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und Gefäßen unseres heutigen Heftes hervor, die zu weltlichem Gebrauche bestimmt sind. Man betrachte sich die beiden Leuchter mit ihren frisch, so ohne alle Prätension oder ausgeklügelte Pose hingestellten Figuren. Für einen großen Maßstab wären sie viel zu unfeierlich, viel zu unbekümmert um den Beschauer. Ihre prächtige, kinderhafte Naivetät ist eben das, was sie künstlerisch für den besonderen kleinen Maßstab geeignet macht, was beweist, daß der Kleinplastiker Riegel nicht nur des besonderen maßstäblichen Schaffens, sondern auch der besonderen künstlerischen Auffassung fähig ist, welche erst aus der Kleinplastik ein künstlerisch selbständiges Gebiet macht. Von besonderer Keckheit und humorvoller Phantastik ist der in Kokosnufjschale geschnitzte Kinderfries auf dem Becher Seite 235. Die übermütige Derbheit, die hier in Komposition und Ausführung erreicht ist, zeigt, welcher Großzügigkeit die Kleinplastik in der Hand eines Meisters fähig werden kann.

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Ein ganz besonders dankbares Feld erwächst der Kleinplastik in der Tier- und Pflanzendarstellung. Ein

Schale in Rosenquarz

entzückendes Beispiel dafür bietet das montierte Horn auf Seite 237. Wie lebensvoll und naiv muten all die Tier- und Menschenfiguren, das Blumen- und Pflanzengeranke an, das so reich und dabei so diskret über die Metallteile sich ausbreitet! Welch sicherer Humor und feinsinnige Kunst spricht sich in der unbefangenen, gestrichelten und gepunkteten Dekoration des Bockes aus, der das Horn zwischen seine Hörner genommen hat! Das sind alles besondere Reize, welche in dieser Art nur der Kleinplastik zu Gebote stehen.

Genug der geschriebenen und zu lesenden Betrachtungen. Es wird dem aufmerksamen Leser ein Leichtes sein, noch weitere kleinplastische Schönheiten an unseren Abbildungen zu entdecken, wenn er sich in einen aufmerksamen Beschauer verwandelt. Er wird dann auch erkennen, daß nicht die Kleinplastik als solche vom Gebrauchsgerät entfernt gehört, sondern nur die unkünstlerische, welche, unfähig ihre eigenen Schönheiten und Wirkungen zu entwickeln, nach fremden greift, welche weder zu ihr noch zum Gebrauchsgerät gehören. R. R.

Sollen außergerichtliche Vergleiche (Akkorde) unter gesetzlichen Schutz gestellt werden?

DIESE Frage ist neuerdings in verschiedenen Ver

bänden, auch in der letzten Generalversammlung des Grossistenverbandes unserer Branche, wieder ventiliert worden, und man hat sie in kaufmännischen Kreisen mit Ja und Nein beantwortet. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß eine gerichtliche Beaufsichtigung eines außergerichtlichen Schuldvergleiches oder Akkordes mit den Gläubigern keineswegs etwas Neues bedeuten würde. In außerdeutschen Ländern ist die Stellung des Akkordes unter gesetzlichen Schutz längst erfolgt. Wir brauchen die Blicke nur über den Kanal hinüber zu lenken. In England besteht ein solcher Court of equity oder Ausgleichsgerichtshof. Ihm sind die außer

gerichtlichen Akkorde zugewiesen, d. h. diejenigen Akkorde, die angeboten werden, ohne daß es zur Eröffnung des Konkursverfahrens kommen soll. Amtspersonen prüfen auf Antrag der Gläubiger die Verhältnisse des Schuldners und den gemachten Akkordvorschlag und geben ihr Gutachten der Gläubigerschaft ab. Ist das geschehen, so wird über den Ausgleich, wie beim Zwangsvergleich im Konkursverfahren, abgestimmt. Erlangt der Vergleich die Mehrzahl der Stimmen, so gilt der Ausgleich auch gegen die Gläubiger, welche gegen ihn gestimmt oder sich an der Abstimmung überhaupt nicht beteiligt haben. Die Minderheit wird, wie beim Zwangsvergleich, majorisiert.

