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Bericht über die Gründungs-Versammlung des Kriegsausschusses für Zivildienstarbeit im Uhrmacher-, Goldschmiede- und Graveur-Gewerbe

zu Leipzig.

Der Obermeister der Uhrmacher-Zwangsinnung zu Leipzig, Herr Robert Freygang, der I. Vorsitzende des Leipziger Graveurverbandes, Herr Otto Groß und der II. Vorsitzende der Freien Vereinigung der Juweliere, Gold- und Silberschmiede zu Leipzig, Herr Otto Meschke, hatten für Sonntag, den 18. Februar, Vormittag 11 Uhr nach dem Hausväter-Verband, Marienstraße 7 zu einer Versammlung mit dem Zwecke: „Gründung eines Kriegsausschusses bezw. einer Werkgenossenschaft des Uhrmacher-, Goldschmiede- und Graveurgewerbes" eingeladen. Diese Versammlung war von etwa 100 Fachgenossen und Gästen besucht und wurde von

Herrn Obermeister Freygang mit folgenden Worten eröffnet: Sehr geehrte Herren! Ich heiße Sie alle herzlich willkommen. Mir ist der ehrenvolle Auftrag geworden, diese heutige Versammlung zu eröffnen. Zunächst stelle ich fest, daß sie ordnungsgemäß einberufen, von mir auch bei der Polizeibehörde angemeldet und die Versammlungsanzeige von der Behörde bestätigt wurde. Ich habe Sie auf den Zweck des heutigen Zusammenseins aufmerksam zu machen. Wie Sie bereits aus der Einladung ersehen haben, handelt es sich um die Gründung einer Werkgenossenschaft für Kriegsarbeit. Es wird sich zunächst nötig machen, für die heutige Versammlung, nachdem sie eröffnet ist, ein Büro zu wählen, und ich möchte Sie bitten, dieses erst zu tun. Vorerst liegt mir aber eine Pflicht ob, die ich nicht zu erledigen versäumen will. Sie alle haben wohl die verschiedenen Zuschriften der „Beratungsstelle über Zivildienstarbeit" bekommen. Herr Diebener und die Herren Fichte und Boettcher, die ihm geholfen haben, unterzogen sich dieser wenig dankbaren Aufgabe mit vieler Mühe und großen Geldkosten. Es ist unsere Pflicht, Herrn Diebener öffentlichen Dank für alle geleisteten Vorarbeiten auszusprechen. Sie gestatten, daß ich dieses in Ihrem Namen tue. Ich bitte Sie, sich von Ihren Sitzen zu erheben. (Geschieht). Es würde nun der erste wichtigste Punkt sein, Vorschläge für das Büro zu machen.

Herr Fichte: Meine Herren! Da sich von Ihnen Niemand finden will, der einen Vorschlag macht, gestatte ich mir zu empfehlen, daß wir Herrn Freygang, der die Leitung in die Hand genommen hat, die weitere Verhandlungsführung überlassen, Herr Groß und Herr Meschke wirken als Beisitzer, Herrn Boettcher haben wir das Schriftführeramt vorweg übertragen; wenn aber Jemand gerade in letzterem Punkte andere Wünsche hat, so bitte ich um andere Vorschläge.

Herr Freygang: Es ist soeben ein Vorschlag von Herrn Fichte gemacht worden. Findet dieser Vorschlag Zustimmung?

Zuruf: Jawohl!

Herr Freygang: Es ist in Ihrem Sinne, daß ich die Versammlung heute weiter leite und daß die Herren Groß und Meschke assistieren?

Zuruf: Ja!

Herr Freygang: Ich danke Ihnen, meine Herren, für das Vertrauen und werde mich bemühen, mich in der Sache möglichst kurz zu fassen.

