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ein spanischer Bischof, schrieb gegen die Manichäer, Sabellianer und Arianer, am meisten aber und mit besonderer Intention gegen die Photinianer, die jetzt Bonosianer heißen, ein Buch mit dem Titel,Vom Glauben wider die Häretiker', worin er zeigt, daß der Sohn Gottes ewig wie der Vater sei und daß er den Anfang seiner Gottheit nicht damals von Gott dem Vater erhalten habe, da aus Maria, der Jungfrau, durch Gottes Schöpferkraft der Mensch Christus empfangen und geboren wurde" (... nec initium deitatis tunc a deo patre accepisse, quum de Maria virgine homo deo fabricante conceptus et natus est). Was die Inhaltsangabe der Schrift betrifft, so deckt sie sich mit dem Thema der Apotheosis. Die Manichäer und Sabellianer sind in dem Sinne zu verstehen, wie oben bei Prudentius in der Apotheosis gezeigt wurde. Die Erwähnung des Arius und Photin aber stimmt in der auffallendsten Weise mit den Worten des Prudentius (Psych. 794) überein:

Hac sese occultant Photinus et Arrius arte
Immanes feritate lupi 1.

Hier wird das einzige Mal in den gegen die Priscillianisten gerichteten Dichtungen dieser Häretiker Erwähnung gethan. Warum nennt Prudentius gerade diese beiden als versteckt unter der Maske des Priscillianismus? Weil er die vorzüglich gegen die Photinianer gerichtete Schrift des Audentius gegen die Priscillianisten benützt hat. Ich wage dieß um so mehr zu behaupten, als unten (Theil II. Kap. 3) in der Lehre des Dichters über die Trinität die eigenthümlich hervortretende Bezugnahme auf Photins System zur Sprache kommen wird.

Ob zwischen den Werken des Dichters und den Schriften des Mönches Bachiarius ein innerer Zusammenhang obwaltet, läßt sich nicht entscheiden. Daß er als Zeitgenosse des Dichters in Spanien gelebt und seine Schriften in der Absicht verfaßt hat, sich von dem Verdachte des Priscillianismus zu reinigen2, wird durch die Anklänge an Prudentius bestätigt. Wiederholt werden wir in der Theologie des Dichters dieß nachzuweisen haben.

von Gams (S. 369) richtig ist und es läßt sich kaum etwas dagegen sagen — so haben wir in dem Bischof Aurentius auf der Synode von Saragossa (380) diesen Audentius zu verstehen.

1 Man kann kaum zweifeln, daß die Stelle im Dittochäon V. 71, wo die Häresie mit Anspielung auf die Zeitverhältnisse mit den Füchsen des Simson (callida vulpes) verglichen wird, mit diesen Worten innerlich zusammenhänge.

2 Vgl. Prolegomena ad Bachiar. in Bibl. vet. patr. Galland. t. IX (Migne tom. 20. col. 1015 sq.). Gams, Kirchengeschichte von Spanien. II. 1. S. 411 f. Daß Bachiarius vor der pelagianischen Häresie geschrieben, die er nicht, wie Gams vermuthet, andeutet, hat Ceillier (Histoire générale des auteurs sacrés etc. Paris 1740. t. X. p. 533) dargethan.

Rösler, Prudentius.

