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daß er sich so klein gegen den himmlischen Raphael fühlte. Auch hat ihn der Genius der Kunst, in den Augen der Eingeweihten, längst heilig gesprochen, und sein Haupt mit dem Strahlenkreise umgeben, der ihm als einen ächten Märtyrer des Kunst-Enthu= fiasmus gebührt.

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Die obige Erzählung von dem Tode des Francesco Francia hat uns der alte V as a ri überliefert, in welchem der Geist der Urväter der Kunst noch -wehte.

Diejenigen kritischen Köpfe, welche an alle außerordentliche Geister, als an übernatürliche Wunderwerke, nicht glauben wollen noch können, und die ganze Welt gern in Prosa auflösen möchten, spots ten über die Mährchen des alten ehrwürdigen Chronisten der Kunst, und erzählen dreist, Francesco Francia sey an Gift gestorben.

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3.

Der Schüler und Raphael.

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Bu jener Zeit, als die bewundernde Welt noch Raphael unter sich leben fah, deffen Nahme nicht leicht über meine Lippen geht, ohne daß ich ihn unwillkührlich den Göttlichen nenne, zu jener Zeit, -owie gern gäb' ich alle Klugheit und Weiss heit der spätern Jahrhunderte hin, um in jenem gewesen zu feyn! lebte in einem kleinen Städtchen des Florentinischen Gebieths ein junger Mensch, den wir Antonio nennen wollen, welcher sich in der Mahlerkunst übte. Er hatte von Kindheit auf einen recht eifrigen Trieb zur Mahlerey, und zeich= nete als Knabe schon alle Heiligenbilder än.sig nach, die ihm in die Hände fielen. Aber bey aller Stetige keit seines Eifers und feiner recht eisernen Begier, irgend etwas Vortreffliches hervorzubringen, besaß er zugleich eine gewisse Blödigkeit und Eingeschränktheit des Geistes, bey welcher die Pflanze der Kunst immer einen unterdrückten und gebrechlichen Wuchs behält, und nie frey und gesund zum Himmel emporschießen kann: eine unglückliche Constellation der Gemüthskräfte, welche schon manche Halbkünft= ler auf die Welt geseßt hat.

Antonio hatte sich schon nach verschiedenen Meiftern seiner Zeit geübt, und es war ihm so weit gelungen, daß ihm selber die Uehnlichkeit seiner

Nachahmungen ungemeines Vergnügen machte, und er über seine allmähligen Fortschritte sehr genaue Rechnung hielt. Endlich sah er einige Zeichnun= gen und Gemählde Raphaels; er hatte seinen Nahmen schon oft mit großen Lobeserhebungen aussprechen hören, und er schickte sich den Augenblick an, nach den Werken dieses hochgepriesenen Mannes zu arbeiten. Als er aber mit seinen Copien gar nicht zu Stande kommen konnte, und nicht wußte, wor an es lag, legte er ungeduldig den Pinsel aus der Hand, besann sich, was er thun wollte, und seßte endlich folgendes Schreiben auf:

»Un den allervortrefflichsten Mahler, Raphael von Urbino.<<

»Vergebt mir, daß ich nicht weiß, wie ich Euch anreden soll, denn Ihr seyd ein unbegreiflicher und außerordentlicher Mann; und ich bin überdieß gar nicht geübt, die Feder zu führen. Ich habe auch lange bey mir überlegt, ob es wohl schicklich sey, daß ich Euch schriebe, ohne Euch von Person jemahls gesehen zu haben. Aber da man ja überall von Eurer leutseligen und freundlichen Gemüthsari reden hört, so habe ich mich es endlich unterstanden.«

»Doch ich will Euch Eure kostbare Zeit nicht mit vielen Worten rauben, denn ich kann mir dens ken, wie fleißig Ihr seyn müßt; sondern ich will

nur gleich mein Herz vor Euch aufschließen, und Euch meine Bitte recht angelegentlich vortragen.«

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»Ich bin ein junger Anfänger in der vortreffe lichen Mahlerkunst, welche ich über alles liebe, und welche mein ganzes Herz erfreut, so daß ich fast nicht glauben kann, daß, wenn ich, (wie es natür- ̧ lich ist) Euch und andere berühmte Meister dieser Zeiten ausnehme, irgend Jemand anders solche innerliche Liebe, und so einen unaufhörlichen Drang zu der Kunst trüge. Ich bestrebe mich aufs allerbeste, dem Ziel, das ich in der Entfernung vor mir sehe, immer ein wenig näher zu rücken; ich bin keinen Tag, ja, ich möchte beynahe sagen, keine Stunde müßig und ich merke, daß ich jeden Tag, so wenig es auch seyn mag, weiter komme. Nun habe ich mich schon nach vielen unsrer heutigen Ta ges berühmten Männer wohl geübt; aber da ich angefangen habe, Eure Arbeiten nachzumahlen, ist es mir gewesen, als wenn ich gar nichts wüßte, und noch einmahl von vorn anfangen sollte. Ich habe doch schon so manchen Kopf auf der Tafel zu Stande gebracht, woran weder in den Umrissen, noch in den Lichtern und Schatten etwas Falsches oder Unrechtliches gefunden werden mochte; aber wenn ich die Köpfe Eurer Apostel und Jünger Christi, sowie Eurer Madonen und Christenkindlein, auch Zug für Zug auf meine Tafel übertrage, mit

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folcher Pünctlichkeit, daß mir die Augen brechen möchten, und ich denn das Ganze übersehe, und es mit dem Original vergleiche, so bin ich erschro cken, daß es himmelweit davon entfernt, und ein ganz anderes Gesicht ist. Und doch sehen Eure Kö=" pfe, wenn man sie zum ersten Mahl betrachtet, bey= nahe leichter aus, als andere; denn sie haben ein gar zu natürliches Ansehen, und es ist, als wenn man darin die Personen, die es seyn sollen, gleich erkennte, und als wenn man sie schon lebendig ge= sehen hätte. Auch finde ich bey Euch nicht eben solche schwere und außerordentliche Verkürzungen der Glieder, womit wohl andere Meister heutiges Tages die Vollkommenheit ihrer Kunst zu zeigen, und uns arme Schüler zu quälen pflegen.a

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»Darum, so viel ich auch immer nachgegrübelt habe, weiß ich mir doch durchaus das Besondere nicht zu erklären, was Eure Bilder an sich haben, und kann gar nicht ergründen, worin es eigentlich liegt, daß man Euch nicht recht nachahmen, und Euch nie ganz und gar erreichen kann. O leistet mir hierin Euren Beystand, ich bitte Euch dringend und flehentlich darum; und sagt mir, (denn Ihr könnt es gewiß am besten,) was ich thun muß, um Euch nur einigermaßen ähnlich zu werden. O wie tief will ich mir das einprägen! wie eifrig will ich es befolgen! Ich bin, vergebt mir, manchmahl wohl gar darauf gefallen, Ihr müß

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