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In der ersten Scene des neutestamentlichen Dittochäoncyklus beschreibt der Dichter in derselben Weise die Verkündigung:

„Da Gott nahet, so steigt Gabriel als Bote hernieder
Von dem Throne des Vaters und tritt in der Jungfrau
Haus urplöglich und spricht: Vom heiligen Geiste erfüllet,
Wirst du Christum gebären, Maria, o heilige Jungfrau !““

Die Jungfräulichkeit Maria's in der Geburt, die durch das Bisherige genügend bezeugt ist, erhellt noch besonders aus dem Tetrastich, welches die Anbetung der Weisen schildert:

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Christus liegt an der Jungfrau Brust, die Magier bringen.

Hier die köstlichen Gaben dem Kind: Gold, Myrrhe und Weihrauch,
Staunend schauet die Mutter des keuschen Leibes Verehrung,
Staunt, daß Gott sie gebar, der auch Mensch und oberster König." 1

Prudentius nennt die Gottesmutter fast in allen Stellen, wo er ihrer Erwähnung thut, mit Vorliebe „Jungfrau“. Er bestätigt somit die zuversichtliche Frage des hl. Epiphanius an die Antidicomarioniten: „Wer Hat jemals, oder in welchem Zeitalter hat einer es gewagt, den Namen der hl. Maria zu nennen, ohne wenn man ihn fragte, sogleich beizuseßen : die Jungfrau" (Haeres. 78, 6). „Dieß ließe sich,“ bemerkt Lehner hierzu (S. 36), denn auch durch hundert Beispiele aus den Kirchenschriftstellern von Ignatius an belegen, welche wirklich bei auch nur gelegentlicher Erwähnung des Namens Maria sehr häufig das Prädicat Jungfrau nicht vergessen." Dieß genügt, um zu behaupten, daß nach ihm Maria nach der Geburt Christi stets Jungfrau geblieben ist, obgleich der Dichter diesen Punkt nicht ausdrücklich zur Sprache bringt. Bei dem Verhältnisse des Prudentius zu Ambrosius ist es auch geradezu undenkbar, dem Dichter die gegentheilige häretische Meinung zuzutrauen, welche der Bischof von Mailand ein Sacrilegium nennt 2.

Mit dem Preise der einzigen, jungfräulichen Mutterschaft Maria's verbindet Prudentius das Lob ihres Glaubens. Diese Tugend hebt er

der Geburt nicht glauben. In dem Citate aus Tertullian sucht man übrigens für die sonderbare Meinung von Brockhaus vergeblich eine Bestätigung. Die Vergleichung aber der Geburt Jesu aus der unversehrten Jungfrau mit der Bildung Adams aus der jungfräulichen Erde ist dem Tertullian (De carne Christi c. 17) keineswegs so eigenthümlich, daß Prudentius dieselbe von ihm entlehnt haben muß. Vgl. Lehner a. a. D. S. 31 f.

1 Cfr. Cath. VII, 60: virgo plena Deo; IX, 19: virgo puerpera; Apoth. 115. 168; Ham. 575: paritura virgo; 635: fusa per virginis artus progenies; Psych. 70 sq.

2 „Fuerunt, qui eam (Mariam) negarent virginem perseverasse. Hoc tantum sacrilegium silere iam dudum maluimus." De instit. virg. c. 5 (Migne t. 16. col. 314). Zu Ambrosius' Zeit war eben diese Häresie bereits ein über: wundener Standpunkt; Prudentius greift sie daher auch nicht ausdrücklich an.

als Grund hervor, warum die allerseligste Jungfrau zu so unbeschreiblich hoher Würde erhoben wurde. Mit Entrüstung wendet er sich deßhalb an die Juden (Apoth. 576 sq.), welche die Incarnation läugnen:

