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Die neue Preußische Agende.

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Allen! Amen," wie er schon im Alterthume dem Genuß des Sacraments voranging.

5. Die Austheilung des Abendmahls, während welcher das ,, Lamm Gottes" und andere Abendmahlslieder gesungen werden. Bei der Austheilung des Brotes sind die in der Agende verordneten Worte: Unser Herr und Heiland Jesus Christus spricht: das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das thut zu meinem Gedächtniß," bei der des Kelches: Unser Herr und Heiland Jesus Christus spricht: das ist der Kelch, das Neue Testament in meinem Blute, das für euch vergoffen wird; solches thut zu meinem Gedächtniß."

6. Das Gebet (der Postcommunion), das hierauf folgt, lautet: ,,Allmächtiger, ewiger Gott! wir sagen dir unseren inbrünstigen Dank für die unaussprechliche Gnade, deren wir durch den Genuß deines heiligen Abendmahls theilhaftig geworden sind; wir bitten dich demüthiglich, du wollest uns der Wirkung deines heiligen Geistes ebenso gewiß werden lassen, als wir dein heiliges Sacrament jezt empfangen haben, damit wir deine göttliche Gnade, Vergebung der Sünden, Vereinigung mit Christo, und ein ewiges Leben, so uns allen darin verheißen ist, mit festem Glauben ergreifen und ewig behalten mögen. Wir danken dir auch, Allmächtiger, daß du uns durch deine göttliche Gnade erquickt hast, und bitten dich, daß deine Barmherzigkeit uns solches gedeihen lasse zum starken Glauben an dich, zur brüderlichen Liebe gegen alle Menschen, und uns zum Wachsthum in der Gottseligkeit und allen christlichen Tugenden, durch unseren Herrn Jesum Chriftum, der vereint mit dir und dem heiligen Geiste regiert in Ewigkeit. Amen."

7. Der Segen und ein kurzer Gefang der Gemeine beschließt die Feier.

Einfacher ist der Gottesdienst in den Kirchen, in welchen, weil es theils an einem Sängerchor, theils an Zeit fehlt, der Auszug aus der Liturgie gebräuchlich ist.

1) Ein Morgenlied macht auch hier den Anfang, als Vorbereitung auf die Liturgie, die der, am Schluß des Gesanges vor dem Altar erscheinende Geistliche mit der Weihformel: „Im Namen des Vaters zc." und dem darauf folgenden: „Unsere Hülfe zc." beginnt; darauf folgt

2) das Sündenbekenntniß;

3) das deutsche Kyrie: „Herr, erbarme dich über uns; Chriftus, erbarme dich über uns; Herr, erbarme dich über uns!" entweder vom Geistlichen gelesen, oder von der Gemeine gesungen; 4) bas Gloria:,,Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen! Amen."

5) der Gruß: der Herr sei mit Euch!"

6) die Collecte;

7) die biblische Lection; in der Regel diejenige Perikope, über welche nicht gepredigt wird, da die andere nachher auf der Kanzel vorgelesen wird;

8) das Glaubensbekenntniß;

9) das allgemeine Kirchengebet und das Unser Vater, wel

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Bedenken gegen die neue Agende.

ches lettere jedoch häufig an dieser Stelle wegbleibt, und am Schluß der Predigt auf der Kanzel gesprochen wird;

10) das Hauptlied;

11) die Predigt, mit den an sie sich schließenden Fürbitten, Danksagungen, Bekanntmachungen zc.;

12) der Segen und ein kurzer Schlußgesang.

Bekanntlich hat nun diese Agende von ihrem ersten Erscheinen an lebhaften Widerspruch gefunden, und obwohl sie seit längerer Zeit bereits in den meisten evangelischen Kirchen Preußens gebraucht worden ist, so haben doch die neuesten Zeitereignisse sattsam dargethan, daß jene Opposition noch keinesweges aufgehört hat.

