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Schlußformel der Collecte.

wendet, während der katholische Meßpriester fast Alles dem Altar zugekehrt recitirt. Ehedem aber war es, wie im christlichen Alterthum überhaupt, so auch in den lutherischen Kirchen Vorschrift, daß der Geistliche alle Altargebete, welche nicht eben gemeinschaftliche waren, dem Altar zugewendet, die mit dem Oremus beginnenden gemeinschaftlichen dagegen der Gemeine zugekehrt sprechen sollte.

Der Schluß der Collecte lautet in der römischen Kirche bekanntlich immer in ziemlich gleicher Weise entweder »Per (eundem) Dominum nostrum Jesum Christum, Filium tuum, qui tecum vivit et regnat in unitate (ejusdem) Spiritus Sancti Deus per omnia saecula saeculorum« oder »Qui vivis et regnas cum Deo Patre in unitate &c.« jenachdem das Gebet an Gott den Vater oder an Jefum Chriftum gerichtet ist; und als Regel gelten hierüber folgende Verse:

„Per Dominum" dicas Patrem si presbyter oras:
Dum loqueris Nato,,,Qui vivis" dicere cures:
Commemorans Natum, tu Patri dic „,Per" eundem:
Si circa finem „Qui tecum“ dicere debes:

Commemorans Flamen,,,Ejusdem" dic prope finem.

Beachtenswerth ist übrigens, daß es im Römischen Ritual keine einzige Collecte giebt, die unmittelbar an den heiligen Geist gerichtet wäre, und nur sehr wenige, die noch dazu erst aus späterer Zeit herrühren, welche an Jesum Chriftum gerichtet sind. Ja das 3. Concil zu Karthago (397) verordnet ausdrücklich, daß am Altar das Gebet jederzeit an Gott den Vater gerichtet werden müsse (can. 23. Quum altari adsistitur, semper ad Patrem dirigatur oratio), wozu der afrikanische Bischof Fulgentius (507) bemerkt, daß der Gläubige bei Nennung Gottes des Vaters ohnehin schon an den dreieinigen Gott denke, wenn auch die drei Personen in der Gottheit nicht erst namentlich erwähnt werden; 1) und den Grund für diese kirchliche Praris giebt Bellarmin unstreitig richtig an, wenn er sagt: „Da das Gebet mit Christo, unserem Fürsprecher bei Gott, schließen muß, so wird es mit Recht an Gott den Vater gerichtet. Denn es würde unpassend sein, das Gebet an die Dreieinigkeit zu richten, und mit den Worten „um deines Sohnes willen" zu schließen; wir würden somit Christum zum Sohne der Dreieinigkeit zu machen scheinen. Wenn wir aber den Ausdruck ,,Sohn" wegließen, und nur sagten: „um Christi, unseres Herrn, willen," so würden wir die Personen Christi zu trennen scheinen: denn die eine schlössen wir in die Trinität, welche wir anrufen, ein, die andere, in deren Namen wir beten, schlössen wir aus. Alle diese Nachtheile aber fallen weg, wenn die Gebete an Eine Person gerichtet werden, und da die des Vaters die erste ist, von welcher die beiden anderen ihren Ursprung herleiten, so schien es, wenn einmal die Gebete an Eine Person zu richten waren, das Beste, fie an den Vater zu richten“ 2).

1) Fulgent. ed Monimum II. c. 5. Dum ad solius patris personam sermo dirigitur, bene credentis fide tota trinitas honoratur.

2) Bellarm. de Miss. II. c. 16.

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Blieb dies aber auch für den kirchlichen Gottesdienst feststehende Regel, so kam doch bei der Privatandacht der Christen in den Zeiten des Mittelalters die Anrufung der Maria 1) und der Heiligen nach und nach so sehr in Gebrauch, daß man das Beten zu Gott, und #mehr noch das zu Jesu darüber fast ganz vergaß, indem Jeder seinen = eigenen Schugheiligen hatte, den er zu seinem Chargé d'affaires bei #Gott machte.

