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Moderne Künstlergoldschmiede: IV. E. Feuillâtre, Paris.

Von R. Rücklin.

Die Entwickelung und Pflege der edeln Kunst des Emails ist bisher der Hauptsache nach eine Domäne französischer Künstler gewesen. Im 13. Jahrhundert und später noch waren es zwei Hauptgebiete, auf denen diese Kunst blühte: Das deutsche, rheinische Kunstgebiet, und das französische in Limoges. Diese letztere überdauerte und überflügelte unsere einheimische Kunstspezialität, und vom Ende des 15. Jahrhunderts an können wir in Limoges jene merkwürdige Erscheinung beobachten, daß förmliche Künstler-Dynastien entstehen, in welchen sich die Kunst des sogen. Limousineremails vom Vater auf Sohn und Enkel vererbt: die Pénicaud vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, die Reymond, die Courteys, vom 16. zum 17., die Landin vom 16. zum 18. Jahrhundert. Nachdem auch diese Blüte den veränderten Zeitverhältnissen nicht hatte Stand halten können, folgte eine längere Zeit der Stagnation und der bloßen Nachahmung alter Vorbilder. Am lebendigsten erhielt sich dabei die Emailkunst in Paris, und seit dem Jahre 1889 etwa läßt sich dort ein frischer Zug bemerken, der schon bedeutsame Leistungen unter den Händen hervorragender Meister hat entstehen lassen.

Feuillâtre ist eine der interessantesten Erscheinungen unter den modernen Vertretern der Emaillierkunst. Er verzichtet auf jede Beihilfe der Pinselmalerei und führt seine Arbeiten lediglich als Emailleur aus. Dessen Arbeitsgebiet aber beherrscht er vollkommen und hat es ganz wesentlich zu bereichern gewußt.

EMAIL-ARBEITEN

von Eugen Feuillâtre, Paris. (Aus „Der moderne Stil" von Jul. Hoffmann, Stuttgart.)

Wer die Pariser Weltausstellung vom Jahre 1900 besucht hat, wird sich erinnern, daß das eben Gesagte dort durch Tatsachen bestätigt war: Kein Land hatte so viele und so bedeutende Emailmalereien und Kunstemaillierungen aufzuweisen, als Frankreich, oder genauer gesagt, als Paris allein. Da war Hirtz mit der tiefen, ruhigen Farbenglut seiner Arbeiten, deren weiche, schwimmende Modellierung dem durchsichtig-glasigen Material so vortrefflich angepaßt ist. Da war Grandhomme mit seinen vornehmen, gediegenen Leistungen, hauptsächlich Porträts in erstaunlich großem Maßstab; außerdem fiel de Mandre durch seine breite kecke Malweise, Alfred Meyer durch seine tiefen, leuchtenden Farben auf. Die kunstgewerbliche Seite des Faches, also die eigentliche Kunstemaillierung vertrat Thesmar, und, als einer der bedeutendsten von allen, Eugène Feuillâtre.

Eugen Feuillâtre ist im Jahre 1870 in Dünkirchen (Dunkerque) geboren; seit 19 Jahren arbeitet er in seiner Kunst und hat geduldig alle ihre Geheimnisse erforscht. Bis 1897 arbeitete er im Auftrage Anderer. Mit selbständigen Arbeiten trat er erst im Jahre 1898 an die Öffentlichkeit, wo er im Salon der französischen Künstler mit einer Vitrine seiner Emails vertreten war. Der Erfolg dieser Ausstellung war, daß das Musée des Arts decoratifs sofort eines seiner Stücke (Die Mohnblumen) ankaufte, und daß der Künstler aufgefordert wurde, an einer Ausstellung von Werken der dekorativen Kunst sich zu beteiligen, welche in der New Gallery zu London stattfand. Von dort kam keine seiner Arbeiten zurück; sie sind alle von englischen Museen und Liebhabern angekauft worden.

Seine Erfolge verdankt Feuillâtre im wesentlichen der Vereinigung gründlicher, technischer Kenntnisse und bedeutender künstlerischer Fähigkeiten. Während früher fast ausschließlich auf Gold und Kupfer emailliert wurde, verwendet er mit Vorliebe Silber als metallische Unterlage. Auf diesem hat er jene milchigen, irisierenden Töne zu finden gewußt, jene weichen, flimmernden Farben, durch welche seine Erzeugnisse auf der großen Pariser

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Weltausstellung auffielen.

