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täglich mit ihm zankte, mit ämsigem, mechanischem Fleiße gar seelenvolle Kunstwerke;

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und Joseph, in dessen harmonischen Werken so geheimnißvolle Schönheit liegt, war verschieden von diesen allen! Ach! daß eben seine hohe Phantasie es feyn mußte, die ihn aufrieb? Soll ich sagen, daß er vielleicht mehr dazu geschaffen war, Kunst zu genießen als auszuüben? Sind diejeni= gen vielleicht glücklicher gebildet, in denen die Kunst still und heimlich wie ein verhüllter Genius arbeitet, und sie in ihrem Handeln auf Erden nicht ftört? Und muß der Immerbegeisterte seine hohen Phantasien doch auch vielleicht als einen festen Einschlag kühn und stark in dieses irdische Leben einweben, wenn er ein ächter Künstler seyn will? — Ja, ist diese unbegreifliche Schöpfungskraft nicht etwa überhaupt ganz etwas anderes, und

--

wie

mir jetzt erscheint etwas noch Wundervolleres, noch Göttlicheres, als die Kraft der Phantasie?

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Der Kunstgeist ist und bleibet dem Menschen ein ewiges Geheimniß, wobey er schwindelt, wenn er die Tiefen desselben ergründen will; aber auch ewig ein Gegenstand der höchsten Bewunderung: wie denn dieß von allem Großen in der Welt zu saɛ gen ist.

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Mein geliebter Joseph Berglinger, deffen rührendes Leben man in den Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders gelesen hat, þat verschiedene Phantasien über die Kunst der Musik, vorzüglich während der Zeit seiner Lehrjahre in der bischöflichen Residenz, zu Papier gebracht, wovon ich Einiges meinem Buche hier anhängen will. — Seine Gesinnungen von der Kunst stimmten mit den meinigen gar wunderbar zusammen, und durch öftere gegenseitige Ergießungen unsers Herzens be= freundeten unsre Gefühle sich immer inniger mit einander. In diesen seinen kleinen Auffäßen übri= gens, welche die Blüthen einzelner schöner Stunden sind, wird man mit Freuden diejenige melodische Harmonie finden, welche wir leider, wenn wir den ganzen Inbegriff seines wirklichen Lebens übersehen, mit so bitterer Betrübniß vermissen.

3.

Ein wunderbares

morgenländisches Mährchen

von einem nackten Heiligen.

Das as Morgenland ist die Heimath alles Wunderbaren, in dem Alterthume und der Kindheit der dortigen Meinungen findet man auch höchst selt= fame Winke und Räthsel, die immer noch dem Verstande, der sich für Flüger hält, aufgegeben werden. So wohnen dort in den Einöden oft seltsame We= sen, die wir wahnsinnig nennen, die aber dort als übernatürliche Wesen verehrt werden. Der orienta=" lische Geist betrachtet diese nackten Heiligen als die wunderlichen Behältnisse eines höhern Genius, der aus dem Reiche des Firmaments sich in eine menschliche Gestalt verirrt hat, und sich nun nicht nach Menschen Weise zu gebehrden weiß. Auch sind je alle Dinge in der Welt so oder anders, nachdem wir sie so oder anders betrachten; der Verstand des Menschen ist eine Wundertinctur, durch deren Be=" rührung alles, was eristirt, nach unserm Gefallen verwandelt wird.

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So wohnte einer dieser nackten Heiligen in eis

ner abgelegenen Felsenhöhle, der ein kleiner Fluß vorüberströmte. Niemand konnte sagen, wie er dorthin gekommen, seit einigen Jahren war er dort bemerkt, eine Caravane hatte ihn zuerst entdeckt, und seitdem geschahen häufige Wallfahrten nach feiner einsamen Wohnung.

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Dieses wunderliche Geschöpf hatte in seinem Aufenthalte Tag und Nacht keine Ruhe, ihm dünkte immer, er höre unaufhörlich in seinen Ohren das Rad der Zeit seinen saufenden Umschwung neh men. Er konnte vor dem Getöse nichts thun, nichts vornehmen, die gewaltige Angst, die ihn in immerwährender Arbeit anstrengte, verhinderte ihn, irgend etwas zu sehen und zu hören, als wie sich mit Braufen, mit gewaltigen Sturmwindssausen das fürchterliche Rad drehte und wieder drehte, das bis an die Sterne und hinüberreichte. Wie ein Wasser= fall von tausend und aber tausend brüllenden Strömen, die vom Himmel herunterstürzten, sich ewig, ewig ohne augenblicklichen Stillstand, ohne die Ruhe einer Secunde ergoffen, so tönte es in seine Ohren, und alle seine Sinne waren mächtig nur darauf hingewandt, seine arbeitende Angst war ime mer mehr und mehr in den Strudel der wilden Verwirrung ergriffen und hineingerissen, immer ungeheurer verwilderten die einförmigen Töne durcheinander: er konnte nun nicht ruhen, sondern man sah ihn Tag und Nacht in der angestrengtesten,

heftigsten Bewegung, wie eines Menschen, der bemüht ist, ein ungeheures Rad umzudrehen. Aus seinen abgebrochen, wilden Reden erfuhr man, daß er sich von dem Rade fortgezogen fühle, daß er dem tobenden, pfeilschnellen Umschwunge mit der ganzen Anstrengung seines Körpers zu Hülfe kom= men wolle, damit die Zeit ja nicht in die Gefahr komme, nur einen Augenblick stillzustehen. Wenn man ihn fragte, was er thue, so schrie er wie in einem Krampf die Worte heraus: Ihr Unglückseli= gen! hört Ihr denn nicht das rauschende Rad der Zeit? und dann drehte und arbeitete er wieder noch þeftiger, daß sein Schweiß auf die Erde floß, und mit verzerrten Geberden legte er die Hand auf sein pochendes Herz, als wolle er fühlen, ob das große Räderwerk in seinem ewigen Gange sey. Er wüthete, wenn er sah, daß die Wanderer, die zu ihm wallfahrteten, ganz ruhig standen, und ihm zusa= hen, oder hin und wieder gingen und mit einander sprachen. Er zitterte vor Heftigkeit, und zeigte ihnen den unaufhaltsamen Umschwung des ewigen Nades, das einförmige, taktmäßige Fortsausen der Zeit; er knirschte mit den Zähnen, daß sie von dem Getriebe, in dem auch sie verwickelt und fortgezogen würden, nichts fühlten und bemerkten; er schleuderte sie von sich, wenn sie ihm in der Rase= rey zu nahe kamen. Wollten sie sich nicht in Ge= fahr sehen, so mußten sie seine angestrengte Bewe

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