Je entschiedener sich nun die Reformatoren gegen diesen HeiliIgendienst erklären mußten, desto mehr trat in den evangelischen Kirchen wiederum das Gebet zu Jesu als ein entschiedenes Bekenntniß der Gottheit Christi und seiner Wesenseinheit mit Gott dem Vater hervor, und wer diese nicht anerkannte, mußte natürlich auch jenes verwerfen.

Eine Ausnahme machten hierin freilich die Socinianer; und theilten sich diese auch schon ziemlich früh in Non-Adoranten und Adoranten, so war doch die Zahl der letteren, welche Christo göttliche Verehrung zuerkannten, bei weitem die überwiegende. Gegen die kirchliche Unterscheidung der drei Personen in der Gottheit erklärten sich die Socinianer allerdings allesammt und einstimmig. Leset," sagt z. B. der Verfasser des Gespräches von der Dreieinigkeit 2), ,,leset nur die heilige Schrift, und vornehmlich die Bücher des neuen Bundes; denn das sind die besten Kirchenhistorien. Leset sie durch und durch, ob ihr ein Wort von drei Personen in Einem göttlichen Wesen finden werdet.,,Vater, Sohn und heiliger Geist" werdet ihr wohl finden, auch daß sie im Himmel zeugen, und alle drei eins sind, wiewohl ihr dies in Lutheri Bibel, die er selber ausgehen lassen, nicht finden werdet. 3) Auch werdet ihr finden, daß wir auf ihre Namen getauft werden; aber daß sie alle drei der einige Gott, oder, wie ihr redet und glaubt, drei unterschiedene, ewige, allmächtige, göttliche Personen und der einige wesentliche Gott wären, das werdet ihr nimmermehr finden."

1) Für wie kräftig namentlich ihre Fürbitte gehalten wurde, beweist unter an deren eine Erzählung aus dem XIII. Jahrhundert, nach welcher Christus wegen der vielen Gräuel und Sünden auf Erden im Jahre 1216 die Absicht hatte, die Weltkugel zu zerschmettern. Die Jungfrau Maria jedoch wußte ihn durch begütigendes Zureden wieder barmherziger zu stimmen; und da er späterhin einmal Miene machte, ihren bäufigen Fürbitten Einhalt zu thun, weil sich der Teufel mit Recht über die Entvölkerung der Hölle beklagen könne, verwies sie ihn mit mütterlichen Vorwürfen auf seine eigenen Lehren in der Bibel, daß man Vater und Mutter ehren solle.

Demnach darf es uns nicht befremden, wenn es in einem Gedicht von Theophilus (im Codex Palat. 341. hochdeutsch) aus jener Zeit heißt, daß man ohne Schaden für seine Seele Gott entsagen, und sich dem Teufel verschreiben kann, wenn man nur die heilige Jungfrau nicht verleugnet. Wie ein Staar, der das Ave Maria sprechen gelernt hat, so errettet sich die Seele des Sünders damit aus den Klauen des Teufels.“ Vergl. Gervinus Gesch. d. deutsch. Nationallit. I. 514.

2) Auctor theolog. oder des Gespräches . S. 220 u. 222.

3) Die Stelle 1. Joh. 5, 7. ist bekanntlich unecht, und Bugenhagen, Luther's Freund und Gehülfe, sprach sogar das Anathema über diejenigen aus, welche sie in den Bibeln noch fernerhin als echt würden stehen lassen.

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Desenungeachtet finden sich in dem Rakauischen Katechismus der Socinianer sehr bestimmte Erklärungen, welche über die göttliche „Welches ist das andere Verehrung Jesu keinen Zweifel laffen. Gebot," heißt es in demselben,,,das der Herr Christus zu dem ersten hinzugethan hat? Daß wir auch den Herrn Christum für unseren Gott, d. i. für den, welcher göttliche Macht über uns hat, anzuerkennen, und ihm göttliche Ehre zu erweisen schuldig sind. Worin besteht die göttliche Ehre, die wir Christo schuldig sind? - Darin, daß wir, gleich wie wir ihm göttliche Ehre anzuthun, und vor ihm niederzufallen schuldig sind, ihn auch um allerlei Nothdurft allezeit bitten können. Christum beten wir an wegen seiner hohen Majestät, bitten ihn aber um das Nöthige wegen seiner hohen Macht" 1).

