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sereinigten, um diese Division zu umringen, befahl der Prinz allen übrigen, die Neige des Tages zu benußen, um mit der. königlichen Garde, die sich nicht in den Kampf verwickelt be= fand, rechts abzuziehen. Bey diesem Marsch gab Obrist Kliski einen bemerkenswerthen Beweis von Geistesgegens wart. Die russische Sprache war ihm geläufig. Da er nun unfrer Kolonne voranging, rief ihm eine feindliche Reiters schildwache: Wer va? Ohne sich durch eine so widrige Zusammenkunft irre machen zu machen, nahte sich der unerschrokene Kliski der Schildwache und sagte ihr in ihrer Sprache: ,,Schweig, Unglücklicher, siehst du nicht, daß wir zu Ous ,,warow's Korps gehören, und zu einer geheimen Unter„nehmung`abgehen. Auf diese Worte schwieg der Soldat, und ließ uns bey der nächtlichen Dunkelheit ruhig vorüberziehen.

Alles hatte die Wachsamkeit der Ruffen betrogen, außer der 15ten Division, die als Nachtrab unter dem Befehl des Generals Triaire zurückgelaffen worden war, mit der Weifung, abzurücken, sobald der Prinz sein Manduvre volls zogen haben würde. Während diese Division ausruhte, war es traurig, die Troftlosigkeit der Vereinzelten zu sehen, die hinter uns blieben. Auch sie erwarteten die Nacht, um ihren Weg fortzusehen; aber viele derselben, die von Müdigkeit erschöpft um gute Feuer herumfaßen, wollten nicht mehr marschiren, und sagten, man müsse den Tag abwarten. So wurden diese schwachen Seelen die Opfer ihrer Gleichgültig= Reit, denn unterdessen marscirte die 15te Division in der Dunkelheit und im tiefsten Stillschweigen ab. Was zurückblieb, konnte als ein Raub der Kosaken angesehen werden,

Man war eben im Begriff, bey dem Feind vorbeyzuz kommen, als die Nacht, statt uns eine heilsame Dunkelheit zu verleihen, plößlich schön mondhell wurde, einem in unfrer dermaligen Lage höchst mißlichen Umstand. Der Schnee, der den Boden überzog, machte unsern Marsch noch sichtbarer;

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nicht ohne Unruhe bemerkten wir daher die Kosakenschwärme, die auf unsern Flanken umherjagten, ganz nahe kommen, wie um uns zu beobachten, und dann zu den Schwadronen zurückkehrten, die sie abgesandt hatten. Mehreremale glaubten wir angegriffen zu werden, aber dadurch, daß General Triaire feine Kolonne entschlossen halten ließ, prägte er dem Feind eine solche Achtung ein, daß es nie zur That kam. Endlich gelang es dieser Division, ungeachtet der Schluchten und Schneehaufen, die den Weg versperrten, die Heerstraße wieder zu erreichen. Eine halbe Stunde nachher bewerkstel ligten wir unsre Verbindung mit der jungen Garde, die vorwårts des Fluffes eine halbe Stunde von Krasnoi lagerte. In lehterm Orte befand sich der Kaiser, und so zerstreuten sich hier unsre Besorgnisse.

Da wir den Soldaten der Garde von dem Treffen erzählten, das wir zu bestehen gehabt, erfuhren wir von ihnen, daß sie sich gleichfalls durch den Feind hatten durchschlagen müssen. Napoleon war in diesem Gefecht große Gefahr gelaufen, und verdankte sein Heil nur der Tapferkeit, seiner Soldaten. Man erzählt bey dieser Gelegenheit, daß die Musik der Garde, als sie wieder bey ihm eintraf, nachdem fie von ihm getrennt gewesen war, sobald sie ihn erblickte, das Lied zu spielen anfing: où peut on être mieux, qu'au sein de sa famille. Da aber in der Mitte dieser eisbedeckten Eindden die Anwendung einen Doppelsinn zuließ, nahm er es übel, und sagte zu den Musikanten in einem sehr barschen Ton: Ihr würdet beffer thun zu spielen: veillons au Salut de l'Empire.“

Da der Stab des Kaisers, seine Garden, feine Reites rey und das vierte Korps sich alle zusammen in dieser kleinen Stadt vereinigt befanden, so war sie voll gepfrópft, daß man nicht mehr durch die Straßen kommen konnte. Ueberall las gen Soldaten um Feuer, die sie nur durch Abbrechen der höls zernen Häuser, und vermittelst der Thüren und Låden der

steinernen unterhalten konnten. Da der Vicekdnig zum Kais fer ging, empfing ihn dieser gut, ungeachtet der übeln Laune, in die ihn die ungewohnten Unfälle verseßten. Besonders gab er der Kriegslist, durch welche man den Feind betrogen hatte, seinen Beyfall. Der Prinz verblieb die ganze Nacht in Berathschlagung. Indessen lagerte, was zu seinem Ge= folge gehörte, in den Straßen, bis zum Augenblick, wo Napoleon und der Vicekönig sich an die Spike der Garden festen, und gegen die Stellung der Russen anrückten, um das erste, dritte und fünfte *) Korps, die sich in der nåmlichen Verlegenheit befanden, wie wir uns gestern, loszus machen.