Herr Diebener: Meine verehrten Herren! Nach Annahme des Zivildienst-Gesetzes hat sich wohl jeder die Frage vorgelegt, inwieweit er dem Vaterland seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen müsse, und was er durch seine fachlichen Kenntnisse vielleicht Besonders leisten könne. Jedermann wird sich aber auch die schwerwiegendere Frage gestellt haben, was bei einer etwaigen Einberufung aus seinem Geschäft werden soll, besonders, wenn seine Dienste außerhalb seines Wohnortes gefordert werden. Die Fachpresse, die ich zugleich hier vertrete, steht im Zivildienst. Ihre Bedeutung für denselben ist seitens unserer Behörden damit öffentlich anerkannt worden. Das ist ein hohes Lob, wie es der Fachpresse wohl selten und dazu noch von maßgebender Stelle ausgesprochen wurde, und ich hoffe zuversichtlich, daß sich auch unsere Fachgenossen selbst, denen die Erkenntnis vom Werte ihrer Presse nicht immer zum Bewußtsein kommt, sich dieser von höchster Stelle erfolgten Eintaxierung recht oft erinnern werden. Ich selbst, sowie meine Mitarbeiter, sind also durch die Ausübung ihres Berufes als im Zivildienst stehend anerkannt worden. Hierdurch erhöhen sich aber auch unsere Pflichten der Allgemeinheit gegenüber, die wir - ich stehe nun schon während eines Zeitraumes von 23 Jahren an der Spitze Ihrer Fachpresse - jederzeit gern erfüllt haben. Die Pflicht des Augenblickes wies uns darauf hin, für unsere Fachgenossen die Möglichkeit herbeizuführen, auch ihrerseits die geforderte Dienstpflicht durch Übernahme von Arbeiten innerhalb ihres Wohnortes erfüllen zu können, um dadurch eine Weiterführung ihres Geschäftes zu ermöglichen. Das ist der Kernpunkt der Sache, das Ziel, wonach wir strebten, dessen Erreichung uns deshalb auch von hohem Wert erschien, weil die feinmechanische und metalltechnische Kleinarbeit für die Kriegswirtschaft stark begehrt ist. So kamen wir also zur Begründung der Beratungsstelle, deren Hauptzweck es ist, zwischen dem Kriegsamt und den Beschaffungsstellen einerseits und unseren Fachgenossen bezw. den bestehenden oder zu begründenden Organisationen andererseits, eine Verbindung herbeizuführen. Sobald dies geschehen, ist die Aufgabe der Beratungsstelle erfüllt; wir treten alsdann zurück, um Ihrer Leipziger Organisation für ihren Bezirk das Weitere zu überlassen, erklären uns aber bereit, auch ferner mit unserem Rat Ihnen zur Seite zu stehen. Es dürfte für Sie interessant sein, den Umfang der von uns hervorgerufenen Bewegung und ihre Resultate kennen zu lernen, worüber Herr Fichte, der Sekretär der Beratungsstelle, Mitteilung zu machen in der Lage ist. Herr Freygang: Ich erteile Herrn Fichte das Wort!

Herr Fichte: Meine Herren! Was ich Ihnen heute zu sagen beauftragt bin, ist im allgemeinen weder etwas be

sonders Neues, noch etwas ganz Eigenartiges.

Es stammt zum Teil aus dem Gesetz, zum Teil auch aus dem Aufruf, der Ihnen allen zugegangen ist, aber zum Teil auch aus den Verlautbarungen, die wir als „Kurze Mitteilungen“ in unseren Organen veröffentlichten. Aber wie es allen Drucksachen meistens geht, so ist es auch diesen Veröffentlichungen ergangen; sie sind nur halb oder nicht mit der erforderlichen Überlegung gelesen, jedenfalls nicht so beachtet worden, als sie es hätten werden müssen. Sonst wäre diese Versammlung heute wohl nicht nötig gewesen, oder richtiger: Sie hätten schon früher den inneren Drang gefühlt, zur Gründung eines Kriegsausschusses bezw. einer Genossenschaft zu schreiten. Zunächst möchte ich aus dem Gesetz den springenden Punkt herausheben. Es ist der § 1, der folgendermaßen lautet:

„Jeder männliche Deutsche vom vollendeten siebzehnten bis zum vollendeten sechzigsten Lebensjahre ist, soweit er nicht zum Dienste in der bewaffneten Macht einberufen ist, zum Vaterländischen Hilfsdienst während des Krieges verpflichtet".