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In Frankreich besteht eine ähnliche Einrichtung in den sogenannten Syndicats commercials. Diese Handelssyndikate werden ebenfalls angerufen, wenn es gilt, die Verhältnisse bei einem außergerichtlichen Vergleich zu prüfen und Klarheit darüber zu erlangen, ob es sich empfiehlt, dem Akkord beizutreten oder nicht. In Deutschland hat man bei Schaffung der Reichskonkursordnung wohl auch daran gedacht, den außergerichtlichen Akkorden gesetzlichen Schutz zu verleihen, aber es erhoben sich damals schwere Bedenken gegen die Aufnahme derartiger Bestimmungen. Man sagte, daß schon der Zwangsvergleich ein Eingriff in die Rechte des Einzelnen sei, und daß man auf dieser Bahn nicht weitergehen dürfe. Warum soll man aber das, was man dem Zwangsvergleich im Konkursverfahren zugestand, nicht auch dem außergerichtlichen Akkord zugestehen können? M. Gottschalk hat in seiner trefflichen Schrift über „Die Abänderung der deutschen Konkursordnung", die uns die Anregung zu diesen Zeilen gegeben hat, die verschiedentlichen Einwände gegen die Durchführung des Akkordschutzes näher beleuchtet und gezeigt, daß dieser Schutz große Vorteile aber kaum nennenswerte Nachteile für den Handelsverkehr bringen würde.

Zunächst würde, wie in England und Frankreich, die Zahl der Konkurse, welche nur allzuviel gutes Geld der Gläubigerschaft durch das Auflaufen der Gerichtskosten entziehen, erheblich geringer werden, denn in den meisten Fällen würde man zu dem

Schreibzeug

billigeren Verfahren des Akkordes greifen, wenn es die Garantie rechtlichen Schutzes bietet. Das wäre schon ein großer Vorteil, denn Hundertausende von Mark werden im Deutschen Reiche alljährlich für Gerichts- und Sachverwalterkosten im Konkursverfahren weggeworfen, die noch recht gut mit zur Verbesserung der Lage der beteiligten Gläubiger, die ohnehin gewöhnlich schwer geschädigt sind, dienen könnten. Heutigestages, wo ein gesetzlicher Schutz nicht existiert, werden die außergerichtlichen Akkorde verhältnismäßig immer seltener. Man sieht wohl ein, daß Geld gespart werden könnte, aber man traut den Angaben nicht, welche der Schuldner in seinem Zirkular, das mit den inhaltsschweren Worten: „Leider sehe auch ich mich in die traurige Lage versetzt usw." ginnen pflegt, für den Akkord ins Treffen führt. Man traut auch dem Sachwalter des Schuldners nicht, weil er doch eben der Anwalt des Schuldners und als solcher nicht objektiv ist, weil er selbst über die Lage des Schuldners, auf dessen Angaben er sich verläßt, getäuscht werden kann. Nur zu oft werden die Tatsachen verschleiert, ein unwahrer, ungünstiger Status wird ins Feld geführt, um den Schwindelakkord zustande zu bringen, und wenn der Akkordierende das Glück hat, denselben wirklich durchzubringen, so hat er ein gutes Geschäft gemacht und die Gläubiger sind die Geprellten.

Aber gerade derartigen unlauteren Manieren würde durch einen gesetzlichen Schutz, der den Akkord unter

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Ganz anders aber geht es zu, wenn ein Ausländer geschäftshalber in die Bassa orefice kommt. Ist es ein Neuling, etwa ein Deutscher, blond, mit sorgsam gebürstetem Scheitel und dem unvermeidlichen Kneifer auf der Nase, ein grauenvolles Italienisch radebrechend, dann nehmen die durchtriebenen Gesichter der mit allen Wassern gewaschenen orefici sofort einen Ausdruck gutmütiger Liebenswürdigkeit an, sie hören ohne äußerlich erkennbare Heiterkeit das hilflose Kauderwelsch an, klopfen dem Braven, den sie schon von vornherein als Opfer betrachten, väterlich die Wange, streicheln ihm den blonden Scheitel und übergießen ihn in ihrem singenden, schleifenden Dialekt mit einer Flut von Höflichkeitsphrasen, von denen er natürlich keine Silbe versteht.