Es mag hier unerörtert bleiben, ob jene, in den Jahren 1823 bis 1826 vielfach behandelte Frage:,,hat ein evangelischer Landesfürst als solcher das Recht, der Kirche eine neue Agende zu geben oder nicht?" die Folge einer Unzufriedenheit mit dem Inhalt der Agende, oder der Grund zu jener Ünzufriedenheit war. Auch kommt für den Zweck der gegenwärtigen Darstellung wenig darauf an, ob Dr. Augufti, der in seiner Kritik der Preußischen Kirchenagende" (1823) durch einen geschichtlichen Nachweis dem Landesfürsten dieses Recht zu vindiciren suchte, von Schleiermacher in der Schrift,,Ueber das liturgische Recht evangelischer Landesfürsten; ein theologisches Bedenken von Pacificus Sincerus" (1824) mit Recht angegriffen, oder von Marheineke in der Schrift Ueber die wahre Stelle des liturgischen Rechtes" (1825) mit Recht in Schuß genommen worden ist. Denn diese Frage beantwortet sich leicht, wenn man eine Liturgie oder Agende machen“ und „,die gemachte einführen oder ihr öffentliche Autorität geben" gehörig unterscheidet. Von einem Recht, Agenden zu machen, kann nun eigentlich nicht die Rede sein, da es sich von selbst versteht, daß, wie in allen anderen Fällen, so auch hier zur Lösung einer solchen Aufgabe nur diejenigen die Befugniß haben können, welche dazu befähigt sind; und wenn die Augsburgische Confession in ihrem 28. Artikel,,Von der Bischöfe Gewalt" ausdrücklich den Bischöfen und Pfarrern die Befugniß zuschreibt, die Ordnung des Gottesdienstes der Schrift gemäß zu machen, so geschieht dies sicherlich nur darum, weil diese vermöge ihres Berufes vor Anderen dazu befähigt und geschickt scheinen mußten. Etwas Anderes aber ist es, der von ihnen angefertigten Agende die Sanction ertheilen und sie öffentlich einführen, was nur dem Kirchenregenten, sei dies nun der Landesfürst oder ein Magistrat, zustehen kann, wie es denn auch wirklich aus den Zeiten der Reformation kaum eine einzige Agende giebt, die nicht von Gottesgelehrten ausgearbeitet, aber im Namen des Fürsten oder Magistrates publicirt und eingeführt worden wäre.

Wichtiger als die, von dieser Seite her gegen die Neue Agende erhobenen Bedenken, sind unstreitig diejenigen, welche gegen den Inhalt und die Form derselben geltend gemacht wurden. Man fand es anstößig, daß sie, wenigstens in ihrer ersten Gestalt, den Gottesdienst auf den Zeitraum Einer Stunde beschränke, wodurch er den Charakter

Bedenken gegen die neue Agende.

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einer freiwilligen Andacht, die sich nicht ängstlich an die Zeit bindet, verliere; man tadelte das in seiner Wiederholung sehr langweilig werdende Hersagen des Glaubensbekenntnisses," ferner,,die ermüdende Eintönigkeit in den Formularen, welche nur immer das Dogma von der Erbsünde und der stellvertretenden Genugthuung Christi aussprä chen," und endlich die gänzliche Vernachlässigung neuerer edlerer Sprachformen in Folge einer sichtbaren Vorliebe für die Formen des XVI. Jahrhunderts." Vergebens erinnerte ein Publicandum des frommen Königs vom 28. Mai 1825, die Agende habe nur den Zweck, ,,den ursprünglichen Lehrbegriff der evangelischen Kirche wiederzugeben und dadurch die evangelischen Unterthanen gegen die Gefahren und Mißbräuche einer, regellose Zweifelsucht und Indifferentismus erzeugenden Willkür zu schüßen, und die verlorene Geistesgemeinschaft in der Gesammtheit der Gemeinen wieder herzustellen." Die Renitenten ließen sich nicht dazu bewegen, etwas anzuerkennen, was selbst die oberflächlichste Kenntniß der Geschichte des kirchlichen Gottesdienstes seit den Zeiten der Reformation fie längst hätte lehren können und sollen. Vergebens erinnerte ein Ministerialrescript vom 4. Juli 1825, die Willkür der Geistlichen in der Liturgie sei so groß gewesen, daß man sie nicht länger habe dulden können; die Neue Agende begünstige nicht, wie man fälschlich vorgebe, den Katholicismus, sondern habe im Gegentheil die Bestimmung, den evangelischen Glauben und Gottesdienst gegen die Angriffe, durch die er bedroht werde, zu schüßen. Man wollte sich davon nicht überzeugen lassen, und wenn der Widerspruch späterhin allmälig aufhörte, und seit dem Jahre 1830 die Neue Agende in den meisten evangelischen Kirchen des Preußischen Staates eingeführt ward, so geschah dies weniger, weil die vormalige Opposition einer anderen Ueberzeugung gewichen, als darum, weil der Eifer für die Sache allmälig erloschen war. Erst die neuesten Zeitereignisse haben auch hier, zur Entscheidung drängend, auf der einen Seite die bis dahin still zurückgehaltene Abneigung zur offenen Opposition, auf der anderen die bisher still gebliebene Zustimmung zum offenen und die Bedeutung des ganzen Streites immer klarer erkennenden Vertheidigungskampf werden laffen, und daher mögen hier noch einige Worte über die Agende selbst ihren Plag finden.