„Läugnest du dieß und schüttelst das Haupt, Ungläubiger, thöricht? Dieß verkündet mit heiligem Mund der Engel. Gefällt es Dir, zu vertraun und zu öffnen das Ohr den Worten des Engels ? Glaubte die heilige Jungfrau selbst doch des glänzenden Dieners Mahnwort, und sie empfing deßhalb als Gläubige Christum." 1 Die Zugehörigkeit zu Christus ist vom Glauben an ihn bedingt, „Denn zu den Glaubenden nur kommt Christus; die zweifelnde Seele, Festen Glaubens entbehrend, verwirft er und nimmt ihre Ehre." (V. 581.) Sonach erscheint die heilige Jungfrau als die erste unter den Gläubigen gleichsam als der Keim und die Repräsentantin der Kirche, insofern diese die Gemeinschaft der Gläubigen ist. Prudentius führt diesen Gedanken nicht aus; er liegt aber den im Eingange dieses Kapitels citirten Worten aus Cath. III zu Grunde, in denen Maria als Teufelsbesiegerin gepriesen wird. Dadurch, daß sie die Mutter Gottes wird, zertritt sie der Schlange den Kopf, wie dieß, mit Christus in geheimnißvoller Weise vereinigt, die Kirche fortsett 2. Indem die allerseligste Jungfrau auf diese Weise Antheil am Erlösungswerke erhält und ihr eine gewisse Mitwirkung daran zukommt, wird sie auch der Gegenstand außerordentlicher Bewunderung und Verehrung. Prudentius spendet ihr dieselbe in vollstem Maße. Indem er den Juden gegenüber die Gottheit Christi aus der Anbetung beweist, welche ihm von den Magiern zu Theil wurde, sagt er (Apoth. 642 sq.):

„Was war der Grund, was Ursach' nur, den Nacken zu beugen
Vor den Füßen Maria's und vor des Kindeleins Spielzeug,
Wenn nur sterblich es war und wenn die höchste Gewalt nicht
Füllete an mit göttlichem Hauch die zärtlichen Glieder?

Lassen wir aber die Weisen, das Gold, die Myrrhe, den Weihrauch,
Was wahrhaftig als Gott ihn bezeugt, auch die Krippe, die Windeln,
Auch den verehreten Schooß der Mutter im Lichte des Sternes
Seiner Wunder Gewalt soll selbst als Gott ihn bezeugen."

Was wir bereits oben in der Beschreibung des Dittochäonbildes lasen, wird hier wiederholt. Indem die Magier dem göttlichen Kinde

1

Credidit atque ideo concepit credula Christum. (v. 580.)

Die Worte, die v. 583 sq. in der Form wiederkehren:

Virginitas ac prompta fides Christum bibit alvo

Cordis et intactis condit paritura latebris,

sind nachdrücklich genug, um dem Dichter jene Meinung über den Glauben der allerseligsten Jungfrau beizulegen, die wir bei den Vätern und Kirchenschriftstellern, namentlich auch bei Ambrosius, finden. Vgl. Lehner a. a. D. S. 157.

2 Vgl. Lehner a. a. D. S. 178.

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Sechstes Kapitel. Die Gottesmutter.

ihre Huldigung darbringen, unterlassen sie nicht, der wunderbaren Mutter ihre Verehrung zu bezeugen. Eine andere Auffassung der Worte „miratur genitrix tot casti ventris honores" (Dittoch. v. 106) und ,matris adoratum gremium" (Apoth. 648) ist schlechterdings unmöglich 1. Welche Liebe und Verehrung der Dichter selbst gegen die jung

