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der Geift fie treibt und wo fie irgend Zuhörer finden, in Privathäufern, auf Spaziergängen, auf den Marktplägen ic., und wenn bei solchen Versammlungen Alles recht bunt durcheinander geht und die Einen in heftigen Krämpfen am Boden liegend heulen und schreien, während Andere, wie im bacchantischen Taumel herumtanzen und wild durcheinander jauchzen und jubeln, so ist ihnen dies eben ein Beweis, daß der heilige Geist sich an ihnen nicht unbezeugt gelassen habe.

Große Aehnlichkeit haben hierin mit ihnen die Jumpers (Springer), eine um das Jahr 1760 aus dem Whitefieldischen Methodismus hervorgegangene kleinere Secte, die gleichfalls ihren Gottesdienst unter beständigem Schreien und Jauchzen halten, und in Entzückungen gerathend stundenlang hin und her springen, wie die Shakers (6000 Mitglieder in 15 Gemeinen mit 45 Geistlichen), deren gottesdienstliche Verfammlungen bereits oben (S. 306) geschildert sind.

Die zahlreichste Secte nach denen der Baptisten und Methodisten ist die der Presbyterianer (2,175,000 Mitglieder in 3750 Gemeinen mit 2900 Geistlichen), von denen die meisten (gegen 1,800,000) in Philadelphia wohnen, und wie einft ihre Vorfahren, die alten Puritaner, schroff und streng an jenen kahlen und nüchternen Formen des Gottesdienstes festhalten, die ihrer Meinung nach allein den Charakter apostolischer Simplicität an sich tragen. Noch heutzutage mißbilligt der strenge Presbyterianer es entschieden, wenn die Geistlichen anderer Kirchen bei Amtshandlungen in einer besonderen priesterlichen Kleidung erscheinen; noch heut erklärt er das Kreuzzeichen, das Knieen beim Abendmahl, das Neigen des Hauptes beim Namen Jesu, den Gebrauch der evangelischen und epistolischen Perikopen und bestimmter, vorgeschriebener Gebetsformulare für Merkmale eines nur auf das Aeußerliche gerichteten, verwerflichen Papismus, und Glocken, Orgeln und Altäre sind ihm immer noch ein Gegenstand des Anstoßes; ja selbst die von Alters her kirchlich gefeierten Feste haben, vielleicht nur darum, weil er sie mit den Papisten zugleich feiern müßte, nicht seinen Beifall. Der Sonntag allein ist es, den er als seinen Fest- und Feiertag anerkennt und mit solcher Strenge feiert, daß er seine gottselige Langeweile durch irgend eine weltliche Arbeit zu verkürzen für die größte Sünde hält. Bekanntlich stimmen auch viele Glieder der Episkopalkirche in diesem Punkt mit den Presbyterianern überein, und ebenso ist es diesen lezteren in Betreff der apokryphischen Schriften des A. T. gelungen, die gesammte britische Bibelgesellschaft zur Annahme ihrer Ansicht zu bewegen. So wie sie selbst nämlich diese Schriften nie als Gotteswort haben gelten laffen, hat auch die Bibelgesellschaft in einem Beschluß vom J. 1827 sich von jeder Mitverbreitung derselben feierlich loszusagen für nothwendig erachtet, eine Ansicht, mit der sich allerdings andere Bibelgesellschaften nicht haben befreunden können, weil es ihnen bis auf diese Stunde noch nicht klar geworden ist, welchen Nachtheil es frommen Lesern der Bibel bringen kann, wenn sie z. B. neben dem Buch Esther auch einmal das Buch Jesus Sirach lesen.

Eine andere, den Presbyterianern nahe verwandte und eigentlich nur in Beziehung auf die Kirchenverfassung und durch noch größere Schroffheit von ihnen sich unterscheidende Secte ist die der Congre

386 Congregationalisten. Quäfer. Unitarier.

gationalisten (gegen 1,400,000 Mitglieder in 1300 Gemeinen mit 1150 Geistlichen), Nachkommen jener alten, durch ihren wilden Fanatismus berüchtigten Independenten oder Brownisten, wie fie einst nach ihrem Stifter Rob. Browne (ft. 1630) genannt wurden, welche noch jezt daran festhalten, daß jede Gemeine für sich vollkommen selbstständig und unabhängig dastehen müsse und ihre kirchlichen Angelegenheiten nach ihrem eigenen Ermessen mit unbeschränkter Freiheit zu verwalten habe. Eine solche Verfassung sichert sie denn allerdings vor Nachtheilen, die ihnen möglicher Weise aus der Unterwerfung unter ein höheres Kirchenregiment entstehen könnten, aber sie öffnet auch der launenhaftesten Willkür Thür und Thor, und namentlich find die Geistlichen ganz und gar von der Majorität der Gemeineglieder abhängig. Was diese zu verfügen beliebt, muß der Geistliche fich gefallen lassen; sie hat zu bestimmen, was und wie er ihr predigen soll, und kann ihn, falls er ihr nicht mehr gefällt, entlassen, ohne daß er darüber irgendwo Klage führen dürfte.