Wenn der Berliner Magistrat damals (1825) in seinem Schreiben an das Ministerium den Saß auszuführen und geltend zu machen. suchte, daß es dem Landesherrn nicht zukomme, ohne Zustimmung der Gemeinen und ihrer Lehrer Agenden zu machen und einzuführen, so war dies an und für sich gewiß vollkommen richtig, nur paßte es nicht für den in Rede stehenden Fall. Denn die Agende hält sich in der That, wie ihr oft genug zum Vorwurf gemacht worden ist und ihr Inhalt auch genugsam darthut, so streng an die alten märkischen Agenden von 1540 und 1572, daß es dem Unbefangenen nicht zweifelhaft sein konnte, es handle sich hier nicht um eine von dem Landesherrn den Gemeinen aufgedrungene, neu erfundene Agende, sondern um die Wiedereinführung desjenigen, was die Gemeinen im Reformationszeitalter gehabt, späterhin aber, ohne daß sie um ihre Zustimmung befragt wor den wären oder es selbst ausdrücklich und nachweislich gewollt hätten,

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Dogmatischer Charakter der neuen Agende.

im Laufe der Zeit verloren hatten. Und ebenso wenig war ein anderer, in jenem Schreiben angeführter Grund von Bedeutung, daß eine allgemeine Gleichförmigkeit der Liturgie weder nöthig, noch nüglich sei. Denn auch dieser Saß war zwar ganz richtig, und wer ihn hätte bezweifeln wollen, wäre durch die zahlreichen verschiedenen Agenden im Reformationszeitalter leicht zu überzeugen gewesen. Aber damals sprach fich in allen diesen Agenden troß der Verschiedenheit des Ausdrucks im Inhalt immer derselbe evangelische Glaube des Reformationszeitalters aus, während dieser der späteren Zeit mehr und mehr abhanden gekommen war; und die Agende hatte wesentlich nur den Zweck, den Gemeinen das Eingebüßte wenigstens, so weit es durch äußerliche Maßregeln möglich war, zu erseßen und ferneren Verlusten vorzubeugen. Es kommt daher lediglich darauf an, ob es zu mißbilligen oder anzuerkennen ist, daß die Agende in Sprache und Glaubensansichten so ganz zu dem Grundton der Liturgie des XVI. Jahrhunderts zurückging." Denn wollten die Gegner derselben den Grund ihrer Übneigung recht offen und ehrlich angeben, so war es bei den meisten, die sogenannten „Altlutheraner" ausgenommen, doch nur dieser: daß die Agende, wie es auch wirklich mehrfach theils angedeutet, theils offen ausgesprochen wurde, den veralteten Supernaturalismus einer früheren Zeit wieder herzustellen suche, aber darum, weil sie, statt sich mit der Lehre der Schrift zu begnügen, die dogmatischen Theorien eines Augustin, Anselmus, Luther und Calvin festhalten wolle, durch diesen ihren überbiblischen" Charakter für unsere Zeit unbrauchbar sei.

Was auf dergleichen dogmatische Bedenklichkeiten zu erwidern ist, leuchtet dem Unbefangenen von selbst ein. Wären die Glaubensartikel Modeartikel, so würden die Ausdrücke „veraltet," "einer früheren Zeit angehörig," "dem_Charakter der damaligen Theologie entspre= chend" gewiß ganz am Orte sein. Dies ist jedoch nicht der Fall, und es braucht Niemandem erst gesagt zu werden, daß es sich, wie in der Wissenschaft überhaupt, so auch in der Theologie nur darum handelt, ob etwas wahr ist oder falsch. Insofern nun die Agende sich streng an die Erklärungen der damaligen Theologie" hält, diese ,,damalige Theologie" aber eben diejenige ist, welche in den Bekenntnißschriften der evangelischen Kirche ausgesprochen und von Seiten der lezteren noch nicht zurückgenommen worden ist, bedarf die Agende, vom kirchlichen Standpunkt aus betrachtet, hinsichtlich ihres dogmatischen Charakters keiner besonderen Rechtfertigung.