Technisch zerfallen die Arbeiten Feuillâtres in zwei Abteilungen: In transparent emaillierte, silbergetriebene oder gravierte Arbeiten, und in solche, die in Fensteremail (Email à jour) ausgeführt sind. Die ersteren stellen sich meistens als Ziergefäße von mäßiger Größe dar, bei denen nur der eigentliche Gefäßkörper emailliert ist, und zwar stets in durchsichtigen Tönen, so daß die Bearbeitung des Metalls,

die entweder in flachem Relief oder nur in kräftiger Strichgravierung erfolgt, sichtbar bleibt und für den Effekt mitbestimmend ist. Fuß und Hals des Gefäßes erhalten gerne noch eine besondere Montierung in vergoldetem Silber, auf der wohl auch noch in sparsamer Verteilung Edelsteine angebracht sind. Die Dekoration ist eine vorwiegend naturalistische, deren Einzelformen vielfach der Tierwelt entlehnt sind.

Als Beispiele für seine Arbeiten in Email à jour waren auf der Pariser Weltausstellung vorwiegend große, schalenförmige Zierteller und Kassetten zu sehen. Der Körper dieser Gegenstände war aus Filigrandraht, also durchbrochen, hergestellt, oder es waren die Durchbrüche durch Aussägen aus Blech erzeugt. Die farbig leuchtende Wirkung dieser Arbeiten ist außerordentlich und erinnert an die moderner farbiger Kunstverglasungen. Dabei muß natürlich die Zeichnung eine große Rolle spielen. Bei Feuillâtre ist nun gerade die Zeichnung höchst originell, von einem Reichtum und einer Phantastik, die manchmal an orientalische Vorbilder erinnert. Mit Vorliebe verwendet der Künstler Motive, die dem Leben des Wassers und seiner Geschöpfe entlehnt sind ein glücklicher Griff, denn es stimmt das gut zu dem schwimmenden Lichte, in welchem diese Darstellungen sich dem Auge des Beschauers darbieten. So hatte eine zierliche Kassette

als Thema: „Die Wunder des Meeres", das bei einer großen, von getriebenen Seepferdchen getragenen Schale nochmals variiert erschien. Die Farbenstimmung ist der Hauptsache nach grünblau mit milchig opalisierenden Tönen. In der schwungvollen Zeichnung der Fischchimären wird man manchmal an unsern deutschen Meister Seder erinnert.

In der letzten Zeit war der Künstler mit Versuchen beschäftigt, das Email zur Dekoration von Arbeiten und Gegenständen größeren Maßstabes anzuwenden.

Arbeiten Feuillâtres sind in die verschiedensten Museen gelangt. Das Museum von Breslau besitzt eine Vase mit Misteldekor; das von Prag eine Wiederholung der gleichen Arbeit und eine solche mit Disteln; das Pforzheimer Kunstgewerbemuseum hat ein Ziergefäß mit Seepferdchen und andern Meergeschöpfen erworben; desgleichen haben Berlin, Stockholm, Stuttgart, Hamburg, Budapest Werke von ihm. Das Musée des Arts decoratifs in Paris hat 1898 und 1900 Erwerbungen gemacht, und endlich, was wohl als besondere Ehrung für unseren Künstler betrachtet werden darf, haben die alten Meister der Kunstemaillierung, die Japaner, seine Orchideenvase für das Museum von Tokio angekauft, wo sie unsere abendländische Emaillierkunst würdig zu vertreten bestimmt ist.

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Schon einmal hatten wir auf eine neue Art emaillierter Ziergefäße hingewießen, die von dem englisch-deutschen Maler H. Herkomer, der sich mit Vorliebe mit der Emailkunst beschäftigt, an die Öffentlichkeit gebracht worden waren. (Jahrg. 1902, H. 17, S. 244.) In unserer heutigen Nummer, deren kunstgewerblicher Teil vorwiegend der Darstellung dekorativer Emailarbeiten gewidmet ist, zeigen wir unsern Lesern emaillierte Kupfergefäße, welche wohl beanspruchen dürfen, als originelle künstlerische Neuheit bezeichnet zu werden.

Es handelt sich, wie unsere Abbildungen zeigen, um dekorativ aufgefaßte Ziergefäße, deren Körper aus Kupfer ist. Die eigenartige, auf diesem Kupferkern angebrachte Emaillierung rührt von J. Rapaport in Budapest her; der Entwurf zu der Silbermontierung stammt von Maurire Dufrène, einem

namhaften Pariser Künstler, der viel für das bekannte Pariser Kunstgewerbehaus La maison moderne arbeitet, und von dem besonders Beleuchtungskörper, Silbergeräte und Schmuck bekannt geworden sind. Er ist einer der wenigen Künstler der französischen Moderne, die sich für die gewerbliche Kunst von der Naturalistik losgemacht haben; seine strengen eleganten Linienzüge laufen in ein ganz eigenartiges Blattwerk aus, das für ihn typisch ist, und das auch auf unsere Abbildungen mehrfach wiederkehrt.