Kommt es bei den Congregationalisten in Folge ihrer eigenthümlichen Gemeine verfassung lediglich auf die Majorität der Gemeine an, ob sie lieber einen gläubigen oder einen ungläubigen Prediger haben will, so ist es bei den Quäkern (gegen 100,000 Mitglieder in 500 Gemeinen) das Princip selbst, welches Glauben und Unglauben auf ganz gleiche Weise berechtigt. Wird nämlich, wie dies bei den Quälern geschieht, das äußere Wort Gottes in der heiligen Schrift dem inneren untergeordnet und seine Geltung von den sogenannten inneren Offenbarungen abhängig gemacht, so läßt sich kaum begreifen, warum es nicht auch den Hicksiten, einer rationalistischen Quäkerpartei, die ihren Namen von Elias Hicks hat und in Amerika ziemlich ein Drittheil aller Quäker umfaßt, hätte freistehen sollen, die heilige Schrift ihren rationalistischen Ansichten unterzuordnen und die meisten positiv - christlichen Lehren geradehin zu leugnen. Dies leuchtete denn auch den Besonneneren unter den christlichgesinnten Quäkern vollkommen ein, weshalb der Verein der ,,e vangelischen Quaker" (Evangelical Friends), der sich bald nach dem Auftreten der Hicksiten und im Gegensatz zu ihnen bildete, gleich anfangs in der Jahresversammlung 1837 offen erklärte, daß Alles, was außer der heiligen Schrift noch als Offenbarung angesehen werde, Täuschung sei," und daß der Verein,,der Lehre von einer allgemeinen, selig machenden, inneren Erleuchtung, als einer Lehre, die alles Schriftgrundes ermangele, entsage," womit allerdings nichts mehr und nichts weniger, als eine Lossagung von dem Quäferthum selbst ausgesprochen war.

Nahe verwandt den Quäkern, namentlich den Hicksitischen, sind die Unitarier, eine Secte, die in Amerika gegen 180,000 Mitglieder in 200 Gemeinen mit 180 Geistlichen zählt. Ihren Namen haben die Unitarier bekanntlich davon, daß sie im Gegensaß zu den Bekennern der Lehre von der Trinität, die sie entschieden verwerfen, sich nur zu dem Glauben an Einen Gott bekennen, und wie unähnlich sie auch sonst mit ihren rationalistischen Ansichten den Christlichgesinnten unter den Quäfern sein mögen, so stimmen sie doch in der Geringschäßung der Sacramente mit ihnen vollkommen überein. Denn auch ihnen gel

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ten dieselben nicht als Gnadenmittel, sondern nur als äußere kirchliche Gebräuche.

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Neben den Unitariern sind außerdem noch die Universalisten zu nennen, eine Secte, die sich besonders in New York ausgebreitet hat und ungefähr 60,000 Mitglieder in 650 Gemeinen mit 320 Geistlichen zählt, die gar keine geoffenbarte Religion anerkennen, von Belohnungen und Bestrafungen in einem zukünftigen Leben nichts wissen wollen, als höchste Pflicht den Gehorsam gegen die Staatsgeseße aufstellen und sich, wenigstens den Statuten zufolge, zur strengsten Moralität verpflichten.