Und da mich einer der zur Zeit noch nicht anwesenden Herren gefragt hat, was ihm geschehen könnte, wenn er sich um die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht kümmern würde, so will ich noch den § 18 erwähnen, der, soweit er uns für diesen Fall interessiert, folgenden Wortlaut hat: ,,Mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen oder mit Haft wird bestraft,

1. wer der auf Grund des § 7 Abs. 3 angeordneten Überweisung zu einer Beschäftigung nicht nachkommt, oder sich ohne dringenden Grund beharrlich weigert, die ihm zugewiesene Arbeit zu verrichten.

Das ist so in der schlichten Einfachheit alles, was das Gesetz zu sagen hat, und es ist doch sehr viel, denn es ist geeignet, in unsere Verhältnisse ganz gewaltig einzuschneiden. Nicht von heute zu morgen, aber so nach und nach werden die Hilfskräfte gebraucht und angefordert werden.

Die Heranziehung wird, wie die Ausführungsbestimmungen besagen, etwa in folgender Art erfolgen: Zunächst soll jeder Hilfsdienstpflichtige sich eine ihm zusagende Beschäftigung im Vaterländischen Hilfsdienst suchen. Öffentliche Aufforderungen zu freiwilligen Meldungen sind allerorts wohl schon ergangen. Wird dieser Aufforderung nicht entsprochen, so kann der einzelne Hilfsdienstpflichtige durch besondere schriftliche Aufforderung eines Ausschusses, der für jeden Bezirk einer Ersatzkommission (Bezirkskommando) gebildet werden wird, herangezogen werden. Wer von diesem Ausschusse die schriftliche Aufforderung zur Tätigkeit im vaterländischen Hilfsdienste erhalten hat, ist verpflichtet, sich innerhalb zwei Wochen bei den öffentlichen Vermittlungsstellen Arbeit zu suchen. Geschieht das nicht, dann kann der Ausschuß ihm eine Beschäftigung anweisen. In Leipzig hat das Bezirkskommando, wie es Ihnen bekannt ist, schon die ersten Schritte getan, indem es einige selbständige Goldschmiede, Uhrmacher und Graveure, auch Kürschner, also Angehörige aller Gewerbe, die man als Luxusgewerbe ansieht, aufgefordert hat, sich eine polizeiliche Bescheinigung darüber ausstellen zu lassen, daß sie voll beschäftigt seien. Ebenso lasen wir in Briefen, die uns aus kleinen Plätzen zugingen, daß Aufforderungen, sich zur Stammrolle für den Hilfsdienst anzumelden, ergangen sind. Die Entwicklung wird anscheinend so vor sich gehen, daß man erst die Angehörigen der Luxusgewerbe nimmt, die nicht voll beschäftigt sind, dann die Vollbeschäftigten, und dann nach und nach die anderen Gewerbetreibenden. Freibleiben werden zum Schlusse wohl nur diejenigen, die bereits im kriegs wirtschaftlichen Sinne tätig sind. Wie

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diese Einberufung in anderen Landesteilen vor sich geht, werden Ihnen die Stellen aus einigen Briefen beweisen, die ich Ihnen vorlesen will:

,,In hiesiger Stadt und in den Nachbarstädten ist jeder Mann bereits dem Zivildienst eingereiht".

Im Rheinland bezw. Westfalen hat man davon anscheinend eine andere Auffassung, wie sie sich in folgender Briefstelle ausdrückt:

,,Das Generalkommando des 7. Armeekorps wird uns bestimmt nicht anfordern, da Leute für den Zivildienst genug vorhanden sind."

Auch in Leipzig sind genug Leute für den Zivildienst vorhanden, aber nach und nach wird sich das ändern: es wird Jeder genommen werden, der sich nicht vorher durch freiwilligen Eintritt in den Hilfsdienst geschützt hat. Eine andere Auffassung drückt sich in folgenden Sätzen aus, die sich mit der Gründung einer Werkgenossenschaft befassen: „Leider will sich keiner daran beteiligen, vielmehr besteht die Ansicht, lieber in einen fremden Betrieb überzugehen, wenn es verlangt wird.“

Es handelt sich hier um den Betrieb der Firma Carl Zeiss in Jena, der gemeint ist, in dem der Übergang wohl leicht sein würde. Aber was wir mit unseren Vorschlägen bezwecken, daß die Geschäfte weiter betrieben werden können, dürfte auch in diesem Falle nur schwer zu erreichen sein, wenn man die lange Arbeitszeit, die jetzt in allen Betrieben gefordert wird, in Betracht zieht.

