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Nachricht eines Brüdergesangbuches und dessen Liederverfasser" Gnadau, 1835. 12 Gr.

Die katholischen Gesang - und Choralbücher im 18. Jahrhunderte sind (vgl. o. S. 501):

1) Catholisches Cantual, das ist Alt und Neu Mayntzisch-Gesang - Buch u. s. w. Mayntz, Mayr. 1709. 12. (70 lat. u. 145 deutsche Lieder mit 171 Meli.). Vgl. o. S. 501, No. 1, 4, 9 als ältere Ausgg. Neue Ausg. von P. Martin von Cochem, Capuciner, unter dem Titel:,,Catholisch Cantual eines Mayntzer, auch allgemeinen Gesang-Buchs" u. s. w. Mayntz u. Frankf., Höffner. 1772. 2) Heil- und Hülffs-Mittel zam thätigen Christenthum in verschiedenen neu- und alten Gesängen u. s. w. Brix, Kotting. 1767. 8. (324 Lieder u. 115 Mell.) 3) Choralbuch zum allgem. und vollständigen katholischen Gesangbuche des P. Ign. Frantz (Rector zu Breslau) u. s. w. Bresslau u. Hirschberg, Korn. 1778. Quer-4. (79 Mell., auch evangelische.)

4) Franz Otto (als Organist an der kathol. Pfarrkirche zu Glatz gest. den 5. Dec. 1805, geb. um 1730), Neues vollständiges Choralbuch zu dem kathol. Gesangb. von Ign. Frantz. Bresl., Korn. 1784. 4. 2 Thlr.

§. 20.

Geschichte des evangelischen Kirchenliedes im 19. Jahrhunderte.

Wir nähern uns der neuern Zeit und Gegenwart, die in vieler Hinsicht merkwürdig und inhaltsreich ist. Bald ist die erste Hälfte des laufenden Jahrhunderts mit seinem Kriege und Frieden vollendet! Blicken wir auf die abgelaufene Zeit zurück, und betrachten wir den Zustand der christlichevangelischen Kirche in derselben, und was in ihr für das kirchliche, geistliche Lied geleistet worden ist!

Einer von den Männern, welche den Uebergang in die neue Zeit vermitteln, ist vorzüglich Johann Gottfried

von Herder *), sehr genial und vielseitig gebildet, ein Priester der Humanität. Als Theolog ist er ebenso ein Feind der starren Orthodoxie, als der Freigeisterei und falschen Aufklärung, und hält am Geiste und an den Ideen des Christenthums fest. Genährt vom Geiste des Alterthums, besonders der hebräischen Poësie, wirkt er belebend auf den religiösen Glauben und Dichtergeist, auf wahre Lebensfrömmigkeit, und auf die Achtung gegen die Bibel, bezüglich auf das tiefere und geistvollere Studium derselben ein. Er ist tief christlich, ein Freund der Allegorieen, Paramythien und Hymnen, als Dichter zwar nicht ganz originell, das Fremde aber dichterisch in sich gestaltend, bilderreich und der Bibelsprache kundig. Im Reime ist er nicht Meister. Zwar ist er nicht ein kirchlicher Liederdichter im engern Sinne des Wortes, gehört aber zu den christlichen Dichtern überhaupt wegen seiner biblischen Gedichte, christlichen Hymnen und Lieder, von denen viele trefflich, aber nicht alle kirchlich sind, und (Paramythieen) Parabeln, Legenden und Kantaten. Er hat auch das Weimarische Gesangbuch (Weim., 1795. 1800. 8.) herausgegeben, zwar nicht ausgezeichnet durch die Form und Zusammenstellung, weil er sich den Verhältnissen anbequemen musste, aber doch mit einer guten Vorrede begleitet.

Ein anderer geistlicher Liederdichter, der den Uebergang zur neuen Zeit bildet, voll Tiefe und edler Mystik, ist Novalis. Seiner Zeit war er voraus, und kann mit zu der romantischen Schule im weitern Sinne gerechnet werden, welche durch die Gebrüder Schlegel und durch Ludwig Tieck gestiftet ward, und wozu auch die christlichen Freiheits- und Vaterlandsdichter gezogen werden können. Die Romantik bewegte sich nämlich im Kreise der Liebe und Frömmigkeit des Mittelalters, und wirkte, in der Sprache der Mystik, besonders auf das Gefühl. Es sind die Lieder der Romantiker zwar mehr subjectiv, als objectiv, aber gerade für ihre Zeit wohlthätig, und ein Uebergang zur objectiv-kirchlichen Liederdichtung, die sich zu bilden anfing. Die Zeit des französisch