Andere Gegner der Trinität, wie die Naturalisten, Deisten und Rationalisten, welche die socinianische Hypothese von der „Entrückung in den Himmel" nicht gelten ließen, sondern in Jesu nur einen vorzüglich begabten Lehrer, oder ein Musterbild für die Menschen fanden, mußten sich natürlich gegen die Anbetung Jesu auf das Ent= schiedenste erklären. So meinte G. Ch. Müller 2): Als Führer und Vorbild der Menschen will Christus geehrt sein, nicht, wie die Herrnhuter und Methodisten thun, welche den Heiland zu Gott machen, an ihn alle Gebete richten, von ihm alle Hülfe und Seligkeit ganz ohne eigene Arbeit und Verdienst erwarten, des höchsten Gottes kaum noch gedenken, ihn sogar der Fürsprache des Sohnes bedürftig halten, um Gnade und Segen über das sündige Geschlecht auszutheilen, oder auch, wie das gemeine Volk in aller Welt es macht, daß es Christum als den Sündenträger und Seligmacher verehrt, und im thatlosen Glauben an sein Verdienst alle Rechtfertigung und Begnadigung zu erlangen hofft, und ihm doch nur die äußere Ehre erweist, bei seinem Namen sich zu verneigen, ohne doch um seinetwillen das Fleisch zu kreuzigen sammt den Lüften und Begierden, und sich selbst zu verleugnen, sein Kreuz auf sich zu nehmen, und ihm nachzufolgen. D, der traurigen, unwürdigen, verderblichen Chriftolatrie!"

Bon diesem hiermit charakterisirten Standpunkt aus erklärte nun vor einigen Jahren Pastor Sintenis (in der Magdeburger Zeitung vom 7. Febr. 1840) in der Kritik eines Bildes,die betende Bauerfa milie" und eines Gedichtes mit dem, alle Strophen schließenden Refrain ,,Vom lieben Heiland, Jesus Christ, Der aller Noth Erbarmer ist"

1) Die meisten Socinianer bekannten sich nämlich im Wesentlichen zu der Ansicht der alten Photinianer, nach welcher Jesus zwar ein bloßer Mensch, aber wunderbar von der Maria empfangen, und zur Ausführung seines Werkes auf übernatürliche Weise ausgerüstet gewesen sei, und Socinus namentlich lehrte, daß derselbe vor dem Beginn seines Lehramtes in den Himmel entrückt, und dort vom Vater selbst belehrt worden sei. Daher habe er auch mit Recht sagen können, daß er vom Himmel gekommen sei, und den Vater gesehen habe (Joh. 6, 38., 46.); göttliche Würde aber habe er nicht in Folge einer Wesensgleichheit mit Gott, sondern als ein Geschenk von Gott erhalten.

2) Vergl. die Schrift: „Vom Wahren und Gewissen,“ Bd. II. S. 224.

Streit über das Gebet zu Jesu.

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das Gebet zu Jesu für Aberglauben, und beschuldigte diejenigen, welche immer und immer von dem lieben Heilande sprächen, wo doch nur von Gott die Rede sein dürfe, und sich in allen Nöthen nur an · Jesum Chriftum wendeten, wie wenn der Vater in den Ruhestand verseßt wäre, des Gözendienstes; ja am ersten Fastensonntag (am 8. März 1840) predigte er sogar von dem,,Judassinn," der so gern 1 dem Menschensohne eine höhere Würde beilegen wolle, als dieser für sich selbst in Anspruch genommen habe, ganz so, wie der Verräther auch gern den Meister zum irdischen Könige habe machen wollen, um selbst sein erster Minister zu werden.