Daß keine Schonung eintreten wird, können Sie daraus schon ersehen, daß eine Frauenarbeitsstelle für Kriegsarbeit beim Kriegsamt eingerichtet worden ist. Die Frau, die von dem Gesetz noch nicht getroffen wurde, wird in Voraussicht der notwendig werdenden Inanspruchnahme bereits vororganisiert.

Das Gesetz macht indessen auch Ausnahmen. Der § 2 sagt darüber

,,Als im vaterländischen Hilfsdienst tätig gelten alle Personen, die bei Behörden, behördlichen Einrichtungen, in der Kriegsindustrie, in der Land- und Forstwirtschaft, in der Krankenpflege, in kriegswirtschaftlichen Organisationen jeder Art oder in sonstigen Berufen oder Betrieben, die für Zwecke der Kriegsführung oder der Volksversorgung unmittelbar oder mittelbar Bedeutung haben, beschäftigt sind, soweit die Zahl dieser Personen das Bedürfnis nicht übersteigt."

Ich mache besonders auch auf den Nachsatz aufmerksam, welcher verhütet, daß irgend einer zu einem guten Freunde, der beispielsweise eine Bäckerei oder Fleischerei oder einen anderen Betrieb der vorgenannten Art besitzt,,,helfen“ geht. Das gibt es nicht. Es wird auch über die auf diese Art beschäftigten Personen eine Belegschaftsliste gefordert werden, die jede,,Schiebung" ausschließt. Es geht sogar noch weiter, denn das offizielle Mitteilungsblatt des Kriegsamtes erklärt, daß ein Industriebetrieb, dem der Rohstoff nicht geliefert wird, als überflüssig und nicht im kriegswirtschaftlichen Sinne tätig zu betrachten ist, wenn er es auch glaubt zu sein.

Für unsere Gewerbe tritt nun die Frage heran, ob sie als solche vielleicht eine mittelbare Bedeutung für die Kriegsführung im Sinne des Ausnahmeparagraphen haben könnten. Für das Goldschmiede- und Graveurgewerbe fällt diese Auffassung von selbst weg; für das Uhrmachergewerbe kann man die Frage aber bedingt bejahen. Ein Uhrmacher, der in einem Orte von 5000 sagen wir Einwohnern mit großer Umgebung noch als Einziger wohnt, der wird von der Ersatzkommission sicher als unentbehrlich betrachtet werden, besonders wenn er sich auch um öffentliche Uhren zu kümmern hat. Aber in den größeren

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Städten, wo noch viele Uhrmacher sind, muß man daran denken, daß eine Zusammenlegung der Betriebe, wie sie z. B. in der Textilbranche geschehen ist und als Folge des Hilfsdienstgesetzes weiter geschehen wird, angeordnet werden kann. Bei Ausschaltung aller Arbeit, die nicht im kriegswirtschaftlichen Interesse liegt, kann es kommen, daß nur ein Teil der Uhrmacher in der bisherigen Art beschäftigt wird. Eine Antwort des Kriegsamtes, welche im Dezember 1916 der „Deutschen Uhrmacher-Vereinigung“ zu Leipzig auf eine Eingabe gegeben wurde, die um die Entlassung garnison- oder arbeitsdienstverwendungsfähiger Uhrmacher gebeten hatte, läßt diese Annahme ohne Weiteres zu. Es wäre dann auch eine Aufgabe der Genossenschaft, die Arbeit unter alle Uhrmacher zu verteilen, anstatt zuzulassen, daß nur einige von ihnen den Betrieb in der alten Art weiter gehen lassen können, während die Mehrzahl schließen und andere Arbeit suchen muß.

