax. Die schwarze,

(Schluß.)

glasähnliche Masse wird pulverisiert und das Pulver in die Lötfuge gestreut.

Zu erwähnen ist hier noch die sogenannte kalte Lötung, eigentlich ein Kitten mit Kupferamalgam. Die zu verbindenden Stellen werden gut gereinigt und mit einer Masse eingerieben, welche man durch Verreiben von 1 T. Natrium mit 50-60 T. Quecksilber erhält. Diese Masse dient gewissermaßen als Lötwasser, da sie das feste Anhaften des als Lot verwendeten Kupferamalgams veranlaßt.

Um das Kupferamalgam herzustellen, löst man Kupfervitriol in Wasser und bringt einige Zinkblechschnitzel in die Lösung. Es setzt sich ein feines, aus reinem Kupfer bestehendes Pulver ab, welches abfiltriert, ausgewaschen und in einer erwärmten Porzellanschale mit der doppelten Gewichtsmenge Quecksilber zusammengerieben wird. Das Amalgam, welches die Farbe 18 kar. Goldes zeigt, wird zu kleinen Kugeln oder Stängelchen geformt, welche man beim Gebrauch durch Anwärmen erweicht.

Lalique in Berlin.

Zu dessen Schmuckausstellung im Hohenzollern-Kunstgewerbehaus.

Ehe wir unseren eigenen ausführlichen Bericht über die hochinteressanten Darbietungen Laliques auf dessen Schmuckausstellung im Hohenzollern-Kunstgewerbehaus zu Berlin bringen, halten wir es für wichtig genug, nachstehende interessante Auslassung aus der „Berliner Morgenpost" unseren Lesern zur Kenntnis zu bringen:

von

Heutzutage gibt es in Berlin Premieren im Kunstgewerbehause so gut wie im Theater und im Musiksaal. Das Interesse fürs Kunstgewerbe ist Modesache geworden. Berlin heute zählt eine Menge wohlhabende Leute, und sie suchen etwas darin, einander im Besitz geschmackvoller dekorativer Gegenstände zu übertreffen. Ringe, Möbel, Bilderrahmen, Ziertöpfe, Vasen, Standuhren sind Dinge persönlicher Liebhaberei geworden, und indem man sich und seine Wohnung mit interessanten Stücken ausstattet, glaubt man sich das berühmte, viel befabelte „Heim“ zu schaffen und denen zu imponieren, die als Gäste in ihm verkehren. Meist fehlt leider nur ,,das geistige Band", die anregende, graziöse Geselligkeit; denn über Kartenspiel und Tanz kommt man selten hinaus.

Echt großstädtisch ist nun die Sucht, der Erste zu sein, Neues früher zu genießen als die Masse, sein Urteil darüber abzugeben und es der Mehrheit aufzunötigen. Man sucht das drückende Herdengefühl zu überwinden, indem man alles daran setzt, selbst Leithammel zu werden oder wenigstens dafür zu gelten. Daher in unseren zahlungsfähigen Kreisen die Sucht, bei jeder Premiere im Theater dabei zu sein. Ein Glück, daß es solche ehrgeizige Menschen gibt, denn wo blieben sonst unsere schlecht bezahlten Theaterkassierer?

Nun, Lalique ist immerhin ein Mann, dessen Bekanntschaft sich lohnt. Man darf ohne Übertreibung sagen: er ist heute der erste Goldschmied der Welt. Paris ist in diesem Falle die Welt; denn Arbeiten in Edelmetallen werden zurzeit nirgends so fein, so geschmackvoll ausgeführt wie dort. Der Schaukasten Laliques mit seinen herrlichen Bruststücken und Zierkämmen, wunderbar dekoriert durch stilisierte Fledermäuse und einen stumpf-lila Stoff, wurde von Sachverständigen für eine der großartigsten Sehenswürdigkeiten

ELEKTR LAMPE

der letzten Pariser Weltausstellung erklärt. Lalique ist Künstler durch und durch. Er arbeitet an einem Stück jahrelang, führt jeden Entwurf ein einziges Mal aus, so daß jede Lalique-Arbeit ein Original ist, und läßt sich natürlich märchenhafte Preise zahlen. Er hat keinen offenen Laden, sondern nur eine Ausstellung in seinen Privaträumen, und seine Werkstatt ist stets auf Jahre hinaus mit Aufträgen seitens der vornehmsten Kundschaft der ganzen Welt versehen.

Nun scheint es leider mit den Goldschmieden zu gehen wie mit den meisten Kunstgrößen. Wenn sie erst nach Berlin kommen, haben sie gewöhnlich den Höhepunkt ihrer Entwickelung hinter sich. Der Lalique von heute ist nicht mehr ganz der Lalique von 1900. Die Kolliers, Bruststücke, Armspangen, Kämme, die er hier in einer großen Vitrine im Hohenzollern-Kaufhause ausgestellt hat, bewegen sich wohl in seiner bewährten Richtung, die Wirkung nicht in der Kostbarkeit des Materials — wie die großen Juweliere der Rue de la Paix —, sondern in der Kunst der Bearbeitung zu suchen. Aber während der Meister früher der Richtung des modernen Kunstgewerbes entsprechend künstlerisch geformte Gebrauchsgegenstände schuf, arbeitet er jetzt Kunstwerke in Formen von Gebrauchsgegenständen, die jedoch für den wirklichen Gebrauch kaum noch verwendbar sind. Dieses Gehänge aus emaillierten Schlangen, aus deren Rachen zahnförmige Perlen in langen Traubengewinden niederrieseln, diesen Kamm, dessen Oberteil eine Heiligenstatue schmückt, deren brennendes Herz ein Rubin bildet — diesen Kopfschmuck aus diamantbesetzten Emailnüssen und getönten Hornblättern wird selbst die vewöhnteste amerikanische Milliardärin kaum tragen wollen. Es sind Stücke zur Ausstellung im Salon. Laliques Arbeiten beginnen zu schreien, was sie früher nie taten. Was einst zartes Relief war, ist heute bei ihm zur plastischen Vollfigur und Gruppe geworden, seine Arbeiten fangen an, aufdringlich, protzenhaft zu wirken. Oder glaubte er, gerade solche Stücke für Berlin auswählen zu müssen? Das wäre kein Kompliment für uns, Monsieur Lalique!

ELEKTRISCHE LAMPE,
Entwurf von W. Klein, Schwäb.-Gmünd.

Aus der Zeitschrift:

„Mitteilungen des Württemb. Kunstgewerbevereins Stuttgart".

Auch die Inhaber unserer Kunst- und Kunstgewerbesalons sind mit der Zeit „helle" geworden. Um den kaufkräftigen oder durch ihre Beziehungen für das „Herumsprechen" wichtigen Persönlichkeiten zu schmeicheln, veranstalten auch sie jetzt richtige Erstausstellungen. Sie legen interessante Zusammenstellungen aus, laden die Bankwelt, die Künstler, die Journalisten zur Vorbesichtigung ein und setzen dadurch ihre Ausstellung als ein gesellschaftliches Ereignis in Szene. Und handelt es sich gar um die Arbeiten eines begabten und wohl dem Namen nach den Kennern schon vertrauten Mannes, dann wird womöglich dieser selbst nach Berlin zitiert und muß die Honneurs der Vorbesichtigung machen. Das ist wie im Theater der Hervorruf des Verfassers bei der Premiere.

So las man auch auf der gedruckten Einladung zur gestrigen Vorbesichtigung der Arbeiten des Goldschmieds Lalique aus Paris: „Monsieur Lalique wird persönlich anwesend sein."

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