Das Magdeburger Consistorium sah sich, da er troß wiederholentlicher Erinnerung an seine Pflicht, als evangelischer Prediger der Bibel- und Kirchenlehre gemäß zu predigen, in seinen Angriffen gegen die Lehre von der Gottheit Christi immer dreister wurde, genöthigt, mehrere seiner Predigten einzufordern, und der Bischof Dr. Dräsece legte in Folge einer Unterredung ihm ein Protocoll zur Unterschrift vor, in welchem er vornehmlich versprechen sollte, seine Kanzelvorträge mit dem Worte der Bibel, so gut er dasselbe aus den Bekenntnißschriften der evangelischen Kirche, besonders aus dem apostolischen Symbolum und der Augsburgischen Confession, vor allem aber aus dem Geiste der Bibel selbst aufzufaffen vermöge, in genaue Uebereinstimmung zu sehen, und sich vor Aeußerungen, welche den Christenglauben verlegen könnten, mit heiliger Sorgfalt zu hüten. - Sintenis erklärte in Betreff dieses Punktes: er habe in keiner seiner bisherigen Predigten Gott und Jesum Christum, als den Gesandten Gottes verleugnet, und verspreche auch, seine künftigen Kanzelvorträge mit dem Worte der Bibel, dem apostolischen Symbolum und der Augsburgischen Confession in Uebereinstimmung zu sehen, in soweit er diese legteren mit dem Geiste der Bibel im Einklange zu erkennen vermöge."

Da er sich demnach in keiner Weise zu einer Zurücknahme seiner Angriffe auf die Kirchenlehre verstand, so erhielt er einen Verweis mit der ernstlichen Warnung, sich bei Strafe der Suspension in Zukunft vor denselben zu hüten, und das Ministerium der geistlichen Angelegenheiten in Berlin, an das er selbst, das Kirchencollegium und der Magistrat appellirt hatten, bestätigte dieses Urtheil, indem es zugleich die streitenden Parteien zum Frieden ermahnte, eine Entscheidung, mit der zwar die hißigen Eiferer auf beiden Seiten nicht zufrieden, die unbefangeneren Beurtheiler der streitigen Angelegenheit aber meist einverstanden waren.

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Das Glaubensbekenntniß.

X.

Das Glaubensbekenntniß.

An die Evangelienlection schließt sich, wie bekannt, in der katholischen, wie in den meisten evangelischen Kirchen, das Glaubensbekenntniß an; und hat diese ihm angewiesene Stelle auch nicht die Praxis des christlichen Alterthums für sich, nach welcher auf die VorLesung der heiligen Schrift zunächst die Predigt, und erst nach dem Schluß der Katechumenenmesse, beim Beginn des zweiten Theils der gottesdienstlichen Feier, der missa fidelium, als Eröffnung derselben die Recitation des Glaubensbekenntnisses folgte, so wird man doch die gegenwärtig fast allgemein angenommene liturgische Anordnung nicht unpassend nennen dürfen. Ist doch in der That, namentlich das Nicänische Symbolum, gewissermaßen selbst eine im großartigsten Lapidarstyl abgefaßte Predigt der Kirche über das Evangelium. Fast jedes Wort erinnert an einen Kampf mit den Gegnern der christlichen Lehre; fast jedes ist gleichsam die Grabschrift auf dem Leichenstein eines überwundenen Feindes.

Dem apostolischen Zeitalter war allerdings ein so ausführliches, und im Gegensaß zu den verschiedenen Irrlehren so bestimmt ausgesprochenes Glaubensbekenntniß fremd, und selbst das einfachere apostolische Symbolum gehört der Form nach erweislich nicht der apostolischen, sondern einer späteren Zeit an. Rufinus will zwar wissen, daß die Apostel, ehe sie sich in alle Welt zerstreuten, in Jerusalem noch eine Conferenz gehalten hätten, um durch die gemeinschaftliche Feststellung einer bestimmten Lehr- und Glaubensformel den Inhalt und Umfang des christlichen Lehrbegriffs genau anzugeben; und der Verfasser der Serm. de tempore getraut sich sogar, speciell berichten zu können, welches die Beiträge der einzelnen Apostel gewesen sind. Nach ihm sagte nämlich:

Petrus: Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater;
Johannes: Schöpfer Himmels und der Erde;

Jakobus: Und an Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unseren Herrn;

Andreas: Der empfangen ist vom heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria;

Philippus: Gelitten unter Pontio Pilato, gekreuzigt, gestorben und begraben;

Thomas: Niedergefahren zur Hölle, und am dritten Tage wieder auferstanden von den Todten;

Bartholomäus: Aufgefahren gen Himmel, fizet zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;

Matthäus: Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten;

Jakobus, Sohn des Alphäus: Ich glaube an den heiligen Geist, eine heilige, allgemeine Kirche;

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