Das ist zu sagen notwendig, weil der Irrtum über die möglichen Wirkungen des Gesetzes in den Kreisen der Uhrmacher gerade in bedenklicher Weise Boden zu fassen begonnen hat. Es ist bequem, eine Vogel-Strauß-Politik zu treiben, zumal sie den persönlichen natürlichen Neigungen Zugeständnisse macht. Ich will Ihnen etwas vorlesen, was uns eine Kriegsamtsstelle schreibt:

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Auf Ihre Zuschrift vom 19. Dezember teilen wir Ihnen ergebenst mit, daß wir uns in Unterstützung Ihrer Bestrebungen betreffend Aufrechterhaltung der Uhrmacherbetriebe mit einer Anfrage wegen Übernahme der Anfertigung von Zündern und Zünderteilen an die hiesige Uhrmacher-Innung gewandt haben. Dieselbe hat aber wegen Überhäufung mit Facharbeiten die Beteiligung an der Ausführung des Auftrages abgelehnt."

Meine Herren! Das ist ein Standpunkt, der an Kurzsichtigkeit nicht überboten werden kann. Sie dürfen nicht vergessen, daß, wenn der Krieg hätte mit Arbeitslosen geführt werden sollen, wir kaum eine Division an die Front bekommen haben würden. Sie alle, die schon seit Jahren für uns kämpfen und bluten, hatten volle Beschäftigung, sie mußten Haus, Hof und Geschäft, Weib und Kind verlassen, während Sie durch jene Opfer geborgen, sich in Sicherheit dem Weiterbetrieb Ihrer Geschäfte mit gutem Verdienste widmen konnten.

Das, was für die Armee gilt, gilt auch jetzt für die Heimat. Auch hier kann die Hilfsarbeit nicht von Arbeitslosen gemacht werden, sondern sie muß von Leuten erledigt werden, die heute noch in ihren Berufen voll und ganz beschäftigt sind.

Auch jetzt muß nicht notwendige Arbeit unterlassen werden. Die Heeresverwaltung verlangt das, und sie wird nicht etwas fordern, was nicht unbedingt notwendig wäre und geleistet werden müßte, weil sie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten kennt, die durch eine derartige Umwälzung entstehen. Es steht eben Größeres auf dem Spiele.

Wenn ich ein Freund von Schlagworten wäre, so würde ich eins der in letzter Zeit viel gebrauchten verwenden, und sagen: „Hindenburg will es!" Dann würde ich Ihrer sofortigen und einmütigen Begeisterung sicher sein. Aber mit Begeisterung allein ist die Sache nicht zu machen. Es muß mit ziemlicher Ruhe an sie herangegangen und mit kühlem Verstande der Zukunft ins Auge gesehen werden. Nicht mit einem Strohfeuer, sondern mit einem ständigen, unauslöschlichen Glühen ist der ernste Wille zu vergleichen, mit dem wir die Pflichten des Hilfsdienstes auf uns zu nehmen und zu erfüllen haben.

Unter solchen Umständen war es gewissermaßen selbstverständlich, daß sich alle ernsten und der Schwere der kommenden Tage bewußten Männer im Gewerbe mit der Frage beschäftigten, wie die Pflichterfüllung mit der Er

haltung der eigenen Existenz in Einklang gebracht werden könnte. könnte. Gestatten Sie, daß ich Ihnen etwas von den Überlegungen erzähle, die zu der Gründung der „Beratungsstelle" geführt haben. Ich will mich zunächst einmal etwas blumig ausdrücken: Das Gesetz kam und es zog für uns alle ein schweres Unwetter am Horizonte hoch. Wer sich bei einem solchen nicht schützt, wer auf dem freien Felde bleibt, der wird von dem Unwetter getroffen, vielleicht schwer geschädigt, vielleicht auch erschlagen werden. Wer aber unter ein Dach geht, und das Unwetter abwartet, ist imstande, sich zu erhalten und dabei Wichtiges und Wesentliches zu tun. So ist uns diese ganze Erscheinung vorgekommen, und wir haben überlegt, was sich tun läßt, damit wir unseren Fachangehörigen das Dach schaffen, das bisher nicht vorhanden war. Es ist nicht leicht, wie Sie sich das denken können und wie es uns auch von vornherein klar war, und es erfordert eine große Arbeit, was Sie aus den Zahlen erkennen werden, die ich Ihnen nachher nenne.