Nun begann ein neues Gefecht; der Kampf ward hart nådig und blutig. Alle Tapferkeit und Einsicht mussten aufgeboten werden, um die Truppen, die bis zu uns gelangten, zu retten. Ueberall umzingelt, hatten das dritte und fünfte Korps mit ungeheuren Kräften zu ringen. Während drey Tagen waren wir wegen des Schicksals des Marschalls Ney besorgt. Allein die Unerschrockenheit dieses Marschalls siegte allen Hindernissen ob. Es gelang ihm, dem Feind zu ent kommen, indem er auf dem Eis über den Dnieper ging, und so den Rest der zwey Korps, die man gefangen glaubte, zu rück zu bringen. Alle diese Unfälle, statt unsern Ruhm zu schwächen, vermehrten ihn vielmehr. Kutusow und Miloradowitsch, weniger über die ungeheuern Trümmer, die wir hinterlieffen, als über das Uebermaß unser Muths und unsrer Ausdauer erstaunt, gestanden selbst gegen die Gefangenen, die sie von uns machten, ein, daß sie ihre Vortheile nur den Elementen verdankten, und verkündeten laut den

*) Seit Fürst Poniatowski durch einen Sturz vom Pferde verwundet war, und er deswegen den Befehl über das polni sche Korps abgegeben hatte, befand sich dieses mit dem dritten vereinigt. Anm. d. Verf.

Heldenmuth unsrer Generale, die, auf das entseßlichste Aeufferste gebracht, alle Aufforderungen, die an sie ergingen, mit Würde verwarfen. *)

Fünf und zwanzig Kanonen und einige Tausend Gefans gene waren die Frucht, die die Russen aus vier nacheinander folgenden Gefechten ernteten, wo wir einer vollständigen Armee nichts entgegen zu seßen hatten, als eine Handvoll im Elend schmachtender, durch unaufhörliche Märsche erschöpfter Soldaten, die sich seit einem Monat ohne Lebensmittel, ohne Munition und ohne Artillerie befanden. Indessen ließ, Fürst Kutusow, um die Tapferkeit der Grenadiere der russisch kaiserlichen Garde zu ehren, die sich in diesen pers schiednen Gefechten ausgezeichnet hatten, alle Sieges - Trophåen in ihr Lager bringen, worunter er auch den Marschallstab des Marschalls Davoust rechnete (f. den in Wilna den 22. December 1812 kund gemachten russischen offiziellen Bes richt über unsern Rückzug); aber dieser Stab, deren sich uns fre Marschålle nur an Ceremonientagen bedienen, konnte dem Feinde, der ihn ohne Zweifel in einem verlassenen Packwagen fand, keinen Ruhm bringen. **)

Die Russen theilen unsern Rückzug in drey Haupt-Epos chen, die sich außer den beständigen Fortschritten unsers Elends, jede durch einen eigenthümlichen Charakter bezeich nen lassen. Die erste endet mit der Schlacht von Krasnoi, die zweyte mit dem Beresina-Uebergang, die dritte am Nies men. Es ergehet daraus, daß am Ende der ersten Epoche, wo wir uns jekt befinden, man uns bereits 40,000 Mann,

*) Diese Stelle ist von höchster Merkwürdigkeit, denn sie spricht ganz die unerhörte, unbåndige Eitelkeit aus, die das französ fische Janitscharenheer. belebte. Möge die ganze Menschheit in Trauer versinken, ganz Europa in Brand aufgehen, alle Kultur zerstört werden, wenn nur der französische Erobes rungsrühm auf den Trümmern strahlend erhalten wird!!! **) Wir beziehen uns auf die vorige Anmerkung.

nach Eugen Labaume.

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́27 Generale, 500 Stücke grob Geschüß, 31 Fahnen und, außer unserm ungeheuern Gepäcke, fast alle Beute von Moss kau, die wir nicht verbrannt hatten, abgenommen hatte. Fügt man zu allen diesen Unglücksfällen die vor Elend vers ftorbenen, oder in den verschiednen, seit unserm Abzug aus Moskau gelieferten, Gefechten gebliebene 40,000 Mann hinzu, so wird sich ergeben, daß unsre Armee auf 30,000 Mann gebracht war, welche mit Inbegriff der kaiserlichen Garde nicht mehr als 8000 schlagfertige Mannschaft enthiels ten. Die 25 Stücke grob Geschüß, die die Garde bis hie her gerettet hatte, konnten nicht gezählt werden, da wir die Gewißheit hatten, sie bis morgen zurücklaffen zu müssen. Reiterey war fast gar keine mehr vorhanden. Dies ist die genaue Aufzählung unsers Verlusts, den wir in Zeit eines monatlichen Marsches erlitten hatten! Daraus konnte man auf den noch bevorstehenden schließen, da wir noch kaum halb. weg des Niemens waren, und wir noch zwey Berge zu er steigen, und noch zwey Flußübergange vor uns hatten. (Der Beschluß folgt.)

III.

Uebersicht der Hauptbegebenheiten

der

Revolution im spanischen Amerika, seit ihrer Entstehung bis auf die neuesten Zeiten.

Erste Periode.

(Fortießung.)

Schwieriger noch ist es, die unzusammenhängenden und

· zerstreuten Nachrichten über die neuesten Ereignisse in Neu

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