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sang konnte fortan ein lauter und öffentlicher seyn. Denn es wurde durch diesen Kaiser die christliche Religion zur Staatsreligion erhoben. Sowie christliche Kirchen nunmehr entstanden, so wurde auch eine eigentliche Liturgie und das liturgische Kirchenlied eingeführt. Es trat besonders nun das orthodoxe Glaubenslied, den Ketzern (Häretikern) gegenüber, hervor, z. B. durch Ephräm, den Syrer, Gregor von Nazianz (um 380 in Constantinopel) und S ynesius (um 410 Bischof zu Ptolemais), welche gegen die Lieder und den Gesang der Arianer durch ihre Hymnen zu wirken suchten. Es ist hier auch zu vergleichen, was oben S. 91 fg. über die Arianer, und über Chrysostomus (398-404 in Constantinopel) bereits gesagt ist. Es nahm nun der Kirchengesang eine einfachere Gestalt an im Gegensatze zu dem prächtigen Gesange der Arianer. Der s. g. Mönchsgesang mit seiner Eintönigkeit wurde durch Hieronymus im Jahre 400 erfunden, und fortan verbreitet.

§. 3.

Aus dem Morgenlande ging der Kirchengesang in das christliche Abendland über, und fand an zwei Männern, Ambrosius, Bischof zu Mailand (374, s. S. 50 ff.), und Gregor dem Grossen, Papst zu Rom (gest. 604, s. S. 92) sehr thätige Beförderer und mächtige Stützen. Nur kurze Zeit zuvor zeichnete sich schon Hilarius, seit 350 Bischof zu Poitiers (Pictavium), gest. 368, durch seine trefflichen Hymnen aus, die nach einem Metrum und Rhythmus gearbeitet waren, und wider die Gesänge der Arianer, welche er in seiner Verbannung in Phrygien kennen gelernt hatte, entstanden. Das Andenken des Ambrosius aber, der die Hymnenform des Hilarius beibehielt, lebt noch fort in der Benennung: ,,Ambrosianischer Gesang." Es werden ihm 30 Hymnen zugeschrieben, die aber nicht alle von ihm sind, z. B. nicht,,Te Deum laudamus," ,,Herr Gott, dich loben wir" (S. 49 ff.). Die Hymnen:,,Aeterne rerum conditor; Aurora lucis rutilat; Conditor alme syderum; Deus, qui coeli lumen es; 0 lux beata Trinitas (Der du bist drei in Einigkeit); Splendor paternae gloriae; Veni redemtor gentium (Nun komm der Heiden Heiland)" sind abgedruckt in Dr. K. E. Ph. Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied von Martin Luther bis auf Nicol. Hermann und Ambros. Blaurer. (Stuttg., 1841.), S. 1 ff. und in Dr. Hermann Adalb.

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Daniel, Hymnologischer Blüthenstrauss altlateinischer Kirchenpoësie. Halle, 1840. 16., sowie in Dessen, Thesaurus hymnologicus etc. Tom. III. Hal., 1841. Lips. 1844. 1846. 8. Ueber den Gesang in der Mailändischen Kirche haben wir noch das Zeugniss des Augustinus, Bischofs zu Hippo in Africa (gest. 430), der von Ambrosius getauft ward, und der Confess. IX, 2 sagt:,,Wie weinte ich über deine Lobgesänge und Lieder, o mein Gott, als ich durch die Stimme deiner lieblich singenden Gemeinde kräftig bewegt wurde. Diese Stimmen flossen mir in meine Ohren, und deine Wahrheit wurde mir in's Herz gegossen. Da entbrannte inwendig das Gefühl der Andacht, und die Thränen liefen herab. Und mir ward so wohl dabei." Dem A ugustinus selbst wird der Auferstehungshymnus:,,Cum rex gloriae Christus" zugeschrieben, so wie dem Coelius Sedu lius (um 450, Presbyter) die 2 Weihnachtshymnen: „A solis ortus cardine" (Daniel, Hymnolog. Blüthenstrauss u. s. w. S. 2. Wackernagel a. a. Ö., S. 6; deutsch von Luther:,,Christum wir sollen loben schon, worüber späLer) und,,Herodes hostis impie" (Wackernagel a. a. Ö., S. 7 u. anderwärts; deutsch von Luther:,,Was fürcht'st du, Feind Herodes sehr," worüber später) zugeeignet. In diese Zeit gehört auch das Nicänische Glaubensbekenntniss : ,,Patrem credimus" (s. oben S. 4, und den Artikel:,,Messen"), und ,,Agnus Dei, qui tollis peccata mundi" (s. S. 244). Es sind diese und andere griechische und lateinische Hymnen von Verschiedenen übersetzt worden, z. B. von Dr. C. Fortlage (Prof. der Philosophie in Jena), Gesänge christlicher Vorzeit. Auswahl des Vorzüglichsten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt. Berl., Reimer. 1844. — G. A. Königsfeld, Lateinische Hymnen und Gesänge, deutsch, unter Beibehal tung der Vers maasse. Mit beigedrucktem lateiVersmaasse. nischem Urtexte. Nebst Einleitung und Anmerkungen unter Beifügung brieflicher Bemerkungen und Uebersetzungen von Aug. Wilh. v. Schle gel. Bonn, Weber. 1846. 4. Lieder der Kirche. Deutsche Nachbildungen altlateinischer Originale. Schaffhausen, Hurter. 1846. XII. 310 S. 1 Thlr. Auch: Aug. Jakob Rambach, Anthologie christlicher Gesänge aus allen Jahrhunderten der Kirche. 1. Bd. (Die vorzüglichsten griechischen, lateinischen