In unserem Aufruf, der Ihnen allen zugegangen ist, haben wir mit allen guten Gründen, die wir anzuführen wußten, die Bildung von Werkgenossenschaften bezw. vorläufigen Kriegsausschüssen empfohlen. Letztere Form des Zusammenschlusses ist die loseste, und wenn sie ihr Ziel, eine Werkgenossenschaft aus sich zu entwickeln, aus irgend einem Grunde nicht erreichen kann, so wird sie doch vielleicht mindestens als Arbeitsnachweis im Sinne der kriegsamtlichen Bestimmungen über die Ausführung des Hilfsdienstes wirken können, d. h. den Fachgenossen, welche auf behördliche Anordnung hin Stellung suchen müssen, weil sie nicht rechtzeitig Beschäftigung kriegswirtschaftlicher Art erhalten konnten, in zweckmäßiger Weise behilflich sein, eine geeignete Arbeit zu erhalten. Wir wollten aber auf den festeren, weil unbedingt wertvolleren Zusammenschluß zu Werkgenossenschaften zugehen, und da ein großes Ziel zu erreichen notwendig war, mußte der Plan groß gedacht und ebenso in Angriff genommen werden.

Um eine breitere Basis zu schaffen, luden wir eine Anzahl, auch im Fache bestens bekannter Herren ein, als Beiräte mitzuwirken. Sie wohnen über das ganze Reich verstreut, und sind und werden noch mehr sein, der Sache eine wertvolle Hilfe. Durch Zuwahl wurden in einer der Sitzungen der Beiräte sämtliche Innungs- und Vereinsvorstände als Beiräte bezw. Vertrauensmänner ernannt. Es war dabei unser Gedanke, daß sie im wesentlichen in ihrem Wirkungskreise ihre Mitglieder auf die Weiterungen des Gesetzes aufmerksam machen und sie anspornen sollten, Kriegsausschüsse zu gründen, welche Werkgenossenschaften für die Herstellung von Kriegsmaterial vorzubereiten haben.

Über die von der Beratungsstelle bisher geleistete Arbeit möchte ich Ihnen einige Mitteilungen machen. Von der vorbereitenden Tätigkeit des Vorsitzenden, Herrn Diebener, ist bereits in dem Aufrufe gesprochen worden. Dieser Aufruf mit den zwei Fragebogen wurde in 34500 Sendungen verschickt; davon sind bisher 30-40 Prozent der Fragebogen zurückgekommen. Bei einem Viertel war nur einer der Fragebogen ausgefüllt, und wir hatten die angenehme Arbeit, den zweiten Fragebogen hier auszufüllen, was uns natürlich in der Häufung viel schwerer wurde, als es war, wenn es von den betreffenden Fachangehörigen geschehen wäre. Bei einem drittel derselben sind außerdem Anfragen wegen Reklamation, Arbeitsbeschaffung usw., mitgeschickt worden, die eine eingehende Beantwortung notwendig machten, bezw. noch machen werden.

An die einzelnen Gewerbe sind verschickt worden: Uhrmacher 17449, Goldschmiede 5037, Graveure 2996, zusammen 25482.

Da wir uns gesagt und das auch in dem Aufruf ausgedrückt haben, das sich die Großhandlungen mit Erfolg beteiligen können, schon weil sie die kaufmännische Tüchtigkeit mitbringen, Beziehungen haben und solche leichter herzustellen vermögen, sowie mit Kapital einzugreifen in der Lage sind, wurden versandt: an Uhrengroßhandlungen 566, an Goldwarengroßhandlungen 1004, zusammen 1570. Es war uns nahegelegt worden, auch Fabrikanten, die infolge der geringen Größe ihres Betriebes oder aus sonstigem Grunde Kriegsarbeit bisher nicht erhalten konnten, mit in den Kreis unserer Fürsorge zu ziehen, und wir verschickten infolgedessen an Uhrenfabrikanten 1063, Goldwarenfabrikanten 3949, zusammen 5012. Weitere Sendungen gingen an die Vereine und Innungen, Kriegsämter und Kriegsamtsstellen, Beschaffungsstellen und Handwerksbezw. Gewerbekammern und Handelskammern.

