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4.

Die Wunder der Tonkunst.

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Wenn ich es so recht innig genieße, wie der leeren Stille sich auf einmahl, aus freyer Willkühr, ein schöner Zug von Tönen entwindet, und als ein Opferrauch emporsteigt, sich in Lüften wiegt, und wieder still zur Erde herabsinkt; da entsprießen und drängen sich so viele neue schö= ne Bilder in meinem Herzen, daß ich vor Wonne mich nicht zu lassen weiß. Bald kommt Musik mir vor, wie ein Vogel Phönix, der sich leicht und kühn zu eigener Freude erhebt, zu eignem Behagen stolzierend hinaufschwebt, und Götter und Menschen durch seinen Flügelschwung er= freut. - Bald dünkt es. mich, Musik sen wie ein Kind, das todt im Grabe lag, — ein röthlicher Sonnenstrahl vom Himmel entnimmt ihm die Seele fanft, und es genießt, in himmlischen Äther verseßt, goldne Tropfen der Ewigkeit, und um= armt die Urbilder der allerschönsten menschlichen Träume. Und bald, welche herrliche Fülle die Tonkunst mir ganz

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der Bilder! bald ist

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ein Bild unsers Lebens:

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Freude, die aus dem Nichts entsteht und ins

Nichts vergeht, die

anhebt und versinkt, man , weiß nicht warum : eine kleine fröhliche grüne Insel, mit Sonnenschein, mit Sang und Klang, - die auf dem dunkeln, unergründlichen Ocean schwimmt.

Fragt den Tonmeister, warum er so herzlich fröhlich sey auf seinem Saitenspiel. »Ist nicht,« wird er antworten, »das ganze Leben ein schöner Traum? eine liebliche Seifenblase? Mein Tonstück. desgleichen.« —

Wahrlich, es ist ein unschuldiges, rührendes Vergnügen, an Tönen, an reinen Tönen sich zu freuen! Eine kindliche Freude! Wenn Undre sich mit unruhiger Geschäftigkeit betäuben, und von verwirrten Gedanken, wie von einem Heere fremder Nachtvögel und böser Insecten, umschwirrt, endlich ohnmächtig zu Boden fallen; o, so tauch' ich mein Haupt in den heiligen, kühlenden Quell der Töne unter, und die heilende Göttinn flößt mir die Unschuld der Kindheit wieder ein, daß ich die Welt mit frischen Augen erblicke, und in allgemeine, freudige Versöhnung zerfließe. Wenn Andre über selbsterfundene Grillen zanken, oder ein verzweiflungsvolles Spiel des Wißes spielen, oder in der Einsamkeit mißgestaltete Ideen brűten, die, wie die geharnischten Männer der Fabel, verzweiflungsvoll sich selber verzehren; o, so schließ' ich mein Auge zu vor all' dem Kriege

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der Welt, und ziehe mich still in das Land der Musik, als in das Land des Glaubens, zurück, wo alle unsre Zweifel und unsre Leiden sich in ein tönendes Meer verlieren, wo wir alles Gekrächze der Menschen vergessen, wo kein Wort und Sprachengeschnatter, kein Gewirr von Buchstaben und monströser Hieroglyphen - Schrift uns schwindlich macht, sondern alle Angst unsers Herzens durch leise Berührung auf einmahl ge-heilt wird. Und wie? Werden hier Fragen uns beantwortet? Werden Geheimnisse uns offen= bart? Ach nein! aber statt aller Antwort und Offenbarung werden uns luftige, schöne Wolkengestalten gezeigt, deren Anblick uns beruhigt, wir wiffen nicht wie; mit kühner Sicherheit wan deln wir durch das unbekannte Land hindurch, wir begrüßen und umarmen fremde Geisterwesen, die wir nicht kennen, als Freunde, und alle die Unbegreiflichkeiten, die unser Gemüth bestürmen, und die die Krankheit des Menschengeschlechtes find, verschwinden vor unsern Sinnen, und unser. Geist wird gesund durch das Unschauen von Wundern, die noch weit unbegreiflicher und erhabener sind. Dann ist dem Menschen, als möcht' er sagen: »Das ist's, was ich meine! Nun hab' ich's gefunden! Nun bin ich heiter und froh !«

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Laß sie spotten und þöhnen, die Andern, die

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wie auf rasselnden Wagen durch's Leben dahin fahren, und in der Seele des Menschen das Land der heiligen Ruhe nicht kennen. Laß sie sich rühmen ihres Schwindels, und trogen, als ob sie die Welt mit ihren Zügeln lenkten. Es kommen Zeiten, da fie darben werden.

Wohl dem, der, wann der irdische Boden untreu unter seinen Füßen wankt, mit heitern Sinnen auf luftige Töne fich retten kann, und nachgebend, mit ihnen bald sanft sich wiegt, bald muthig dahertanzt, und mit solchem lieblichen Spiele seine Leiden vergißt!

Wohl dem, der, (müde des Gewerbes, Ge= danken feiner und feiner zu spalten, welches die Seele verkleinert,) sich den sanften und mächtigen Zügen der Sehnsucht ergibt, welche den Geist ausdehnen und zu einem schönen Glauben erheben. Nur ein solcher ist der Weg zur allge= meinen, umfassenden Liebe, und nur durch_solche Liebe gelangen wir in die Nähe göttlicher Ee= ligkeit.

Dieß ist das herrlichste und das wunderbarste Bild, so ich mir von der Tonkunst entwerfen obwohl es die meisten für eitle Schwärz merey halten werden.

Fann,

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Aber aus was für einem magischen Präparat steigt nun der Duft dieser glänzenden Geistererschei

nung empor?

Ich sehe zu,

und finde nichts,

als ein elendes Gewebe von Zahlen Proportionen, handgreiflich dargestellt auf gebohrtem Holze, auf Gestellen von Darmsaiten und Messingdraht. Das ist fast noch wunderbarer, und ich möchte glauben, daß die unsichtbare Harfe Gottes zu unsern Tönen mitklingt, und dem menschlichen Zah☛ lengewebe die himmlische Kraft verleiht.

Und wie gelangte denn der Mensch zu dem wunderbaren Gedanken, Holz und Erz tönen zu laffen? Wie kam er zu der köstlichen Erfindung dieser über alles seltsamen Kunst? Das ist ebenfalls wiederum fo merkwürdig und sonderlich, daß ich die Geschichte, wie ich sie mir denke, kürzlich bersehen will.

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Der Mensch ist ursprünglich ein gar unschuldiges Wesen. Wenn wir noch in der Wiege liegen, wird unser kleines Gemüth von hundert unsichtbaren kleinen Geistern ernährt und erzogen, und in allen artigen Künsten geübt. So lernen wir durch's Lächeln, nach und nach, fröhlich seyn, durch's Weinen lernen wir traurig seyn, durch's Angaffen mit großen Augen lernen wir, was erhaben ist, anbethen. Aber so wie wir in der Kindheit mit dem . Spielzeuge nicht recht umzugehen wissen, so wissen wir auch mit den Dingen des Herzens noch nicht recht zu spielen, und verwechseln und verwirren in dieser Schule der Empfindungen noch alles durcheinander.

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