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In einem Staatengebiet, wo jede religiöse Ansicht vom craffesten Aberglauben an bis zum entschiedensten Unglauben ihre Vertreter hat, wie dies in Nordamerika der Fall ist, wäre es in der That auffallend, wenn nicht auch der Swedenborgianismus seine Anhänger hätte. Die Zahl derselben ist zwar hier bis jeßt noch gering nur etwa 5000 Mitglieder in 27 Gemeinen mit 33 Geistlichen aber die Swe= denborgianer geben darum immer noch nicht die Hoffnung auf, daß ihre „Kirche des neuen Jerusalem," deren Beginn Immanuel v. Swedenborg (ft. 1772) vom 19. Juni 1770 datirte, sich binnen Kurzem zur Weltkirche des Herrn" umgestalten werde. Denn dem ,,Katechismus der Neuen Kirche" zufolge, den die Generalconferenz der= felben in Großbritannien im 3. 1828 entworfen hat, ist allerdings gegenwärtig die Zeit der zweiten Ankunft des Herrn und des Anfangs der Neuen Kirche, welche das Neue Jerusalem heißt." Nur soll man sich diese Ankunft nicht etwa finnlich denken. Sie ist vielmehr, wie es in der Antwort auf die 39. Frage heißt,,,ein Kommen, nicht in Person, sondern im Geist, mittelst Offenbarung des geistigen Sinnes Seines heiligen Wortes." Was die Mitglieder dieser Neuen Kirche be= trifft, so besteht dieselbe, wie man aus der Antwort auf die 40. Frage lernt,,,aus allen denen, welche den Herrn Jesum Christum als den alleinigen Gott verehren und das Böse als Sünde wider Ihn fliehen. Sie selbst aber ist eine neue Anstalt der göttlichen Güte und Wahrheit, wodurch die reinen Lehren des heiligen Wortes bekannt gemacht worden." Auf die legte Frage des Katechismus endlich:,,Wo kannst du weiteren Unterricht erhalten in Betreff der zweiten Ankunft des Herrn Jesu Chrifti," lautet die Antwort: „In den Schriften des Dieners des Herrn, Imman. Swedenborg, welcher von Ihm dazu berufen worden, der Menschheit Belehrung über diese wichtigen Gegenstände mitzutheilen." Wer also nähere Belehrung hierüber begehrt, muß entweder diese Schriften selbst lesen, oder dem Gottesdienst der Swedenborgianer beiwohnen, bei welchem nächst den Bibellectionen auch Abschnitte aus Swedenborgs Werken vorgelesen und erklärt werden.

Hiermit sind nun die wichtigsten Cultusformen, so weit sie innerhalb der christlichen Kirche im Laufe der Zeit bis jest hervorgetreten find, dargestellt, und es bleibt demnach in dieser Beziehung nur noch übrig, auf die wichtigeren Theile des christlichen Gottesdienstes im Einzelnen genauer einzugehen, was in den folgenden Abschnitten geschehen soll.

388

Gesang der ersten Christengemeinen.

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VIII.

Der Kirchengefang.

A. Der Choralgefang der Gemeinen.

Wie bei den Juden, so war auch bei den ersten Christen der gemeinsame Gesang ein wesentlicher Bestandtheil des Gottesdienftes. Singet und spielet dem Herrn in eurem Herzen" ermahnte der Apostel Paulus die Gemeine zu Ephesus (Ephes. 5, 19.). Ebenso heißt es in dem Briefe an die Koloffer (3, 16.):,,Lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgefängen und geistlichen lieblichen Liedern," und daß dieser, auch in dem bekannten Briefe des Plinius an den Kaiser Trajan erwähnte Gesang ein von allen Anwesenden gemeinschaftlich angestimmter war, ist durch die Zeugnisse der Kirchenväter hinreichend bestätigt. Es ist daher unrichtig, wenn Bellarmin1), um die Praris der katholischen Kirche als eine urchriftliche zu rechtfertigen, sagt: „Vor Ambrosius (ft. 397) sang nur Einer den Psalm, während die Anderen zuhörten - vielleicht sangen auch nur die Kleriter, wie es jest geschieht. Ambrosius aber verordnete, um die Trauer des Volkes bei der Verfolgung durch die Kaiserin Justina zu mildern, daß das ganze Volk singen sollte." Hilarius 2), der ungefähr 30 Jahre vor Ambrosius starb, spricht ganz unzweifelhaft von dem gemeinschaftlichen Gesange der Gemeine, wenn er in seiner Erklärung des 65. Psalms sagt: Es höre einer draußen vor der Kirche die Stimme des andächtigen Volkes; er gebe Acht auf die häufigen Klänge der Hymnen." Ebenso sagt auch Chrysostomus 3): „Vor Alters kamen Alle zusammen, und sangen gemeinschaftlich; dies thun wir auch jezt noch;" und noch bestimmter heißt es in seiner Homilie zum 145. (146.) Psalm 4): "Frauen und Männer, Greise und Jünglinge unterscheiden sich nur in der Art des Gesanges; denn der Geist, der die Stimme eines Jeden leitet, bewirkt bei Allen ein und dieselbe Melodie."

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Antea siquidem psalmum Fortasse etiam soli clerici, autem ad leniendum moe

1) Bellarm. de bon. operib. I. c. 16. cantabat unus, tantum audientibus ceteris. ut nunc fieri videmus, canebant: Ambrosius rorem in persecutione Justinae instituit, ut populus caneret.

2) Hilar. in Ps. 65. Audiat orantis populi consistens quis extra ecclesiam vocem, spectet celebres hymnorum sonitus.