1 Die dießbezügliche Bemerkung von Brockhaus scheint vorauszusehen, daß die Leser den Tert des Prudentius selbst nicht zur Hand nehmen. Er sagt nämlich (a. a. D. S. 252): „Die katholischen Ausleger haben sich Mühe gegeben, aus der in dieser Scene (die Anbetung des Christkindes durch die Magier) wiederholt vor: kommenden Abbildung der Maria den Beweis einer. schon in die ältesten christlichen Zeiten zurückbatirenden Verehrung der Maria zu ziehen. Doch können gerade hier die Dichter den rechten Commentar abgeben. Die angeführten Stellen derselben (sonderbar genug citirt Brockhaus aus der Apoth. nur v. 615-630, und erwähnt das Dittochäonbild gar nicht) — legen in der Schilderung dieser Scene auf die Maria selbst kein Gewicht, und wir dürfen daraus schließen, daß auch die Bildwerke sie nur darstellen, weil sie zum Ganzen der Scene gehörte.“ (!) De Rossi's Erklärungen zu den ältesten Marienbildern (Imagini scelte della B. Vergine Maria tratte dalle catacombe Romane. Roma. Salviucci. 1863. p. 5 s.), um von andern zu schweigen, würden also nach Brockhaus von den altchristlichen Dichtern als fruchtlose Bemühungen erwiesen werden. Diese Behauptung widerspricht nach obiger Darstellung dem klaren Wortlaute des Prudentius. Um die „Kühnheit“ dieser Behauptung anzustaunen, brauchen wir indeß weder die Erklärung von Kunsthistorikern über die ältesten christlichen Bilder, noch die Dichter des vierten und fünften christlichen Jahrhunderts. Das Urtheil der nüchternsten, gewissermaßen con fessionslosen archäologischen Wissenschaft über die Marienverehrung in jener Zeit, da weder Katakombenbilder noch unsere christlichen Dichter eristirten, und damit die Verurtheilung solcher wissenschaftlichen Kühnheit finden wir bei Lehner. Jm Anschlusse an die Epitheta, welche Maria im Lucasevangelium erhalten hat, äußert sich dieser a. a. D. S. 185 also: „Man mag die Evangelisten fassen, wie man will: als inspirirte Organe des heiligen Geistes oder als Schriftsteller, die mit dem für alle andern geltenden Maßstabe zu messen sind, oder wie immer, unter allen Umständen dürfen wir sagen: in dieser Weise gedachte man der heiligen Jungfrau ein paar Decennien nach ihrem Tode, d. H. es bestand schon in dieser Zeit eine Verehrung im allgemeinen Sinne, eine verherrlichende Erinnerung an die abgeschiedene und drüben die Seligkeit genießende Mutter des Herrn.“ ,,Von Ambrosius hier etwas anzuführen," heißt es bald darauf (S. 189) bei Lehner, „ist eigentlich nach dem Früheren überflüssig, ... er stellt sie (die allerseligste Jungfrau) über alle Menschen (De virgin. 1. II. c. 3, 21)." „Man möchte einwenden,“ sagt Ambrosius, „wie kannst du nur Maria als Beispiel aufstellen, als ob jemand ge= funden werden könnte, der die Mutter des Herrn nachahmen könnte?“ Man erinnere sich bei diesen Worten an die Verwandtschaft des hl. Ambrosius mit Prudentius. Wer behält hiernach Recht: Brockhaus mit seiner aus der Luft gegriffenen Behauptung oder die katholischen Archäologen? Unter ihnen sagt Kraus (Roma sott. S. 265): „Auf einer zahlreichen Klasse von Gemälden — de Rossi zählt deren mehr als zwanzig bildet Maria den Mittelpunkt oder wenigstens die Hauptfigur des Bildes: es sind die Darstellungen der Weisen aus dem Morgenlande." Vgl. Real-Encyklopädie der christlichen Alterthümer, Art. „Magier“ und Marienbilder". II. S. 348 f. 361 f. Zur möglichst genauen Veranschaulichung

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fräuliche Gottesmutter im Herzen getragen, ist nach dem Mitgetheilten klar. Bei Prudentius finden wir hiernach über die allerseligste Jungfrau und ihre Verehrung der Hauptsache nach denselben Glauben, welcher heute noch die Angehörigen der katholischen Kirche beseelt. Prudentius bestätigt das Resultat der Untersuchungen, welches v. Lehner den Lesern seines Werkes vorgelegt hat: daß nämlich „das aus der frühern Entwicklung ganz naturgemäß gewachsene Marienideal gewissermaßen schon fertig an das fünfte Jahrhundert abgegeben wird“ (S. VII). Nach der obigen Bemerkung (E. 410) brauchen wir kaum daran zu erinnern, daß diese ,,naturgemäße Entwicklung“ im Sinne der katholischen Dogmengeschichte aufzufassen ist. Entsprechend den Worten der gottbegeisterten Elisabeth (Luc. 1, 42) gehen wir von dem Lobe der Gottesmutter aus dem Munde des Prudentius zu dem Preise über, den er der gebenedeiten Frucht ihres Leibes gesungen hat.

Siebentes Kapitel.

Der Erlöser und sein Werk.

Prudentius schließt seinen herrlichen Epilog mit dem Gedanken an sein Geschick in der Ewigkeit also (V. 33):

„Harr' auf mich was immer auch,

So mag's doch frommen, daß mein Mund sang Christum."

Seine Werke können daher, wie oben (I. Theil S. 26 f.) gezeigt wurde, insgesammt ein Lobgesang auf Christus genannt werden. Bei keinem Kapitel aus der Theologie des Dichters ist es deßhalb aber auch so nothwendig, auf die Lectüre seiner Werke selbst zu verweisen, wie bei dem vorliegenden. Im Streben nach Ausführlichkeit würden wir hier dazu gelangen, den Dichter ganz auszuschreiben.