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In Betreff ihres liturgischen Werthes aber muß man sich vor allen Dingen jenes oben kurz geschilderte Zeitalter der Destruction vergegenwärtigen, um zu begreifen, wie dringend nothwendig es war, daß dem, alle kirchlichen Formen auflösenden, subjectiven Belieben irgend wie Einhalt gethan wurde; und wenn zu diesem Zweck die kirchenrechtlich wohl begründeten, liturgischen Formen des Reformationszeitalters wieder aufgenommen wurden, so war damit zugleich von vorn herein dem Einwurf begegnet, als trete dem einen subjectiven Belieben in der Agende nur ein anderes subjectives Belieben entgegen. Ohnedies

Liturgischer Werth der neuen Agende.

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waren die liturgischen Arbeiten der neueren Zeit 1) meist von der Art, daß sie den Wunsch, statt solcher Productionen lieber wieder das gediegenere, bewährte Alte zu haben, nur zu sehr rechtfertigten.

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Allerdings hat, mit den liturgischen Anordnungen des christlichen Alterthums verglichen, auch die durch die Neue Agende festgestellte Gottesdienstordnung denselben fragmentarischen Charakter, der uns bereits in dem römischen Missale entgegentritt. Denn während in dem altchriftlichen Gottesdienst das Kyrie" der Ausdruck der vorchristlichen Sehnsucht nach der Erlösung war, und die Gemeine von dem, an die Geburt des Erlösers erinnernden Gloria an, die ganze irdische Wirksamkeit des Herrn, die Verwaltung seines Lehramtes, seinen Versöhnungstod und seine Auferstehung an jedem Sonntag gleichsam mit durchlebte bis zu seiner Vereinigung mit dem Gläubigen im Sacrament, erscheinen die aus jener alten Liturgie beibehaltenen Stücke schon in der römischen Messe mehr als einzelne Merkzeichen des ursprünglichen Verlaufs der gottesdienstlichen Handlung, und ebenso ist es in den altlutherischen Agenden und der auf diese sich gründenden Neuen Agende. Immer aber ist es besser, zumal wenn in der evangelischen Kirche nicht, wie in der griechischen und römischen, die Predigt zu Gunsten der Abendmahlsfeier weichen soll, jene Stücke wenigstens als kurz andeutende Merkzeichen zu haben, als sie, weil es zu einer ausführlichen Darstellung des Erlösungswerkes an Zeit fehlen würde, ganz zu entbehren. Und mehr noch muß es anerkannt werden, daß die Neue Agende auch dem alten Vorwurf, als sei der evangelische Sonntagsgottesdienst im Grunde doch nur eine Katechumenenmesse, in einer, der Idee des christlichen Gottesdienstes überhaupt, wie nicht minder der evangelischen Ansicht von der Abendmahlsfeier entsprechenden Weise zu begegnen gewußt hat, indem sie sich auch hierin den alten Agenden der lutherischen Kirche von echtem Typus genau anschloß.

Durfte nämlich die lutherische Kirche von Anfang an nach ihrer Ansicht vom Abendmahl keine Abendmahlsfeier stattfinden laffen, wenn keine Gemeineglieder da waren, welche communiciren wollten, und mußte sie, statt dieselben dazu zu zwingen, es vielmehr ehren, wenn ein Gemeineglied, das sich unwürdig fühlte, vom Tisch des Herrn zurücktrat, so konnte leicht der Fall eintreten, daß ein sonntäglicher Gottesdienst gehalten wurde, ohne daß Communicanten da waren, zumal da man diejenigen, welche im Laufe der Woche diese geistliche Speise zu empfangen begehrten, nicht füglich abweisen und auf die Zeit der fonntäglichen Spende vertrösten konnte. Um nun auf der einen Seite die christliche Freiheit der einzelnen Gemeineglieder nicht zu beschränken, auf der anderen aber auch die Abendmahlsfeier als integrirenden Theil des christlichen Gottesdienstes nicht aufgeben zu dürfen, hatte die lutherische Kirche, wie Kliefoth in seiner Darstellung der Gottesdienstordnung in den deutsch-lutherischen Kirchen sehr befrie

1) Es sei hier nur an die Kurländische Agende, von Wehrt (1785), an die Hamburger, von Pauli (1788), an die Pfalz-Sulzbacher, von Wezel (1797), und vornehmlich an die Schleswig-Holsteinische, von Adler (1797) erinnert.

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