*) Vgl. Dr. H. Döring, Biographie Herder's. Weim., 1829. 16. Unsere Predigt zu Herder's 100jährigem Geburtstage den 25. Aug. 1844: „Was giebt uns Herder's Gedächtnissfeier zu bedenken?" Neust. a O. u. Schleiz. 1844. gr. 8. Herder war geb. den 25. Aug. 1744 zu Mohrungen in Ostpreussen, und starb den 18. Decbr. 1803 in Weimar als Generalsuperintendent u. Präsident des Oberconsistoriums. Seinen Nachlass hat sein Sohn in Erlangen herauszugeben angefangen.

deutschen Krieges war, so niederdrückend an sich, doch auch wieder belebend für den religiösen Glauben, der, wie zur Zeit des 30jährigen Krieges (s. o. S. 441) tröstete, und sich im frommen Liede aussprach. Die Befreiung Deutschlands von französischer Knechtschaft erhob aber das bewegte Gemüth zum kindlichen Danke gegen Gott, wie die Feier des 3. Jubiläums der Reformation Luther's im Jahre 1817 die herrlichen Segnungen des lautern evangelischen Glaubens dankbar verehren hiess. Sie war zugleich hie und da ein Anlass zu kirchlicher Einigung und Gemeinschaft der Lutheraner und Reformirten, sowie freilich auch leider! der Anfang theologischer Streitigkeiten, namentlich der Rationalisten und Supernaturalisten. Doch hat dieser Streit auf die kirchliche Lieddichtung nicht nachtheilig eingewirkt.

Die kirchlichen, geistlichen Dichter der neuen Zeit stehen auf objectiv kirchlichem Boden, und sind mehr oder weniger voll evangelischer Glaubenstiefe und Glaubensfreudigkeit. Sie sind orthodox, fromm, gemüthlich, jedoch nicht eigentliche christliche Volksliederdichter. Sie sind noch zum Theil in der Entwicklung begriffen, dass sich auch ein abschliessendes Urtheil über sie und ihre Zeit nicht fällen lässt. Sie lassen sich auch nicht in einzelne bestimmte Gruppen abtheilen, wie auch Lange (a. a. O., S. 60) anerkennt, indem bei dem Einen diess, bei dem Andern jenes Element mehr vorherrscht, und ein gemeinschaftlicher Typus fehlt. Wem unter den lebenden Dichtern der Vorzug gebühre, ist schwer zu sagen und immer subjectiv; nach Koch's Urtheil Albert Knapp. Er ist wenigstens productiv und fruchtbar. Ihm lässt Koch dann Spitta folgen. Reich an Dichtern ist am Meisten Würtemberg (wie auch die Schweiz).

Welche Keime und Früchte die jetzt politisch und kirchlich viel bewegte und zerrissene Zeit für das kirchliche und geistliche Leben und Lied entwickeln und bringen wird: steht noch zu erwarten. Eine kirchliche Einigung und Einheit der evangelischen Kirche ist sehr wünschenswerth, und einerlei Liturgie, und ein gemeinschaftliches Gesang- und Choralbuch würde dann möglich, allein nach den vorliegenden Verhältnissen nicht wahrscheinlich. Denn die Zerrissenheit ist gross und tief. Es hat jedes Land, ja fast jede Provinz und Stadt ein eigenes Gesang- u. Choralbuch, und ihre Zahl ist gross. Schon seitdem das Liederbuch vom Melodieenbuche im vorigen Jahrhunderte geschieden ist, hat sich ihre Zahl vermehrt. In eini

gen Ländern, als Würtemberg und Nassau, ist neuerlich ein gemeinsames Landes - Gesang- und Choralbuch der evangelischen Kirche eingeführt worden. Im Allgemeinen haben sich die kirchlichen Gesangbücher in diesem Jahrhunderte etwas verbessert. Sie sind in Sprache und Inhalt biblisch - kirchlicher geworden. Ihre Reform veranlasste tiefere Studien, zum Theil schätzenswerthe Liedersammlungen und hymnologische Monographieen. Es ist auf diesem Felde viel geleistet, und besonders auch das Fach der Liederbücher zur häuslichen Erbauung und zum Schulgebrauche reichlich bedacht worden. Das Streben nach Zurückführung des Ursprünglich - Evangelischen des Textes und der Melodie ist erwacht, und hat besonders durch v. Winterfeld, Tucher und Wackernagel reiche Früchte für die evangelische Kirche getragen. Die wichtige, aber schwierige Frage wegen Einführung des s. g. rhythmischen Choralgesanges wird lebhaft verhandelt, und mag zum Segen der evangelischen Kirche mehr und mehr entschieden werden.

