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und ruft vergebens zurück, die Phantasie wälzt mancherley Bilder, zerstückt wie im Fiebertraum, durch einander, und mit ein paar leisen Seuf zern zerspringt die ganze lauttönende lebenvolle Welt, gleich einer glänzenden Lufterscheinung, in's unsichtbare Nichts.

Dann, wenn ich in finsterer Stille noch lange horchend da size, dann ist mir, als hätt ich ein Traumgesicht gehabt von allen mannichfaltigen menschlichen Affecten, wie sie, gestaltlos, zu eigner Lust, einen seltsamen, ja fast wahnsinnigen pantomimischen Tanz zusammen feyern, wie sie mit einer furchtbaren Willkühr, gleich den unbekannten, räthselhaften Zaubergöttinnen des Schicksals, frech und frevelhaft durch einander tanzen.

Jene wahnsinnige Willkühr, womit in der Seele des Menschen Freude und Schmerz, Natur und Erzwungenheit, Unschuld und Wildheit, Scherz und Schauder sich befreundet, und oft plößlich die Hände biethen; - welche Kunst führt auf ihrer Bühne jene. Seelenmysterien mit so dunkler, geheimnißreicher, ergreifender Bedeutsamkeit auf ?

Ja, jeden Augenblick schwankt unser Herz bey denselben Tönen, ob die tönende Seele kühn alle Eitelkeiten der Welt verachtet, und mit edlem Stolz zum Himmel hinaufstrebt, oder ob sie alle

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Himmel und Götter verachtet, und mit frechem Streben nur einer einzigen irdischen Seligkeit ents

gegendringt. Und eben diese frevelhafte Unschuld, diese fruchtbare, orakelmäßig-zweydeutige Dunkelheit, macht die Tonkunst recht eigentlich zu einer Gottheit für menschliche Herzen.

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Aber was streb' ich Thörichter, die Worte zu Tönen zu zerschmelzen? Es ist immer nicht, wie ich's fühle. Kommt ihre Tön, ziehet daher und er rettet mich aus diesem schmerzlichen irrdischen Stres ben nach Worten, wickelt mich ein mit Euren taus sendfachen Strahlen in Eure glänzende Wolken. und hebe mich hinauf in die alte Umarmung des allliebenden Himmels!

3.

Ein Brief Joseph Berglingers:

Ach! mein innigst geliebter, mein ehrwürdiger Pater! ich schreibe. Euchy vießmahl mit einem hochbetrübten Gemüth, und in der Angst enier zweifelvollen Stunde, wie sie mich, wie Ihr wohl wißt, schon öfter angefallen hat, und jeßt nicht von mir Lassen will. Mein Herz ist von einem schmerzhaften Krampfe zusammengezogen, meine Phantasien zittern zerrüttet durch einander, und alle meine Gefühle zerrinnen in Thränen. Meine lüsternen Kunstfreuden sind tief im Keime vergiftet; ich gehe mit fiecher Seele umber, und von Zeit zu Zeit ergießt sich das Gift durch meine Adern.

Was bin ich? Was soll ich, was thu' ich auf der Welt? Was für ein böser Genius hat mich so von allen Menschen weit weg verschlagen, daß ich nicht weiß, wofür ich mich halten soll? daß meinem Auge ganz der Maßstab fehlt, für die Welt, für das Leben und das menschliche Gemüth? daß ich nur immer auf dem Meere meiner inneren Zweifel mich herumwälze, und bald auf hoher Welle hoch über die andern Menschen hinausgehoben

werde, bald tief in den tiefften Abgrund hinuntergestürzt?

Aus dem festesten Grunde meiner Seele prest fich der Ausruf hervor: Es ist ein so göttlich Streben des Menschen, zu schaffen, was von keinem gemeinen 3 weck und Nußen verschlungen wird, was, unabhängig von der Welt, in reinem Glanze ewig prangt, was von keinem Rade des großen Räderwerks getrieben wird, und keines wieder treibt. Keine Flamme des menschlichen Busens steigt höher und gerader zum Himmel auf, als die Kunst! Kein Wesen verdichtet so die Geistes- und Herzens-kraft des Menschen in sich selber, und macht ihn so zum selbstständigen menschlichen Gott!

Aber ach! wenn ich auf dieser verwegenen Höhe stehe, und mein böser Geist mich mit übermüthigem Stolz auf mein Kunstgefühl und mit frecher Erhebung über andere Menschen heimsucht,· dann, dann öffnen sich auf ein Mahl, rings um mich her, auf allen Seiten, so gefährliche, schlüpfrige Abgründe, - alle die heiligen, hohen Bilder springen ab von meiner Kunst, und flüchten sich in die Welt der andern, bessern Menschen zurück, und ich liege hingestreckt verstoßen, und komme mir im Dienste meiner Göttinn, ich weiß nicht wie, wie ein thörichter, eitler Gößendiener vor.

Die Kunst ist eine verführerische, verbothene Frucht; wer einmahl ihren innersten, füßesten Saft

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geschmeckt hat, der ist unwiederbringlich verloren für die thätige, lebendige Welt. Immer enger kriecht er in seinen selbsteigenen Genuß hinein, und seine Hand verliert ganz die Kraft, sich einem Nebenmenschen wirkend entgegenzustrecken. Die Kunst ist ein täuschender, trüglicher Aberglaube; wir meinen in ihr die lehte, innerste Menschheit selbst vor uns zu haben, und doch schiebt sie uns immer nur ein schönes Werk des Menschen unter, worin alle die eigensüchtigen, sich selber genügenden Gedanken und Empfindungen abgesezt sind, die in der thätigen Welt unfruchtbar und unwirksam blei= ben. Und ich Blöder achte dieß Werk höher, als ben Menschen selber, den Gott gemacht hat.

Und

Es ist entseglich, wenn ich's bedenke! Das ganze Leben hindurch siß' ich nun da, ein lüsterner Einsiedler, und sauge täglich nur innerlich an schönen Harmonien, und strebe den letzten Leckerbissen der Schönheit und Süßigkeit herauszukosten. wenn ich nun die Bothschaften höre: wie unermüdet sich dicht um mich her die Geschichte der Menschenwelt mit tausend wichtigen, großen Dingen lebendig fortwälzt, wie da ein rastloses Wirken der Menschen gegen einander arbeitet, und jeder kleinen That in dem gedrängten Gewühle, die Folgen, gut und böse, wie große Gespenster nachtreten, ach! und dann, das Erschütterndste,

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wie die erfindungsreichen Heerscharen des Elends

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