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und altdeutschen Kirchenlieder). Altona u. Lpz., 1817. gr. 8. Ad. L. Follen, Alte christliche Lieder und Kirchengesänge, deutsch und lateinisch. Elberfeld, Büschler. 1819. 8. 10 Gr. *)

Es haben diese altlateinischen Hymnen wegen ihrer Einfachheit, Wahrheit und Kraft, wegen ihrer objectiven Haltung Lobredner gefunden, z. B. Herder u. Andere, und haben sich zum Theil bis jetzt im Gebrauche erhalten. In Rom wurde vom Papste Sylvester 314 ein Institut für den kirchlichen Gesang errichtet, und vom Papste Hilarius 461 erneuert. Es fragt sich aber noch, wie sich der Ambrosianische Gesang von dem frühern unterschied. Er war sehr einfach, syllabisch, und dem s. g. Collectiren ähnlich, und konnte nicht anders seyn, wenn das Volk Antheil daran nehmen sollte. In den ersten sechs Jahrhunderten war der Gesang wahrscheinlich vorherrschend ohne Instrumentalbegleitung, oder nur mit der Flöte, die jedoch Clemens Alexandrinus verbot, oder der Davidsharfe begleitet. Es wechselten einzelne Stimmen, oder die Gemeinde theilte sich in 2 Chöre, und der eine Vers wurde von den Männern, der andere von den Frauen und Kindern gesungen. Den Wechselgesang am Altare zwischen dem Geistlichen und Volke oder Chore soll aber Ignatius zuerst eingeführt haben (s. o.), wie bereits bemerkt ist, und das Volk antwortete nur mit einigen Worten:,,Halleluja, Amen“ u. s. w., wie es bei den Intonationen und Collecten der latherischen Kirche noch der Fall ist. Die apostolischen Constitutionen geben besondere, auf den Wech

*) Die Literatur der alten und nenen Hymnologie ist verzeichnet bei Daniel, Thesaurus etc. I, Einleitung, und Koch, Geschichte des Kirchenliedes u. s. w. Stuttg., 1847. 8. II. 2 Thlr. Wir führen hier an:

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J. Georg Walch, de hymnis ecclesiae apostolicae. Jen., 1737. 4. S. Miscellanea sacra. Amstelod., 1744. 4. p. 34 sqq.

J. Henr. a Seelen, de poësi christiana non a tertio post Christum natum seculo demum, sed a primo etiam et secundo deducenda. Lubec., 1754. 8.

Pet. Zorn, de Hymnorum ecclesiae lat. collectoribus, in dessen: Opuscc. select. 1, p. 52 sqq.

C. A. Björn, Hymni veterum patrum christian. eccles. lat. collecti. Hafniae, 1818. 1 Thlr.

Joseph Kehrein, lateinische Anthologie ans den christlichen Dichtern des Mittelalters. 1. Theil (die 8 ersten christlichen Jahrhun derte). Frankf. a/M. 1840. 8. 121⁄2 Sgr.

selgesang bezügliche Verordnungen, z. B. II, c. 57 (ed. Coteler.):,,dass ein Vorleser die Psalmen Davids singen, und die Gemeinde die Schlussworte wiederholen solle." Das that auch die Kirchenversammlung zu Laodicea (364), welche besondere Kirchensänger (Cantores) anstellte. Melodischer und rhythmischer wurde der Gesang durch Ambrosius, nach den s. g. vier ersten authentischen Kirchentönen (Tonarten) "), wurde recitativisch. Er nahm dieselben von der griechischen Musik herüber. Er gilt für den Schöpfer des s. g. Figuralgesanges im Abendlande, in Verbindung mit Damasus, Bischofe zu Rom. Von Mailand aus verbreitete sich derselbe bald anderwärts hin, verlor aber nach und nach seine ursprüngliche Würde, so dass eine Verbesserung nothwendig wurde.

S. 4.

Diese unternahm aber der Papst Gregor, der Grosse. Mit ihm beginnt ein ganz neuer Abschnitt in der Geschichte des kirchlichen Gesanges"). Durch ihn entstand der s. g.