Dazu waren besondere Anschreiben erforderlich: an die Großhandlungen 1570, die Fabrikanten etwa 5000, an die einzelnen Abteilungen der Beschaffungsstellen der Armee 846, an die Handwerks- und Handelskammern 199," an die Kriegsämter 80, an die Vereine 347, wozu sich bisher 440 Einzelbriefe gesellten.

Wir haben außerdem veranlaßt, daß eine Anleitung über die Gründung von Werkgenossenschaften verfaßt und in unseren Organen abgedruckt wurde, in der die Vorgänge dabei eingehend dargestellt sind, ebenso daß ein einfacher Satzungsentwurf geschaffen wurde, der ebenfalls zur Veröffentlichung gelangt ist, und bereits wiederholt als Unterlage bei Gründungen benutzt wurde. Auch Ausweiskarten haben wir drucken lassen für jene Fachgenossen, die erklärt haben, sich an Kriegsarbeit beteiligen zu wollen, und sie sind bereits in der Versendung begriffen. Für jene Herren, die auf die Frage, ob sie bereit seien, Herresarbeit zu übernehmen, geantwortet haben: ,,Nein!", oder so, daß ihre Willensmeinung nicht deutlich zu erkennen war, ist die Ausfüllung einer solchen Karte natürlich nicht möglich. Es ist klar, daß wir mit dieser Karte gegen die Behörde eine große Verantwortung übernehmen, ebenso wie der, welcher sie erhält und benutzt. Es wird sich jede Behörde, in diesem Falle die Ersatzkommission, es sehr überlegen, einen Uhrmacher, der in der Lage ist, vielleicht in 14 Tagen feinmechanische Arbeit ausführen zu können, zu einer anderen ungeeigneten Arbeit zu bestimmen, in der er nur wenig und weniger Wertvolles leisten kann, als in Ausübung seines Berufes. Die Ausweiskarte bestätigt, daß in Kürze Beschäftigung feinmechanischer oder metalltechnischer Art von ihrem Inhaber aufgenommen werden wird. Das schließt in sich, daß auch Jeder nach Kräften sich bemüht, solche Arbeit zu erlangen, entweder allein oder in Verbindung mit einer Werkgenossenschaft, oder durch Großbetriebe, die bereits Kriegsarbeit in Auftrag haben. Wird er infolge dieses Ausweises ein- oder mehreremal zurückgestellt, ohne sich ernsthaft zu bemühen, so wäre unser Vorgehen unverantwortlich und die Unterlassung seitens des Inhabers einer solchen Karte geradezu verbrecherisch. Es muß sich jeder die größte Mühe geben, daß er sich dem Vaterland in der bestmöglichsten Art und, so schnell es geht, zur Verfügung stellt.

Hier muß eingeschaltet werden, daß es viele Beantworter unserer Fragebogen gibt, die in weitab von einer größeren Stadt liegenden Orten wohnen, aber gerne Kriegsarbeit feinmechanischer Art machen wollen. Für sie sind die Schwierig.keiten an eine Werkgenossenschaft Anschluß zu finden vorläufig wenigstens - fast unüberwindlich. Ihr quantitatives Leistungsvermögen ist unbedeutend, und die Werkgenossenschaft kann sich die Umstände mit solchen abseits wohnenden Kollegen nicht machen. Viel weniger dürfen sie darauf echnen, in anderer Art Arbeit zu bekommen; es sei denn

zufällig am Platze irgend eine für feinmechanische Heeresarbeit tätige Firma vorhanden. Alle Achtung vor ihrem guten Willen; wir müssen ihnen aber immer raten, ihre Hilfsdienstpflicht auf eine der anderen möglichen Arten --durch Dienstleistung bei einem Amt oder Verkehrsinstitut, oder durch freiwillige Übernahme von Wachdienst, Sanitätsdienst usw. zu erfüllen. Vorläufig besteht wohl noch die Möglichkeit, sich den Dienst so auszusuchen, daß ein Verbleiben am Orte und bis zu einem gewissen Grade im Geschäft, angängig ist. Später wird sie wegfallen. Für solche Fachgenossen hat die Ausweiskarte natürlich keinen Wert.