Die Ausführung der Metallteile (Silber 800 ff.), sowie die Montierung der Vasen erfolgt in der Silberwarenfabrik H. Behrnd, Dresden, welche Firma uns sowohl die Abbildungen freundlichst überlassen, als auch der Redaktion es durch Übersendung einiger Originalarbeiten ermöglicht hat, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

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Wirkungen, das

doch am letzten Ende von künstlerischem Geschmack und Geschick dirigiert erscheint, liegt unzweifelhaft ein besonderer, großer Reiz. Namentlich diejenigen Stellen, wo der Emailüberzug dünn und durchsichtig ist und der Kupferton durchschimmert, wirken sehr schön; es entsteht da ein feuriges, irisierendes, rötliches Lichterspiel, das jedenfalls dieser

besonderen Technik ganz allein zu eigen ist.

Die Beschläge sind in matter, moderner Vergoldung gehalten und machen der ausführenden Firma alle Ehre. In der Emailkunst unserer Tage macht sich unleugbar das Bestreben geltend, das Emaillieren künstlerisch zu heben und die enormen dekorativen Wirkungen, deren gerade diese Technik fähig ist, zu entwickeln. Es ist das eine Bewegung, analog derjenigen, welche der bisher üblichen Glasmalerei die moderne Kunstverglasung gegenüber gestellt und zu so ungeahnten Wirkungen gebracht hat. Die Behrndschen Gefäße bedeuten für die Emaillierkunst einen begrüßenswerten Schritt in dieser Richtung, dem man den wohlverdienten Erfolg wünschen muß. R. R.

Kunst und Luxus.

Das ist ohne Zweifel ein Thema für eine Goldschmiedezeitung. Denn bei keinem Gewerbe wohl versteckt sich so oft die Gleichgültigkeit und die Verständnislosigkeit für das erstere hinter der Angst und der Abneigung vor dem Letzteren. Wer für die Kunst an einem Goldschmiedewerk nichts ausgeben will, spielt sich als prinzipiellen Gegner von jedem prunkenden Luxus auf, und wer bei irgend einer Gelegenheit eine Menge Geld für einen bloßen Luxusartikel ausgegeben hat, glaubt etwas für die Kunst getan zu haben. Tatsächlich spielen ja auch die beiden Begriffe in viel höherem Grade ineinander, als die meisten Menschen ahnen, und der in den letzten Jahren erfolgte Umschwung in den Ansichten über die Stellung des Kunstgewerbes, das viele Gerede über Materialechtheit und Zweckerfüllung im Kunstwerk, haben die Ansichten gerade über diesen Punkt

noch verworrener gemacht, als sie normalerweise zu sein brauchten. Einmal heißt es, jedes Surrogat sei unkünstlerisch, es dürfe nur echtes für Kunstwerke zur Verwendung kommen. Dann soll die Kunst wieder dem Volke mundrecht gemacht werden, und deshalb billige Erzeugnisse liefern, weil das Volk

EMAIL-ARBEITEN VON EUGEN FEUILLÂTRE, PARIS.

(Aus „Der moderne Stil" von Jul. Hoffmann, Stuttgart.)

sich keinen „Luxus" leisten kann. Erst soll der praktische Zweck die Hauptrichtschnur für das Schaffen des Gewerbekünstlers abgeben, und andererseits soll die Kunst die bloße Nützlichkeit verschönernd verhüllen. Wo die bloße Zweckmäßigkeit aufhört und die Kunst anfängt, ist eine Frage für sich, die wir hier nicht weiter erörtern wollen. Wo aber die Kunst aufhört, und der Luxus anfängt, könnte wohl einmal näher beleuchtet werden. Da müßten wir uns aber erst einmal darüber klar werden, was wir unter der Bezeichnung „Luxus" verstehen wollen. Ist Luxus etwas unberech