,,O, wie sympathisch Sie sind, was für ein hübscher Typus man möchte Sie für einen Napolitaner halten wie intelligent - und wie gut Sie italienisch sprechen!" Dann wird der Hut aufs Ohr gerückt, der unvermeidliche Zahnstocher einen Augenblick aus dem Mundwinkel genommen und es beginnt ein interessiertes Anstarren der Ware, die der Fremde zu verkaufen beabsichtigt. Natürlich lassen sich's die Nachbarn nicht nehmen, dem interessanten Vorgang beizuwohnen und es entspinnen sich dann, wenn's ans Handeln geht, oft Szenen von überwältigender Komik. Jeder Preis, den der Verkaufende nennt, löst ein entrüstetes Gekreisch aus, und die Zuschauer geraten nicht selten dabei in eine tumultuose Wortschlacht. Schließlich hat der orefice ein Häuflein Ware ausgesucht, der Fremde rechnet korrekt den Gesamtbetrag aus und präsentiert den Zettel; der wird eine Zeitlang mit starren Augen angeschaut, dann erschallt einer der beliebtesten napolitanischen Vulgarismen, die der Blonde zum Glück nicht versteht, und der orefice bietet lächelnd ein Drittel der geforderten Summe. Der Verkäufer will entrüstet auffahren, wird aber sofort mit ein paar

Liebenswürdigkeiten beschwichtigt und die Nachbarn reden alle zugleich aufgeregt auf ihn ein. Von da an nehmen die Verhandlungen einen wirren, ohrenbetäubenden Charakter an, der Fremde will seine Ware wieder einpacken, der Napolitaner reißt sie wieder an sich, und wenn endlich mit Spucken, Fluchen, Schwören und Schreien eine Einigung erzielt ist, dann ist der Napolitaner ganz sicher nicht der Geprellte. Sofort wird dann der schmutzige ragazzo fortgeschickt, um die nötigen Wechselformulare beim Tabakhändler zu holen und das Ausfüllen derselben dient wieder zur Eröffnung der Feindseligkeiten, denn der Käufer will die Skadenzen in eine ferne, ferne Zukunft legen, was wiederum von den Nachbarn eifrig befürwortet wird. Ist auch dieser Streit geschlichtet, dann tauchen allerlei sonderbare Gestalten auf, die sich „als Angestellte des Hauses" vorstellen und von dem Verkäufer nach geheiligter Tradition ein Trinkgeld für den glücklich abgeschlossenen Handel heischen; dieses Verlangen wird fast immer mit solcher Dringlichkeit gestellt und mit einer so gewaltigen Redeflut unterstützt, daß es schlechterdings kein Entrinnen gibt. Und auch dazu nicken die Nachbarn zufrieden und verständnisvoll mit den Köpfen.

Die Rentabilität eines Geschäftsbesuches in der Bassa orefice mag äußerst fragwürdig sein, ein besonderes Risiko ist aber keineswegs vorauszusetzen. Wohl kommt es vor, daß einmal einer von der Gilde mit Hinterlassung größerer oder kleinerer Schulden das Weite sucht, das sind aber doch verhältnismäßig seltene Ausnahmen, und die unheimlich langlebigen Wechsel werden von den Spezialbankiers der Bassa orefice meist ohne Sträuben diskontiert.

In der Geschichte Neapels, mit seinem enormen Schmuckverbrauch, wird aber dieses interessante Quartier seinen besonderen Platz finden, und wenn in vielleicht nicht ferner Zeit moderne Prachtbauten aus dem ehemaligen schmutzigen Gewinkel wachsen, wird der Ortskundige lächelnd an der Stelle vorübergehen, wo ehemals die verschmitzten orefici mit ihrer überlegenen Schachergabe die korrekt gescheitelten Blonden mit dem unvermeidlichen Kneifer nach den Satzungen des napolitanischen galantuomismo übers Ohr zu hauen pflegten.

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Ein Besuch in den mexikanischen Silberminen.