Nach diesem allgemeinen Ueberblicke gehen wir nun zur Aufführung der einzelnen Dichter über. Als Vermittler der alten und neuen Zeit tritt zunächst hier auf, und kommt erst in der neuen Zeit zur Geltung *):

1) Friedrich von Hardenberg, bekannt unter dem Dichternamen,,Novalis" (von einem Gute der ältern Linie dieser Familie hergenommen), geb. den 2. Mai 1772 auf dem Familiengute Wiederstedt im Mansfeldischen, Sohn eines Direktors der Sächsischen Salinen. Er war gleich von Jugend auf kränklich, und wurde von seinen Eltern, die sich zur Brüdergemeinde hielten, im frommen Geiste derselben erzogen, besonders von der Mutter, bis er zu seinem Obeim in Lucklum im Braunschweigischen kam. Nach seiner Vorbereitung auf dem Gymnasium zu Eisleben studirte er in Jena Philosophie, und in Leipzig und Wittenberg Jura. Er begab sich dann nach Tennstaedt **) zu dem Kreisbauptmann Just, und lernte auf dem Gute Grüningen Sophie von Kühn kennen, mit der er sich verlobte (1795), die jedoch in ihrem

worden.

Desswegen ist er auch in der vorigen Periode nicht aufgeführt

") Nicht Arnstadt, wie Einige schreiben (auch Pischon u. Koch), was Schwarzburgisch, nicht Sächsisch war und ist. Grüningen liegt überdiess auch bei Tennstaedt, dem Geburtsorte des berühmten Leipziger Philologen August Ernesti.

15. Jahre den 19. März 1797 starb in Folge einer Operation eines Lungenleidens. Er ging um 1797 nach Freiberg auf die Bergacademie, verlobte sich dort mit der Tochter des Berghauptmanns, Julie von Charpentier, und begab sich im Sommer 1799 nach Weissenfels, wo er als Salinenassessor (neben seinem Vater) angestellt wurde. Er dichtete hier seine geistlichen Lieder; erkrankte aber im August 1800, als er die Hochzeit in Freiberg feiern wollte, und starb (nachdem sein jüngerer Bruder eben ertrunken war) den 25. März 1801 in Weissenfels als ernannter Amtshauptmann von Thüringen. Er war noch mit den Gebrüdern Schlegel und mit Ludwig Tieck bekannt geworden. Er hatte viel Tiefe des Gemüths, des Gefühls, von dem auch seine 15 geistlichen Lieder (2 auch an,,Maria" gerichtet), die zu einem Gesangbuche ursprünglich bestimmt waren, zeugen. Sie sind aber nicht eigentliche Volkskirchenlieder, sondern mehr fromme Ergüsse einer himmlisch gesinnten Seele, einer heiligen Sehnsucht nach Gott, Christo und dem Himmel. Auf sein empfängliches Gemüth und Dichtertalent wirkte seine Kränklichkeit, wie der Schmerz über seine Geliebte, und seine fromme Erziehung (im Herrnhuther Geiste) mit ein. Sein Biograph L. Tieck vergleicht ihn mit „Dante." Wir möchten ihn vielmehr nach seiner ganzen Persönlichkeit mit Hölty vergleichen, mit dem er in leiblicher und geistiger Hinsicht grosse Aehnlichkeit hat. Seine Schriften sind herausgegeben von Fr. v. Schlegel und Ludw. Tieck (Berl., 1. u. 2. Aufl. 1802-05. 5. Aufl. 1837. gr. 12. 3. Theil von E. v. Bülow. Berl., 1846.) Seine Lieder sind von Mehreren componirt worden, und mehrere in neuere Gesangbücher übergegangen, z. B. 4 in's Hamburger und Würtemberger:,,Was wär' ich ohne dich gewesen? Ich sag' es Jedem, dass er lebt. Wenn Alle untreu werden. Wenn ich ihn nur habe." Theodor Fröhlich, Geistliche Lieder von Novalis, für 1 Singstimme mit Pfte. Op. 6. Berl., Bethge. 14 gGr. Bernh. Klein, Geistl. Lieder von Novalis, für do. Op. 40. Ebd., 16 gGr. u. a. m.

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Die Dichter der romantischen Schule, die von den Gebrüdern v. Schlegel (August Wilhelm, geb. den 5. (8?) Sptbr. 1767 in Hannover, gest. den 12. Mai 1845 als Professor in Bonn; und Friedrich, geb. den 10. März 1772, gest. den 11. Jan. 1829 auf einer Reise in Dresden) gestiftet wurde,

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