*) Sie hiessen die dorische, D, die phrygische, E, die lydische, F, und die mixolydische, G. - Vgl. F. C. Anthes, Die Tonkunst im evangelischen Cultus u. 8. w. Wiesbaden (1846. 4.), S. 9. Ed. Emil Koch, Geschichte des Kirchenliedes und Kirchengesanges u. s. w. (Stuttg., 1847. 8.) 1, 15 fg.

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*) In Bezug auf die neueste Monographie über ihn von Dr. Everard. Woldem. Marggraff, Berolinensis, diss. historica de Gregorii I. Magni vita. Berol., 1845. 8. IV. 53 pp. sagt der Recensent im theolog. Literaturblatte 1848, No. 38, dass er eine Nachweisung vermisst habe, wie sich unter Gregor's Einflusse die neuen gottesdienstlichen Formen verbreiteten. Vgl. Jos. Antony, Archäologisch-liturgisches Lehrbuch des Gregorianischen Kirchengesanges u. s. w. Münster. 1829. 4. 2 Thlr. 16 Gr. Recensirt in der allg. mus. Zeit. 1829, S.765 von G. W. Fink:,,der Gregorianische Gesang hätte genauer dargestellt, und was man von dem sehr verdienten Manne weiss, bestimmter erörtert werden sollen. Uebrigens setzt der Verfasser selbst im Verfolge seiner Darstellung das Verdienst Gregor's nicht in Erfindung einer ganz neuen Gesangsart, sondern in die Verbesserung und Beförderung des christlichen Gesanges." Ueber den Gregorianischen Gesang handelt ferner auch Giuseppe Baini, Memorie Storico-critiche della vita delle opere di Giovanni Pierluigi da Palestrina (Roma, 1828. 2 Tom. 4.), Tom. II. Recensirt in der allg. mus. Z. 1829, Nr. 41. 47. 49. Deutsch bearbeitet mit Zusätzen ist diess Werk von Franz Sales Kandler, und von R. G. Kiese wetter herausgeg. Lpz., 1834. 8.

Gregorianische Gesang der katholischen Kirche, im Gegensatze zum Ambrosianischen. Er heisst auch der Römimische, oder Cantus firmus oder choralis, d. i. der feste Gesang, der aus Noten von gleichem Tactwerthe besteht, französisch plain-chant; choralis ) aber, weil er vom Chore, von Vielen vorgetragen wurde. Was nun dem Gregor als neue Erfindung im kirchlichen Gesange von jeher zugeschrieben worden, hat die Kritik zum Theil zu bezweifeln sich gedrungen gefühlt, wenigstens zur genauern Prüfung der Berichte darüber aufgefordert, weil nämlich besonders die Benedictiner das Verdienst des Papstes Gregor I. verherrlicht haben. Vgl. in dieser Beziehung, was z. B. G. W. Fink in der allg. mus. Z. 1829. S. 765 und in Dr. Schilling's ULex. III, 300 ff., und Kiese wetter in der allg. mus. Z. 1828, No. 25. 26. 27. 1843, No. 21 gesagt haben. — Was nun Gregor für die Liturgie und den Kirchengesang seit dem Jahre 599 geleistet hat, oder haben kann und soll, ist Folgendes:

1) hat er eine Singschule in Rom gestiftet, und besoldete Lehrer an derselben angestellt, welche Knaben, grösstentheils Waisenkinder, unterrichteten, was er bisweilen auch selbst, auf einem Sopha liegend, gethan habe. Es ist das

Franz Joseph Vilsecker (Kantor in Passau), Lehre vom Römischen Choralgesange. Passan, 1841. gr. 8. 48 Kr. Recensirt in der allg. mus. Z. 1841, No. 37. Joh. Nicol. Neubig, Der Gregorianische Gesang bei dem Amte der heil. Messe und andern kirchlichen Feierlichkeiten mit Orgelbegleitung. 1. Theil: Der altgregorianische Gesang (Cantus Romanus). Wiesbaden, Ritter. 1845. 3 Thlr. Robert Führer, Die Methodik bei Erlernung des Gregorianischen Chorals mit besonderer Rücksicht auf Liturgik u. s. w. Prag, 1847. 8. 15 Kr.

*) Das Wort Choral kommt vom griechischen zogós, chorus her, was Tanz mit Gesang, sodann eine Versammlung von Menschen bedeutet, welche an öffentlichen Festen der griechischen Gottheiten singend tanzten. Chor ist daher ein gemeinschaftlicher Gesang, im Gegensatze zu dem Einzelgesange (Solo). Choralis, scil. cantus, Choralgesang ist nun öffentlicher Allgemeingesang, insbesondere kirchlicher evangelischer Gemeinde gesang nach der jetzigen Bedeutung. Die andere Ableitung von zogavins, Flötenbläser (der in oder während einer Komödie der Griechen zum Chore blies), welche Ableitung Manche, z. B. W. Franz, 96 alte unbekannte Choralmelodieen mit Bemerkungen u. s. w, Qdibg. u. Lpz., 1831. 8., angenommen haben, ist nicht wahrscheinlich, und mehr künstlich, als richtig.

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