3) Chrysost. hom. 36. in 1. Cor. Evrýsṣav tò rahaiòv ätartes καὶ ὑπέψαλλον κοινῇ· τοῦτο ποιοῦμεν καὶ νύν.

4) Ε. 1. Καὶ γὰρ γυναῖκες καὶ ἄνδρες καὶ πρεςβύται καὶ νέοι διήρηνται μὲν κατὰ τὸν τῆς ὑμνῳδίας λόγον· τὴν γὰρ ἑκάστου φωνὴν τὸ πνεῦμα κεράσαν, μίαν ἐν ἅπασιν ἐργάζεται τὴν μελωδίαν.

Altchristliche Wechselgefänge.

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Bellarmin konnte sich allerdings auf eine Bestimmung des Concils zu Laodicea berufen, in der es heißt 1): Außer den kirchlichen Sängern, die auf dem Chore stehen, und aus den Psalmenbüchern fängen, dürfe kein Anderer in der Kirche fingen." Aber einerseits scheint aus dieser Verfügung selbst hervorzugehen, daß vorher auch Andere mitgesungen haben (denn sonst hätte es nicht erst verboten werden dürfen), andererseits beweisen die eben angeführten Aeußerungen des später lebenden Chryfoftomus, daß dieses Verbot nicht allgemein befolgt wurde. Wahrscheinlich galt es also nur für eine oder mehrere einzelne Gemeinen, keinesweges aber für die ganze christliche Kirche, und vielleicht war es auch nur darum gegeben, damit das Volk nicht durch ungehöriges Hineinschreien den Gesang stören, sondern durch ruhiges und andächtiges Anhören der Sänger sich erbauen, und allmälig selbst mitsingen lernen sollte.

Außer dem gemeinschaftlichen einstimmigen Gesang waren 2) auch Wechselgefänge (Antiphonien) im Gebrauch, indem der eine Vers von den Männern, der andere von den Frauen und Kindern gesungen wurde. Nach Theodoret2) soll dieses wechselseitige Singen der Davidischen Psalmen von den beiden Mönchen Flavianus und Diodorus unter dem Kaiser Conftantius (337 bis 361) zuerst in die Antiochenische Kirche eingeführt worden sein; nach Sokrates) dagegen schon Ignatius (ft. 116), da er in einer Vision Engel gesehen hatte, die in Wechselgesängen die heilige Dreieinigkeit priesen, diese Gesangsweise der Antiochenischen Kirche überliefert haben, von woher sie später in alle Kirchen gekommen sei; und beide Angaben, obwohl sie sich zu widersprechen scheinen, lassen sich leicht vereinigen, wenn man eine dritte des Theodorus von Mopsuestia dazunimmt, die uns Nicetas aufbewahrt hat. Nach dieser waren nämlich Flavianus und Diodorus diejenigen, welche die, vormals in fyrischer Sprache gesungenen Wechselgefänge ins Griechische überseßten, und von da an in dieser Sprache singen ließen. 4)

Durch die Bemühungen des Ambrosius wurde dieser Wechsel

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1) Concil. Laod. c. 15. Μὴ δεῖν πλέον τῶν κανονικῶν ψαλτῶν τῶν ἐπὶ τὸν ἄμβωνα ἀναβαινόντων καὶ ἀπὸ διφθέρας ψαλλόντων ἑτέρους τινὰς ψάλλειν ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ.

2) Theodoret. H. E. II. 24. Οὗτοι πρώτοι διχῇ διελόντες τοὺς τῶν ψαλλόντων χορούς, ἐκ διαδοχῆς ἄδειν τὴν Δαυϊτικὴν ἐδίδαξαν μελῳδίαν· καὶ τοῦτο ἐν Ἀντιοχείᾳ πρῶτον ἀρξάμενον, πάντοσε διέδραμεν.

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3) Socrat. Η. Ε. II. 8. Ιγνάτιος - ὀπτασίαν εἶδεν ἄγγελον διὰ τῶν ἀντιφώνων ὕμνων τὴν ἁγίαν τριάδα ὑμνούντων καὶ τὸν τρόπον τοῦ δράματος τῇ ἐν ̓Αντιοχείᾳ ἐκκλησίᾳ παρέδωκεν· ὅθεν καὶ ἐν πάσαις ταῖς ἐκκλησίαις αὕτη ἡ παράδοσις διεδόθη.

4) Nicet. Thesaur. orthod. V. 30. Theodorus Mopsuestiaeus scribit, illam psalmodiae speciem, quas antiphonas dicimus, illi ex Syrorum lingua in Graecam transtulerunt, et omnium prope soli admirandi hujus operis auctores apparuerunt.

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