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tigtes, etwas verwerfliches an sich? Wir können das als Goldschmiede natürlich nicht annehmen; denn wir müssen zugeben, daß unser Stand großenteils seinen Verdienst aus Gegenständen des Luxus zieht, insofern jedenfalls, als man ja ganz wohl im stande ist, behaglich zu leben, ohne mit Werken der Goldschmiedekunst umgeben zu sein. Es ist jedenfalls ein gewisser Luxus, sich derlei zu kaufen. Andererseits wird jedermann sagen müssen, daß es eine Art gibt, Luxus zu entfalten, die unter allen Umständen verwerflich ist, und an der niemand, und der auf seinen Stand und seine Kunst stolze Goldschmied am allerwenigsten, Freude haben kann. Wir müssen aus dieser Betrachtung schließen, daß es zweierlei Arten von Luxus gibt, einen berechtigten und einen unberechtigten. Der erste ist der künstlerische Luxus, der zweite der protzenhafte. Wer die erstere Art betreibt, ist ein Mäcen, ein Förderer der Kunst, wer sich der zweiten ergibt, ist ein Protz, der wahrer Kunstübung von jeher schädlich gewesen ist.

Von künstlerischem Luxus zu sprechen, ist nicht ganz logisch. Denn jede Kunst gehört eigentlich unter den Begriff „Luxus" im weitesten Sinne. Die Kunst auch die Kunst im Handwerk - fängt eben immer erst da an, wo die bloße Zweckmäßigkeit aufhört. Das schon oben erwähnte Gerede, daß der Kunsthandwerker die Schönheit seiner Erzeugnisse aus ihrem Zweck herleiten müsse, ist nichts als eine doktrinäre Philosophisterei. Wie will denn ein Goldschmied die Schönheit einer Brosche aus ihrem Zweck herleiten? Eine Brosche hat überhaupt keinen praktischen Zweck. Das einzige Praktische, was sie an sich hat, ist die Nadel zur Befestigung. Und die ist für die Brosche da, aber nicht umgekehrt. Man könnte mit der gleichen Berechtigung verlangen, ein Maler solle den Inhalt seiner Gemälde von ihrem praktischen Zweck herleiten, nämlich den, daß man sie bequem aufhängen kann.

Man verstehe mich nicht falsch; ich weiß ganz genau, daß bei dem Entwurf einer Brosche sehr viel Rücksicht darauf genommen werden muß, daß sie technisch herstellbar und bequem zu tragen ist. Das sind aber bloß Beschränkungen für den entwerfenden Künstler, und keine Motive, aus denen man Formen entwickeln kann. Solange der praktisch erfahrene Zeichner sich in den Grenzen dieser Beschränkungen hält, ist er künstlerisch vollkommen frei. Seine Aufgabe ist eine eigentlich ideale zu nennen; sie hat keinen anderen Zweck, als für die Brosche diejenige Schönheit des Musters zu erfinden, welche das Auge ihres künftigen Besitzers erfreuen soll. Die Freude am künstlerisch Schönen aber ist etwas, das über die bloße Notdurft des Lebens hinausgeht, sie ist ein Luxus. Und zwar einer, der nur in Ausnahmefällen gratis zu haben ist. Man könnte nun versucht sein, zu sagen, daß für jeden Menschen der berechtigte Luxus da aufhöre, wo er das vernünftige Maß der verfügbaren Mittel überschreite. Man sagt ja wohl, daß es Menschen gebe, denen ihr Geldbeutel die Verpflichtung auflege, Austern zu essen, während für andere aus der gleichen Quelle der Zwang erfolge, mit Kartoffeln als Zukost vorlieb zu nehmen. Aber aus den sozialen Verhältnissen kann man keine derartigen Regeln ableiten. Sehe jeder wie er's treibe. Wer viel Wert auf Kunstgenuß legt, der wird viel pekuniäre Opfer bringen, wer mehr für Tafelfreuden schwärmt, wird sein Geld in Küche und Keller anlegen. Es gibt freilich für alles das eine vernünftige Grenze, die nicht überschritten werden soll; diese aber zu ziehen, muß man den einzelnen selber überlassen.

Die Frage nach berechtigtem und unberechtigtem, nach künstlerischem und nach protzenhaftem Luxus muß vielmehr als Geschmacksfrage behandelt werden. Wie viel Geld bei der einen oder anderen Kategorie verausgabt wird, darf bei einer derartigen theoretischen Klarlegung überhaupt nicht in Betracht kommen. Die Frage muß vielmehr so gestellt werden: Ist für die jeweilige Ausgabe ein entsprechender ideeller, respektive künstlerischer Genuß gewährleistet, oder ist dies nicht der Fall? Ist die erste Bedingung erfüllt, so haben wir einen künstlerischen, also berechtigten Luxus, im gegenteiligen