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Wie Prudentius in seinen polemischen Dichtungen sich an bestimmte Specialschriften seiner Zeit anlehnen konnte, so hat er für die apologetischen Bücher gegen Symmachus anerkanntermaßen Ambrosius zum Gewährsmann gehabt. Das Nöthige hierüber wurde im dritten Kapitel mitgetheilt. Hier handelt es sich nur darum, ob und in wie weit der Dichter die schriftlichen Leistungen des heiligen Bischofs von Mailand überhaupt zu seiner theologischen Bildung benügt hat. Die Wahrscheinlichkeit hiervon spricht auch Brockhaus (a. a. D. S. 204) aus, „namentlich in ethischen und praktisch kirchlichen Fragen, so in der Verherrlichung der Martyrer, der Jungfräulichkeit wie der Ascese überhaupt, namentlich auch in der Benützung biblischer Gestalten und Vorgänge zu ethischen Zwecken". In den genannten ascetischen Punkten haben wir nun allerdings nicht nöthig, den Dichter als Schüler des Ambrosius zu betrachten. Die von Ambrosius und Prudentius hierüber ausgesprochenen Ansichten waren Gemeingut der Kirche, welches sie von den Aposteln ererbt hatte. Dagegen möchten wir allerdings behaupten, daß Prudentius in der Darlegung der Glaubenswahrheiten mit keinem Kirchenvater oder Schriftsteller größere Aehnlichkeit hat als mit Ambrosius, und daß der Grund hiervon beim Dichter in der Lectüre der ambrosianischen Schriften zu suchen sei. Die persönlichen Verhältnisse des Dichters lassen uns dieß zunächst als selbstverständlich erwarten. Das innige Verhältniß zwischen Ambrosius und Theodosius ist bekannt. Die ganz einzige Autorität des großen Bischofs bekundet das Wort des Kaisers: „Nur Einen kenne ich, der würdig ist, Bischof zu sein, nämlich Ambrosius.“ Wie sehr Ambrosius aber den Theodosius liebte und schäßte, sehen wir in der Trauerrede des Heiligen auf den Kaiser2. Ist es nun möglich, daß Prudentius als Vertrauter des Theodosius mit seiner Ergebenheit für das kaiserliche Haus nicht auch mit Ambrosius in engere Beziehung trat und seinen Schriften besondere Aufmerksamkeit schenkte? Hat Prudentius ferner die Schrift des Ambrosius gegen Symmachus gekannt und benüßt, so dürfte er doch wohl auch mit den übrigen Schriften desselben sich gern und eingehend beschäftigt haben. Was wir in Folge dieser Erwägung erwarten, sehen wir beim Studium der prudentianischen Dichtungen be= stätigt. Die Liebe zur allegorischen Schriftauslegung ist beiden gemeinsam. Der Versuch, ein System der Theologie des Prudentius aufzustellen, führt, wie dieß im zweiten Theile sich klar ergeben wird, ungefähr zu demselben Resultate wie bei Ambrosius. Bereits in den vorhergehenden Untersuchungen mußte wiederholt auf Ambrosius verwiesen werden. Auch die Milde des Dichters in der Bekämpfung der Priscillianisten dürfte

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1 ,,Episcopum vidi neminem praeter Ambrosium." Theod. Hist. 1. V. c. 17. 2 Oratio de obitu Theodosii M. (Migne t. 16. col. 1385 sq.)

ben dem Charakter des Prudentius die Stellung des Hl. Ambrosius genüber diesen häretischen Wirren zur Veranlassung haben.

Dürfen wir, auf äußere und innere Gründe gestüßt, neben Amosius noch einen heiligen Vater annehmen, dessen Schriften auf Pruentius Einfluß geübt haben, so ist es Cyprian. Das Lob, welches er Dichter diesem Martyrerbischofe gerade wegen seiner Thätigkeit als ehrer (vgl. oben S. 160) spendet, läßt sich kaum denken ohne die Vorusseßung: Prudentius ist mit den Schriften Cyprians wohl vertraut gewesen.

Dum genus esse hominum Christus sinet et vigere mundum,
Dum liber ullus erit, dum scrinia sacra literarum,