Da wir bemerkt haben, daß oft der Versuch gemacht worden ist, Arbeit zu bekommen, ohne daß damit ein Erfolg erreicht wurde, haben wir, um den Weg zu ebnen, die Arbeitsbeschaffung und -vermittelung bis auf weiteres in die Hand genommen. Es ist klar, daß, wenn jemand einzeln zum Kriegsamt oder zu einer Beschaffungsstelle kommt, er abgewiesen wird. Er ist dann schnell unmutig und unterläßt weitere Bemühungen dieser Art. Das ist ein ganz falscher Weg, und seine Haltung infolge der Enttäuschung ist auch nicht richtig. Das Handwerk will und soll berücksichtigt werden; es muß aber auch etwas dafür tun und sich anzupassen suchen. Um die ersten Brücken zu schlagen, haben wir in verschiedenen Zeitungen, z. B. der Frankfurter Zeitung, dem Berliner Tageblatt, der Rheinisch-Westfälischen Zeitung, den Münchener Neuesten Nachrichten, der Königberg-Hartung'schen Zeitung Anzeigen erscheinen lassen, in denen wir Arbeit für unsere Gewerbe suchten. Es haben sich daraufhin verschiedene Firmen gemeldet, die teils schon mit Genossenschaften in Verbindung gebracht worden sind, teils auf der Suchliste erscheinen werden, welche in diesen Tagen zum Versand gelangt. Weitere erfolgversprechende Maßnahmen sind geplant.

Sie sehen, wir haben für die Sache der Beratungsstelle eine umfangreiche Tätigkeit entfaltet. Auch die Herren Beiräte haben ihren Anteil daran, denn sie sind von unseren Schritten unterrichtet worden; bei allen wesentlichen Maßnahmen haben wir auch ihren Rat vorher eingeholt.

Die Tätigkeit dieser Herren ist ebenso wie die meinige ehrenamtlich. Die Kosten sind zunächst von Herrn Diebener übernommen worden. Als sie später bedeutend wurden, bestand die Absicht, sie auf die Werkgenossenschaften zu verteilen. Aber auch dieser Weg wurde ebenfalls aus der Erwägung, daß die jungen Genossenschaften zu sehr belastet würden, verworfen, und in der Sitzung der Beiräte vom 9. Januar wurde beschlossen, Jeden mit einem kleinen Teil an der Kostendeckung beitragen zu lassen, für den wir uns der Arbeit unterzogen haben. Es sind bisher ungefähr Mk, 5000.- Kosten entstanden und etwa Mk. 2000.— sind vorläufig eingegangen. Den Rest-wenn ein solcher bleibt, was wir nicht hoffen wollen bleibt, was wir nicht hoffen wollen würde Herr Diebener wahrscheinlich übernehmen müssen.

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Die sichtbaren Erfolge unserer organisatorischen Tätigkeit sind bisher nicht gerade blendend, aber doch unter den herrschenden Umständen zufriedenstellend. Daß sie nicht größer sind, liegt nicht an uns, sondern an den Fachgenossen, die über den Ernst der Lage noch nicht recht klar sind. Unsere Arbeit, die mit der Bildung von Werkgenossenschaften abgeschlossen sein sollte, wird sich deshalb als aufklärende Tätigkeit noch lange fortsetzen müssen. Es bestehen im Reiche bisher folgende Werkgenossenschaften, Kriegsausschüsse oder demselben Zweck dienende Organisationen: Berlin (3), München, Essen, Koburg, Breslau, Neustadt a. H., Dresden, Düsseldorf, Liegnitz, Heidelberg, Görlitz, Dortmund, Recklinghausen; woraus sich erkennen läßt daß es in allen Landesteilen vorwärts geht.

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