AMERIKA zeigte vor kurzer Zeit der Welt, daß

es bereit war, gegebenen Falles die Grenze Mexikos zu überschreiten und die Heißsporne des Silberlandes zur Vernunft zu bringen. Wenn man weiß, in welchem Maße amerikanisches Geld an der Ausnutzung des hervorragendsten Produktes des Landes, des Silbers, beteiligt ist, wundert man sich über dieses

offiziell als vollkommen selbstlos hingestellte Interesse nicht. Vor etwa zwei Jahren eröffnete mir ein Besuch dieser Minen und das Studium ihres Betriebes einen Einblick in die ökonomischen Verhältnisse, die, vielleicht wenig bekannt, selbst eine eingehendere Betrachtung verdienen. Man halte sich vor Augen, daß Mexiko allein mehr als ein Drittel der gesamten Silberproduktion

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Professor Ernst Riegel

der Erde bestritten hat, daß eine ungefähre Schätzung des dort seit 1521 geförderten Silbers etwa 100000 Tonnen im Werte von 17 bis 18 Milliarden Mark ergibt, denn der Wert des Silbers stand bis zum Jahre 1550 auf 120 Mk. das Pfund und von dort bis auf 1875 auf 80 Mk. und darüber. Damit ist aber die gesamte bisherige Silberausbeute Mexikos noch nicht erschöpft, denn Montezumas und seiner Vorgänger Reichtum beruhte schon zum größten Teile auf der Förderung des Silbers. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß von den anderen Ländern des spanischen Amerika nur zwei bedeutende Silberproduzenten gewesen sind, nämlich Peru mit etwa 6 bis 7 Milliarden und Bolivia mit etwa 1 Milliarde.

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Einige der Silberminen sind in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt gelegen, aber die reichsten Distrikte befinden sich in dem zum Teile weglosen Gebirgslande von Guanajato, Zacatecas, Catorée, das einen ausgezeichneten Boden für den Guerillakrieg bietet und

in dem deshalb auch kürzlich die Rebellen, die Gegner des Pontiorio Diaz, ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten. Über das ganze Gebiet der Silberminen verstreut trifft man auf zahlreiche Salzlagunen, ein Zeichen dafür, daß einst das ganze 2000 Meter hohe Hochplateau Zentralmexikos mit einem See bedeckt war. Dieser Umstand ist für das Land ein sehr glücklicher gewesen, denn ihm verdankt es in erster Linie die Bildung der Silberminerale, da es keinem Zweifel unterliegt, daß es das Meersalz gewesen ist, durch welches das Silber in Gestalt von Silberchlorür in den Erzgängen niedergeschlagen wurde. Das Salz war das aufsaugende Agens, dem das Silber Folge leisten mußte, so daß es in späteren Jahrtausenden, als die Wasser sich verlaufen, dem Menschen nutzbar werden konnte. Dem Meersalze sind also die ,,Boleos" und die „Bonanzas" zu danken, die manchen armen Teufel über Nacht zum Millionär gemacht haben und die voraussichtlich dieses wohltätige Werk auch in Zukunft fortsetzen werden, wobei zu sagen ist, daß man im hiesigen Sprachgebrauch mit „boleo" die reichen Silberkerne und mit „bonanza" die Silbererzgebiete, die solche „boleos" enthalten, bezeichnet; denn nicht jede Silberader konstituiert eine Bonanza, und die Bonanza muß nicht immer eine Silberader sein; denn gerade die reichsten Fundorte stellen sich als massige Klumpen im Kalkfels dar, obwohl die silberführenden Impergnationsadern in gewissen jüngeren Eruptionsgesteinen ebenfalls oft genug den Namen einer Bonanza verdienen. Ein Name, der übrigens mit der Zeit seine Bedeutung wechselt, denn mit den verbesserten modernen Extraktionsmethoden werden immer weitere Gebiete abbaufähig und erweisen sich dann nicht selten als äußerst ergiebig, so daß von den 553 Silberdistrikten der gesamten 1902 Minendistrikte Mexikos heute nur wenige als aussichtslos gelten. ☐

Leuchter

Und dennoch tritt dem Besucher an manchen, einst hoch berühmten Minenorten der Verfall in so handgreiflicher Weise entgegen, daß man auch in der teilweisen Erschöpfung der Minen hierfür keinen genügenden Grund zu finden vermag. So in Zacatecas, dort wandert man durch Straßen mit prächtigen Häusern, die vollkommen leer stehen und langsam zerfallen, einem Schicksal, dem auch die prächtige Kathedrale nicht entrinnt, deren gotisches Maßwerk mit seinem wunderbaren Skulpturschmuck grausam vom Zahn der Zeit benagt wird. Sie wurde mit dem Silber dieser Bergwerke, deren Öffnungen man rings um die Stadt

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