Für wen hält Prudentius Christus, den Sohn der allzeit jungfräulichen Mutter? Wohl die bündigste Antwort hierauf geben die Worte, worin er sich gegen die Läugner Christi wendet. Seine Liebe zu Christus legt ihm die entrüstete, poetische Aufforderung an den Tod in den Mund:

dieser Wahrheit ist unserem Buche als Titelbild die Darstellung der Magier mit den entsprechenden Versen aus dem Dittochäon des Prudentius beigegeben worden. Das Bild ist ein Frescogemälde aus dem Cömeterium der Hl. Petrus und Marcellin in der Via Labicana. Der Mangel des Schleiers im Bilde der Gottesmutter soll nach der Vermuthung von de Rossi, dessen „Imagini scelte" unser Bild entlehnt ist, ihre jungfräuliche Unversehrtheit ausdrücken. Die Entstehung des Bildes wird von de Rossi in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts verseßt.

„Raffe nur Christi Läugner hinweg, es verwehret dir's niemand!
Brauche nur deine Gewalt; in der Nacht des ewigen Kerkers
Halte die Lästerer fest; doch befreie das Volk der Gerechten,

Die da in Christus also den Gott und den Menschen bekennen,
Daß er als wahrer und höchster Gott doch die Sterblichkeit trage.
Was er geschaffen, das Werk: er trägt es auch selbst, und nicht reut's ihn,
Selbst sein Gebilde zu tragen; ich meine den Leib und die Seele.
Werk seiner Hand ist der Leib und der Hauch seines Mundes die Seele.
Ganz nimmt Gott auch den Menschen an, der ja ganz von ihm herstammt.
Und den er annahm, löst er auch ganz, da er gänzlich zurückführt
Unfre Natur: aus dem Grabe den Leib, aus dem Abgrund die Seele." 1
(Apoth. 771 sq.)

Wir brauchen die soeben mitgetheilten Gedanken nur durch einige Parallelstellen zu erläutern, um die ganze Christologie vor uns zu haben. Die im dritten Kapitel behandelte Logoslehre hat bereits zur Genüge gezeigt, wie nachdrücklich Prudentius die Gottheit Jesu Christi vertheidigt, während aus seiner Lehre über die Gottesmutter der festeste Glaube an die wahre menschliche Natur desselben hervorgeht. Dem Nachweise der göttlichen Natur in Christus sind vorzugsweise die beiden Abschnitte der Apotheosis gegen die Juden (V. 321-551) und gegen die ebionitische Häresie (V. 552–781) gewidmet. Gegen die ersteren führt er eigentlich nur zwei Thatsachen als Beweise auf: die Bekehrung der Heidenwelt mit dem Aufhören der heidnischen Culte einerseits (V. 321-503), und die Zerstörung des Tempels mit der Zerstreuung des israelitischen Volkes

1 Die lezten Verse (v. 779 sq.) dürften troß freierer Ueberseßung den Sinn genau wiedergeben:

Totum hominem Deus adsumit, quia totus ab ipso est,

Et totum redimit, quem sumpserat, omne reducens
Quidquid homo est; istud tumulis, ast illud abysso.

Zugleich sind wir in unserer Ueberseßung gegen Obbarius und Dressel auf die Seite Arevalo's getreten. Jene wollen mit der Glosse von Iso unter ,, abyssus" den Himmel verstehen. Dem entsprechend überseßt Brockhaus v. 780: da er Alles zurückführt,

Aus dem gebildet der Mensch, zum Grabe dieß, jenes zum Himmel."

Diese Uebersetzung, welche mit Bezug auf den Tod Christi in etwa verständlich wird, widerspricht entschieden dem Zusammenhange. Das „reducens" soll eine Erflärung des vorausgehenden „,redimit" sein. Die Erlösung des Menschen aber besteht, was der Dichter öfter wiederholt, in der durch Christus erlangten Auferstehung (bezw. Auferstehungshoffnung) für den Leib und in der seligen Anschauung für die Seele. Obbarius weiß auch für die Möglichkeit seiner Beziehung nur anzugeben, daß dem „abyssus" das Epitheton „tristis“ oder „durus“ fehlt. Also, meint er, fann abyssus" Himmel bedeuten; folglich bedeutet es hier Himmel. Eine merkwürdige Logik! Dressels Grund: es sei nicht von „extrahere", sondern von ,,reducere" die Rede, zerfällt durch den Begriff von „redimere“, während der Hinweis auf Apoth. 785 Arevalo's Deutung bestätigt.

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