Fall einen nicht berechtigten, protzenhaften. Dabei ist es sehr leicht denkbar, daß in dem einzelnen Fall der betreffende Käufer oder Eigentümer nichts weniger als protzenhafte Neigungen hat, daß er vielmehr ein persönlich bescheidener Mensch ist, der vielleicht den aufrichtigen Wunsch hat, sich einen künstlerischen Genuß zu verschaffen. Aber im Bewußtsein eines unselbständigen, schwachentwickelten und gar nicht ausgebildeten Geschmackes fügt er sich eben dem protzenhaften Geschmack der großen Masse, und kauft etwas, bei dessen Anblick er sich einbildet, einen Kunstgenuß zu haben, während er tatsächlich einen Geuuß ganz anderer Art hat. Und hier haben wir nun den Punkt erfaßt, auf den es ankommt: Wodurch unterscheidet sich der Genuß, den uns ein echtes, wenn auch noch so luxuriöses Kunstwerk bereitet, von der Empfindung, den der Gegenstand eines falschen und protzenhaften Luxus hinterläßt? Können wir uns diese Frage beantworten, so wird die gesuchte Grenze leicht zu ziehen sein.

Ich glaube, daß die Frage in folgender Art zu lösen sein wird. Beim echten Kunstgegenstand wird stets die Freude an seinem künstlerischen Wert, beim reinen Luxusobjekt die Freude an seinem Besitz das überwiegende sein, oder anders ausgedrückt, an seinem materiellen Werte. Es ist also der allgemeine, große Gegensatz zwischen Materialismus und Idealismus, der auch die Grenze zwischen Kunst und Luxus bezeichnet. Die Freude am Besitz ist ja gewiß etwas durchaus Menschliches und Gerechtfertigtes. Ich werde einen Kunstgegenstand, der mir gehört, doppelt genießen, wenn ich es in dem bebehaglichen Gefühl tue, daß ich mir den Genuß jeder Zeit und in beliebiger Ausdehnung gestatten kann. Wer aber beim Betrachten seines Besitzes bloß an seinen Geldwert denkt, und sich vorwiegend darüber freut, daß er sich so etwas leisten kann, andere Leute aber nicht, so ist das eben ein Protz, und es ist schade um jeden Kunstgegenstand, der ihm unter die Finger kommt. Dabei ist es nicht einmal nötig, daß es sich um große Geldwerte handelt. Man kann ebenso einen unberechtigten Luxus treiben mit Dingen, die sehr wenig kosten, aber so aussehen, als ob sie sehr kostbar wären. Man kann ebenso gut ein armer, wie ein reicher Protz sein.

Warum wir diese Dinge hier in der „Goldschmiedezeitung" zur Sprache bringen? Weil nirgends die Kunst und der Wert künstlerischer Arbeit so empfindlich durch das Hervordrängen eines unberechtigten Luxus geschädigt werden, als in der Kunst des Goldschmiedes. Weil nirgends das Verhältnis dessen, was für die Kunstleistung bezahlt wird, so jämmerlich gering ist, im Verhältnis dazu, was man gern und willig für das Material anlegt. Ich will nur einmal einen bestimmten Fall herausgreifen. Welche Summen werden wohl alljährlich in unseren hohen und höchsten Kreisen für Diamanten und Perlen ausgegeben? Es wird besser sein, erst gar keine Schätzung zu versuchen. Hat man nun aber je davon gehört, daß der Versuch gemacht worden wäre, einmal einen unserer hervorragenden Künstler heranzuziehen, und, unter Auswerfung einer dem Werte des Materiales entsprechenden Summe, eine wirklich künstlerisch neue und originelle Lösung für die Fassung und Zusammenstellung der kostbaren Dinger zu finden? Ich glaube nicht, daß jemand ein Beispiel dafür anführen könnte. Man kann in letzter Zeit erfreulich oft lesen, daß der oder jener Gewerbekünstler von einer kunstliebenden Fürstlichkeit einen Auftrag erhält. Der Schmuckkünstler geht dabei leer aus; ihm wird bloß die fertige Ware abgekauft, wenn sie kostbar genug und er Hofjuwelier ist. Mit Ankäufen ist einem Kunsthandwerk aber nicht allein gedient. Das eigentlich ideell und materiell zugleich fördernde sind die Aufträge. Dadurch ist die französische Juwelierkunst groß geworden, weil sie nicht bloß zahlungsfähige Käufer, sondern verständnisvolle Auftraggeber mit vorwiegend künstlerischen, nicht rein luxuriösen Tendenzen fand. Wenn unsere deutsche Goldschmiedekunst das auch einmal in genügendem Maße gefunden haben wird, braucht uns um ihre Zukunft nicht mehr bange zu sein.

R. Rücklin..

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