Te leget omnis amans Christum, tua, Cypriane, discet. (Perist. XIII, 6.) Diese Worte des von Liebe zu Christus erfüllten Dichters besagen doch nichts anderes als: Auch ich lese deine Schriften und lerne aus denselben. Ueber die große Verehrung, welche der hl. Cyprian in Spanien genoß, war gleichfalls oben die Rede. Daneben mögen zur Bestätigung unserer Meinung hier die Worte des Hl. Pacian von Barcelona erwähnt werden. Allein auf „die Autorität dieses Martyrers und Lehrers" 1 ge= stüßt, widerlegt er den Novatianer Sympronian. "Cypriani epistolas,“ frägt er ihn (ep. 2), „mihi placere miraris? Quid ni beati martyris et catholici sacerdotis ?" Noch stärker ist die Aufforderung (ep. 3. n. 48): „Lege diligentius Cyprianum meum; lege totam,de lapsis' epistolam; Cyprianum loquor vestra oppugnantem et catholica iura retinentem." Diese Worte zeigen, wie verbreitet das Studium Cyprians in Spanien war, und stimmen genau mit dem obigen Citate aus Prudentius überein. Die Worte, welche Pacian auf jene Aufforderung zur Lectüre Cyprians folgen läßt, führen uns zu der Frage, ob Prudentius von Tertullian abhängig sei. Tertullianum,“ sagt er nämlich, „post haeresim (nam multa inde sumpsistis) ipsum epistola sua et ea ipsa, quam catholicus edidit, audies confitentem, posse ecclesiam peccata dimittere." Gibt dieses Zeugniß für die Verbreitung der Schriften Tertullians in der Heimath des Prudentius genügenden Grund zu der Annahme, daß der Dichter sich an diesen Schriftsteller angelehnt habe? Von vornherein wird man das Gegentheil folgern müssen. Pacian unterscheidet den katholischen Tertullian von dem häretischen. Gerade die Schriften Tertullians aus der montanistischen Periode wurden nach Pacians Worten von den Novatianern in Spanien benützt; ja Pacian redet sogar den Sympronian an: Auf deinen ersten Brief hin hielt ich dich für einen Kataphrygier" 2, sezt also die Existenz von Monta

1 S. Paciani ep. I. (Migne t. 13. col. 1054.)

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2 "Quum primum scripseras Cataphrygen putabam." Ep. II. 3. Cfr. I. 1. 2. 3.

nisten in Spanien voraus. Stellen wir uns nun Prudentius vor mit seiner glühenden Begeisterung für die Reinheit des Glaubens, seiner Anhänglichkeit an Rom, seinem Abscheu vor der Häresie, die im ersten Kapitel des zweiten Theiles zur Sprache kommen werden! Können wir dann wohl ohne die zwingendsten Gründe glauben, der Dichter habe Tertullian mit Vorliebe benüßt? Brockhaus (a. a. D. S. 203) hat dieß behauptet; er sagt: „Von einer Theologie des Prudentius als einer seinem Geiste angehörigen, zusammenhängenden Anschauungsweise kann nicht die Rede sein; in dem Punkte gleicht er völlig seinem Zeitgenossen Ambrosius, dessen theologische Anschauungen und Argumente in der Hauptsache seinen Vorgängern und Zeitgenossen entlehnt waren, so originell und bedeutsam die Erscheinung desselben auch sonst ist. Einmal beherrscht (den) Prudentius die orthodore nicänische Theologie, der er sich ohne Rückhalt hingibt, sodann aber namentlich jener merkwürdige Theolog, der, bis Augustins gewaltiger Genius ihn ablöst, die dogmatischen Anschauungen des Abendlandes beherrscht: Tertullian." Das ganze achte Kapitel, wohl das schwächste in der Brockhaus'schen Arbeit, ist vorzugsweise dem Nachweise. dieser Behauptung gewidmet. Ebert hat diese Behauptung auch als gut bewiesen ohne Weiteres in sein vielgelesenes und schönes Werk aufgenommen, so daß der Sat: „Prudentius ist auf's Innigste mit Tertullian verwandt“, Aussicht haben dürfte, Gemeingut der wissenschaftlich Gebildeten zu werden. Desto entschiedener müssen wir hier diese Behauptung als durchaus unbegründet zurückweisen. Schon der bereits angeführte Grund, die Meinung, welche man nach Pacian vor dem Auftreten des Prudentius in Spanien über den Häretiker Tertullian hegte, genügt, um die Brockhaus'sche Behauptung als durchaus unwahrscheinlich hinzustellen. Man bedenke doch, daß die Zeitgenossen des Prudentius, Hilarius, Vincenz von Lerin und Hieronymus, ebenso wie Pacian die häretische Verirrung Tertullians brandmarken 2. Nun soll der katholische Prudentius gegenüber

1 Geschichte der christlich-lateinischen Literatur. S. 260. 266. Merkwürdigerweise hat Ebert in der entschiedensten Weise die Abhängigkeit Cyprians von Tertullian betont (a. a. D. S. 56 f.). Cyprians Buch de bono patientiae ist nach ihm „fast nur ein an das Plagiat streifender Abklatsch" des tertullianischen über denselben Gegenstand. Warum soll nun Prudentius in der Personification der Geduld gerade von Tertullian und nicht von Cyprian abhängig sein (S. 277), zumal Ebert an derselben Stelle darauf aufmerksam macht, daß das von Prudentius angewandte Bild von der Berennung der Seele durch die Laster unter der Anführung des Teufels (Ham. 393 sq.) uns schon bei Cyprian begegnet? Die Zuversicht der Behauptungen von Brockhaus hat hier ihre Wirkung gethan.

2 Hilar. Comment. in Matth. c. 5. Vincent. Common. c. 24. Hieron. contra Helvid. c. 7: „De Tertulliano nihil amplius dico, quam ecclesiae hominem non fuisse."

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der Meinung der damaligen Kirche im Kampfe gegen die Irrlehre sich so eng an Tertullian anschließen, daß er nach Brockhaus sogar dessen Irrthümer theilt. Dieß allein muß genügen, um Bedenken gegen die Brockhaus'sche Beweisführung zu erregen. In der That ist lettere entschieden hinfällig; das „Qui nimium probat, nihil probat“ springt klar in die Augen. Was zunächst jene Säße betrifft, in denen der Dichter mit Tertullian wirklich übereinstimmt, so hat die Kritik im Ganzen die richtige Erklärung gegeben. Es liegt in einigen Stellen allerdings am Tage (?), daß der Rhetor dem Dichter vorgelegen sein muß; auch ist unbestreitbar, daß die Theologie des Prudentius überhaupt keinen Anspruch auf Originalität erheben kann, aber es scheint uns verfehlt zu sein, sie im Ganzen oder in den wichtigern Stücken gerade auf Tertullian als Quelle zurückzuführen, und wir glauben, daß die vom Verfasser zu diesem Behufe vorgebrachten Beweise nicht Stand halten. Die theologischen Vorstellungen und Ansichten, die von ihm als tertullianisch bezeichnet werden, waren im christlichen Alterthum meist Gemeingut der theologischen Welt, und Prudentius mußte sie keineswegs einem besondern Schriftsteller entnommen haben, zumal sie diesem nicht einmal in erster Linie eigen waren. Der Verfasser läßt Prudentius z. B. die Vorstellung der Väter, nach der der Móyos das Substrat der alttestamentlichen Theophanien war, aus Tertullian schöpfen, und er schreibt diesem das Verdienst zu, sie angebahnt zu haben (S. 208). Diese Anschauung war bereits von Justin ausgesprochen (Dial. c. Tryph. n. 127), und sie findet sich bei fast sämmtlichen Vätern bis zur Zeit Augustins (vgl. Kuhn, Kath. Dogmatik II. S. 12 f.)." Auch die im Anfange dieses Citats zugestandene Anlehnung an Tertullian muß noch mit einem Fragezeichen versehen werden, wenn wir einerseits Tertullians Verhältniß zu Cyprian und außerdem die Lectüre der Schriften Cyprians Seitens des Dichters berücksichtigen. Die Stellen, in denen Prudentius dem Tertullian gefolgt zu sein scheint, sind vielmehr in Cyprian zu suchen. Dabei bewahrheitet sich, was Ebert über die Abhängigkeit Cyprians von Tertullian im Allgemeinen und im Besondern in den beiderseitigen Abhandlungen über die Geduld bemerkt 2. „Ein Vergleich dieser Schrift (de bono patientiae) mit der entsprechenden Tertullians ist sehr lehrreich; er zeigt recht den Unterschied beider Autoren: bei Cyprian einerseits Mangel eigener Gedanken, andererseits aber eine einfachere, durchsichtigere Disposition, indem er die Tertullians modificirte, und eine klarere, glattere Darstellung." Gerade in dogmatischen Fragen steht Prudentius der Klarheit Cyprians viel näher, als der Dunkelheit Tertullians. Allerdings findet Brockhaus die unklare

1 Tübinger theologische Quartalschrift. Jahrg. 1872, S. 688 f.

2 A. a. O. S. 56.

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